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JAHRBUCH - Glowfish

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180 C. G. Jung.<br />

Wir sehen die Libido im Stadium der Kindheit zunächst ganz in der<br />

Form des Ernährungstriebes, der den Aufbau des Körpers versorgt.<br />

Mit der Entwicklung des Körpers eröffnen sich sukzessive neue Anwendungsgebiete<br />

der Libido, Das letzte und in seiner funktionellen<br />

Bedeutung überragende Anwendungsgebiet ist die Sexualität, die<br />

zunächst als außerordentlich an die Ernährungsfunktion gebunden<br />

erscheint. (Beeinflussung der Fortpflanzung durch die Ernährungsbedingungen<br />

bei niederen Tieren und Pflanzen.) Im Gebiet der Sexualität<br />

gewinnt die Libido jene Formung, deren gewaltige Bedeutung uns zur<br />

Verwendung des Terminus Libido überhaupt berechtigt. Hier tritt<br />

die Libido so recht eigentlich als<br />

Propagationstrieb auf, und zwar zunächst<br />

in der Form einer undifferenzierten sexuellen Urlibido, die als<br />

"Wachstumsenergie schlechthin die Individuen zu Teilung, Sprossung<br />

usw. veranlaßt. (Die klarste Scheidung der beiden Libidoformen findet<br />

sich bei den Tieren, bei denen das Ernährungsstadium durch ein Puppenstadium<br />

vom Sexualstadium geschieden ist.)<br />

Aus jener sexuellen Urlibido, welche die Millionen Eier und<br />

Samen aus einem kleinen Geschöpfe heraus erzeugte, haben sich mit<br />

gewaltiger Einschränlmng der Fruchtbarkeit Abspaltungen entwickelt,<br />

deren Funktion durch eine speziell differenzierte Libido unterhalten<br />

wird. Diese differenzierte Libido ist nunmehr ,,desexualisiert",<br />

indem sie der ursprünglichen Funktion der Ei- und Samenerzeugung<br />

entkleidet ist und auch keine Möglichkeit mehr vorhanden ist, sie<br />

wiederum zu ihrer ursprünglichen Funktion zurückzubringen. So besteht<br />

überhaupt der Entwicklungsprozeß in einer zunehmenden Aufzehrung<br />

der Urlibido, welche nur Fortpflanzungsprodukte erzeugte, in die<br />

sekundären Funktionen der Anlockung und des Brutschutzes, Diese<br />

Entwicklung setzt nun ein ganz anderes und viel komplizierteres Ver-<br />

]iältnis zur Wirklichkeit, eine eigentliche Wirklichkeitsfunktion<br />

voraus, die funktionell untrennbar mit den Bedürfnissen der<br />

Propagation verbunden ist, d. h, die veränderte Propagationsweise<br />

führt als Korrelat eine entsprechend erhöhte Wirklichkeitsanpassung<br />

mit sich^).<br />

Auf diese Weise gelangen wir zur Einsicht in gewisse ursprüngliche<br />

Bedingungen der Wirklichkeitsfunktion.<br />

Es wäre grundfalsch zu sagen,<br />

ihre Triebkraft sei eine sexuelle, sie war in hohem Maße eine sexuelle.<br />

^) Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß die Wirklichkeitsfunktion<br />

ausschließlich der Differenzierung der Propagation ihr Dasein verdanke. Der<br />

unbestimmt große Anteil der Ernährungsfunktion ist mir bewußt.

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