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JAHRBUCH - Glowfish

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174 C. G. Jung.<br />

Störungen auf die Ichbesotzungen wird man so wenig von der Hand weisen<br />

dürfen, wie die Umkehrung davon, die sekundäre oder induzierte Störung<br />

der Libidovorgänge durch abnorme Veränderungen im Ich. Ja, es ist<br />

wahrscheinlich, daß Vorgänge dieser Art den unterscheidenden Charakter<br />

der Psychose ausmachen. Was hiervon für die Paranoia in Betracht kommt,<br />

wird sich gegenwärtig nicht angeben lassen. Ich möchte nur einen einzigen<br />

Gesichtspunkt hervorheben. Man kann nicht behaupten, daß der Paranoiker<br />

sein Interesse von der Außenwelt völlig zurückgezogen hat, auch nicht<br />

auf der Höhe der Verdrängung, wie man es etwa von gewissen anderen<br />

Formen von halluzinatorischen Psychosen beschreiben muß. Er nimmt<br />

die Außenwelt wahr, er gibt sich Rechenschaft über ihre Veränderungen,<br />

wird durch ihren Eindruck zu Erklärungsleistungen angeregt und darum<br />

halte ich es für weitaus wahrscheinlicher, daß eine veränderte Relation<br />

zur Welt allein oder vorwiegend durch den Ausfall des Libidointeresses<br />

zu erklären ist."<br />

In diesem Passus tritt Freud deutlich an die Frage heran, ob<br />

der notorische Wirklichkeitsverlust der<br />

paranoiden Demenz (und der<br />

Dementia praecox^), auf den ich in meiner „Psychologie der Dementia<br />

praecox^)" ausdrücklich aufmerksam gemacht habe, auf den Rückzug<br />

des „libidinösen Zuschusses" allein zurückzuführen sei,<br />

oder ob dieser<br />

zusammenfalle mit dem sogenannten objektiven Interesse überhaupt.<br />

Es ist wohl kaum anzunehmen, daß die normale „fonetion du reel"<br />

(Janet)^) nur durch „libidinöse Zuschüsse" oder erotisches Interesse<br />

unterhalten wird. Die Tatsachen liegen so, daß in sehr vielen Fällen die<br />

Wirklichkeit überhaupt wegfäUt, so daß die Kranken nicht eine Spur<br />

von psychologischer Anpassung oder Orientierung erkennen lassen.<br />

(Die Realität ist in diesen Zuständen verdrängt und durch Komplexinhalte<br />

ersetzt.) Man muß notgedrungenerweise sagen, daß nicht nur<br />

das erotische, sondern überhaupt das Interesse, d. h. die ganze Realitätsanpassung<br />

in Verlust geraten ist. In diese Kategorie gehören die stuporösen<br />

und katatonischen Automaten.<br />

An diesen Phänomenen wird es offenbar, daß die aus der Psychologie<br />

der Neurosen (vorzugsweise Hysterie und Zwangsneurose) herübergenommene<br />

Differenzierung des nichtsexuellen Triebes von seinem<br />

libidinösen Zuschuß bei der Dementia praecox (wozu die paranoide<br />

Demenz gehört) versagt, und das aus guten Gründen. Ich habe mir<br />

früher in meiner Psychologie der Dementia praecox mit dem Ausdruck<br />

„psychische Energie" geholfen,<br />

weil ich die Dementia-praecox-Theorie<br />

1) Schiebers Fall ist keine reine Paranoia in modernem Sinne.<br />

2) Ebenso in „Der Inhalt der Psychose", 1908.<br />

ä) Vgl. dazu Jung: Psychologie der Dementia praecox, S. 114.

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