JAHRBUCH - Glowfish
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: 148 Herbert Silberer. Agathe angibt, ein Symbol des Penis und des Lebens. Der Eisweg ist hart; Agathe wundert sich im Traum, daß die Skiläufer dort fahren. Harte Schlange = Erektion. Sie meint im Traum, dieses Fahren sei ein neuer Sport. In der Tat war dieser ,,Ver]cehr" (nämlich der sexuelle) für sie etwas Neues auf dem Weg nach Triest. Daß gewissermaßen rh}iihmisch ,,von Zeit zu Zeit" ein Fahrer auf dem Schlangenweg dahersaust (ins schöne, dunkle fremde Land hinein), scheint auf die rhythmischen Bewegungen beim Geschlechtsverkehr hinzudeuten. Wer sind die Einjährig - Freiwilligen? Ihre Bekleidung weist durch Gleichldang auf den Namen Pauls, der keine Kinder haben wiU und im Traum deshalb ausweicht (aus der Eisbahn tritt), wenn die Fahrer (Spermatozoen) daherkommen (coitus interruptus), und einen Mantel anhat (Condom); außerdem glaubte auch Agathe den einen Einjährigen mit Paul identifizieren zu sollen. Daß zuerst zwei Einjährige waren, scheint teilweise durch die Determination Hoden bestimmt zu sein. Zu ,,Einjähriger" ist noch zu bemerken: Agathe kennt Paul ein Jahr lang. Der Soldat im grauen Mantel hat aber noch eine andere sehr wichtige Bedeutung. Er erinnert Agathe (außer an Paul) auch an einen Herrn F., den sie den ,,Tod" zu nennen pflegte. Der Soldat im grauen Mantel ist der Tod, der nur einen Schritt von Agathens Wege dastand, als sie im Gefolge der Triester Erlebnisse operiert wurde. Sie schaute damals dem Tod ins Antlitz. Der Soldat im Mantel stellt sich (wie Agathe nachträglich angibt) im Traum ihr gegenüber auf. Bei der Operation wurde Agathen ein Ovarium entfernt, das andere belassen. Daher das Verschwinden des einen Soldaten; daß der zweite die Rolle des drohenden Todes übernimmt, hat auch eine dem Krankheitsverlauf entsprechende Bedeutung. Was soll aber der Tod in diesem Traum? Welche aktuelle Regung mobilisiert die düstere Gestalt? Hier sitzt vielleicht der tiefste Gedanke des Traumes: Agathe will ihr Leben rückgängig machen. (Ein mir aus ihren Analysen bereits wohlbekanntes Thema.) Und sie gebraucht im vorliegenden Traum drei Hauptsymbole, um das auszumalen: 1. sie will ein fernes, fremdes Land^) aufsuchen, weil es ^) Ein Märchenland, wo alles sich so verhält, wie wir es wünschen. Der „poetische" Name des Landes „klingt japanisch" — das hängt mit Agathens Schwärmerei für Japan zasammen. Für sie ist Japan das Märchenreich. Jeder
Spermatozoenträume. 149 sie in ihrer Haut nicht leidet; 2. sie ruft den Tod zu Hilfe, der sie von dem Lebensweg (Eisweg) gleichsam abdrängt (sich ihr gegenüberstellt); 3. endlich stellt sie sicli vor, sie sei überhaupt nicht gezeugt worden und vermeide es, als Spermatozoon in den Eisweg des Samenstroms zu geraten, der in das dunkle Land (Leib der Mutter) hineinfließt. Betrachten wir die dritte Phantasie etwas genauer. Sowohl das Ziel der Skiläufer (Triest, Land der Befruchtung) als ihre Herkunft (Vaterleib) ist dunkel. Hier verliert sich eben die Phantasie ins Ungewisse; es fehlen die bestimmten Vorstellungen; auch die Zukunft, das Leben, ist ungewiß, solange man im Keimstadium sich befindet. Es ist undeutlich, ungewiß, woher die Lebensschlange kommt und wohin sie geht. Darum ist es besser, man betritt sie (d. h. den Lebensweg) gar nicht. Wir liaben hier die Todeskomponente der Vaterleibsphantasie klar vor uns. Agathe will den Penis nicht passieren, wie die anderen Spermatozoen, um nicht konzipiert zu werden. Daß die Erfüllung dieses Wunsches im Traum als eine unerwünschte Verhinderung erscheint, hat in psychischen Konflikten Agathens seinen guten Grund, einer Mechanik, auf die ich nicht eingehen kann, ohne sehr weitschweifig zu werden. Der Wunsch, nicht ins Land der Befruchtung zu kommen, macht sich aber ganz deutlich in der gespannten Stimmung (gemischte Gefühle) beim Einfahren des Zuges in die Station geltend. Das Einfahren des Zuges drückt natürlich wieder den Koitus aus; die des Verpassens des richtigen Ortes (eigentlich Angst der richtigen Zeit) hat vielleicht mit dem coitus interruptus zu tun. Eintreffen des Samenstroms, „es kommt" der Orgasmus, Angst, den richtigen Augenblick zu verpassen, mögliche Konzeption usw. Nachträglich fiel Agathen auch der Name des ,,fremden Landes" ein; es hieß Chiuka. Dieses Wort gehört keiner Agathen bekannten Spraclie^) an; es erinnert sie bloß an eine ähnlicli klingende Stelle in einem Wiegenlied (eine Art eia-popeia). Also wieder eine Mensch hat irgend so ein Wunschland, in das er sich gerne versetzt sehen möchte. Bei manchen ist es das Wimderland Indien, bei anderen das Land Amerika, wo alles möglich ist, bei einem andern das Hochgebirge usf. Ebenso ist psychologisch auch das „Jenseits" aufzufassen. Das „fremde Land" Agathens ist auch das Land des Todes, ^) Einige Kollegen aus der Wiener psychoanalytischen Vereinigung machen mich darauf aufmerksam, daß ein sehr ähnlich kUngendes slawisches Wort das weibliche Genitale und den Hecht (der wieder als Symbol für den weiblichen
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Spermatozoenträume. 149<br />
sie in ihrer Haut nicht leidet; 2. sie ruft den Tod zu Hilfe, der<br />
sie von dem Lebensweg (Eisweg) gleichsam abdrängt (sich ihr gegenüberstellt);<br />
3. endlich stellt sie sicli vor, sie sei überhaupt nicht<br />
gezeugt worden und vermeide es, als Spermatozoon in den Eisweg<br />
des Samenstroms zu geraten, der in das dunkle Land (Leib der<br />
Mutter) hineinfließt.<br />
Betrachten wir die dritte Phantasie etwas genauer. Sowohl das<br />
Ziel der Skiläufer (Triest, Land der Befruchtung) als ihre Herkunft<br />
(Vaterleib) ist dunkel. Hier verliert sich eben die Phantasie ins Ungewisse;<br />
es fehlen die bestimmten Vorstellungen; auch die Zukunft,<br />
das Leben, ist ungewiß, solange man im Keimstadium sich<br />
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Es ist undeutlich, ungewiß, woher die Lebensschlange kommt und<br />
wohin sie geht. Darum ist es besser, man betritt sie (d.<br />
h. den Lebensweg)<br />
gar nicht. Wir liaben hier die Todeskomponente der Vaterleibsphantasie<br />
klar vor uns. Agathe will den Penis nicht passieren, wie<br />
die anderen Spermatozoen, um nicht konzipiert zu werden.<br />
Daß die Erfüllung<br />
dieses Wunsches im Traum als eine unerwünschte Verhinderung<br />
erscheint, hat in psychischen Konflikten Agathens seinen guten Grund,<br />
einer Mechanik, auf die ich nicht eingehen kann, ohne sehr weitschweifig<br />
zu werden. Der Wunsch, nicht ins Land der Befruchtung zu kommen,<br />
macht sich aber ganz deutlich in der gespannten Stimmung (gemischte<br />
Gefühle) beim Einfahren des Zuges in die Station geltend. Das Einfahren<br />
des Zuges drückt natürlich wieder den Koitus aus; die<br />
des Verpassens des richtigen Ortes (eigentlich<br />
Angst<br />
der richtigen Zeit) hat<br />
vielleicht mit dem coitus interruptus zu tun. Eintreffen des Samenstroms,<br />
„es kommt" der Orgasmus, Angst, den richtigen Augenblick<br />
zu verpassen, mögliche Konzeption usw.<br />
Nachträglich fiel Agathen auch der Name des ,,fremden<br />
Landes" ein; es hieß Chiuka. Dieses Wort gehört keiner Agathen<br />
bekannten Spraclie^) an; es erinnert sie bloß an eine ähnlicli klingende<br />
Stelle in einem Wiegenlied (eine Art eia-popeia). Also wieder eine<br />
Mensch hat irgend so ein Wunschland, in das er sich gerne versetzt sehen möchte.<br />
Bei manchen ist es das Wimderland Indien, bei anderen das Land Amerika, wo<br />
alles möglich ist, bei einem andern das Hochgebirge usf. Ebenso ist psychologisch<br />
auch das „Jenseits" aufzufassen. Das „fremde Land" Agathens ist auch das<br />
Land des Todes,<br />
^) Einige Kollegen aus der Wiener psychoanalytischen Vereinigung machen<br />
mich darauf aufmerksam, daß ein sehr ähnlich kUngendes slawisches Wort das<br />
weibliche Genitale und den Hecht (der wieder als Symbol für den weiblichen