JAHRBUCH - Glowfish
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- 142 Herbert Silberer. daß Eindrücke des Spermatozoendaseins zu einer psychischen Wirkung solclierart gelangen; Erinnerimgsphantasien sind die Vaterleibsphantasien also nicht. Wohl aber steht ihrem Auftreten als Wunsch Phantasien nichts im Wege; und als solche können sie in mehrfacher Beziehung zu den Mutterleibsphantasien in Parallele gestellt werden. So können z. B. beide als exzessiver Ausdruck der Kückkehr ins Infantile angesehen werden; als Rückgängigmachen des Lebens und somit als Todesphantasien; als innigste sexuelle Annäherung an die Mutter beziehungsweise den Vater oder, allgemein gesprochen, an Weib oder Mann. Der Traum, den Dr. Stekel mir erzählte, war dadurch ausgezeichnet, daß in einer Art von Strom zahlreiche kleine Menschen, Männer und Weiber, dahingUtten; schließlich sah der Träumer aucli sich selbst unter diesen dahintreibenden Menschen. Das Ganze war bildmäßig gesehen. Dr. Stekel kam auf die Idee, daß die kleinen Menschlein in dem Strom als Spermatozoon im Samenstrom zu deuten seien, und die Analyse bestätigte durch einen unerwarteten Determinationszweig diese -Vermutung. Da der Träumer sich selbst unter die Spermatozoon in die Samenflüssigkeit versetzt, träumt er sich in den Vaterleib; er hat (aus welchen Wunschursachen, das ist uns hier gleichgültig) eine Vaterleibsphantasie. Dr. Stekel machte mich bei Besprechung eines andern, ähnlichen Traumes^) auch auf die Übereinstimmung aufmerksam, welche zwischen der Traumauffassung und manchen Vorstellungen primitiver Zeitalter von der Beschaffenlieit des Samens besteht. Beide Auffassungen denken sich nämlich den Samen von kleinen Menschlein (in ausgeprägter menschlicher Gestalt) bevölkert, die später im Mutterleib zur Entwicklung kommen sollen. Es scheint hier, wie in so vielen Fällen, im Traum jene Denkart zur Geltung zu kommen, die dem Geist einer früheren, primitiveren Menschheitsperiode entspricht; sie kommt zur Geltung ent- ^) Dieser Traum wurde von dem gerade anwesenden Dr. Marcinowski mitgeteilt, der von der Traumsituation eine sehr anschauliche Skizze angefertigt hatte. Es handelte sich dabei um ein Menschlein, das an einem aufrechten Turm (erigierten Penis) emporkletterte und den Träumer an einen Töpfer erinnerte. Dr. Stekel löste das Rätsel dieses Töpfers, indem er ihn (durch weitere Angaben unterstützt) als Spermatozoon agnoszierte. Der „Töpfer" stimmt hierzu sehr gut, denn der Töpfer formt und gestaltet den rohen Ton, und das befruchtende Spermatozoon ist die Ursache eines ähnUchen Prozesses am Keimplasma; Plasma- Plastik. Man behalte die Töpfersymbolik im Auge und vergleiche sie mit der später genannten Brotteigsymbolik.
Spermatozoenträume. 143 weder als etwas von jenen früheren Zeiten her Anliaftendes oder aber, in aktueller Entstehung, deshalb, weil sich die schlafende (apperzeptiv geschwächte) Psyche den Naturproblemen gegenüber in die gleiche relativ unbeholfene Lage versetzt sieht wie die wache Psyche des primitiveil Menschen: ähnliche Entstehungsbedingungen geben dann ähnliche Resultate. Man liat bei der Beurteilung der Träume stets mit dem Hereinragen von Elementen aus primitiven Zeiten zu rechnen; ja, die ganze Einrichtung des Träumers muß, worauf hinzuweisen übrigens Freud nicht vergessen liat, unter entsprechenden Gesichtspunlctsn betrachtet werden, wenn man ihr von Grund aus bei kommen will. Auf die Spermatozoenträume zurückkommend, muß ich noch anführen, daß ein gemeinsames Merkmal der zwei mir bei Dr. Stekel bekanntgewordenen Träume darin bestand, daß eine Andeutung an Schmieriges oder Klebriges (Beschaffenheit der Samenflüssigkeit) vorkam^). Am Tage nach der Besprechung mit Dr. Stekel erzählte mir eine Dame, die ich Fräulein Agathe nenne, einen Traum. Ich habe schon viele Träume der Dame analysiert und bin infolgedessen in ihrer Symbolsprache und in ihren Komplexen ziemlicli lautete wie folgt. bewandert. Die Erzählung Traum-) vom 6. Januar 1912: ,,Ich war auf einer Eisenbahnfahrt; oder eigentlich so: ich bin auf einem Schneefeld gestanden, auf halbgeschmolzenem Schnee; ringsum Winterlandschaft. Ein schmaler, schlangenartig verlaufender Eisweg führt in ein fremdes Land, dessen Namen ich im Traum wußte und mir dabei vornahm, ihn mir recht gut zu merken (ich habe ihn aber vergessen). Ich stehe neben dem Weg und schaue zu, wie von Zeit zu Zeit Leute auf dem harten Eis wie mit Ski hinuntersausen; ich denke mir, das ist ein neuer Sport; eigentlich sind es kleine längliche Kähne, in denen ein Mann steht. Das ganze Bild ist wie ein bloßes Gemälde (spätere Angabe: wie Stiche) und die Männer in den Kähnen sind sehr dünn und zart gezeichnet. Wo ich stehe, ist eine große Biegung. Zwei Einjährig-Freiwillige kommen denselben Weg (den Eisweg) zu Fuß her- Töpferton. ^) In dem in voriger Anmerkung erwähnten Fall war das natürlich der *) Die Parenthesen in runden Klammem stammen von Agathe selbst, die in eckigen Klammern von mir.
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solclierart gelangen; Erinnerimgsphantasien sind die Vaterleibsphantasien<br />
also nicht. Wohl aber steht ihrem Auftreten als Wunsch<br />
Phantasien nichts im Wege; und als solche können sie in mehrfacher<br />
Beziehung zu den Mutterleibsphantasien in Parallele gestellt werden.<br />
So können z. B. beide als exzessiver Ausdruck der Kückkehr ins Infantile<br />
angesehen werden; als Rückgängigmachen des Lebens und<br />
somit als Todesphantasien; als innigste sexuelle Annäherung an die<br />
Mutter beziehungsweise den Vater oder, allgemein gesprochen, an<br />
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Der Traum, den Dr. Stekel mir erzählte, war dadurch ausgezeichnet,<br />
daß in einer Art von Strom zahlreiche kleine Menschen,<br />
Männer und Weiber, dahingUtten; schließlich sah der Träumer aucli<br />
sich selbst unter diesen dahintreibenden Menschen. Das Ganze war<br />
bildmäßig gesehen. Dr. Stekel kam auf die Idee, daß die kleinen<br />
Menschlein in dem Strom als<br />
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seien, und die Analyse bestätigte durch einen unerwarteten Determinationszweig<br />
diese -Vermutung. Da der Träumer sich selbst unter<br />
die Spermatozoon in die Samenflüssigkeit versetzt, träumt er sich<br />
in den Vaterleib; er hat (aus welchen Wunschursachen, das ist uns<br />
hier gleichgültig) eine Vaterleibsphantasie. Dr. Stekel machte<br />
mich bei Besprechung eines andern, ähnlichen Traumes^) auch auf<br />
die Übereinstimmung aufmerksam, welche zwischen der Traumauffassung<br />
und manchen Vorstellungen primitiver Zeitalter von der Beschaffenlieit<br />
des Samens besteht. Beide Auffassungen denken sich<br />
nämlich den Samen von kleinen Menschlein (in ausgeprägter menschlicher<br />
Gestalt) bevölkert, die später im Mutterleib zur Entwicklung<br />
kommen sollen. Es scheint hier, wie in so vielen Fällen, im Traum jene<br />
Denkart zur Geltung zu kommen, die dem Geist einer früheren, primitiveren<br />
Menschheitsperiode entspricht; sie kommt zur Geltung ent-<br />
^) Dieser Traum wurde von dem gerade anwesenden Dr. Marcinowski<br />
mitgeteilt, der von der Traumsituation eine sehr anschauliche Skizze angefertigt<br />
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Es handelte sich dabei um ein Menschlein, das an einem aufrechten Turm<br />
(erigierten Penis) emporkletterte und den Träumer an einen Töpfer erinnerte.<br />
Dr. Stekel löste das Rätsel dieses Töpfers, indem er ihn (durch weitere Angaben<br />
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gut, denn der Töpfer formt und gestaltet den rohen Ton, und das befruchtende<br />
Spermatozoon ist die Ursache eines ähnUchen Prozesses am Keimplasma; Plasma-<br />
Plastik. Man behalte die Töpfersymbolik im Auge und vergleiche sie mit der<br />
später genannten Brotteigsymbolik.