JAHRBUCH - Glowfish
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Aus der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich. Psychologische Analyse eines Paranoiden. Von Seil. Grebelskaja. Krankengeschiclite. Des Patienten Vater war immer etwas sonderbar, verschlossen, aber intelligent und arbeitsam. Die Mutter war debil, ist an Phthise gestorben. Ein Bruder des Vaters soll Selbstmord begangen haben. Eine Schwester des Patienten litt an Dementia praecox, eine andere ist imbezill. Ein Bruder und eine Schwester sind gesund und intelligent. Patient ist 1869 geboren. Schon als Kind war er etwas reizbf.r. In der Schule war er fleißig, durch, las auch sehr viel. machte die Primär- und Sekundärschule Schon in der Schule klagte er den Lehrern, die Schüler lachten ihn aus, besonders während des Turnens. Er hatte keine Kameraden, zog sich zurück, spielte wenig. Mit 16 Jahren ging er in die Lehre zu einem Mechaniker, weil ihm dieser Beruf am meisten imponierte, bekam aber so starkes Heimweh nach dem Vater (wie er mir angab), daß er schon nach 14 Tagen die Stelle verließ. Er wurde nun Kellner und arbeitete als solcher in verschiedenen Städten der Schweiz, Frankreichs und Englands. Auch dieser Beruf machte ihm aber keine Freude und er entschloß sich, mit dem Vater zusammen das Geschäft (Hutfabrik) weiterzuführen. Er übernahm eine ziemlich selbständige Stellung, wobei es ziemlich gut ging. Das Verhältnis zum Vater war in dieser Zeit besonders gut ; der Patient lernte sehr viel von ihm. Im Jahre 1897 machte er die Bekanntschaft eines jungen Mädchens, mit dem er sich bald verlobte. Patient meinte aber, der französische Zug in ihrem Charakter (sie hatte französisches Blut), paßte nicht gut zu seiner ruhigen Familie. Er verdächtigte sie bald der Untreue und löste nach einiger Zeit die Verlobung. Er fühlte sich nun von allen Leuten gekränkt, wurde stark nervös. Mit besonderer Liebe und mit Erfolg gab er sich dem Schießsport hin. Inzwischen war er immer verstimmt, mißtrauisch, verlor Schlaf und Appetit.
Psychologische Analyse eines Paranoiden. 1^' Als er einmal abends im Jahre 1900 nach Hause ging, wurde er angerempelt und, als er anfing zu schimpfen, auch noch durchgeprügelt. In der Finsternis erkannte er den Täter nicht, war aber überzeugt, daß das ein gewisser D. sei, der mit ihm in der Sekundärschule zusammen war, wo D. der beste Turner war. Er verklagte den Betreffenden, hatte aber nachher keine Ruhe. Der vermeintliche Täter und seine Freunde wurden vom Patienten verdächtigt, daß sie ihn immer verspotteten, daß sie Hilferufe nachahmten, die er beim Überfall ausgestoßen habe. Es sei ein Komplott gegen ihn; man schikaniere ihn; besonders in der Nacht machten sie sich im gegenüberliegenden Restaurant über ihn lustig, machten Anspielungen auf die Begebenheiten jener Nacht, alles laut, damit er es hören solle. Daraufhin drohte er einem von den Kameraden des D., „ihn kaput zu machen", zog sogar seinen Revolver heraus, den er in der letzten Zeit immer tiug, um sich vor den Feinden zu schützen. Auf die Klage dieses 0. wurde Patient ärztlich untersucht und mit der Diagnose „Paranoia" wegen Gemeingefährlichkeit der Anstalt überwiesen. Hier ergab sich, daß er sich von allen verfolgt fühlte; wenn jemand schrie, hustete, lachte, so bezog er alles Auch hörte er Stimmen. auf sich. Als aber der Patient sich etwas beruhigt hatte und versprach, keine Waffen mehr zu tragen, wurde er auf Zusehen hin entlassen. Nach einiger Zeit hatte er sich freiwillig in eine andere Anstalt aufnehmen lassen, um sich den Verfolgungen zu entziehen. 1903 wurde er von der Polizei wieder in die Anstalt gebracht, weil er wiederum gemeingefährlich wurde. Er meinte, man wolle ihn töten. Einmal hatte er sich aus dem Fenster stürzen wollen, um sich vor den Feinden zu retten. Er bildete sich ein, daß die Leute ihn schikanieren, seine Gedanken erraten, ihn lebend sezieren wollen, seinen Körper auf verschiedene Art schwächen. Status praesens bei der Aufnahme. Klein, schmächtig, mit einem gewissen scheuen und argwöhnischen Ausdruck steht oder geht Patient auf der halbruhigen Abteilung umher mit gesenktem Kopfe, stets sichtlich innerlich beschäftigt, wenn er nicht schreibt oder seine Erfindungen konstruiert. Den Ärzten gegenüber macht er sich beständig durch allerlei Mitteilvmgen bemerkbar, teils über seine Erfindungen, seine Freilassimg, seine erwiesene Gesimdheit, über Beobachtungen von allerlei seiner Meinung nach unsauberen Ungehörigkeiten auf der Abteilung, etwa auch einmal über allerlei Beschwerden. iJabei ist Patient durchaus nicht harmlos und man hat sich sehr zu hüten,
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Als er einmal abends im Jahre 1900 nach Hause ging, wurde er angerempelt<br />
und, als er anfing zu schimpfen, auch noch durchgeprügelt.<br />
In der Finsternis erkannte er den Täter nicht, war aber überzeugt,<br />
daß das ein gewisser D. sei, der mit ihm in der Sekundärschule zusammen<br />
war, wo D. der beste Turner war. Er verklagte den Betreffenden, hatte<br />
aber nachher keine Ruhe.<br />
Der vermeintliche Täter und seine Freunde<br />
wurden vom Patienten verdächtigt, daß sie ihn immer verspotteten,<br />
daß sie Hilferufe nachahmten, die er<br />
beim Überfall ausgestoßen habe.<br />
Es sei ein Komplott gegen ihn; man schikaniere ihn; besonders in der<br />
Nacht machten sie sich im gegenüberliegenden Restaurant über ihn<br />
lustig,<br />
machten Anspielungen auf die Begebenheiten jener Nacht, alles<br />
laut, damit er es hören solle. Daraufhin drohte er einem von den<br />
Kameraden des D., „ihn kaput zu machen", zog sogar seinen Revolver<br />
heraus, den er in der letzten Zeit immer tiug, um sich vor den Feinden<br />
zu schützen.<br />
Auf die Klage dieses 0. wurde Patient ärztlich untersucht<br />
und mit der Diagnose „Paranoia" wegen Gemeingefährlichkeit der<br />
Anstalt überwiesen. Hier ergab sich, daß er sich von allen verfolgt<br />
fühlte; wenn jemand schrie, hustete, lachte, so bezog er alles<br />
Auch hörte er<br />
Stimmen.<br />
auf sich.<br />
Als aber der Patient sich etwas beruhigt hatte und versprach,<br />
keine Waffen mehr zu tragen, wurde er auf Zusehen hin entlassen.<br />
Nach einiger Zeit hatte er sich freiwillig in eine andere Anstalt<br />
aufnehmen lassen, um sich den Verfolgungen zu entziehen.<br />
1903 wurde<br />
er von der Polizei wieder in die Anstalt gebracht, weil er wiederum<br />
gemeingefährlich wurde. Er meinte, man wolle ihn töten. Einmal<br />
hatte er sich aus dem Fenster stürzen wollen, um sich vor den Feinden<br />
zu retten.<br />
Er bildete sich ein, daß die Leute ihn schikanieren, seine Gedanken<br />
erraten, ihn lebend sezieren wollen, seinen Körper auf verschiedene<br />
Art schwächen.<br />
Status praesens bei der Aufnahme.<br />
Klein, schmächtig, mit einem gewissen scheuen und argwöhnischen<br />
Ausdruck steht oder geht Patient auf der halbruhigen Abteilung umher<br />
mit gesenktem Kopfe, stets sichtlich innerlich beschäftigt, wenn er nicht<br />
schreibt oder seine Erfindungen konstruiert. Den Ärzten gegenüber<br />
macht er sich beständig durch allerlei Mitteilvmgen bemerkbar, teils über<br />
seine Erfindungen, seine Freilassimg, seine erwiesene Gesimdheit, über<br />
Beobachtungen von allerlei seiner Meinung nach unsauberen Ungehörigkeiten<br />
auf der Abteilung, etwa auch einmal über allerlei Beschwerden.<br />
iJabei ist Patient durchaus nicht harmlos und man hat sich sehr zu hüten,