JAHRBUCH - Glowfish
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112 Otto Rank. zugrunde. Und so werden wir uns nicht wu)idern, wenn die Sintfiutsage, wie im biblischen Bericht, auf die völlige Vernichtung des „sündhaften" Menschengeschlechts ausgeht und dann der oder die einzig übriggebliebenen Menschen das neue (reschlecht notwendigerweise durch Inzestverbindungen wieder erschaffen müssen, wie noch deutlich in der Sintbrandsage von Lot und seinen Töchtern; andere Male erscheint diese Wiederkehr des verdrängten (bestraften) Inzests verdeckt oder S3'mbolisch eingekleidet (vgl. dazu die erwähnten ,, Völkerpsychologischen Parallelen zu den infantilen Sexualtheorien"). Diese Wiederkehr des Inzests löst sich dann bei weiterer Analyse in eine einfache Rechtfertigung der Inzestpliantasien durch Schaffung einer Situation, in der ihre Durchsetzung nicht nur erlaubt, sondern im Interesse der Erhaltung des Menschengeschlechtes geradezu gefordert wird. Diese ganze psychosexuelle Phantasiebildung von infantilen Zeugungstheorien (Inzest) und Geburtsauffassungen ist aber im Wecktraum wie in den ihm entsprechenden Mythenbildungen unterfüttert von der frühinfantilen und regressiv wiederbelebten liarnerotik, mit deren Verdrängung die psychische Schichtung einsetzt. Das ist aber individuell imd entwicklungsgeschichtlich gegeben durch die Einschränkung der natüilichen Verrichtungen auf gewisse Zeiten und unter Schamempfindung (vgl. noch unser „auf die Seite gehen"). Daher entsteht auch die große, verderbliche Flut, aus der dann das neue Menschengeschlecht hervorgeht, aus einem ungeheueren Regen, den wir als typisches Urinsymbol bereits kennen, und der in anderen Überlieferungen mit sexueller Symbolbedeutung als das die Mutter Erde befruchtende Naß, als Sperma, erscheint (vgl. Völkerpsycholog. Parallelen zu den inf. Sex. Theorien). Diese Zurückführung der Flutsagen in einer ihrer tiefsten Schichtungen auf den vesikalen Traum ist jedoch nicht, wie böswillige Kritiker vielleicht gern möchten, eine mutwillige Erfindung der Ps3^choanalytiker, sondern drängt sich bei vorurteilsfreier Prüfung des Materials auch anderen Forschern auf. Und wenn auch erst psychoanalytische Ergebnisse und Methodik die breite allgemeinmenschliche Fundierung dieser Auffassung anzubahnen vermögen, so finden sich doch Andeutungen derselben bereits bei einzelnen Mythologen. So bringt Stucken (1. c. S. 264 Annierkg.) auf Grund einer esthnischen Überlieferung die Flutsagen mit dem Urinieren in Verbindung und ähnhch spricht W. Schultz^) mit Hinweis auf vereinzelte Überlieferungen von einem Ursprung der ^) Das Geschlechtliche in gnostischer Lehre iind Übung (Zeitschrift für Religionspsychologie, Bond V (1911), Heft 3, S. 85, Anmerkung 1).
Die Symbolschichtung im "Wecktranm tisw. lü Sintflut aus dem cunnus. Einer Verknüpfung, die sich mit t5rpiscEer Wiederkehr in unseren nächtlichen Träumen, in Glaube, Sprachgebrauch und Witz, in Sagen- und Mythenbildung der Kultur- und Naturvölker sowie in den seltsam ähnlichen Produktionen der Gemüts- und Geisteskranken in gleicher Weise findet, muß wohl ein sehr allgemeiner und allermenschhchster Inhalt zugrunde hegen. In wie disparaten psychischen Gebüden sich diese gleiche Beziehung immer wieder verrät, sei schheßhch noch an der Gegenüberstellung dreier grundverschiedener In seiner Gestaltungen des gleichen Komplexzusammenhanges gezeigt. Studie über „die Sexualität der Epileptiker'-' (Jahrb. I) hat Maeder unter anderem den sehr interessanten Fall eines mit Koprophagie und Urolagnie behafteten Patienten mitgeteilt, der eine Reihe der typischen ,, infantilen Sexualtheorien" aufweist. So glaubt Patient, daß im Urin der Samen enthalten ist. (Zahlreiche Patientinnen sagen, sie dürfen weder Urin noch IMilch trinken, sonst werden sie schwanger.) Der Urin ist für ihn der Anteil des Mannes an der Schöpfung eines neuen Lebewesens. Der ,,Brunzer' werde bei der Annäherung mit der Frau eingeführt, das ,,Brunzeln" selbst sei der wichtigste Akt. Am nächsten Tage ist der Boden der Zelle ganz naß: ,,ich habe mich hingelegt und laufen lassen; das verbreitet das Leben, eine Zeugung hat stattgefunden". In diesem Stadium erlebt er regelmäßig die Sintflut, die er selbst, als Gott, durch Urinieren macht. Er betont gern: Sündflut, er hat gesündigt. Eine Jugendfreundin tritt regelmäßig als Eva auf. Die Epilepsie sei auch eine Buße für die Sünde" (S. 146). Wir sehen hier nicht nur, daß der Geisteskranke den vesikalen Traum, den wir träumen, in Handlung umsetzt, ihn zu reaUsieren sucht, weil er für ihn lustvoU ist, sondern wie er ihn, ganz wie in imserer zweiten Traumschichte, sexualisiert. Aber nicht ntir die Zeugung symbolisiert ihm der Akt, sondern direkt, in völliger Analogie zu der Traumsymbolik, auch den Geburtsvorgang. ,, Einmal trifft man ihn nackt auf dem Boden der ZeUe, in seinem Urin badend, ,,es habe eine Entbindung stattgefunden" (S. 145). Diesem pathologischen Ausdruck der S}Tnbolbedeutung imd dem von ethischer Tendenz durchdrungenen biblischen Bericht stehen wir eine naive Sage der amerikanischen Naturvölker und schheßhch ein Detail aus einer hochwertigen mythischen Erzählung der Antike gegenüber. Es klingt fast wie eine ironisiererde Umkehrung der bibhschen Flutsage, wo die Arche ,,am siebenzehnten Tage des siebenten Monats" sich auf dem Gebirge Ararat niederläßt, wenn in einer Mythe aus Heiltsuk (Probe nius I, 299) Mann und Frau Jahrbuch für psychoannlyt. n. psychopathol. Forschunien. IV. S
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112 Otto Rank.<br />
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wie im biblischen Bericht, auf die völlige Vernichtung des „sündhaften"<br />
Menschengeschlechts ausgeht und dann der oder die einzig<br />
übriggebliebenen Menschen das neue (reschlecht notwendigerweise<br />
durch Inzestverbindungen wieder erschaffen müssen, wie noch deutlich<br />
in der Sintbrandsage von Lot und seinen Töchtern; andere Male erscheint<br />
diese Wiederkehr des verdrängten (bestraften) Inzests verdeckt<br />
oder S3'mbolisch eingekleidet (vgl. dazu die erwähnten ,, Völkerpsychologischen<br />
Parallelen zu den infantilen Sexualtheorien"). Diese Wiederkehr<br />
des Inzests löst sich dann bei weiterer Analyse in eine einfache Rechtfertigung<br />
der Inzestpliantasien durch Schaffung einer Situation, in der<br />
ihre Durchsetzung nicht nur erlaubt, sondern im Interesse der Erhaltung<br />
des Menschengeschlechtes geradezu gefordert wird. Diese ganze psychosexuelle<br />
Phantasiebildung von infantilen Zeugungstheorien (Inzest)<br />
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aber im Wecktraum wie in den ihm entsprechenden<br />
Mythenbildungen unterfüttert von der frühinfantilen<br />
und regressiv wiederbelebten liarnerotik, mit deren Verdrängung<br />
die psychische Schichtung einsetzt. Das ist aber individuell imd entwicklungsgeschichtlich<br />
gegeben durch die Einschränkung der natüilichen<br />
Verrichtungen auf gewisse Zeiten und unter Schamempfindung (vgl. noch<br />
unser „auf die Seite gehen"). Daher entsteht auch die große, verderbliche<br />
Flut, aus der dann das neue Menschengeschlecht hervorgeht, aus<br />
einem ungeheueren Regen, den wir als typisches Urinsymbol bereits<br />
kennen, und der in anderen Überlieferungen mit sexueller Symbolbedeutung<br />
als das die Mutter Erde befruchtende Naß, als Sperma,<br />
erscheint (vgl. Völkerpsycholog. Parallelen zu den inf. Sex. Theorien).<br />
Diese Zurückführung der Flutsagen in einer ihrer tiefsten Schichtungen<br />
auf den vesikalen Traum ist jedoch nicht, wie böswillige Kritiker<br />
vielleicht gern möchten, eine mutwillige Erfindung der Ps3^choanalytiker,<br />
sondern drängt sich bei vorurteilsfreier Prüfung des Materials auch<br />
anderen Forschern auf. Und wenn auch erst psychoanalytische Ergebnisse<br />
und Methodik die breite allgemeinmenschliche Fundierung<br />
dieser Auffassung anzubahnen vermögen, so finden sich doch Andeutungen<br />
derselben bereits bei einzelnen Mythologen. So bringt Stucken (1. c.<br />
S. 264 Annierkg.) auf Grund einer esthnischen Überlieferung die Flutsagen<br />
mit dem Urinieren in Verbindung und ähnhch spricht W. Schultz^)<br />
mit Hinweis auf vereinzelte Überlieferungen von einem Ursprung der<br />
^) Das Geschlechtliche in gnostischer Lehre iind Übung (Zeitschrift für<br />
Religionspsychologie, Bond V (1911), Heft 3, S. 85, Anmerkung 1).