JAHRBUCH - Glowfish

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110 . Otto Rank. infantile Auffassung der Schwangerschaft (Aufenthalt im Mutterleib) und des Geburtsvorganges kaum zweifelhaft sein; manche der Überlieferungen symbolisieren den Geburtsvorgang mit aller detaillierten Deutlichkeit (vgl. Beispiel F. S. 66 bis 68 u. v. a. bei Frobenius) und meist spielt in der Geschichte überdies auch eine Schwangere eine Rolle. Der Aufenhalt im „Bauch" und die Ernährung im Mutterleib kann wohl nicht deuthcher geschildert werden und nur die Verblendung allem gegenüber, was mit der Sexualität in Verbindung steht, konnte diese Bedeutung des Mythus bis jetzt übersehen. Der ursprünghch feindliche und dann zum „Retter" gewordene Fisch ist in der Flutsage zum bergenden Schiff (das lautlich merkwürdigerweise der Umkehrung von Fisch entspricht) und im Aussetzungsmythus zum schützenden Kasten oder Körbchen geworden, symbolisiert aber überall in gleicher Weise den bergenden Mutterschoß (vgl. dazu auch die interessanten Geburtsphantasien einer Dementia-praecox Kranken, die S. Spielrein im diesem Jahrb. III, S. 367 fg. analysiert hat; z. B. „Schiffsgefahr" = Abortus usw.). In der indischen Flutsage ist es beispielsweise ein Wunderfisch der die Arche Manus dem rettenden Berge zuführt (Wundt S. 176). Für den Aussetzungsmythus habe ich den Nachweis der Geburtsbedeutung im Detail zu erbringen gesucht in meiner Arbeit über den „Mythus von der Geburt des Helden" (Deuticke 1909), wo ich bereits andeutete (S. 71 Anmerk.), daß die Flutsagen nichts anderes zu sein scheinen als der universelle Ausdruck des Aussetzungsmythus^), der die feindhche Aussetzung (Geburt) des Helden meist durch den Vater im Kästchen ins Wasser und seine wunderbare Rettung durch hilfreiche Tiere (vgl. den rettenden Fisch) oder gutherzige Menschen zum Inhalt hat. In der Sintflutsage ist die ganze Menschheit in einem Vertreter zum Helden geworden, der zürnende Vater erscheint als der himmlische und auch hier erfolgt die Rettung (i. e. Wiedererzeugung) des Menschengeschlechtes aus der großen Gefahr. Ja, die bibhsche Aussetzungssage von Moses bietet insofern das direkte Gegenstück zur biblischen Flutsage von Noah, als der verpichte Kasten, in dem Noah auf dem Wasser schwimmt, ^) Die Flutsagen werden aucli aus rein mythologischen Gründen mit den Aussetzungs- und Verschlingungsmythen in Parallele gesetzt, z. B. von Wundt, Frobenius u. v. a., weil die Übereinstimmung in den einzelnen Elementen, namentlich den symbolischen Details, zu auffällig ist. Wir suchen diese Zusammengehörigkeit hier von der psychologischen Seite zu verstehen. zu erweisen und zugleich

Die Symbol Schichtung- im Wecktraum usw. 111 im Alten Testament mit demselben Worte (tebah) bezeichnet ist wie das Gefäß, in dem der kleine Moses ausgesetzt wird (Jeremias: Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, 2. Aufl. Leipzig 1906, S. 250). Flutsage und Aussetzungsmythus bedienen sich also ebenso der gleichen Sym^bolik wie der vesikale Harnreiz und der sexuelle Geburtstraum und die zwei Formen oder Bedeutungsschichten der Flutsagen entsprechen vollauf bis ins Detail der in imseren Traumbeispielen aufgedeckten Übereinanderlagerung von vesikaler mid sexueller Symbolik. Zum Unterschied von dem vorwiegend sexualsymbolisch eingekleideten Verschlingungs- und Aussetzungsmythus, der die Geburtsgeschichte und den Familienroman betont, ist in der Flutsage der Hauptakzent auf die große stets anwachsende und gefahrdrohende Wassermenge gelegt, was wir eben mit dem vorwiegend vesikalen Anteil bei dieser Sagengruppe in Zusammenhang bringen. Unter den Flutsagen selbst gibt es dann, wie bereits erwähnt, wieder solche, die fast nur den vesikalen Traum widerspiegeln (die einfachen und schmucklosen mancher Naturvölker), andere, die über diese primitive (infantile) Schichte die spätere sexuelle gelagert zeigen (wie der bibUsche Bericht), der ja eine vollständige Wiedergeburt des Menschengeschlechtes enthält. Die ethisch-religiöse Tendenz wird uns in diesem Bericht als dritte oberste Schichte verständhch, die der sexuellen Schichtung widerspricht und als Niederschlag ihrer Verdrängung anzusehen ist, indem ja die Strafe der Sintflut wegen der sexuellen Ausschweifungen und der damit verbundenen Vermehrung (Geburten) der Menschen verhängt wird^), ähnlich wie in der bibhschen Sintbrandsage^), der Zerstörung Sodoms und Gomorrhas. Hier zweigt dann der Weg in eine andere psychische Schichte ab, die einen Hauptanteil der Triebkraft für die Mythenbildung liefert. Dieser anstößige und sträfliche Sexualverkehr erweist sich bei eingehender Untersuchmig nicht nur, wie das Alte Testament deutlich zeigt, fast immer als ein inzestuöser (oder als sonst speziell verbotener und anstößiger; Lotsage), sondern auch dem Aussetzungsmythus liegt ja der gleiche zum Familienroman ausgebildete Komplex ^) Genesis, Kapitel 6: „Da sich aber die Menschen beginneten zu mehren auf Erden, und zeugten ihnen Töchter; da sahen die Kinder Gottes nach den Töchtern der Menschen, wie sie schön waren, und nahmen zu Weibem, welche sie wollten." -) Auch bei der Sintflut wird das verderbhche Naß warm gedacht. Die Sanhedrinstelle spricht von ,, heißem Wasser", wie die Sintflut im Koran. — Der Prophet des babylonischen Exils nennt die Sintflut mc No'äch, das Wasser Noahs.

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Otto Rank.<br />

infantile Auffassung der Schwangerschaft (Aufenthalt im Mutterleib)<br />

und des Geburtsvorganges kaum zweifelhaft sein; manche der Überlieferungen<br />

symbolisieren den Geburtsvorgang mit aller detaillierten<br />

Deutlichkeit (vgl. Beispiel F. S. 66 bis 68 u. v. a. bei Frobenius)<br />

und meist spielt in der Geschichte überdies auch eine<br />

Schwangere eine<br />

Rolle. Der Aufenhalt im „Bauch" und die Ernährung im Mutterleib<br />

kann wohl nicht deuthcher geschildert werden und nur die Verblendung<br />

allem gegenüber, was mit der Sexualität in Verbindung steht, konnte<br />

diese Bedeutung des Mythus bis jetzt übersehen. Der ursprünghch<br />

feindliche und dann zum „Retter" gewordene Fisch ist in der Flutsage<br />

zum bergenden Schiff (das lautlich merkwürdigerweise der Umkehrung<br />

von Fisch entspricht) und im Aussetzungsmythus zum schützenden<br />

Kasten oder Körbchen geworden, symbolisiert aber überall in gleicher<br />

Weise den bergenden Mutterschoß (vgl. dazu auch die interessanten<br />

Geburtsphantasien einer Dementia-praecox Kranken, die S. Spielrein<br />

im diesem Jahrb. III, S. 367 fg. analysiert hat; z. B. „Schiffsgefahr"<br />

= Abortus usw.). In der indischen Flutsage ist es beispielsweise<br />

ein Wunderfisch der die Arche Manus dem rettenden Berge<br />

zuführt (Wundt S. 176). Für den Aussetzungsmythus habe ich<br />

den Nachweis der Geburtsbedeutung im Detail zu erbringen gesucht<br />

in meiner Arbeit über den „Mythus von der Geburt des Helden"<br />

(Deuticke 1909), wo ich bereits andeutete (S. 71 Anmerk.), daß die Flutsagen<br />

nichts anderes zu sein scheinen als der universelle Ausdruck des<br />

Aussetzungsmythus^), der die feindhche Aussetzung (Geburt) des<br />

Helden meist durch den Vater im Kästchen ins<br />

Wasser und seine<br />

wunderbare Rettung durch hilfreiche Tiere (vgl. den rettenden Fisch)<br />

oder gutherzige Menschen zum Inhalt hat. In der Sintflutsage ist die<br />

ganze Menschheit in<br />

einem Vertreter zum Helden geworden, der zürnende<br />

Vater erscheint als der himmlische und auch hier erfolgt die<br />

Rettung (i. e. Wiedererzeugung) des Menschengeschlechtes aus der<br />

großen Gefahr. Ja, die bibhsche Aussetzungssage von Moses bietet<br />

insofern das direkte Gegenstück zur biblischen Flutsage von Noah,<br />

als der verpichte Kasten, in dem Noah auf dem Wasser schwimmt,<br />

^) Die Flutsagen werden aucli aus rein mythologischen Gründen mit den<br />

Aussetzungs- und Verschlingungsmythen in Parallele gesetzt, z. B. von Wundt,<br />

Frobenius u. v. a., weil die Übereinstimmung in den einzelnen Elementen,<br />

namentlich den symbolischen Details, zu auffällig ist. Wir suchen diese Zusammengehörigkeit<br />

hier von der psychologischen Seite<br />

zu verstehen.<br />

zu erweisen und zugleich

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