JAHRBUCH - Glowfish

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108 Otto Rank. des Wassers entsprechenden Schiff: all das drängt zur Aulfassiing, daß auch die Flutsagen mit einer tiefreichenden Schichte ihrer Bedeutung in diesen psychischen Zusammenhang einzureihen sind. Es kann sich hier nicht um eine eingehende Untersuchung all dieser durch Zeit und Raum so weit getrennten Überlieferungen bei Kulturund Naturvölkern handeln, welche dem Gestaltvmgs- und Bedeutungswandel dieses zum Teil hochkomplizierten Mythus im einzehien nachgeht. Wir kennen heute bereits gegen 200 verschiedene Flutsagen, die rein stofflich schon eine eigene Bearbeitung erfordern wüi-den. Wir wollen uns hier damit begnügen, das ungeheuere Material auf Grund der erkannten Symbohk schematisch zu sondern und von den ziemhch gut voneinander zu lösenden Schichtungen zwei dem Unbewußten angehörige und darum bis jetzt nicht beachtete besonders hervorzuheben. Wir betonen aber dabei nachdrücklich, daß wir die anderen Bedeutungen keineswegs zu leugnen oder in ihrer Geltung zu beeinträchtigen suchen, sondern sie für diesmal nur als längst und allgemein bekannt beiseite lassen. Dazu gehört z. B. die späte ethisch-religiöse Tendenz, die dem ursprünglichen Mythus — wie manche Parallelen bei den Naturvölkern zeigen — völlig abgeht und die sich charakteristisch bis in die Rationahsierung des Namens erstreckt, die aus der Sintflut, d. h. der großen Flut (sint = groß, ungeheuer) eine „Sündflut" als Strafe Gottes gemacht hat. Auch wollen wir die Berechtigung der ethnographischen Deutung, welche die Sage als Erinnerung an ein verheerendes Naturereignis auffaßt, hier nicht näher prüfen, obwohl dieser Standpunkt, den für die babylonisch-biblische Sage noch Eduard Sueß (Das Anthtz der Erde, Bd. 1, S. 25 ff.) vertreten hat, von den Mythologen bereits aufgegeben ist, welche diese Überheferungen als echtes mythisches Gut betrachten. So hält auch Wundt (1. c. S. 457) es für „wenig v/ahrscheinlich, daß bei irgend einer dieser Sagen die geschichtliche Erinnerung an ein einzelnes Naturereignis im Spiel gewesen sei, wie dies vielfach angenommen worden ist". Wir stehen somit auf mythischem Boden, in dessen Bereich das symbolische Denken Geltung besitzt. Wenn wir nun wirklich die Sagen von der großen, verheerenden Flut, aus der ein Menschenpaar oder ein Mensch (eben der Träumer) durch Rettung in einem schwimmenden Kasten (Schiff) heil hervorgeht, mit der m den Harndrangträumen erkannten Symbolik besser zu verstehen dauben, so bestärkt uns in diesem anscheinend recht kühnen Unternehmen ein höchst beachtenswerter Umstand. Das gewaltige Material der Flutsagen ist ein ziemlich disparates und ungleichwertiges: Neben

Die Symbolscbichtung im Wecktraum usw. 109 ganz einfachen schmuck- und tendenzlosen Berichten, wie sie sich besonders bei Naturvölkern finden, kennen wir hochkomplizierte Bildungen, wie beispielsweise den biblischen Bericht, die in eine ganze Schöpfungsgeschichte eingekleidet sind. Dazu kommen noch eine Reihe von anderen Überlieferungen, die nicht unter dem Namen der Flutsagen gehen, aber von den Mythologen mit Recht der gleicher. Gruppe zugerechnet werden, weil sie die gleichen Elemente wie die Flutsagen, wenn auch in anderer Einkleidung, enthalten. Solche Überlieferungen sind insbesondere: der Aussetzungsmythus (Wundt: Truhenmärchen) und die Verschlingungssagen. Nun stimmt es auffällig mit unseren Wecktraumanalysen überein, daß diese beiden den Flutsagen analogen Mythengruppen sich als symbolische Darstellunstellungen des Geh urts Vorganges erweisen. Für die Verschlingungsmythen wäre dieser Nachweis an Hand des reichhaltigen von Frobenius (Das Zeitalter des Sonnengottes, Berhn 190i, Bd. 1) gesammelten Materials leicht im Detail zu erbringen. Doch mag hier eine schematische Inhaltsangabe und Deutung dieser meist als Walfischsagen eingekleideten Überlieferungen hinreichen. Der Held wird entweder als Knabe oder Erwachsener (manchmal auch mit seiner Mutter, seinen Brüdern usw.) von einem Ungeheuern Fisch verschlungen, ganz wie in der bibhschen Jonasage, und schwimmt eine Zeitlang im Fischbauch auf dem Meere. Zur Stillung des Hungers beginnt er häufig das Herz des Fisches abzuschneiden, entzündet ein Feuer in seinem Innern und wird endlich von dem Ungetüm ans Land gespien oder gelangt durch Aufschhtzen des Bauches ins Freie. Frobenius hat diese zahlreichen und mannigfach variierten Überlieferungen, besonders mit Rücksicht darauf, daß dem Helden meist infolge der großen Hitze im Innern des Tieres das Haar (Strahlen) ausfällt, als Sonnenuntergangs- respektive Aufgangssymbole betrachtet. Diesen himmlischen Ursprung des Mythos hat jedoch bereits Wundt (1. c. 244) abgewiesen, indem .er den menschhchen Inhalt der Vorstellungen betonte (S. 262) und ihre Beziehungen zum Truhenmärchen und zur Flutsage hervorhob. Auf Grund unserer Kenntnis der Traumsymbolik und der infantilen Sexualtheorien^) kann uns die Bedeutimg dieses Verschhngungsmythos als ^) Dazu gehören: Die Befruchtung durch Verschlucken, das Gebären durch Aufsciineiden d&ä Bauches (Rotkäppchen), durch Ausspeien (Ki'onos) und auf dem Wege eines Exki-ementes (vgl. Fro benius, S. 90, 92, 125). Ich verweise auf meine: „Völkerpsychologische Parallelen zu den infantilen für Psychoanalyse, II. Jahrgang, 1912, Heft 7/8.). Sexualtheorien" (Zentralblatt

108 Otto Rank.<br />

des Wassers entsprechenden Schiff: all das drängt zur Aulfassiing,<br />

daß auch die Flutsagen mit einer tiefreichenden Schichte ihrer Bedeutung<br />

in diesen psychischen Zusammenhang einzureihen sind. Es<br />

kann sich hier nicht um eine eingehende Untersuchung all dieser<br />

durch Zeit und Raum so weit getrennten Überlieferungen bei Kulturund<br />

Naturvölkern handeln, welche dem Gestaltvmgs- und Bedeutungswandel<br />

dieses zum Teil hochkomplizierten Mythus im einzehien nachgeht.<br />

Wir kennen heute bereits gegen 200 verschiedene Flutsagen, die rein<br />

stofflich schon eine eigene Bearbeitung erfordern wüi-den. Wir wollen<br />

uns hier damit begnügen, das ungeheuere Material auf<br />

Grund der erkannten<br />

Symbohk schematisch zu sondern und von den ziemhch gut<br />

voneinander zu lösenden Schichtungen zwei dem Unbewußten angehörige<br />

und darum bis jetzt nicht beachtete besonders hervorzuheben.<br />

Wir betonen aber dabei nachdrücklich, daß wir die anderen Bedeutungen<br />

keineswegs zu leugnen oder in ihrer Geltung zu beeinträchtigen suchen,<br />

sondern sie für diesmal nur als längst und allgemein bekannt beiseite<br />

lassen. Dazu gehört z. B. die späte ethisch-religiöse Tendenz, die dem<br />

ursprünglichen Mythus — wie manche Parallelen bei den Naturvölkern<br />

zeigen — völlig abgeht und die sich charakteristisch bis in<br />

die Rationahsierung des Namens erstreckt, die aus der Sintflut, d. h.<br />

der großen Flut (sint = groß, ungeheuer) eine „Sündflut" als Strafe<br />

Gottes gemacht hat. Auch wollen wir die Berechtigung der ethnographischen<br />

Deutung, welche die Sage als Erinnerung an ein verheerendes<br />

Naturereignis auffaßt, hier nicht näher prüfen, obwohl dieser Standpunkt,<br />

den für die babylonisch-biblische Sage noch Eduard Sueß (Das<br />

Anthtz der Erde, Bd. 1, S. 25 ff.) vertreten hat, von den Mythologen<br />

bereits aufgegeben ist, welche diese Überheferungen als echtes mythisches<br />

Gut betrachten. So hält auch Wundt (1. c. S. 457) es für „wenig v/ahrscheinlich,<br />

daß bei irgend einer dieser Sagen die geschichtliche Erinnerung<br />

an ein einzelnes Naturereignis im Spiel gewesen sei, wie dies vielfach angenommen<br />

worden ist". Wir stehen somit auf mythischem Boden,<br />

in dessen Bereich das symbolische Denken Geltung besitzt.<br />

Wenn wir<br />

nun wirklich die Sagen von der großen, verheerenden Flut, aus der<br />

ein Menschenpaar oder ein Mensch (eben der Träumer) durch Rettung<br />

in einem schwimmenden Kasten (Schiff) heil hervorgeht, mit der m<br />

den Harndrangträumen erkannten Symbolik besser zu verstehen<br />

dauben, so bestärkt uns in diesem anscheinend recht kühnen Unternehmen<br />

ein höchst beachtenswerter Umstand. Das gewaltige Material<br />

der Flutsagen ist ein ziemlich disparates und ungleichwertiges: Neben

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