JAHRBUCH - Glowfish
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106 Otto Rank. gerade ein Kamm zum Wald werden muß, wenn man diesen als symbolische Darstellung des Haarwaldes auffaßt. Diese Bedeutung des „Waldes" können wir aber nicht nur aus Traumanalysen (vgl. Freud: Bruchstück einer Hysterieanalyse, Kl. Sehr. II, S. 88)^), sondern auch direkt aus verwandten mythologischen und dichterischen Bildern (der ,,Liebesgarten" und alle ihm entsprechenden Bilder) als allgemeinmenschliche bestätigen. Es sei nur eine finnische Überlieferung (Stucken S. 335) erwähnt, wo Wipuns Behaarung grotesk-gigantisch als Bewaldung beschrieben wird, wie auch sonst in den Kosmologien, welche die Welt aus einem Menschen entstehen lassen, die Behaarung desselben zur Bewaldung wird. Auch in Ovids Darstellung von der Verwandlung des Atlas in ein Gebirge entsteht aus den Haaren der Wald (Metam. 4, 657), Dem Motiv der ,,magischen Flucht" liegt also ein sexueller Angsttraum zugrunde (sexuelle Verfolgung), der regressiv zum vesikalen Wecktraum wird, ganz wie in den angeführten wirklichen Träumen, vv^obei die fortwährende Verzögerung der Verfolgung und damit des Erwachens der Bequemlichkeitstendenz entspricht. Unterstützend mag in diesen Fällen gewiß die physiologische Tatsache mitwirken, daß ängstliche Empfindungen leicht zu Harn- und Stuhldrang führen, obwohl es für den Traum noch zv/eifelhaft ist, ob in ihm die (sexuell bedingte) Angst den Harndrang weckt oder der Harndrang die ängsthche Empfindung (das Bett zu benässen) im Verlauf seines Anwachsens steigert. In diesem Sinne hat Laistner (II, 232 u. fg.) eine Reihe von Überlieferungen aufgefaßt, indem er ausführt: ,, Schweiß ist nicht das einzige Naß, wodurch sich ein Angstzustand verrät oder das dem Alptraum gemäß wäre (vgl. I, 45); es ist der vom Alp geplagten Menschheit nicht zu verdenken, wenn sie aus Rache die eigenen Schwächen ihm aufbüi'dete und keine Verantwortung für die Spuren seines Besuches übernahm. Sie erfand sogar einen Zauber, ihn an seiner angeblichen Schwäche zu fassen (Wolf: Niederl. Sag., S. 346, Nr. 254; Lütoif, S. 118).... Offenbar sitzt in krankhaft veränderten Ausscheidungen der Alp selber oder wenigstens ein Stück von ihm; das nämliche Mittel, das ihn hindert, an jungen Ziegen zu saugen (oben S. 174 f.), wird deshalb in Mecklenburg angewandt, um Kindern die Unreinlichkeit ^) Dazu auch Riklin, Wunscherfüllung und Symbolik im Märchen, S. 37: „der Wald auf dem sogenannten Venusberg beim Weibe." Vgl. dazu den ,,Berg" bei der „magischen Flucht". Einige Überlieferungen, in denen ein zauberkräftiges Instrument dem Vater die Flucht der von ihm sexuell verfolgten Tochter anzeigt, hat Riklin (1. c. S. 80 f.) mitgeteilt.
Die Symbolschiclitung im Wecktraum usw. 107 abzugewöhnen (Wiittkc, Der deutsche Volksaberglaube, § 540)/" So erklärt sich die Vorstellung, daß ,,der Alp netzt (vgl. I, 49): wo der Scherber steht, wird es naß am Boden ; die Gongers auf Silt hinterlassen einen Floß salzigen Wassers in der Stube ; der griechische Kalikantsaros pißt in die Herdasche und in alle offenen Gefäße und wäscht sich mit dem darin vorgefundenen Wasser den Körper. Wenn nun der Wilde Jäger sich gleichfalls wäscht und die Wilde Jägerin zu eben diesem Zweck ihr eigenes Wasser nimmt (Jahn, S. 17, Nr. 19; Bartsch 1, 7. 19, Nr. 8. 23, 2; Kristensen, Jyske Folkemnider 4, 146, Nr. 210), so scheint dieser Zug, dem wir hier nicht weiter nachgehen können, mit dem von den netzenden Hunden in Zusammenhang zu stehen, und wiewohl die Auffassung, es habe eine naturmj^thische Zubildung zur Lursage vom Wilden Jäger stattgefunden, durchaus zulässig wäre, müssen wir uns doch bedenken, sie einzuräumen. VöUig zu der unreinUchen Gewohnheit des Kahkantsaros stimmt das Betragen der Hunde in vogtländischen Sagen; es hat sich einer vor der wilden Jagd in einen Graben versteckt, aber jeder der vorbeirasenden Hunde hält bei ihm an und hebt das Bein auf, so daß seine Kleider noch lange ganz unbrauchbar waren (Eisel S. 121, Nr. 313). Und ganz Übereinstimmendes wird aus Pommern gemeldet (Hofer in Pfeiffers Germ. 1, 103). Auch an eine schwäbische Sage ließe sich denken. Bei Ellwangen geht der Geist eines Jägers um; ein junger Bursche rief ihn einst bei seinem Spottnamen Hosenflecker und forderte zu trinken, er sei durstig, da erschien der Jäger im höchsten Zorn mit einem Fäßlein, aus dessen Spundloch ein feuriges Naß sich ergoß, und warf dann den Jungen mit solcher Wucht in den Graben, daß er in der Frühe übel zugerichtet nach Hause wankte (BirUnger 1, 13, Nr. 11) Wenn Pferde krank und schweißtriefend im Stalle gefimden werden, so heißt es, der Alp habe sie geritten: aus der Erschöpfung, in welcher der Mensch vom Alptraum zu erwachen pflegt, wird auf ein Alperlebnis des erschöpften Tieres geschlossen; die Sage weiß dann vom Schaum des Schimmels, den der wilde Jäger reitet, zu berichten, er habe sich in Gold verwandelt (Jahn S. 12, Nr. 12). . . ." Haben wir so die für den Harndrang- und den ihm parallel geschichteten Geburtstraum charakteristische Symbolbildung als allgemcinmenschhche erkannt, so dürfen wir sie endlich auch in einem bedeutsamen und weitverbreiteten völkerpsychologischen Gebilde wiedererkennen, das sich uns im Verlaufe unserer Untersuchung wiederholt aufdrängen mußte. Der herabströmende Regen, das stete Anschwellen des Wassers, die damit verbundene Gefahr, die Rettung in einem der Größe
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gerade ein Kamm zum Wald werden muß, wenn man diesen als symbolische<br />
Darstellung des Haarwaldes auffaßt. Diese Bedeutung des<br />
„Waldes" können wir aber nicht nur aus Traumanalysen (vgl. Freud:<br />
Bruchstück einer Hysterieanalyse, Kl. Sehr. II, S. 88)^), sondern<br />
auch direkt aus verwandten mythologischen und dichterischen Bildern<br />
(der ,,Liebesgarten" und alle ihm entsprechenden Bilder) als allgemeinmenschliche<br />
bestätigen. Es sei nur eine finnische Überlieferung (Stucken<br />
S. 335) erwähnt, wo Wipuns Behaarung grotesk-gigantisch als Bewaldung<br />
beschrieben wird, wie auch sonst in den Kosmologien, welche<br />
die Welt aus einem Menschen entstehen lassen, die Behaarung desselben<br />
zur Bewaldung wird. Auch in Ovids Darstellung von der Verwandlung<br />
des Atlas in ein Gebirge entsteht aus den Haaren der Wald<br />
(Metam. 4, 657), Dem Motiv der ,,magischen Flucht" liegt also ein<br />
sexueller Angsttraum zugrunde (sexuelle Verfolgung), der regressiv zum<br />
vesikalen Wecktraum wird, ganz wie in den angeführten wirklichen<br />
Träumen, vv^obei<br />
die fortwährende Verzögerung der Verfolgung und<br />
damit des Erwachens der Bequemlichkeitstendenz entspricht.<br />
Unterstützend<br />
mag in<br />
diesen Fällen gewiß die physiologische Tatsache mitwirken,<br />
daß ängstliche Empfindungen leicht zu Harn- und Stuhldrang<br />
führen, obwohl es für den Traum noch zv/eifelhaft ist, ob in ihm die (sexuell<br />
bedingte) Angst den Harndrang weckt oder der Harndrang die ängsthche<br />
Empfindung (das Bett zu benässen) im Verlauf seines Anwachsens steigert.<br />
In diesem Sinne hat Laistner (II, 232 u. fg.) eine Reihe von<br />
Überlieferungen aufgefaßt, indem er ausführt: ,, Schweiß ist nicht das<br />
einzige Naß, wodurch sich ein Angstzustand verrät oder das dem Alptraum<br />
gemäß wäre (vgl. I,<br />
45); es ist der vom Alp geplagten Menschheit<br />
nicht zu verdenken, wenn sie aus Rache die eigenen Schwächen ihm<br />
aufbüi'dete und keine Verantwortung für die Spuren seines Besuches<br />
übernahm. Sie erfand sogar einen Zauber, ihn an seiner angeblichen<br />
Schwäche zu fassen (Wolf: Niederl. Sag., S. 346, Nr. 254; Lütoif,<br />
S. 118).... Offenbar sitzt in krankhaft veränderten Ausscheidungen<br />
der Alp selber oder wenigstens ein Stück von ihm; das nämliche Mittel,<br />
das ihn hindert, an jungen Ziegen zu saugen (oben S. 174 f.), wird<br />
deshalb in Mecklenburg angewandt, um Kindern die Unreinlichkeit<br />
^) Dazu auch Riklin, Wunscherfüllung und Symbolik im Märchen, S. 37:<br />
„der Wald auf dem sogenannten Venusberg beim Weibe." Vgl.<br />
dazu den ,,Berg"<br />
bei der „magischen Flucht". Einige Überlieferungen, in denen ein zauberkräftiges<br />
Instrument dem Vater die Flucht der von ihm sexuell verfolgten Tochter anzeigt,<br />
hat Riklin (1. c. S. 80 f.) mitgeteilt.