Pavel Šrut (Ausführliches Porträt)
Pavel Šrut (Ausführliches Porträt)
Pavel Šrut (Ausführliches Porträt)
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Der Dichter, Übersetzer und Proaautor <strong>Pavel</strong> <strong>Šrut</strong> kam am 3. April 1940 in Prag zur Welt. Er<br />
studierte Englisch und Spanisch an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität Prag<br />
(1962-67), anschließend arbeitete er drei Jahre als Redakteur beim Verlag Naše vojsko. Seit<br />
1972 ist er freier Schriftsteller und Übersetzer. 1987 war <strong>Šrut</strong> für vier Monate Stipendiat des<br />
Internationalen Schriftstellerprogramms an der Universität Iowa. Er ist Träger des Jaroslav<br />
Seifert-Preises (2000) und Magnesia Litera (2009), für seine Kinderbücher wurde er für den<br />
Magnesia Litera nominiert (2004, 2005, 2007), außerdem wurde er im tschechischen Kinderund<br />
Jugendbuch-Wettbewerb Zlatá studna mit Auszeichnungen geehrt (2004, 2005).<br />
<strong>Šrut</strong> hat sich in mehreren Genres behaupten können: als Dichter, Übersetzer, Prosaiker,<br />
Textautor für Popmusik, Drehbuchautor für Film- und Fernsehmärchen sowie als<br />
Kulturpublizist. Er übersetzt englische und amerikanische Literatur (Robert Graves, Dylan<br />
Thomas, John Updike, Leonard Cohen u.a.) Als Dichter hat <strong>Šrut</strong> eine seltene zweigleisige<br />
Begabung, er schreibt ebenso souverän für Kinder wie für Erwachsene. Sein Schaffen für<br />
Kinder überzeugt durch Humor, Wortspiele und dem Nonsens verwandte Bildhaftigkeit und<br />
ist von der Poetik der sog. nursery rhymes inspiriert (Petrklíče a petrkliky<br />
[Himmelsschlüsselchen und Himmelsschlüssel], 1966; Kočka v houslích [Die Katze in der<br />
Geige], 1969; Šišatý švec a myšut [Der schiefe Schneider und Mischut] 2007, u.a.) Der Autor<br />
gehört zu der starken Generation von Dichtern, die während des Krieges geboren, in der<br />
ersten Hälfte der 1960er Jahre in die Literatur eintraten (Petr Kabeš, Antonín Brousek, Ivan<br />
Wernisch u.a.). Sein Debüt Noc plná křídel (Nacht voller Flügel, 1964) ist eine sensible<br />
Sonde in die Zeit des Erwachsenwerdens und eine Feier der Kindheit, die durch das<br />
schmerzhafte Erleben des Krieges getrübt ist. Schon hier tritt ein deutliches Merkmal von<br />
<strong>Pavel</strong> <strong>Šrut</strong>s Poetik hervor: die konzentrierte Wahrnehmung der Szenerie von Natur und Stadt,<br />
die zu seinem lyrischen Raum wird, in dem er die Schönheit und die Trauer der menschlichen<br />
Intimität zum Ausdruck bringt. In der Sammlung Přehlášky (Umlaute, 1967) verlässt er die<br />
naiv vertrauensvolle Stilisierung seines Erstlingswerkes völlig und bewegt sich in Richtung<br />
einer Intellektualisierung der dichterischen Aussage: charakteristisch für diesen Weg sind die<br />
Inspirationen durch die Literatur (Verse, die K.H. Mácha, D. Thomas, F.G. Lorca u.a.<br />
gewidmet sind) und bildende Kunst. Die originelle Bildhaftigkeit ist gefüllt mit klassischen<br />
Versen wie dem Sonett und dem Vierzeiler. Die letzte von <strong>Pavel</strong> <strong>Šrut</strong>s Sammlungen aus den<br />
1960er Jahren, Červotočivé světlo (Holzwurmlicht, 1969), ist eine verinnerlichte Aussage, die<br />
vor dem Hintergrund einer Herbstlandschaft den Schmerz angesichts des zu Ende gehenden<br />
Jahres 1968 festhält. Die Motive der Abzählreime und Spiele, die hiermit auch Eingang in<br />
<strong>Šrut</strong>s Poesie gefunden haben, stehen nicht für eine freudvolle Rückkehr in die Kindheit,<br />
sondern zeugen eher vom ängstlichen Kampf mit der verrinnenden Zeit. Während der<br />
Normalisierung hatte der Autor nur begrenzte Publikationsmöglichkeiten, also veröffentlichte<br />
er vor allem Werke für Kinder und Liedtexte. Seine Sammlungen (Malá domů [Kleine, nach<br />
Hause], Houpací trojský kůň [Das Trojanische Schaukelpferd], Dechová cvíčení<br />
[Atemübungen]) und Zusammenstellungen von Liedtexten (Cokoli [Was auch immer])<br />
erschienen im Samizdat. Zu einem breiteren Leserkreis konnte er erst Ende der 1980er Jahre<br />
mit zwei repräsentativen Anthologien (Malá domů [Kleine, nach Hause], 1989; Přestupný<br />
duben [Der Schaltjahr-April], 1989) zurückkehren. Ende der 1990er Jahre veröffentlichte der<br />
Autor weitere prägnante Sammlungen, welche sich durch einen kultivierten und lapidaren<br />
Ausdruck, eine objektive Sichtweise und einen ironischen bis selbstironischen Blick<br />
auszeichnen. Einen balladesken Unterton hat die Dichtung Zlá milá (1997), die auf der<br />
Grundlage des Manuskripts von Milostné popravy (Hinrichtungen aus Liebe) entstanden ist,<br />
in dem die Erinnerung an die verlorene Liebe das Trügerische in einer schicksalhaften<br />
Liebesbeziehung evoziert: Meine Liebste kräuselt den See / mit ihren vielen Fangarmen / sie<br />
umspült den See / lässt sich von der Sonne ätzen / ... Meine böse Liebste entstieg dem See /
legte sich neben mich / zieht sich den Sand bis zum Kinn“. Das Schaffen der 1970er und<br />
1980er Jahre, welches damals in Schreibmaschinen-Editionen des Samizdat oder im Exil<br />
erschien, enthält den Band Brožované básně (Broschierte Gedichte, 2000); die Sammlung<br />
Papírové polobotky (Halbschuhe aus Papier, 2001) ist eine skeptische Bilanz, in der sich der<br />
Autor hinter der anonymen Figur des Herrn N. versteckt. <strong>Pavel</strong> <strong>Šrut</strong> ist auch als Textautor für<br />
Popmusik bekannt geworden, eine Zusammenstellung seiner Liedtexte erschien unter dem<br />
Titel Kolej Yesterday (1990), der gleichnamige Rocksong wurde in der Interpretation von<br />
Michal Prokop populär. Im neuen Jahrtausend übersetzt der Autor mehr und schreibt<br />
Gedichtsammlungen für Kinder (Veliký tůdle [Das große Damalswars], 2004; Příšérky a<br />
příšeří [Schreckgespenster und Monster], 2005). Unter den letzten Arbeiten für Kinder<br />
stechen die Märchengeschichte Verunka a kokosový dědek (Verunka und der Grovater aus<br />
Kokos, 2004) und das neueste Buch Pohádky brášky Králíka (Die Märchen des<br />
Kaninchenbruders, 2007) hervor, in dem der erfahrene Autor wenig bekannte<br />
afroamerikanische Geschichten von einem gerissenen Lausbuben für den tschechischen<br />
Kontext adaptierte. Verunka a kokosový dědek (Verunka und der Großvater aus Kokos) ist<br />
ein frei komponierter Zyklus von 366 Geschichten für jeden Tag. <strong>Pavel</strong> <strong>Šrut</strong>s Fähigkeit, aus<br />
einem humorvollen Blickwinkel von Freud und Leid seiner Helden aus allen Generationen zu<br />
erzählen, wird (nicht nur in diesem Buch) von Galina Miklínovás humorvollen Illustrationen<br />
zum Leben erweckt. Weil sich <strong>Pavel</strong> <strong>Šrut</strong>s Bibliografie auf ungefähr 60 eigenständige<br />
Buchpublikationen beläuft, verweisen wir mögliche Interessenten auf folgende Homepage:<br />
www.nkp.cz. (jč) Aus dem Tschechischen von Christina Frankenberg.