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Programmheft - CRAZY FOR YOU - Theater Nordhausen

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WARUM KOMMT 1930 EIN „VERRÜCKTES GIRL“<br />

AUF DIE MUSIKTHEATERBÜHNE?<br />

von Anja Eisner<br />

6<br />

Das Unterhaltungstheater glänzte um<br />

die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert<br />

mit der burlesken französischen<br />

Buffo-Oper, mit der Goldenen, später<br />

der Silbernen Operette, mit den von<br />

britischem Humor gespickten Buffo-<br />

Opern von Gilbert und Sullivan und<br />

den durch neu komponierte Musik<br />

strahlenden „New Burlesques“. Die<br />

Zwanziger Jahre brachten schließlich<br />

den Höhepunkt der Produktivität im<br />

Musiktheater. In Frankreich als „les années<br />

folles“ (verrückte Jahre) benannt,<br />

wurden sie in England als „wonderful<br />

nonsense“ oder „jazz age“ (Jazz-Zeitalter)<br />

und in den Vereinigten Staaten<br />

als „roaring twenties“ (stürmische<br />

Zwanziger) wahrgenommen. Was auf<br />

den internationalen Bühnen gefeiert<br />

wurde, fand etwa seit Ende des Ersten<br />

Weltkriegs auf dem Broadway, dem<br />

<strong>Theater</strong>viertel im weltoffenen New<br />

York, zueinander und mischte sich<br />

Brigitte Roth und Jens Bauer (vorn) und Ensemble<br />

miteinander. Hier trafen und beeinflussten<br />

sich Menschen verschiedener<br />

Kulturen, Konfessionen und sozialer<br />

Schichten. Das heitere europäische<br />

Musiktheater traf hier auf Swing, Jazz<br />

und die Gesangstechnik des Belting in<br />

den Minstrel Shows (in denen Weiße<br />

in Stereotypen zeigten, wie sie sich<br />

lachende und singende schwarze<br />

Sklaven vorstellten), es traf auf das in<br />

Amerika dem Zirkus nahe stehenden<br />

Vaudeville, auf Music-Hall-Konzerte,<br />

Burlesquen erotischen Inhalts und auf<br />

die Sideshows (spektakuläre Beiprogramme),<br />

die immer wieder auch den<br />

Wilden Westen thematisierten.<br />

Das blühende <strong>Theater</strong> hatte mit der<br />

blühenden Wirtschaft einen guten<br />

Hintergrund. Als Handelsminister Hoover<br />

1928 in den USA zum Präsidenten<br />

gewählt wurde, hatte das mit dem<br />

wirtschaftlichen Erfolg der bisherigen<br />

Joshua Farrier, Marvin Scott, Anton Leiß-Huber und Opernchor<br />

republikanischen Regierung zu tun.<br />

Doch nachdem in den Monaten Mai<br />

1928 bis September 1929 die Aktien im<br />

Durchschnitt um 40% stiegen, setzte<br />

im Oktober eine neue Entwicklung<br />

ein, die Weltwirtschaftskrise, die mit<br />

dem „Schwarzen Dienstag“, dem 29.<br />

Oktober 1929, begann. Die Banken<br />

versetzten durch Verluste den Markt in<br />

Panik und kosteten 25 % der arbeitenden<br />

Bevölkerung der USA den Job. Erst<br />

im Januar 1932 wurde die Regierung<br />

Hoovers tätig, indem sie Darlehen für<br />

Banken, Eisenbahnen und Unternehmen<br />

vergab und damit erstmals in die<br />

Wirtschaft eingriff.<br />

Die Shows zur Weltwirtschaftskrise<br />

sollten natürlich vor allem Zerstreuung<br />

bieten. Daher wurde George Gershwin<br />

vom renommierten Alvin Theatre<br />

verpflichtet (an dem übrigens auch<br />

„Anything Goes“ uraufgeführt wurde,<br />

das in <strong>Nordhausen</strong> 2006 zu sehen<br />

war), eine Show zu komponieren, in<br />

der man sich über den Wilden Westen<br />

amüsieren sollte. Gershwin, der gerade<br />

als Stern über dem Broadway mit<br />

einigen Shows zu strahlen begonnen<br />

hatte, sollte mit seinem Namen den<br />

Erfolg der neuen Produktion garantieren.<br />

Auch der Texter Guy Bolton war mit<br />

beauftragt worden, mit dem Gershwin<br />

bereits einige Shows geschaffen hatte.<br />

Vom Libretto wurde keinerlei Problembewusstsein<br />

mehr verlangt, Probleme<br />

gab es im Alltag mehr als genug.<br />

Wichtig war, dass die Show zwei fulminante<br />

Frauenrollen zu bieten hatte:<br />

Ethel Merman, die in Nachtclubs und<br />

Vaudevilles bereits bekannt geworden<br />

war, und die 19-jährige, damals noch<br />

unbekannte Ginger Rodgers, sollten<br />

groß herausgebracht werden.<br />

Gershwin komponierte eine Show,<br />

deren Songs die Handlung nicht mehr<br />

stoppten, sondern sich aus ihr ergaben,<br />

eins der ersten Musicals der Geschichte<br />

(noch vor „Anything Goes“).<br />

Am 14. Oktober 1930 fand die Uraufführung<br />

von „Girl Crazy“ statt, der<br />

weitere 271 Vorstellungen an diesem<br />

<strong>Theater</strong> folgen sollten. Ethel Merman<br />

etablierte sich nach ihrem Debüt mit<br />

dem unwiderstehlichen „I Got Rhythm“<br />

wie keine andere am Broadway, und<br />

für Ginger Rodgers stellte die Hauptrolle<br />

in „Girl Crazy“ das Sprungbrett nach<br />

Hollywood dar.<br />

7

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