Gottesdienstlehre - Mohr Siebeck Verlag

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01.11.2013 Aufrufe

2. Ausblick dem Eingangsvotum „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, mit dem Gloria Patri und dem Glaubensbekenntnis die („objektive“) trinitarische Verstehensregel auch des subjektiven Mitteilens und Verstehens angibt. Liturgie und Predigt bieten damit zwar ein unterschiedliches Zusammenspiel der drei semiotischen Zeichenstellen (→ § 2.2.2; → § 38.2.1). Aber diese sind jeweils im Spannungsfeld der objektiven und subjektiven Zeichendimensionen zu betrachten. Das vorliegende Buch konnte jedoch keine semiotische Fundamentalliturgik und Fundamentalhomiletik bieten, weil darin sechs verschiedene Perspektiven auf den Gottesdienst ihr Recht und damit ihren Raum beanspruchten. Es sollte immerhin Wesentliches auch aus der Geschichte von Gottesdienst und Predigt, Liturgik und Homiletik geboten werden. Eine ausgeführte homiletische und liturgische, systematisch-semiotische und damit fundamentale Gottesdiensttheorie, die anhand von zeichentheoretischen Modellen vorgeht – und die dabei auf historische, empirische und handlungstheoretische Entfaltungen verzichten kann –, steht damit weiter aus. Im Rahmen eines Lehrbuches, das die wichtigsten Perspektiven des Grundwissens zu bieten hat, konnte darum diese Aufgabe nur teilweise in Angriff genommen werden. An dieser Stelle kann auf dem Hintergrund der bisher vorgelegten Entwürfe (vgl. dazu die in § 2 angegebene Literatur) weitergearbeitet werden. 2.2 Nach den ökumenischen Annäherungen der letzten Jahrzehnte auf liturgiewissenschaftlicher Ebene kann die Hoffnung nicht aufgegeben werden, dass auch die gottesdienstliche Praxis der großen Kirchen in Zukunft zu Schritten aufeinander zu in der Lage sein wird. Eine ökumenische Liturgiewissenschaft und die ökumenische Praxis gehören zusammen. Wenn sich auch die mit dem II. Vatikanischen Konzil gehegten Hoffnungen bisher leider nicht erfüllt haben und wenn inzwischen sogar die Abgrenzungen der katholischen Kirche gegenüber dem Protestantismus – jedenfalls was die kirchlichen Dokumente angeht – deutlicher und schärfer geworden sind, dann ist die ökumenische Ausrichtung der evangelischen Gottesdienstlehre besonders deutlich zu betonen. Das gilt nicht nur deshalb, weil die evangelische Kirche alle auf den Namen Jesu Getauften zum Mahl an seinen Tisch einlädt. Das Ökumenische des evangelischen Gottesdienstes ist darüber hinaus bereits durch seinen betonten Öffentlichkeitscharakter gegeben. Das Evangelium ist das freie Wort an die Menschen des gesamten Erdkreises. Der Gottesdienst ist darum keine konfessionskirchliche Veranstaltung, keine Vereinsversammlung von bestimmten Christen und kein örtliches Treffen der – in einer bestimmten einschränkenden Weise verstandenen – Institution Kirche. Der Gottesdienst ist vielmehr die öffentlich dargestellte Gewissheit, dass der Herr selbst mit den Menschen reden will und dass sie ihm antworten können in Gebet und Lobgesang. In dieser Weise ist der dem Evangelium entsprechende Got- Grenzen dieser Gottesdienstlehre Ökumene 547 Leseprobe aus Meyer-Black: Gottesdienstlehre (c) 2011 Mohr Siebeck www.mohr.de

§ 49 Rückblick und Ausblick tesdienst ökumenisch – und die Liturgiewissenschaft kann auch nur ökumenisch sein. Von daher ist sie aber auch eine Disziplin der Wahrnehmung von Differenzen – und so eine Disziplin der Hoffnung auf die Zukunft. Empirische Forschungen Systematische Reflexionen 2.3 Auch in Zukunft wird die Gottesdienstlehre auf die genaue Wahrnehmung der Realität durch empirische Studien angewiesen sein. Es ist ungewiss, ob die Entwicklung zu mehr Pluralität und zu individuell verstandener Spiritualität weitergehen wird oder ob sich daneben auch die Tendenz zur neuen Plausibilität alter Formen verstärken wird. Fraglich ist auch, ob die neue Aufmerksamkeit der Praktischen Theologie für die Kasualien und für neue lebensgeschichtlich verankerte Gottesdienstformen zunehmen wird, oder ob der Öffentlichkeitsaspekt des „Normalfalles“ Sonntagsgottesdienst wieder mehr wahrgenommen werden wird. Es dürfte deutlich geworden sein, dass das vorliegende Buch stärker für die zweite der beiden Sichtweisen plädiert. 2.4 Auf jeden Fall aber ist darauf zu insistieren, dass die Gottesdienstlehre nicht nur eine anwendungsbezogene, sondern auch eine fundamentale Form von Theologie darstellt. Selbst wenn man dem Konzept einer „liturgischen Theologie“ skeptisch gegenübersteht, wird man dennoch bestätigen müssen, dass der Inhalt, die Art und der Stil des Betens (die „lex orandi“) für den Glauben und die Erkennbarkeit der Kirche (für die „lex credendi“) entscheidend sind. 548 Leseprobe aus Meyer-Black: Gottesdienstlehre (c) 2011 Mohr Siebeck www.mohr.de

2. Ausblick<br />

dem Eingangsvotum „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen<br />

Geistes“, mit dem Gloria Patri und dem Glaubensbekenntnis die („objektive“)<br />

trinitarische Verstehensregel auch des subjektiven Mitteilens und Verstehens<br />

angibt. Liturgie und Predigt bieten damit zwar ein unterschiedliches<br />

Zusammenspiel der drei semiotischen Zeichenstellen (→ § 2.2.2; → § 38.2.1).<br />

Aber diese sind jeweils im Spannungsfeld der objektiven und subjektiven<br />

Zeichendimensionen zu betrachten.<br />

Das vorliegende Buch konnte jedoch keine semiotische Fundamentalliturgik<br />

und Fundamentalhomiletik bieten, weil darin sechs verschiedene Perspektiven<br />

auf den Gottesdienst ihr Recht und damit ihren Raum beanspruchten.<br />

Es sollte immerhin Wesentliches auch aus der Geschichte von Gottesdienst<br />

und Predigt, Liturgik und Homiletik geboten werden. Eine ausgeführte homiletische<br />

und liturgische, systematisch-semiotische und damit fundamentale<br />

Gottesdiensttheorie, die anhand von zeichentheoretischen Modellen vorgeht<br />

– und die dabei auf historische, empirische und handlungstheoretische<br />

Entfaltungen verzichten kann –, steht damit weiter aus. Im Rahmen eines<br />

Lehrbuches, das die wichtigsten Perspektiven des Grundwissens zu bieten hat,<br />

konnte darum diese Aufgabe nur teilweise in Angriff genommen werden. An<br />

dieser Stelle kann auf dem Hintergrund der bisher vorgelegten Entwürfe (vgl.<br />

dazu die in § 2 angegebene Literatur) weitergearbeitet werden.<br />

2.2 Nach den ökumenischen Annäherungen der letzten Jahrzehnte auf liturgiewissenschaftlicher<br />

Ebene kann die Hoffnung nicht aufgegeben werden,<br />

dass auch die gottesdienstliche Praxis der großen Kirchen in Zukunft zu<br />

Schritten aufeinander zu in der Lage sein wird. Eine ökumenische Liturgiewissenschaft<br />

und die ökumenische Praxis gehören zusammen. Wenn sich<br />

auch die mit dem II. Vatikanischen Konzil gehegten Hoffnungen bisher leider<br />

nicht erfüllt haben und wenn inzwischen sogar die Abgrenzungen der katholischen<br />

Kirche gegenüber dem Protestantismus – jedenfalls was die kirchlichen<br />

Dokumente angeht – deutlicher und schärfer geworden sind, dann ist<br />

die ökumenische Ausrichtung der evangelischen <strong>Gottesdienstlehre</strong> besonders<br />

deutlich zu betonen. Das gilt nicht nur deshalb, weil die evangelische Kirche<br />

alle auf den Namen Jesu Getauften zum Mahl an seinen Tisch einlädt. Das<br />

Ökumenische des evangelischen Gottesdienstes ist darüber hinaus bereits<br />

durch seinen betonten Öffentlichkeitscharakter gegeben. Das Evangelium ist<br />

das freie Wort an die Menschen des gesamten Erdkreises. Der Gottesdienst ist<br />

darum keine konfessionskirchliche Veranstaltung, keine Vereinsversammlung<br />

von bestimmten Christen und kein örtliches Treffen der – in einer bestimmten<br />

einschränkenden Weise verstandenen – Institution Kirche. Der Gottesdienst<br />

ist vielmehr die öffentlich dargestellte Gewissheit, dass der Herr selbst<br />

mit den Menschen reden will und dass sie ihm antworten können in Gebet<br />

und Lobgesang. In dieser Weise ist der dem Evangelium entsprechende Got-<br />

Grenzen dieser<br />

<strong>Gottesdienstlehre</strong><br />

Ökumene<br />

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