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Gottesdienstlehre - Mohr Siebeck Verlag

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2. Der Sonntagsgottesdienst als Modell liturgischer Kunst<br />

lokale Öffentlichkeit (→ § 21). Der Besuch des Sonntagsgottesdienstes ist<br />

auch ein Indikator für die sonstigen Aktivitäten und die Lebendigkeit im<br />

Sinne des Erfolges einer Gemeinde, soweit Erfolg in Zahlen gemessen werden<br />

kann. In gemeindepädagogisch und missionarisch aktiven und nach außen<br />

wirkenden Gemeinden erhöht sich auch der Besuch des Sonntagsgottesdienstes.<br />

2 Das gilt trotz der vielfach beschriebenen soziokulturell bedingten Veränderung<br />

des Wochenendes und der Sonntagsgestaltung (Herrmann-Stojanow<br />

125–130).<br />

Seit der Reformation ist der Öffentlichkeitscharakter des Gottesdienstes<br />

besonders betont worden. Die Gemeinde versammelt sich, um das Evangelium<br />

in der eigenen Umgebung und damit in der gesamten Welt, der „Ökumene“<br />

laut werden zu lassen. Das öffentliche Lehren, das „publice docere“<br />

(→ § 17.4), steht damit zugleich für die ökumenische Orientierung des Gottesdienstes.<br />

Es handelt sich beim Gottesdienst nicht um eine Vereinsversammlung<br />

von Kirchenmitgliedern oder von Menschen mit bestimmten Ansichten,<br />

sondern um das „gute Geschrei“ von Christus, der allen Menschen<br />

Hilfe anbietet (→ § 3.4). Darum ist nach dem deutschen religionsverfassungsrechtlichen<br />

(staatskirchenrechtlichen) Verständnis auch das Läuterecht<br />

am Sonntag Bestandteil der positiven Religionsfreiheit, wie sie in Art. 4,2 des<br />

Grundgesetzes geregelt ist. 3 Auch die Kasualien sind öffentliche Gottesdienste,<br />

zu denen mit Glockengeläut geladen wird.<br />

2.2 Wichtig ist der Sonntagsgottesdienst schließlich auch für die Entwicklung<br />

der liturgischen Professionalität in der Ausbildung: Die dort gemachte<br />

Erfahrung eröffnet den liturgisch Tätigen Sicherheit bei der Gestaltung auch<br />

anderer liturgischer Aufgaben. Denn für das liturgische Handeln ist eine<br />

Form von situativ wacher Routine notwendig. Diese unterscheidet sich sowohl<br />

von Unsicherheit als auch von spannungsloser und unaufmerksamer<br />

Gewohnheit. Bei der angemessenen Routine gibt die Form die notwendige<br />

Sicherheit, um situativ genau wahrnehmen und reagieren zu können. Je<br />

formbewusster und routinierter, desto flexibler und zugewandter kann man<br />

auf die Situation eingehen, während das starre Festhalten an Formen meistens<br />

das Ergebnis mangelnder Routine oder unzureichender eigener Durchdringung<br />

der jeweiligen Handlungsform ist.<br />

Weil mangelnde liturgische Bildung zu einem lediglich imitierenden statt<br />

zu einem eigenständig vollzogenen Handeln führt, lässt sich die handlungsorientierte<br />

Perspektive des Gottesdienstes nicht isoliert beschreiben. Sie bedarf<br />

des liturgischen Wissens und Verstehens, die bisher in diesem Buch ent-<br />

„publice docere“<br />

Modellcharakter<br />

Professionalität<br />

und Routine<br />

2 Wilfried Härle u.a. (Hg.): Wachsen gegen den Trend: Analysen von Gemeinden,<br />

mit denen es aufwärts geht, Leipzig 2008.<br />

3 Dazu vgl. Hartwig A. Niemann: Glocken, in: TRE 13, 446–452: 451.<br />

Leseprobe aus Meyer-Black: <strong>Gottesdienstlehre</strong><br />

(c) 2011 <strong>Mohr</strong> <strong>Siebeck</strong> www.mohr.de<br />

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