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Auszählverfahren nach Wahlen - Institut für Mathematik - Universität ...

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<strong>Universität</strong> Potsdam<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Mathematik</strong><br />

Seminar: <strong>Mathematik</strong> und Politik<br />

Wintersemester 2010/2011<br />

Dozent: Prof. Dr. Jahnke<br />

<strong>Auszählverfahren</strong> <strong>nach</strong> <strong>Wahlen</strong><br />

Abgabetermin: 28. Februar 2011<br />

Desiree Englbrecht (Matrikel-Nr. 749118),<br />

Safyah Hassan (Matrikel-Nr. 745053)


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis ..................................................................................................................... 2<br />

1. Einleitung.............................................................................................................................. 3<br />

2. Grundlagen........................................................................................................................... 3<br />

2.1. Anforderungen an die Verfahren..................................................................................................................4<br />

3. <strong>Auszählverfahren</strong>............................................................................................................... 4<br />

3.1. Einteilung der Verfahren .................................................................................................................................4<br />

3.2. Quotenverfahren <strong>nach</strong> Hare‐Niemeyer .....................................................................................................5<br />

3.3. Divisorverfahren <strong>nach</strong> D’Hondt ....................................................................................................................6<br />

3.4. Divisorverfahren <strong>nach</strong> Sainte‐Laguë/Schepers .....................................................................................7<br />

4. Vergleich der Verfahren .................................................................................................. 8<br />

5. Fazit ........................................................................................................................................ 9<br />

Literaturverzeichnis ...............................................................................................................10<br />

Anhang.........................................................................................................................................11<br />

Handout: <strong>Auszählverfahren</strong> <strong>nach</strong> <strong>Wahlen</strong><br />

2


1. Einleitung<br />

Beispiel<br />

Man stelle sich vor, es gebe genau zwei Parteien A und B, die von insgesamt 100<br />

Menschen gewählt werden, um die Regierung zu bestimmen. Diese setzt sich aus 10 Sitzen<br />

zusammen.<br />

Im ersten Jahr erhält die Partei A 60 Stimmen und die Partei B 40 Stimmen. Damit ist die<br />

Sitzverteilung eindeutig: 6 Sitze <strong>für</strong> Partei A und 4 Sitze <strong>für</strong> Partei B.<br />

Vier Jahre später wird erneut gewählt. Die Stimmung im Volk hat sich mittlerweile etwas<br />

geändert und so wählen bereits 65 Menschen Partei A. Bei der Sitzverteilung steht man<br />

nun vor einem Problem: 6,5 Sitze <strong>für</strong> Partei A und 3,5 Sitze <strong>für</strong> Partei B. Beide Parteien<br />

haben denselben Dezimalwert. Welche also hat den zehnten Sitz mehr „verdient“?<br />

Dieses Beispiel soll zeigen, wie problematisch die Stimmverteilung bei Verhältniswahlen<br />

sein kann. Der Idealanspruch, jeder Partei so viele Sitze zuzuteilen, dass der Anteil der<br />

Sitze im Parlament dem Anteil der Stimmen dieser Partei entspricht, ist in der Realität<br />

schwer zu erfüllen. Grund da<strong>für</strong> ist, dass die Zahl der zu vergebenen Sitze geringer ist als<br />

die Zahl der abgegebenen Stimmen, wodurch eine proportionale Übertragung (Dreisatz)<br />

meist zu nicht-ganzzahligen Anteilen führt. Diese können jedoch nicht auf Individuen<br />

übertragen werden.<br />

Daher wurden in der Vergangenheit diverse Verfahren entwickelt, um die Ganzzahligkeit<br />

der Anteile zu erreichen. Doch auch diese Verfahren haben nicht nur Stärken, sondern<br />

auch Schwächen. Gibt es überhaupt ein geeignetes, wirklich gerechtes Verfahren?<br />

2. Grundlagen<br />

Zunächst werden einige Grundbegriffe erklärt, um die Zusammenhänge besser verstehen<br />

zu können. Beim relativen Mehrheitswahlrecht gewinnt, wer die meisten Stimmen erhalten<br />

hat, während beim absoluten Mehrheitswahlrecht mehr als die Hälfte der Stimmen<br />

benötigt werden, um zu gewinnen.<br />

Bei den Bundestagswahlen in Deutschland wird mit der Erststimme ein Kandidat gewählt.<br />

Der Kandidat, der in einem der derzeit 299 Wahlkreise die meisten Erststimmen erhalten<br />

hat, zieht in den Bundestag ein. Mit der Zweitstimme wird eine Partei gewählt. Der Anteil<br />

der Stimmen sollte der Verteilung der Sitze auf die Parteien im Bundestag entsprechen.<br />

Als erstes ziehen die Direktkandidaten, die mit der Erststimme gewählt wurden, in den<br />

Bundestag ein. Die überbleibenden Plätze werden an Kandidaten vergeben, die auf den<br />

Landeslisten der Parteien stehen. Das Wahlsystem in Deutschland entspricht also nicht<br />

dem Grabenwahlsystem. Beim Grabenwahlsystem wird eine Hälfte der Sitze <strong>nach</strong> dem<br />

Mehrheitswahlsystem vergeben und die andere Hälfte <strong>nach</strong> dem Verhältniswahlsystem.<br />

3


Hier hängt aber der Anteil der Sitze von der Zweitstimme ab, also wird <strong>nach</strong> dem<br />

Verhältniswahlrecht gewählt.<br />

Gewinnt eine Partei mehr Wahlkreise als ihr verhältnismäßig Sitz <strong>nach</strong> dem Ergebnis der<br />

Zweitstimme zustehen, wird ein Überhangmandat vergeben. Um dann das Verhältnis<br />

wieder herzustellen und andere Parteien nicht zu be<strong>nach</strong>teiligen, werden zusätzlich<br />

Ausgleichsmandate vergeben. Hier<strong>für</strong> wird die Zahl der Abgeordnetensitze insgesamt<br />

erhöht. Eigentlich hat der Deutsche Bundestag 598 Sitze. Derzeit gibt es jedoch 24<br />

Überhang- und Ausgleichsmandate, sodass die gesamte Anzahl der Sitze 622 beträgt.<br />

2.1. Anforderungen an die Verfahren<br />

Es gibt verschiedene Anforderungen die man an ein <strong>Auszählverfahren</strong> stellen kann. Im<br />

Folgenden werden einige Anforderungen kurz dargestellt und in Kapitel 4 vergleichend<br />

ausgewertet.<br />

Verhältnistreue (Proportionalität): Einzelne Anteile der Parteien im Gremium sollen sich<br />

im Zueinander und zur Größe des Gremiums so verhalten, wie sich ihre Anteile in der<br />

Ausgangsmenge verhalten.<br />

Summenforderung: Die Summe der einzelnen Anteile muss der vorgegebenen Größe des<br />

abgeleiteten Gremiums entsprechen.<br />

Mehrheitstreue: Die Mehrheitsverhältnisse in der Ausgangsmenge sollen sich auch in den<br />

abgeleiteten Gremien wiederfinden.<br />

Integritätsforderung: Die ermittelten Anteile in der Zusammensetzung des abgeleiteten<br />

Gremiums müssen ganzzahlig sein.<br />

Eindeutigkeitsforderung: Die Anteile sollen sich aus dem Verfahren eindeutig ergeben,<br />

d.h. dass es <strong>für</strong> eine vorgegebene Größe des Gremiums nicht mehrere gleichgültige<br />

Verteilungen geben kann.<br />

Eindeutigkeitsforderung <strong>für</strong> Reihenfolge: Es soll eine durchgehend eindeutige Reihenfolge<br />

<strong>für</strong> die Verteilung geben.<br />

Quotenbedingung: Die Parteien erhalten mindestens ihren ganzzaligen verhältnismäßigen<br />

Sitzanspruch und höchstens einen Sitz mehr.<br />

3. <strong>Auszählverfahren</strong><br />

3.1. Einteilung der Verfahren<br />

Im Nachfolgenden werden die drei in Deutschland am meisten verwendeten<br />

<strong>Auszählverfahren</strong> vorgestellt. Dabei ist einer Untergliederung in Quoten –und<br />

4


Divisorverfahren möglich, die sich in ihrer Art und Weise, wie gerundet wird,<br />

unterscheiden. So ist der Divisor beim Divisorverfahren variabel und der Quotient wird<br />

<strong>nach</strong> einer bestimmten Rundungsregel gerundet. Bei Quotenverfahren ist der Divisor<br />

hingegen fest und falls ein Rest auftritt, wird dieser unabhängig voneinander verteilt.<br />

3.2. Quotenverfahren <strong>nach</strong> Hare-Niemeyer<br />

Das Hare-Niemeyer-Verfahren wurde vor der ersten US-amerikanischen Volkszählung<br />

1790 durch den Politiker Alexander Hamilton propagiert (daher auch: Hamilton-<br />

Verfahren), um die Sitze im US-Repräsentantenhaus proportional zur Bevölkerung auf die<br />

einzelnen Bundesstaaten zu verteilen. Das Verfahren konnte sich jedoch nicht gleich gegen<br />

das von D’Hondt durchsetzen, sondern kam erst 50 Jahre später in den USA zum Einsatz.<br />

Auch in Deutschland löste es das Verfahren <strong>nach</strong> D’Hondt ab und wurde <strong>für</strong> die<br />

Berechnung der Sitzverteilung im Deutschen Bundestag von der Wahl 1987 bis zur Wahl<br />

2005 verwendet. Mit einem Beschluss vom 24. Januar 2008 soll es erneut bei den<br />

Bundestagswahlen angewendet werden. Zudem nutzt man das Verfahren seit 1987 <strong>für</strong> die<br />

Landtagswahlen u.a. in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Die Sitzverteilung erfolgt in zwei Berechnungsschritten. Im ersten Schritt, der sog.<br />

Grundverteilung, wird die Parteistimmenzahl durch die Wahlzahl, die man durch Division<br />

der abgegeben Gesamtstimmen durch die Zahl der Mandate bzw. Sitze erhält, dividiert.<br />

Der abgerundete Teil der erhaltenen Quote wird als Sitzzahl direkt zugeteilt. Damit<br />

entspricht die Grundverteilung der streng proportionalen Berechnung im<br />

Dreisatzverfahren:<br />

Parteistimmenzahl<br />

Gesamtstimmenzahl = Quote<br />

Gesamtsitzzahl<br />

Im zweiten Schritt kommt es zur Restverteilung, d.h. die Restsitze werden in der<br />

Reihenfolge<br />

€<br />

der größten Nachkommastellen der Quoten den Parteien zugeteilt. Falls zwei<br />

Parteien den gleichen Nachkommaanteil besitzen wird entweder gelost oder in Reihenfolge<br />

der Stärke der Parteien zugeordnet (siehe Mehrheitsklausel § 6 Abs. 3 BWahlG (2007) 1 ).<br />

Beispiel<br />

Bei einer Wahl werden insgesamt 500 gültige Stimmen auf die Parteien A, B und C<br />

abgegeben. Es sind 11 Sitze zu verteilen.<br />

Partei A Partei B Partei C<br />

Parteistimmenzahl 191 168 141<br />

1 „Erhält bei der Verteilung der Sitze <strong>nach</strong> Absatz 2 eine Landesliste, auf die mehr als die Hälfte der<br />

Gesamtzahl der Zweitstimmen aller zu berücksichtigenden Landeslisten entfallen ist, nicht mehr als die<br />

Hälfte der zu vergebenden Sitze, wird ihr von den <strong>nach</strong> Zahlenbruchteilen zu vergebenden Sitzen<br />

abweichend von Absatz 2 Sätze 4 und 5 zunächst ein weiterer Sitz zugeteilt. Da<strong>nach</strong> zu vergebende Sitze<br />

werden <strong>nach</strong> Absatz 2 Sätze 4 und 5 zugeteilt.“<br />

5


Quote 4,202 3,696 3,102<br />

erhaltene Sitze <strong>nach</strong> Grundverteilung 4 3 3<br />

Bei der Grundverteilung wurden nur 10 von 11 Sitzen vergeben, d.h. es kommt zur Restverteilung.<br />

Restverteilung 0 1 0<br />

erhaltene Sitze insgesamt 4 4 3<br />

3.3. Divisorverfahren <strong>nach</strong> D’Hondt<br />

Das sog. Divisorverfahren mit Abrundung wurde in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts durch den belgischen Rechtswissenschaftler Viktor d’Hondt entwickelt und<br />

ist daher auch als Verfahren <strong>nach</strong> d’Hondt bekannt. Es wurde bei der Besetzung der<br />

Ausschüsse im Deutschen Bundestag bis 1970 genutzt und fand auch bei Landtagswahlen<br />

in Niedersachen, Sachsen und Schleswig-Holstein Verwendung.<br />

Das Verfahren kann durch fünf mathematisch äquivalente Algorithmen beschrieben<br />

werden, die je dasselbe Sitzzuteilungsergebnis generieren: das Höchstzahlverfahren, das<br />

Quasi-Quotenverfahren, das Rangmaßzahlverfahren (Kehrwert der Höchstzahlen), das<br />

Paarweiser-Vergleich-Verfahren und das Zweischrittverfahren. Im Nachfolgenden wird die<br />

Berechnung als Höchstzahlverfahren sowie als Quasi-Quotenverfahren vorgestellt.<br />

Die Idee des Höchstzahlverfahrens ist es, dass hinter den Sitzen einer Partei möglichst<br />

viele Wählerstimmen stehen sollen. Daher werden die erhaltenen Stimmen einer Partei<br />

<strong>nach</strong>einander durch 1, 2, 3, ... n dividiert. Die Sitzen werden dann in der Reihenfolge der<br />

größten sich ergebenen Höchstzahlen verteilt bis alle Sitze vergeben sind. Falls zwei<br />

Höchstzahlen gleich groß sind, entscheidet das Los.<br />

Beispiel<br />

Bei einer Wahl werden insgesamt 160 gültige Stimmen auf die Parteien A, B und C<br />

abgegeben. Es sind 8 Sitze zu verteilen.<br />

Partei A Partei B Partei C<br />

Parteistimmenzahl 80 30 50<br />

Divisor 1 80 1. Sitz 30 4. Sitz 50 2. Sitz<br />

Divisor 2 40 3. Sitz 15 - 25 6. Sitz<br />

Divisor 3 26,667 5. Sitz 10 - 16,666 8. Sitz<br />

Divisor 4 20 7. Sitz 7,5 - 12,5 -<br />

Divisor 5 16 - 6 - 10 -<br />

Erhaltene Sitze 4 1 3<br />

Der Berechnung <strong>nach</strong> dem Quasi-Quotenverfahren funktioniert ähnlich wie das Hare-<br />

Niemeyer Verfahren (siehe Kapitel 3.2). Allerdings wird die Quote bei der<br />

Grundverteilung anderes ermittelt:<br />

Parteistimmenzahl<br />

Gesamtstimmenzahl+1 =<br />

Quote ; und die Restsitze<br />

Gesamtsitzzahl+1<br />

€<br />

6


werden <strong>nach</strong> der größten Höchstzahl zugeteilt. Da<strong>für</strong> wird die Parteistimmenzahl durch die<br />

um 1, 2, ..., n erhöhte schon zugeteilte Sitzzahl dividiert.<br />

Beispiel<br />

Bei einer Wahl werden insgesamt 160 gültige Stimmen auf die Parteien A, B und C<br />

abgegeben. Es sind 8 Sitze zu verteilen.<br />

Partei A Partei B Partei C<br />

Parteistimmenzahl 80 30 50<br />

Quote 4,472 1,677 2,795<br />

erhaltene Sitze <strong>nach</strong> Grundverteilung 4 1 2<br />

Bei der Grundverteilung wurden nur 7 von 8 Sitzen vergeben, d.h. es kommt zur Restverteilung.<br />

Restverteilung <strong>nach</strong> Höchstzahl 80:(4+1) = 16 30:(1+1) =<br />

15<br />

50:(4+1) =<br />

16,6<br />

erhaltene Sitze insgesamt 4 1 2+1 = 3<br />

3.4. Divisorverfahren <strong>nach</strong> Sainte-Laguë/Schepers<br />

1980 schlägt der deutsche Physiker Hans Schepers eine Abänderung des Verfahrens <strong>nach</strong><br />

d’Hondt vor, um die Be<strong>nach</strong>teiligung kleinerer Parteien zu vermeiden. Schon 1912<br />

entwickelte der französische <strong>Mathematik</strong>er André Sainte-Laguë ein Verfahren mit dem<br />

man auf dieselben Ergebnisse kommt wie nun Schepers; er benutzt aber eine andere<br />

Rechenmethode.<br />

Seit 1980 wird das Verfahren eingesetzt, um die Ausschüsse des Deutschen Bundestages<br />

zu besetzen. Außerdem kam es bei der Wahl des 17. Bundestages 2009 zur Anwendung.<br />

Vom Prinzip her funktioniert das Verfahren <strong>nach</strong> Sainte-Laguë/Schepers sehr ähnlich, wie<br />

das von d’Hondt: Die Anzahl der Stimmen einer Partei wird durch eine Reihe von<br />

Divisoren geteilt (0.5; 1.5; 2.5;…). Die Sitze werden dann absteigend in der Reihenfolge<br />

der größten Hochzahlen vergeben. Hintergrund <strong>für</strong> die Wahl der Divisoren ist, dass eine<br />

Partei nicht erst ein Mandat bekommt, wenn der volle Anspruch darauf vorliegt, sondern<br />

schon wenn der halbe Anspruch auf einen Sitz besteht.<br />

Beispiel<br />

Die Sitzverteilung <strong>nach</strong> einer Wahl bei insgesamt 672 Sitzen sieht wie folgt aus:<br />

CDU SPD Grüne FDP PDS<br />

294 252 49 47 30<br />

Es soll nun ein 17-köpfiger Ausschuss zusammengestellt werden:<br />

Mandate, je Ausschusssitz<br />

Da die Sitzansprüche nicht ganzzahlig sind, wird auf die nächste ganze Zahl<br />

gerundet.<br />

7


So erhalten:<br />

die CDU<br />

die SPD<br />

die Grünen<br />

Sitze,<br />

Sitze,<br />

Sitz,<br />

In der Summe ergeben diese<br />

Ergebnisse aber nur 16 Sitze. Wir<br />

brauchen also eine Zahl x, die kleiner<br />

ist als a=40 und <strong>für</strong> die gilt<br />

die FDP<br />

die PDS<br />

Sitz,<br />

Sitz<br />

Für x=39 erhält man insgesamt 17<br />

Sitze. (8+6+1+1+1=17)<br />

Nun betrachtet man die Funktion f mit .<br />

Die Funktion ist stückweise konstant, monoton fallend, ganzzahlig und springt genau dann,<br />

wenn einer der Summanden springt.<br />

Es ist , wobei eine ganze Zahl ist, die kleiner oder gleich ist.<br />

Die Funktion springt also, wenn<br />

ist, wobei n eine natürliche Zahl ist.<br />

Mit<br />

ergeben sich <strong>für</strong> den ersten Summanden mit n=1,2,3,… die Stellen<br />

entsprechend springt die Funktion auch bei Stellen, an denen die anderen vier<br />

Summanden springen. Die Parteien sammeln so ihre Sitze, bis die gewünschte Anzahl<br />

erreicht ist.<br />

4. Vergleich der Verfahren<br />

Niemeyer D’Hondt<br />

Sainte-<br />

Laguë<br />

Verhältnistreue (Proportionalität) x x x<br />

Summenforderung x x x<br />

Mehrheitstreue x x (<strong>für</strong> ungerade) x<br />

Integritätsforderung x x x<br />

Eindeutigkeitsforderung - - -<br />

Eindeutigkeitsforderung <strong>für</strong> Reihenfolge - x x<br />

Quotenbedingung x - -<br />

Wie in der Tabelle ersichtlich, erfüllt keines der vorgestellten Verfahren alle<br />

Anforderungen. Allen gemeinsam ist, dass sie mehr oder weniger die Idee der<br />

Proportionalität umsetzen, dass sie die Summen –und Integritätsforderung erfüllen und<br />

8


dass sie die Forderung <strong>nach</strong> Eindeutigkeit nicht erfüllen können. Außerdem erfüllen sie<br />

nicht oder nur teilweise die Mehrheitstreue, weswegen an dieser Stellen die<br />

Mehrheitsklausel greift.<br />

Das Verfahren <strong>nach</strong> Hare-Niemeyer erfüllt die obere und untere Quotenbedingung und<br />

verhält sich neutral in Bezug auf die Parteigröße. Als Quotenverfahren unterliegt es<br />

allerdings diversen Paradoxa wie beispielsweise dem Parteizuwachs-Paradox (New-State-<br />

Paradox). Dieses beschreibt den Effekt, dass durch das Streichen einer Partei eine andere<br />

Partei Sitze verlieren bzw. gewinnen kann. Speziell <strong>für</strong> das Niemeyer-Verfahren ist das<br />

Alabama-Paradox, das bei der Erhöhung der Gesamtsitzzahl bei gleicher<br />

Stimmenverteilung auftreten kann. Dabei verliert eine Partei durch die Vergrößerung des<br />

Gremiums einen Sitz. Mathematisch äquivalent zur fehlenden Konsistenz ist das<br />

Wählerzuwachs-Paradox (Population-Paradox): Bei einem anderen Wahlergebnis kann<br />

eine Partei trotz Stimmengewinn einen Sitz verlieren und gleichzeitig eine andere Partei<br />

trotz Stimmenverlust einen Sitz gewinnen.<br />

Der Verfahren <strong>nach</strong> D’Hondt hingegen ist frei von diesen Paradoxa. Allerdings kann eine<br />

Partei mehr Sitze erhalten als ihr zustehen. Somit erfüllt es zwar die obere<br />

Quotenbedingung, aber nicht die untere. Außerdem bevorzugt es große Parteien.<br />

Weder die obere noch die untere Quotenbedingung werden vom Verfahren <strong>nach</strong><br />

Schepers/Sainte-Laguë erfüllt. Da<strong>für</strong> werden kleine Parteien nicht be<strong>nach</strong>teiligt.<br />

5. Fazit<br />

Die vorgestellten Methoden haben alle ihre Vor- und Nachteile. Man selbst muss sich<br />

entscheiden, welches Verfahren man <strong>für</strong> das Geeignete hält. Dass sich die Politiker dabei<br />

nicht immer einig waren, erkannt man daran, dass im Lauf der Geschichte immer wieder<br />

neue Verfahren genutzt wurden und noch heute in den Bundesländern unterschiedliche<br />

Verfahren verwendet werden.<br />

Im Endeffekt muss man sich die Frage stellen, ob die Methode des mathematischen<br />

Rundens wirklich die gerechteste ist. Kann es nicht doch noch andere, bessere<br />

mathematische Modelle geben? Balinski und Young jedenfalls haben in ihrem<br />

Unmöglichkeitssatz bewiesen, dass kein bisher bekanntes Sitzzuteilungsverfahren<br />

gleichzeitig die Quotenbedingung erfüllen kann und Wählerzuwachsparadoxon frei ist, d.h.<br />

das kein ideales <strong>Auszählverfahren</strong>, das alle Anforderungen erfüllt, existiert.<br />

9


Literaturverzeichnis<br />

Deutscher Bundestag (Hrsg.)(2009): Berechnungsverfahren <strong>für</strong> die Sitzverteilung. In:<br />

http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/azur/index.html<br />

(Zugriff am 11.10.10).<br />

Fehndrich, Martin (Hrsg.)(2010): Sitzzuteilungsverfahren bei Verhältniswahlen. In:<br />

http://www.wahlrecht.de/verfahren/ (Zugriff am 11.10.10).<br />

Jahnke, Thomas (Hrsg.): Themenheft <strong>Wahlen</strong>. In: <strong>Mathematik</strong> lehren. Heft 88, S.14-19.<br />

Korte, Karl-Rudolf (2009): Wahlsysteme im Vergleich. In:<br />

http://www.bpb.de/themen/W8J9US.html (Zugriff am 11.10.10).<br />

Pukelsheim, Friedrich (1998): Divisor oder Quote? Zur <strong>Mathematik</strong> von<br />

Mandatszuteilungen bei Verhältniswahlen. Augsburg<br />

10


Anhang<br />

Handout: <strong>Auszählverfahren</strong> <strong>nach</strong> <strong>Wahlen</strong><br />

Grundbegriffe<br />

Verhältniswahlrecht:<br />

Mehrheitswahlrecht:<br />

Die Zusammensetzung des Parlaments erfolgt verhätlnismäßig<br />

<strong>nach</strong> der Anzahl der Stimmen <strong>für</strong> die einzelnen Parteien.<br />

-> relatives: Es gewinnt, wer die meisten Stimmen erhält.<br />

->absolutes: Es gewinnt, wer mehr als die Hälfte der Stimmen<br />

erhält.<br />

Während man mit der Erststimme einen Kandidaten wählt, wählt man mit der Zweitstimme<br />

eine Partei.<br />

Gewinnt eine Partei mehr Wahlkreise durch die Erststimme als ihr verhältnismäßig Sitze <strong>nach</strong><br />

dem Ergebnis der Zweitstimme zustehen, wird ein Überhangmandat vergeben.<br />

Ausgleichsmandate dienen dann dazu, die Überhangmandate so auszugleichen, dass andere<br />

Parteien nicht be<strong>nach</strong>teiligt werden. Dazu wird dann die Zahl der Abgeordnetensitze erhöht.<br />

Anforderungen<br />

- Integritätsforderung<br />

- Summenforderung<br />

- Mehrheitstreue<br />

- Quotenbedingung<br />

- Verhältnistreue/Proportionalität<br />

- Eindeutigkeitsforderung (<strong>für</strong> die<br />

Reihenfolge)<br />

/0)0$1+)*+,-'+*.!<br />

"#$%&'()*+,-'+*.!<br />

;#16*.)*+,-'+*.!<br />

Wichtige <strong>Auszählverfahren</strong><br />

.-2'!/341.56!<br />

.-2'!7-0.6*8<br />

9-:#*!<br />

.-2'!4-+*8<br />

*+!<br />

!<br />

I. Quotenverfahren <strong>nach</strong> Hare-Niemeyer<br />

‐ Verwendung <strong>für</strong> die Berechnung der Sitzverteilung im Dt. Bundestag von der Wahl<br />

1987 bis 2005<br />

‐ Verwendung seit 1987 <strong>für</strong> diverse Landtagswahlen, z.B. Berlin, Brandenburg<br />

1. Schritt – Grundverteilung:<br />

Parteistimmenzahl<br />

Gesamtstimmenzahl = Quote<br />

Gesamtsitzzahl<br />

Die abgerundete Quote wird als Sitz direkt zugeteilt.<br />

2. Schritt – Restverteilung: € Restsitze werden in der Reihenfolge der größten<br />

Nachkommastellen der Quote zugeteilt.<br />

11


Beispiel: Es sind 14 Sitze bzw. Mandate zu vergeben.<br />

Partei A Partei B Partei C Gesamt<br />

Erhaltene Stimmen 38 38 24 100<br />

Quote: 5,32 5,32<br />

Sitze <strong>nach</strong> Grundverteilung<br />

Durch die Grundverteilung wurden nur ______ von 14 Sitzen vergeben. Daher kommt es zur Restverteilung.<br />

Sitze <strong>nach</strong> Restverteilung<br />

Sitze gesamt<br />

Paradoxe<br />

‐ Alabama-Paradox:<br />

‐ Wählerzuwachs-Paradox<br />

‐ Parteizuwachs-Paradox<br />

II. Divisorverfahren <strong>nach</strong> D’Hondt<br />

‐ Verwendung im Dt. Bundestag bis 1987 (Ersetzung durch Hare-Niemeyer)<br />

‐ Verwendung <strong>für</strong> diverse Landtagswahlen, z.B. Sachsen, Saarland, Schleswig-Holstein<br />

‐ Verfahren kann in 5 mathematisch äquivalente Algorithmen verwendet werden, die<br />

dasselbe Sitzzuteilungsergebnis generieren<br />

a) Höchstzahlverfahren: Die Parteistimmenzahl wird durch die Divisoren 1, 2, 3, ..., n<br />

dividiert. Die Sitze werden dann in der Reihenfolge der<br />

größten Hochzahlen vergeben bis alle vorhandenen Sitze<br />

verteilt wurden.<br />

b) Quasi-Quotenverfahren: Parteistimmenzahl<br />

Gesamtstimmenzahl+1 =<br />

Quote<br />

Gesamtsitzzahl+1<br />

Die abgerundete Quote wird als Sitz direkt zugeteilt. Restsitze<br />

werden in der Reihenfolge der größten Höchstzahlen zugeteilt.<br />

c) Iteratives Verfahren: € Die Parteistimmenzahl wird durch einen geeigneten Divisor<br />

dividiert. Das Ergebnis wird abgerundet als Sitz zugeteilt.<br />

II. Divisorverfahren <strong>nach</strong> Sainte-Laguë/Schepers<br />

‐ Verwendung seit 1980 <strong>für</strong> Besetzung der Ausschüsse und Gremien des Dt.<br />

Bundestages<br />

‐ Anwendung bei der Wahl des 17. Dt. Bundestages 2009<br />

a) Höchstzahlverfahren: Die Parteistimmenzahl wird durch die Divisoren 1/2; 1,5;<br />

2,5; ...; n dividiert. Die Sitze werden dann in der Reihenfolge<br />

der größten Hochzahlen vergeben. Die Partei bekommt ihr<br />

Mandat damit schon, wenn der halbe Anspruch auf einen Sitz<br />

besteht.<br />

b) Iteratives Verfahren:<br />

€<br />

Divisor = Gesamtstimmenzahl<br />

Gesamtsitzzahl<br />

Die Parteistimmenzahl wird durch einen geeigneten Divisor<br />

geteilt und standardmäßig gerundet. Dies entspricht der<br />

Anzahl der Sitze.<br />

Sind zu viele/wenige Sitze verteilt worden, wird das<br />

Verfahren mit einem größeren/kleineren Divisor wiederholt.<br />

12


Vergleich der Verfahren<br />

Bei einer Wahl werden 19 gültige Stimmen abgegeben. Partei A erhält dabei 13<br />

Stimmen, Partei B 3 Stimmen, Partei C 2 Stimmen und Partei D 1 Stimme. Es sind 7 Sitze zu<br />

vergeben.<br />

Arbeitsaufträge:<br />

1. Ermittle je die Parteisitze mithilfe der <strong>Auszählverfahren</strong> <strong>nach</strong> D’Hondt, Hare-<br />

Niemeyer sowie Sainte-Lague!<br />

2. Welche Unterschiede stellst du zwischen den Verfahren fest?<br />

3. Überlege, ob die Verfahren die Anforderungen an <strong>Auszählverfahren</strong> erfüllen!<br />

<strong>Auszählverfahren</strong> <strong>nach</strong> Hare-Niemeyer<br />

Partei A Partei B Partei C Partei D<br />

Erhaltene Stimmen 13 3 2 1<br />

Quote<br />

Erhaltene Sitze <strong>nach</strong><br />

Grundverteilung<br />

Erhaltene Sitze <strong>nach</strong><br />

Restverteilung<br />

Sitze gesamt<br />

<strong>Auszählverfahren</strong> <strong>nach</strong> D’Hondt (Höchstzahlverfahren)<br />

Partei A Partei B Partei C Partei D<br />

Erhaltene Stimmen 13 3 2 1<br />

Divisor 1<br />

Divisor 2<br />

Divisor 3<br />

Divisor 4<br />

Divisor 5<br />

Divisor 6<br />

Sitze gesamt<br />

<strong>Auszählverfahren</strong> <strong>nach</strong> Sainte-Laguë (Höchstzahlverfahren)<br />

Partei A Partei B Partei C Partei D<br />

Erhaltene Stimmen 13 3 2 1<br />

Divisor 0,5<br />

Divisor 1,5<br />

Divisor 2,5<br />

Divisor 3,5<br />

Divisor 4,5<br />

Divisor 5,5<br />

Sitze gesamt<br />

Nützliche Literatur<br />

‐ Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2009): Berechnungsverfahren <strong>für</strong> die Sitzverteilung. In:<br />

http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/azur/index.html (Zugriff am 11.10.10)<br />

‐ Fehndrich, Martin (Hrsg.) (2010): Sitzzuteilungsverfahren bei Verhältniswahlen. In:<br />

http://www.wahlrecht.de/verfahren/ (Zugriff am 11.10.10)<br />

‐ Jahnke, Thomas (Hrsg.): Themenheft <strong>Wahlen</strong>. mathematik lehren. Heft 88 (Juni 1998)<br />

‐ Pukelsheim, Friedrich (1998): Divisor oder Quote? Zur <strong>Mathematik</strong> von Mandatszuteilungen bei<br />

Verhältniswahlen. Augsburg<br />

13

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