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Wolfer Herbert NZZ - Winterthur Glossar

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aus einem Artikel in der <strong>NZZ</strong><br />

Mäzenatentum pur<br />

Kapitale Schenkung an das Kunstmuseum <strong>Winterthur</strong><br />

15. Mai 2001<br />

Es gibt sie noch - Schenker ohne Kosten-Nutzen-Denken -, aber sie sind so selten wie Grosse<br />

Pandas in der freien Wildbahn. Da die platzmässig überforderten Kunstmuseen nur noch<br />

absolute Meisterwerke ständig zu zeigen bereit sind, ist es inzwischen schon fast zur Regel<br />

geworden, dass sich Sammler eigene Privatmuseen bauen lassen, wo sie ihre Schätze ohne<br />

Kompromisse in Szene setzen können. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass<br />

Traditionshäuser fast nur noch Einzelwerke oder kleinere Ensembles geschenkt erhalten. Dass<br />

die Erben einer ganzen Sammlung diese integral einem Kunstmuseum schenken, ohne<br />

unerfüllbare Bedingungen aufzustellen, ist in der gegenwärtigen Zeit ein epochaler<br />

Sonderfall. Ein solcher ist aus <strong>Winterthur</strong> zu vermelden, wo das Kunstmuseum die Sammlung<br />

von Ulrich <strong>Wolfer</strong> unter dem Titel «Von Delacroix bis Bonnard - Eine Schenkung» erstmals<br />

geschlossen vorstellt.<br />

Ulrich <strong>Wolfer</strong> und sein Bruder <strong>Herbert</strong> erbten die Sammlung ihres Vaters Heinrich <strong>Wolfer</strong>-<br />

Sulzer (1882-1969). Diese umfasste neben einigen alten Meistern zur Hauptsache<br />

Schlüsselwerke des Impressionismus und der klassischen Moderne. Heinrich <strong>Wolfer</strong> hatte<br />

seine Werke in den fünfziger Jahren vor allem vom Kunsthändler Fritz Nathan erworben.<br />

Vom Künstlerprogramm her zog er eine qualitätvolle Synthese aus den Vorlieben der<br />

rivalisierenden <strong>Winterthur</strong>er Sammlerfamilien Reinhart und Hahnloser. <strong>Herbert</strong> <strong>Wolfer</strong><br />

schenkte seinen Sammlungsteil, den er um bedeutende Gemälde von van Gogh und Bonnard<br />

sowie um Plastiken von Maillol erweitert hatte, bereits 1973 dem Kunstverein <strong>Winterthur</strong>.<br />

Die Kunstwerke verbleiben jedoch bis zu seinem Tod in seinem Haus.<br />

Als erster Teil ins Museum gelangt ist nun die Sammlung des im Jahr 2000 verstorbenen<br />

Ulrich <strong>Wolfer</strong>, und zwar als Schenkung seiner Kinder Beat <strong>Wolfer</strong>, Marianne <strong>Wolfer</strong> und<br />

Silvia Largo- <strong>Wolfer</strong>. Von den insgesamt 54 Werken, die die Sammlungen der beiden <strong>Wolfer</strong>-<br />

Brüder umfassen, zeigt die gegenwärtige Präsentation 14 Gemälde von Ulrich <strong>Wolfer</strong> sowie<br />

je ein Hauptwerk von Sisley - «Le Pont de Hampton Court» von 1874 - und Bonnard -<br />

«Moulin à café» von 1930 - aus der Kollektion <strong>Herbert</strong> <strong>Wolfer</strong>. - Während <strong>Herbert</strong> <strong>Wolfer</strong> als<br />

langjähriger Präsident des Kunstvereins in <strong>Winterthur</strong> markant präsent war, lebte sein Bruder<br />

zurückgezogen. Dass auch er über eine so bedeutende Sammlung verfügte, war selbst für<br />

Dieter Schwarz, den Direktor des <strong>Winterthur</strong>er Kunstmuseums, eine Überraschung. Deren<br />

Auftakt markiert denn auch das in der Forschung bisher als verschollen geführte Gemälde<br />

«Femme d'Alger avec un lévrier» von Delacroix, ein koloristisches Juwel voll nervöser<br />

Spannung aus dem Jahr 1854. Von Boudin stammt eine 1871 im Exil gemalte Ansicht des<br />

«Canal de l'Allée verte» in Brüssel, in der sich romantische Farbschwere und<br />

impressionistische Spontaneität verbinden.<br />

Meisterhaft vertreten ist Corot mit der skizzenhaften Landschaft «Passiance, près Saint-Avit<br />

(Landes)» von 1872, die neben der Werkgruppe dieses Künstlers in der Sammlung Oskar<br />

Reinhart «Am Römerholz» durchaus zu bestehen vermag. Dasselbe gilt auch für Delacroix.<br />

Bedeutend ist weiter der frühe Redon, dessen «Port breton» von 1865 Corots Intimismus ins<br />

Magische transformiert. Der qualitative Höhepunkt des Legats liegt indes in zwei<br />

Strandbildern von Monet: Die kühne Komposition des Bildes «Bateau échoué à Fécamp» von<br />

1868 ist eine kraftvoll-souveräne Antwort an Manet, in der malerischen Realisierung bereits


aus einem Artikel in der <strong>NZZ</strong><br />

eine reine Impression. Und im grossartigen Bild «Varengeville, marée basse» von 1882 tritt<br />

an die Stelle des impressionistischen Sonntagsausflugs ins kultivierte irdische Paradies die<br />

geradezu brüskierende Leere und öde Weite der vom Menschen unberührten Natur. Eine<br />

frühe Gauguin-Landschaft unter Pissarro-Einfluss und ein delikates spätes Renoir-Stillleben<br />

leiten sodann über zu vier Bonnards, einer kompositorisch und maltechnisch experimentellkühnen<br />

«Marine, grand voilier» von 1911, dem hinreissenden Stillleben «Les coquelicots»<br />

von 1922 und zwei im Licht fliessenden Landschafen (1912 und 1935). Abgerundet wird das<br />

Ensemble mit einem Fauves-Bild des Nabis Vuillard.<br />

Bis zum 30. September ist die Schenkung der Geschwister <strong>Wolfer</strong> in einem eignen Saal so<br />

präsentiert, dass der Sammlungscharakter des Konvoluts ihres Vaters klar zum Tragen<br />

kommt. Danach hat Dieter Schwarz freie Hand. Die Werke werden sich dann als neue<br />

Glanzlichter (Monet), als bisher nicht vertretene Brückenköpfe zur Moderne (Delacroix,<br />

Boudin) sowie als markante Verstärkung bereits bestehender Schwerpunkte (Renoir, Bonnard,<br />

Redon, Vuillard) in den <strong>Winterthur</strong>er Höhenweg der Kunst vom Impressionismus zur<br />

klassischen Moderne integrieren. Sie künden dann nicht mehr vom Geschmack und von der<br />

Grosszügigkeit des Stifters, wie sie dies in einem eigens für sie erbauten Privatmuseum tun<br />

würden, sondern gehen ganz auf in einer übergreifenden historischen Entwicklungslinie.<br />

Matthias Frehner

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