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Buch 6

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wenn du demütig und in der Not alle möglichen Stämme und Städte der Italer um Beistand bittest!<br />

Erneut wird eine Gattin der Grund für das so große Übel für die Teucrer sein, erneut ein Gast und<br />

eine fremde Hochzeit. Weiche nicht den Übeln aus, sondern gehe ihnen recht kühn entgegen, so, wie<br />

es dein Glück zulässt. Der erste Weg zur Hoffnung (was du am wenigstens vermutest) öffnet sich dir<br />

von einer griechischen Stadt aus.“<br />

Mit solchen Worten prophezeite die Sibylle von Cumae schreckliche Unklarheiten, (100) während sie<br />

Wahres mit Verborgenem vermischte: und hallte in der Höhle wieder. Apollon schüttelte der<br />

Rasenden die Zügel und wandte ihr den Stachel unter die Brust. Sobald die Raserei wich und sich die<br />

rasenden Gesichtszüge beruhigten, begann der Held Aeneas zu sprechen: „Nicht eine einzige, neue<br />

oder unvermutete Erscheinung einer Strapaze, oh Jungfrau, erhebt sich mir. Ich habe bereits alle<br />

vorweggenommen und schon zuvor in meinem Geiste für mich zu Ende geführt. Um eines bitte ich<br />

dich: Da ja hier angeblich der Eingang des Königs der Unterwelt sowie der schattenreiche Sumpf ist,<br />

wo sich der Acheron ergießt, möge es möglich sein in das Blickfeld und vor das Antlitz meines lieben<br />

Vaters zu treten. Du mögest mir den Weg zeigen und mir die heiligen Eingänge öffnen. (110) Jenen<br />

habe ich auf diesen Schultern durch die Flammen und durch die eintausend dicht aufeinander<br />

folgenden Pfeilen gerettet und habe ihn mitten aus Feindes Hand befreit. Er ertrug als Begleiter<br />

meine Reise, mit mir alle Meere sowie alle Drohungen des Meeres und des Himmels, schwach und<br />

doch weit über seine Kräfte und dem Los seines Alters hinaus. Ja, derselbe gab mir auch bittend den<br />

Auftrag, dass ich dich demütig bitten und zu deiner Stätte gehen sollte. Ich bitte dich, Gütige,<br />

erbarme dich des Sohnes und des Vaters (du kannst nämlich alles und Hecate hat dich nicht umsonst<br />

dem Avernerhain vorangestellt), wenn es Orpheus vermochte, die Totengeister seiner Gattin zu<br />

forden, indem er auf seine (120) thrakische Zither und auf ihr treues Spiel vertraute, wenn Pollux<br />

seinen Bruder durch seinen eigenen Tod loskaufen konnte und so oft den Weg hin und zurückging.<br />

Wozu soll ich Theseus, wozu den großen Hercules erwähnen? Auch ich stamme vom äußerst<br />

erhabenen Jupiter ab.“<br />

Mit solchen Worten bat er sie und berührte die Altäre, als die Seherin so zu sprechen begann: „Du<br />

Spross vom Blut der Götter, Trojaner, Sohn des Anchises, leicht ist der Abstieg in die Unterwelt: Die<br />

Pforte zum finsteren Dis steht Tag und Nacht offen. Aber den Schritt zurückzuwenden und zu den<br />

Lüften der Oberwelt hinaufzusteigen – dies ist eine Arbeit, dies ist eine Strapaze! Nur wenige<br />

konnten das – nur diejenigen, die der gerechte Jupiter liebte, oder welche, die ihre eifrige Tugend zur<br />

Oberwelt erhob; Göttersöhne! Wälder besetzten die gesamte mittlere Region und der Cocytus<br />

umgibt sie in finsterer Wölbung fließend. Wenn aber das Verlangen des Geistes so groß ist, wenn die<br />

Begierde so groß ist, zweimal den stygischen See zu befahren, zweimal den schwarzen Tartarus zu<br />

sehen und wenn es dir gefällt, dich einer wahnsinnigen Strapaze hinzugeben, vernimm, was zuvor

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