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gerettet! - Schauspiel Stuttgart

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s chausp iels tuttgart<br />

gefährliche liebschaften<br />

s chausp iels tuttgart<br />

gefährliche liebschaften<br />

man mir zu verbergen suchte. Diese Neugier diente dazu, mich<br />

zu bilden, und lehrte mich zugleich, mich zu verstellen. Empfand<br />

ich etwa Kummer, befleißigte ich mich, heiter auszusehen. Ich<br />

habe den Eifer so weit getrieben, dass ich lernte, freundlich zu<br />

lächeln, während ich mir unter dem Tisch eine Gabel in den<br />

Handrücken stieß. Mit derselben Sorgfalt habe ich mich bearbeitet,<br />

um die Zeichen einer unerwarteten Freude zu unterdrücken.<br />

So habe ich über meine Physiognomie die Macht erlangt, über<br />

die ich Sie manchmal so in Erstaunen gesehen habe.<br />

Sie können sich denken, dass ich, wie alle jungen Mädchen, die<br />

Liebe und ihre Freuden zu erraten suchte. Mir stand der Sinn<br />

aber nicht nach Genuss, ich wollte wissen. Ich fühlte, dass der<br />

einzige Mann, mit dem ich, ohne mir Blöße zu geben, von dem<br />

Gegenstand sprechen könne, mein Beichtvater sei. Ich beschuldigte<br />

mich, dass ich alles gemacht habe, was die Frauen machten.<br />

Der gute Pater malte mir die Sünde so groß aus, dass ich<br />

daraus schloss, das Vergnügen müsse ungeheuer sein. Wenige<br />

Tage darauf kündigte meine Mutter mir meine Heirat an und ich<br />

gelangte jungfräulich in Monsieur de Merteuils Arme. In der<br />

Hochzeitsnacht erwartete ich mit Seelenruhe den Augenblick,<br />

der mich aufklären sollte, und brauchte Überlegung, um Verwirrung<br />

und Furcht zu zeigen. Diese erste Nacht, von der man sich<br />

gewöhnlich eine so grausame oder so süße Vorstellung macht,<br />

bot mir nur Gelegenheit zu Erfahrungen. Ich beobachtete alles<br />

genau und erblickte in diesen verschiedenen Empfindungen nur<br />

zu sammelnde und zu bedenkende Tatsachen. Monsieur de Merteuils<br />

Krankheit unterbrach diese lieblichen Beschäftigungen. Er<br />

starb, wie Sie wissen, kurze Zeit darauf. Das Trauerjahr benutzte<br />

ich, um meine Studien zu vollenden: ich studierte unsere Sitten<br />

in den Romanen, unsere Ansichten bei den Philosophen, ich<br />

suchte sogar bei den strengsten Moralisten, was sie von uns verlangten,<br />

und verschaffte mir dergestalt Sicherheit über das, was<br />

man tun konnte, was man denken musste und was es zu scheinen<br />

galt. Ich bin in mein Herz hinabgestiegen und habe darin<br />

das der andern erforscht. Ich habe darin gesehen, dass es niemand<br />

gibt, der dort nicht ein Geheimnis bewahrt, an dessen<br />

s: 14 ˚<br />

s: 15 ˚

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