01.11.2013 Aufrufe

Vernehmlassung - Regierungsrat - Basel-Stadt

Vernehmlassung - Regierungsrat - Basel-Stadt

Vernehmlassung - Regierungsrat - Basel-Stadt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Regierungsrat</strong> des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />

Staatskanzlei<br />

Marktplatz 9<br />

CH-4001 <strong>Basel</strong><br />

Telefon +41 (0)61 267 85 62<br />

Telefax +41 (0)61 267 85 72<br />

E-Mail staatskanzlei@bs.ch<br />

Internet www.bs.ch<br />

Bundesamt für Migration<br />

3003 Bern-Wabern<br />

<strong>Basel</strong>, 8. April 2009<br />

<strong>Regierungsrat</strong>sbeschluss<br />

vom 7. April 2009<br />

Entwurf zur Änderung des Asylgesetzes und des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen<br />

und Ausländer<br />

<strong>Vernehmlassung</strong>sverfahren<br />

Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Wir danken Ihnen für Ihr Schreiben vom 12. Januar 2009, mit welchem Sie uns den Entwurf<br />

zur Änderung des Asylgesetzes und des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer<br />

zugesandt und uns eingeladen haben, zu diesem Stellung zu nehmen. Hiermit übermitteln<br />

wir Ihnen unsere Stellungnahme.<br />

1. Einleitung<br />

Gerne nehmen wir zur Kenntnis, dass die Erfahrungen mit dem teilrevidierten Asylgesetz<br />

und dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen neuen Ausländergesetz vom Bund auch im<br />

Asylbereich durchwegs positiv gewertet werden. Die neuerliche Teilrevision wird nun vor allem<br />

damit begründet, dass in Anbetracht der gestiegenen Gesuchszahlen die Attraktivität<br />

der Schweiz als Zielland von Asylsuchenden weiter gesenkt werden müsse und somit insbesondere<br />

im Verfahrensbereich weiterer Optimierungsbedarf bestehe.<br />

Die Asylgesuchszahlen der letzten sechs Monate sind zwar gestiegen, liegen aber noch im<br />

unteren Durchschnitt, wenn man die Zahlen der letzten acht Jahre betrachtet. Die Entwicklung<br />

kann nicht als alarmierend bezeichnet werden. Die aktuellen Engpässe im Verfahrensbereich<br />

seitens Bund und in den Kantonen in den Bereichen Unterbringung und Betreuung<br />

könnten durchaus gehandhabt werden, wenn die Schwankungsreserven in den Kantonen<br />

und das Befragungspersonal von Bund und Kantonen als Folge des Bundesprojekts "Be-


<strong>Regierungsrat</strong> des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 2<br />

sondere Lage" nicht auf ein Minimum heruntergefahren worden wären. Die vorgeschlagene<br />

Revision mit dem erklärten Ziel, die Asylgesuchszahlen weiter zu senken und damit Kosten<br />

zu sparen, steht unseres Erachtens in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu den realen<br />

Gesuchs- und Kostenentwicklungen.<br />

Der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> anerkennt jedoch im Grundsatz die Wichtigkeit, asylrechtliche Verfahrensabläufe<br />

zu optimieren und Missbräuche noch konsequenter zu verhindern. Insofern<br />

begrüssen wir den vorliegenden Entwurf zu einer Änderung des Asylgesetzes (E-AsylG) und<br />

des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (E-AuG). Dennoch erachten<br />

wir gewisse Anpassungen der Gesetzesentwürfe für unabdingbar, um den Grundsätzen der<br />

Bundesverfassung wie der humanitären Tradition der Schweiz in genügendem Masse Rechnung<br />

zu tragen. Im Sinne einer übersichtlichen Darstellung sind die nachfolgenden Anmerkungen<br />

jeweils nach ihrer Thematik geordnet dargestellt.<br />

2. Stellungnahme zu den einzelnen Gesetzesänderungen<br />

2.1 Ausschluss von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Flüchtlingseigenschaft<br />

Die Bestrafung von Dienstverweigerern bzw. Deserteuren ist in Eritrea anerkanntermassen<br />

unverhältnismässig streng. Die gesetzliche Verankerung der ursprünglichen Praxis des<br />

BFM, wonach die Flüchtlingseigenschaft anhand mehrerer Kriterien geprüft und nicht einzig<br />

aufgrund Dienstverweigerung oder Desertion anerkannt wird, halten wir für sinnvoll. Wir gehen<br />

insbesondere davon aus, dass Personen, denen mangels stichhaltiger Asylgründe nach<br />

Genfer Konvention kein Asyl gewährt werden kann, in der Schweiz vorläufig aufzunehmen<br />

sind, wenn ihnen eine unmenschliche Behandlung droht. Damit wird dem Non-Refoulement-<br />

Prinzip Genüge getan.<br />

2.2 Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland Asylgesuche einzureichen<br />

Mit der Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland Asylgesuche einzureichen, wird gemäss Botschaft<br />

einerseits bezweckt, die Schweizer Vertretungen in finanzieller und personeller Hinsicht<br />

zu entlasten. Dieser Zweck wird mit der angestrebten Neuregelung wohl erreicht. Finanzielle<br />

Überlegungen alleine würden eine Verschärfung des Asylrechts in der vorgesehenen<br />

Form jedoch nicht rechtfertigen.<br />

Andererseits wird damit beabsichtigt, im Rahmen des Dubliner Abkommens das Risiko einer<br />

Lastenverteilung der Asylgesuche zuungunsten der Schweiz zu verringern, da die Frage der<br />

Zuständigkeit bei Auslandsgesuchen ausserhalb des Dublin-Raums nicht explizit geregelt<br />

ist. Obwohl die Schweiz rein rechtlich gesehen in Fällen, in denen in einem anderen Dublin-<br />

Staat ein Asylgesuch gestellt wird, nachdem zuvor bei einer Schweizer Vertretung ein Auslandsgesuch<br />

gestellt worden war, nicht zuständig ist, würde gemäss Botschaft und BFM das<br />

Risiko bestehen, dass die Schweiz in solchen Fällen von den anderen Dublin-Staaten um<br />

Übernahme des Asylverfahrens angefragt wird.<br />

Wie Erkundigungen des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> beim<br />

BFM ergeben haben, ist dies jedoch keinesfalls sicher. Wir erachten es deshalb für zwin-


<strong>Regierungsrat</strong> des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 3<br />

gend, dass diesbezügliche Abklärungen noch vorgenommen werden, bevor der Gesetzesentwurf<br />

den eidgenössischen Räten vorgelegt wird.<br />

2.3 Optimierung der asylrechtlichen Verfahren<br />

Die Verfahrensabläufe zu optimieren, um rascher zu einem definitiven Entscheid zu gelangen,<br />

liegt grundsätzlich im Interesse sowohl des Staates und als auch der gesuchstellenden<br />

Personen, weshalb wir die vorgeschlagene Regelung begrüssen.<br />

Hinsichtlich des Vorschlages, die Reduzierung der Sozialhilfeunterstützung auf Nothilfe auch<br />

gegenüber Asylsuchenden, die ein Mehrfachgesuch gestellt haben, anzuordnen, bestätigen<br />

wir die Ansicht, dass ein öffentliches Interesse am Vollzug einer angeordneten Wegweisung<br />

besteht und der Ausschluss aus der Sozialhilfe diesem dienlich sein kann. Staatliche Behörden<br />

verhalten sich widersprüchlich, wenn sie zwar die Wegweisung einer bestimmten Person<br />

rechtskräftig verfügt haben, ihr zugleich aber weiterhin ein finanzielles Auskommen sicherstellen.<br />

Demzufolge anerkennt der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> die Sinnhaftigkeit der vorgeschlagenen<br />

Beschränkung auf Nothilfe zur Verbesserung des Wegweisungsvollzugs. Wird<br />

im Einzelfall für die Prüfung eines Mehrfachgesuchs der Wegweisungsvollzug sistiert, soll<br />

jedoch weiterhin Sozialhilfe ausgerichtet werden.<br />

Dass viele rechtskräftig abgewiesene Asylsuchende trotz der Reduktion der Sozialhilfeunterstützung<br />

auf Nothilfe in der Schweiz bleiben, hat häufig vollzugstechnische, aber auch medizinische<br />

oder andere Gründe. Die Diskussion bezüglich Umgang mit Langzeitnothilfebeziehenden<br />

und den daraus entstehenden Kosten und Problemen in den Kantonen kann jedoch<br />

nicht Gegenstand dieser <strong>Vernehmlassung</strong> sein, wird aber zwischen Bund und Kantonen<br />

noch thematisiert werden müssen.<br />

2.4 Einführung einer neuen Nachweispflicht (AuG)<br />

Neu sollen Personen, die geltend machen, dass der Vollzug der Weg- oder Ausweisung aus<br />

persönlichen Gründen nicht zumutbar ist, dies nachweisen. Damit soll die Beweislast für die<br />

Unzumutbarkeit der Weg- und Ausweisung aus persönlichen Gründen, beispielsweise aufgrund<br />

fehlenden Beziehungsnetzes im Herkunftsstaat oder aufgrund fehlender medizinischer<br />

Versorgung, neu dem Gesuchsteller zufallen. Die übrigen gegen den Vollzug sprechenden<br />

Vorbringen, wie beispielsweise ein Bürgerkrieg im Heimatstaat, müssten weiterhin<br />

zumindest glaubhaft gemacht werden.<br />

Die Erwartung, dass in rund 250 Fällen von möglicher vorläufiger Aufnahme die Unzumutbarkeit<br />

des Vollzugs von den Betroffenen nicht nachgewiesen werden kann und dies zu rund<br />

CHF 5 Mio. Kosteneinsparungen führen könnte, kann jedoch nicht Grund allein sein, auf<br />

Gesetzesstufe die vollständige Umkehr der Beweislast festzulegen.<br />

Normalerweise ist es grundsätzlich schwierig, von der Schweiz aus in Herkunftsländern Beweise<br />

für die Unzumutbarkeit einer Rückreise zu erbringen, sowohl für die Bundesbehörden<br />

wie auch für die Betroffenen selber. Die Gründe dafür können struktureller (Zerstörung staatlicher<br />

Infrastruktur nach kriegerischen Konflikten) oder sozio-kultureller Natur sein. Einer ledigen<br />

Mutter aus einem streng islamischen Staat dürfte es beispielsweise kaum möglich sein


<strong>Regierungsrat</strong> des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 4<br />

zu beweisen, warum eine Rückkehr in ihre Heimat mit einem unehelichen Kind nicht zumutbar<br />

ist. Sie kann diesen Umstand höchsten glaubhaft machen.<br />

Der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> steht der vorgeschlagenen Neuregelung grundsätzlich kritisch gegenüber,<br />

da ihre konkreten Auswirkungen im Einzelfall nicht abschätzbar sind. Der Beweis<br />

der fehlenden Zumutbarkeit der Wegweisung aufgrund struktureller, medizinischer oder sozio-kultureller<br />

Gründe sollte aus eben genannten Beweggründen nach wie vor von Amtes<br />

wegen erbracht werden. Schweizer Behörden verfügen über ein gut ausgebautes Informationsnetz<br />

und können beispielsweise mittels Vertrauensanwälten abklären lassen, ob eine<br />

medizinische Versorgung in einem bestimmten Staat oder Gebiet gewährleistet ist. Von Gesuchstellenden<br />

kann verlangt werden, ärztliche Zeugnisse behandelnder Ärzte vorzulegen,<br />

nicht aber Abklärungen zur medizinischen Versorgung oder zu spezifischen Behandlungsform<br />

in ihren Herkunftsstaaten vorzunehmen. Es liesse sich aus humanitären Gründen nicht<br />

rechtfertigen, dass Personen in ihr Herkunftsland ausreisen müssen, obwohl beispielsweise<br />

ihre medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist oder ihnen soziale Ächtung innerhalb<br />

ihres Herkunftsdorfes droht, nur weil sie nicht in der Lage waren, dies rechtsgenüglich zu<br />

beweisen.<br />

Die „persönlichen Gründe“ im Sinne der Neuregelung von Art. 83 E-AuG sollten deshalb bezüglich<br />

Nachweispflicht wie bis anhin von den Gesuchstellenden glaubhaft gemacht werden.<br />

2.5 Strafrechtliche Sanktionierung einer missbräuchlichen politischen Tätigkeit in der<br />

Schweiz zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft<br />

Mit der Schaffung neuer Straftatbestände in Art. 115 Bst. d sowie Art. 116 Bst. c und d E-<br />

AsylG wird einerseits beabsichtigt, missbräuchliche politische Aktivitäten zu bestrafen, andererseits<br />

sollen sie der Generalprävention dienen. Insbesondere soll damit gezielt gegen Personen<br />

vorgegangen werden können, die in Bereicherungsabsicht Asylsuchende dazu verleiten,<br />

sich missbräuchlich politisch zu betätigen.<br />

Wir unterstützen grundsätzlich das Bestreben des Bundes, solche Machenschaften zu unterbinden.<br />

Wir erachten es aber als sehr schwierig, im Einzelfall festzustellen, ob eine konkrete<br />

politische Tätigkeit missbräuchlich im Sinne von Art. 116 Bst. c und d E-AsylG ist. Vor<br />

allem bezweifeln wir, dass die vorgesehene Strafandrohung die Asylsuchenden vom unerwünschten<br />

Vorgehen tatsächlich abhält, werden sie doch das Ziel, in der Schweiz zu verbleiben,<br />

gegenüber einer Geldstrafe stets höher gewichten.<br />

Die Strafandrohung auf missbräuchliche politische Betätigung bildet eine Einschränkung der<br />

von der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) garantierten Grundrechte der freien Meinungsäusserung<br />

(Art. 16 BV) und der Vereins- und Versammlungsfreiheit (Art. 22 und 23<br />

BV). Diese Einschränkungen müssen unter anderem geeignet sein, den erwünschten Zweck<br />

zu erreichen, ansonsten es an der Verhältnismässigkeit des Eingriffes mangelt. Der angestrebte<br />

Zweck wird unseres Erachtens bei Asylsuchenden nicht erreicht, sondern nur bei den<br />

unterstützenden Personen, die ein solches Vorgehen durch Planung und Organisation in der<br />

Regel auch erst ermöglichen. Mit Blick auf die Verhältnismässigkeit der Gesetzesnorm wäre<br />

deshalb zu prüfen, ob die Strafnorm auf diese Personengruppe beschränkt werden kann.


<strong>Regierungsrat</strong> des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> Seite 5<br />

2.6 Einschränkung der Wohnsitzwahl bei vorläufig aufgenommenen Personen<br />

Der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> ist von dieser Gesetzesänderung nicht tangiert, da die beiden Aussengemeinden<br />

Riehen und Bettingen aktuell nicht in das Asylwesen einbezogen werden. Wir<br />

unterstützen jedoch die Änderung aus Solidarität mit den übrigen Städten und grösseren<br />

Gemeinden der Schweiz, die mit der Problematik konfrontiert sind.<br />

2.7 Weitere Änderungen<br />

Die übrigen beabsichtigten Änderungen begrüssen wir ohne weitere Bemerkungen.<br />

Wir danken Ihnen nochmals für die uns eingeräumte Gelegenheit zur <strong>Vernehmlassung</strong> und<br />

hoffen, dass unsere Anregungen und Bemerkungen berücksichtigt werden können.<br />

Mit freundlichen Grüssen<br />

Im Namen des <strong>Regierungsrat</strong>es des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />

Dr. Guy Morin<br />

Präsident<br />

Barbara Schüpbach-Guggenbühl<br />

Staatsschreiberin

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!