Vernehmlassung - Regierungsrat - Basel-Stadt
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<strong>Regierungsrat</strong> des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
Staatskanzlei<br />
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<strong>Basel</strong>, 8. April 2009<br />
<strong>Regierungsrat</strong>sbeschluss<br />
vom 7. April 2009<br />
Entwurf zur Änderung des Asylgesetzes und des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen<br />
und Ausländer<br />
<strong>Vernehmlassung</strong>sverfahren<br />
Sehr geehrte Damen und Herren<br />
Wir danken Ihnen für Ihr Schreiben vom 12. Januar 2009, mit welchem Sie uns den Entwurf<br />
zur Änderung des Asylgesetzes und des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer<br />
zugesandt und uns eingeladen haben, zu diesem Stellung zu nehmen. Hiermit übermitteln<br />
wir Ihnen unsere Stellungnahme.<br />
1. Einleitung<br />
Gerne nehmen wir zur Kenntnis, dass die Erfahrungen mit dem teilrevidierten Asylgesetz<br />
und dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen neuen Ausländergesetz vom Bund auch im<br />
Asylbereich durchwegs positiv gewertet werden. Die neuerliche Teilrevision wird nun vor allem<br />
damit begründet, dass in Anbetracht der gestiegenen Gesuchszahlen die Attraktivität<br />
der Schweiz als Zielland von Asylsuchenden weiter gesenkt werden müsse und somit insbesondere<br />
im Verfahrensbereich weiterer Optimierungsbedarf bestehe.<br />
Die Asylgesuchszahlen der letzten sechs Monate sind zwar gestiegen, liegen aber noch im<br />
unteren Durchschnitt, wenn man die Zahlen der letzten acht Jahre betrachtet. Die Entwicklung<br />
kann nicht als alarmierend bezeichnet werden. Die aktuellen Engpässe im Verfahrensbereich<br />
seitens Bund und in den Kantonen in den Bereichen Unterbringung und Betreuung<br />
könnten durchaus gehandhabt werden, wenn die Schwankungsreserven in den Kantonen<br />
und das Befragungspersonal von Bund und Kantonen als Folge des Bundesprojekts "Be-
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sondere Lage" nicht auf ein Minimum heruntergefahren worden wären. Die vorgeschlagene<br />
Revision mit dem erklärten Ziel, die Asylgesuchszahlen weiter zu senken und damit Kosten<br />
zu sparen, steht unseres Erachtens in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu den realen<br />
Gesuchs- und Kostenentwicklungen.<br />
Der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> anerkennt jedoch im Grundsatz die Wichtigkeit, asylrechtliche Verfahrensabläufe<br />
zu optimieren und Missbräuche noch konsequenter zu verhindern. Insofern<br />
begrüssen wir den vorliegenden Entwurf zu einer Änderung des Asylgesetzes (E-AsylG) und<br />
des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (E-AuG). Dennoch erachten<br />
wir gewisse Anpassungen der Gesetzesentwürfe für unabdingbar, um den Grundsätzen der<br />
Bundesverfassung wie der humanitären Tradition der Schweiz in genügendem Masse Rechnung<br />
zu tragen. Im Sinne einer übersichtlichen Darstellung sind die nachfolgenden Anmerkungen<br />
jeweils nach ihrer Thematik geordnet dargestellt.<br />
2. Stellungnahme zu den einzelnen Gesetzesänderungen<br />
2.1 Ausschluss von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aus der Flüchtlingseigenschaft<br />
Die Bestrafung von Dienstverweigerern bzw. Deserteuren ist in Eritrea anerkanntermassen<br />
unverhältnismässig streng. Die gesetzliche Verankerung der ursprünglichen Praxis des<br />
BFM, wonach die Flüchtlingseigenschaft anhand mehrerer Kriterien geprüft und nicht einzig<br />
aufgrund Dienstverweigerung oder Desertion anerkannt wird, halten wir für sinnvoll. Wir gehen<br />
insbesondere davon aus, dass Personen, denen mangels stichhaltiger Asylgründe nach<br />
Genfer Konvention kein Asyl gewährt werden kann, in der Schweiz vorläufig aufzunehmen<br />
sind, wenn ihnen eine unmenschliche Behandlung droht. Damit wird dem Non-Refoulement-<br />
Prinzip Genüge getan.<br />
2.2 Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland Asylgesuche einzureichen<br />
Mit der Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland Asylgesuche einzureichen, wird gemäss Botschaft<br />
einerseits bezweckt, die Schweizer Vertretungen in finanzieller und personeller Hinsicht<br />
zu entlasten. Dieser Zweck wird mit der angestrebten Neuregelung wohl erreicht. Finanzielle<br />
Überlegungen alleine würden eine Verschärfung des Asylrechts in der vorgesehenen<br />
Form jedoch nicht rechtfertigen.<br />
Andererseits wird damit beabsichtigt, im Rahmen des Dubliner Abkommens das Risiko einer<br />
Lastenverteilung der Asylgesuche zuungunsten der Schweiz zu verringern, da die Frage der<br />
Zuständigkeit bei Auslandsgesuchen ausserhalb des Dublin-Raums nicht explizit geregelt<br />
ist. Obwohl die Schweiz rein rechtlich gesehen in Fällen, in denen in einem anderen Dublin-<br />
Staat ein Asylgesuch gestellt wird, nachdem zuvor bei einer Schweizer Vertretung ein Auslandsgesuch<br />
gestellt worden war, nicht zuständig ist, würde gemäss Botschaft und BFM das<br />
Risiko bestehen, dass die Schweiz in solchen Fällen von den anderen Dublin-Staaten um<br />
Übernahme des Asylverfahrens angefragt wird.<br />
Wie Erkundigungen des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> beim<br />
BFM ergeben haben, ist dies jedoch keinesfalls sicher. Wir erachten es deshalb für zwin-
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gend, dass diesbezügliche Abklärungen noch vorgenommen werden, bevor der Gesetzesentwurf<br />
den eidgenössischen Räten vorgelegt wird.<br />
2.3 Optimierung der asylrechtlichen Verfahren<br />
Die Verfahrensabläufe zu optimieren, um rascher zu einem definitiven Entscheid zu gelangen,<br />
liegt grundsätzlich im Interesse sowohl des Staates und als auch der gesuchstellenden<br />
Personen, weshalb wir die vorgeschlagene Regelung begrüssen.<br />
Hinsichtlich des Vorschlages, die Reduzierung der Sozialhilfeunterstützung auf Nothilfe auch<br />
gegenüber Asylsuchenden, die ein Mehrfachgesuch gestellt haben, anzuordnen, bestätigen<br />
wir die Ansicht, dass ein öffentliches Interesse am Vollzug einer angeordneten Wegweisung<br />
besteht und der Ausschluss aus der Sozialhilfe diesem dienlich sein kann. Staatliche Behörden<br />
verhalten sich widersprüchlich, wenn sie zwar die Wegweisung einer bestimmten Person<br />
rechtskräftig verfügt haben, ihr zugleich aber weiterhin ein finanzielles Auskommen sicherstellen.<br />
Demzufolge anerkennt der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> die Sinnhaftigkeit der vorgeschlagenen<br />
Beschränkung auf Nothilfe zur Verbesserung des Wegweisungsvollzugs. Wird<br />
im Einzelfall für die Prüfung eines Mehrfachgesuchs der Wegweisungsvollzug sistiert, soll<br />
jedoch weiterhin Sozialhilfe ausgerichtet werden.<br />
Dass viele rechtskräftig abgewiesene Asylsuchende trotz der Reduktion der Sozialhilfeunterstützung<br />
auf Nothilfe in der Schweiz bleiben, hat häufig vollzugstechnische, aber auch medizinische<br />
oder andere Gründe. Die Diskussion bezüglich Umgang mit Langzeitnothilfebeziehenden<br />
und den daraus entstehenden Kosten und Problemen in den Kantonen kann jedoch<br />
nicht Gegenstand dieser <strong>Vernehmlassung</strong> sein, wird aber zwischen Bund und Kantonen<br />
noch thematisiert werden müssen.<br />
2.4 Einführung einer neuen Nachweispflicht (AuG)<br />
Neu sollen Personen, die geltend machen, dass der Vollzug der Weg- oder Ausweisung aus<br />
persönlichen Gründen nicht zumutbar ist, dies nachweisen. Damit soll die Beweislast für die<br />
Unzumutbarkeit der Weg- und Ausweisung aus persönlichen Gründen, beispielsweise aufgrund<br />
fehlenden Beziehungsnetzes im Herkunftsstaat oder aufgrund fehlender medizinischer<br />
Versorgung, neu dem Gesuchsteller zufallen. Die übrigen gegen den Vollzug sprechenden<br />
Vorbringen, wie beispielsweise ein Bürgerkrieg im Heimatstaat, müssten weiterhin<br />
zumindest glaubhaft gemacht werden.<br />
Die Erwartung, dass in rund 250 Fällen von möglicher vorläufiger Aufnahme die Unzumutbarkeit<br />
des Vollzugs von den Betroffenen nicht nachgewiesen werden kann und dies zu rund<br />
CHF 5 Mio. Kosteneinsparungen führen könnte, kann jedoch nicht Grund allein sein, auf<br />
Gesetzesstufe die vollständige Umkehr der Beweislast festzulegen.<br />
Normalerweise ist es grundsätzlich schwierig, von der Schweiz aus in Herkunftsländern Beweise<br />
für die Unzumutbarkeit einer Rückreise zu erbringen, sowohl für die Bundesbehörden<br />
wie auch für die Betroffenen selber. Die Gründe dafür können struktureller (Zerstörung staatlicher<br />
Infrastruktur nach kriegerischen Konflikten) oder sozio-kultureller Natur sein. Einer ledigen<br />
Mutter aus einem streng islamischen Staat dürfte es beispielsweise kaum möglich sein
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zu beweisen, warum eine Rückkehr in ihre Heimat mit einem unehelichen Kind nicht zumutbar<br />
ist. Sie kann diesen Umstand höchsten glaubhaft machen.<br />
Der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> steht der vorgeschlagenen Neuregelung grundsätzlich kritisch gegenüber,<br />
da ihre konkreten Auswirkungen im Einzelfall nicht abschätzbar sind. Der Beweis<br />
der fehlenden Zumutbarkeit der Wegweisung aufgrund struktureller, medizinischer oder sozio-kultureller<br />
Gründe sollte aus eben genannten Beweggründen nach wie vor von Amtes<br />
wegen erbracht werden. Schweizer Behörden verfügen über ein gut ausgebautes Informationsnetz<br />
und können beispielsweise mittels Vertrauensanwälten abklären lassen, ob eine<br />
medizinische Versorgung in einem bestimmten Staat oder Gebiet gewährleistet ist. Von Gesuchstellenden<br />
kann verlangt werden, ärztliche Zeugnisse behandelnder Ärzte vorzulegen,<br />
nicht aber Abklärungen zur medizinischen Versorgung oder zu spezifischen Behandlungsform<br />
in ihren Herkunftsstaaten vorzunehmen. Es liesse sich aus humanitären Gründen nicht<br />
rechtfertigen, dass Personen in ihr Herkunftsland ausreisen müssen, obwohl beispielsweise<br />
ihre medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist oder ihnen soziale Ächtung innerhalb<br />
ihres Herkunftsdorfes droht, nur weil sie nicht in der Lage waren, dies rechtsgenüglich zu<br />
beweisen.<br />
Die „persönlichen Gründe“ im Sinne der Neuregelung von Art. 83 E-AuG sollten deshalb bezüglich<br />
Nachweispflicht wie bis anhin von den Gesuchstellenden glaubhaft gemacht werden.<br />
2.5 Strafrechtliche Sanktionierung einer missbräuchlichen politischen Tätigkeit in der<br />
Schweiz zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft<br />
Mit der Schaffung neuer Straftatbestände in Art. 115 Bst. d sowie Art. 116 Bst. c und d E-<br />
AsylG wird einerseits beabsichtigt, missbräuchliche politische Aktivitäten zu bestrafen, andererseits<br />
sollen sie der Generalprävention dienen. Insbesondere soll damit gezielt gegen Personen<br />
vorgegangen werden können, die in Bereicherungsabsicht Asylsuchende dazu verleiten,<br />
sich missbräuchlich politisch zu betätigen.<br />
Wir unterstützen grundsätzlich das Bestreben des Bundes, solche Machenschaften zu unterbinden.<br />
Wir erachten es aber als sehr schwierig, im Einzelfall festzustellen, ob eine konkrete<br />
politische Tätigkeit missbräuchlich im Sinne von Art. 116 Bst. c und d E-AsylG ist. Vor<br />
allem bezweifeln wir, dass die vorgesehene Strafandrohung die Asylsuchenden vom unerwünschten<br />
Vorgehen tatsächlich abhält, werden sie doch das Ziel, in der Schweiz zu verbleiben,<br />
gegenüber einer Geldstrafe stets höher gewichten.<br />
Die Strafandrohung auf missbräuchliche politische Betätigung bildet eine Einschränkung der<br />
von der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) garantierten Grundrechte der freien Meinungsäusserung<br />
(Art. 16 BV) und der Vereins- und Versammlungsfreiheit (Art. 22 und 23<br />
BV). Diese Einschränkungen müssen unter anderem geeignet sein, den erwünschten Zweck<br />
zu erreichen, ansonsten es an der Verhältnismässigkeit des Eingriffes mangelt. Der angestrebte<br />
Zweck wird unseres Erachtens bei Asylsuchenden nicht erreicht, sondern nur bei den<br />
unterstützenden Personen, die ein solches Vorgehen durch Planung und Organisation in der<br />
Regel auch erst ermöglichen. Mit Blick auf die Verhältnismässigkeit der Gesetzesnorm wäre<br />
deshalb zu prüfen, ob die Strafnorm auf diese Personengruppe beschränkt werden kann.
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2.6 Einschränkung der Wohnsitzwahl bei vorläufig aufgenommenen Personen<br />
Der Kanton <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong> ist von dieser Gesetzesänderung nicht tangiert, da die beiden Aussengemeinden<br />
Riehen und Bettingen aktuell nicht in das Asylwesen einbezogen werden. Wir<br />
unterstützen jedoch die Änderung aus Solidarität mit den übrigen Städten und grösseren<br />
Gemeinden der Schweiz, die mit der Problematik konfrontiert sind.<br />
2.7 Weitere Änderungen<br />
Die übrigen beabsichtigten Änderungen begrüssen wir ohne weitere Bemerkungen.<br />
Wir danken Ihnen nochmals für die uns eingeräumte Gelegenheit zur <strong>Vernehmlassung</strong> und<br />
hoffen, dass unsere Anregungen und Bemerkungen berücksichtigt werden können.<br />
Mit freundlichen Grüssen<br />
Im Namen des <strong>Regierungsrat</strong>es des Kantons <strong>Basel</strong>-<strong>Stadt</strong><br />
Dr. Guy Morin<br />
Präsident<br />
Barbara Schüpbach-Guggenbühl<br />
Staatsschreiberin