Thunlam 2-08.pub - Deutsche Bhutan Himalaya Gesellschaft eV
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Der folgende Text gibt den Vortrag wieder, der von Gregor Verhufen am 12.4. 08 auf dem <strong>Bhutan</strong>tag in<br />
Bonn gehalten wurde.<br />
Der Ursprung der Monarchie <strong>Bhutan</strong>s—<br />
die Rabenkrone als Repräsentant der Schutzgottheit Lägön Jarodongchen<br />
Gregor Verhufen<br />
Mit dem folgenden Aufsatz möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Verflechtungen der religiösen, sozialen<br />
und geschichtlichen Ereignisse in <strong>Bhutan</strong> lenken, die die Voraussetzungen zur Bildung der Monarchie in<br />
<strong>Bhutan</strong> bildeten und diese bis heute beeinflussen. Ich möchte hier jedoch nicht auf die aktuellen politischen<br />
Gegebenheiten oder die historische Entwicklung des Landes <strong>Bhutan</strong> in den letzen Jahrzehnten eingehen,<br />
die von beinahe jedem durch die heute zur Verfügung stehenden Medien selbst erschlossen werden können.<br />
Auch können die komplexen geschichtlichen Abläufe in <strong>Bhutan</strong> im Rahmen dieses Papiers nur generalisierend<br />
wieder gegeben werden.<br />
Im tantrisch geprägten Bereich des <strong>Himalaya</strong><br />
gibt es zwei Sukzessionslinien, die von grundlegender<br />
Bedeutung sind: Da ist zum einen die<br />
Linie der Überlieferung buddhistischer Lehre,<br />
die nur dann als authentisch und somit im<br />
Sinne der Erleuchtungsziels als wirkungsvoll<br />
betrachtet werden können, wenn es gelingt, sie<br />
bis auf den Buddha selbst zurückzuführen. Ein<br />
tibetischer oder bhutanischer Lama wird also<br />
nicht müde, zu Anfang einer buddhistischen<br />
Unterweisung oder bei der Übertragung von<br />
Weihen darauf zu verwiesen, welche Persönlichkeiten<br />
in der Vergangenheit Träger dieser<br />
Überlieferung waren und wer welche Lehren an<br />
wen weitergegeben hat.<br />
Die zweite Linie beginnt mit der sagenhaften<br />
Entstehung des tibetischen Volkes durch die<br />
Vereinigung eines Affen und einer Felsendämonin.<br />
Der Affe – eine Inkarnation des großen<br />
Bodhisattva der Mitgefühls, Avalokiteśvara,<br />
wurde durch einen Trick der Felsendämonin zur<br />
Hochzeit gezwungen und beide hatten sechs<br />
Kinder. Diese sechs Kinder werden als die Urväter<br />
der sechs in Tibet bekannten Stämme<br />
angesehen. Sie haben entsprechend den Eigenschaften<br />
der Eltern positive und negative<br />
Charakterzüge, wobei natürlich diejenigen als<br />
besonders hervorgehoben und positiv angesehen<br />
werden, die auf den Bodhisattva-Vater zurückzuführen<br />
sind. Alles, was in der tibetischen<br />
Geschichte Rang und Namen hat, wurde später<br />
auf diese sechs Stämme zurückgeführt. So wird<br />
z.B. in Bezug auf den jetzigen vierzehnten Dalai<br />
Lama mit Blick auf die Chinesen immer wieder<br />
hervorgehoben, dass dieser keiner Aristokraten<br />
-Familie entstammt, sondern ein einfacher Bauernjunge<br />
war. Was für die Tibeter aber ungleich<br />
wichtiger ist, ist ein Blick auf den Stammbaum<br />
seiner Familie, die ebenfalls auf einen dieser<br />
sechs Stämme zurückgeführt wird und den Dalai<br />
Lama in eine Reihe stellt mit z.B. den wichtigsten<br />
Königen des Landes. Seine Inkarnationslinie<br />
jedoch –also einer dritten Linie, die wir<br />
Abb. 1 Das sog. Feld der Ansammlung (von Verdienst und Weisheit),<br />
tib. Tsogshing [tshogs zhing], das die Lamas der Überlieferungslinie<br />
der Drukpa-Kagyü zeigt. Die Linie wird bis auf den<br />
Buddha selbst, der hier in seiner tantrischen Form als Vajradhara<br />
im Zentrum gezeigt wird, zurückgeführt. In den oberen zwei Reihen<br />
sind die indischen Siddhas zu sehen, die die buddhistischen<br />
Lehren schließlich an die Tibeter weitergaben.<br />
Foto: Honolulu Academie Of Arts: The Dragon‘s Gift, S. 308<br />
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