Thunlam 2-08.pub - Deutsche Bhutan Himalaya Gesellschaft eV
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lich wird in <strong>Bhutan</strong> der Dialog zwischen Herrscher und Volk traditionell von Ritualen der Loyalität bestimmt.<br />
Die Bürger gingen deshalb zum Beispiel davon aus, dass der Herrscher sie glücklich sehen wollte, als im<br />
Jahre 2005 eine Volkszählung stattfand und sie im Fragenkatalog unter anderem nach ihrem Glück gefragt<br />
wurden. Nun zeigten alle, wie nach dieser Vermutung gewünscht, das Hemd des Zufriedenen vor: über 90<br />
Prozent bezeichneten sich als glücklich oder sehr glücklich. (Man stelle sich eine solche Befragung in<br />
Deutschland vor! Bei uns würde eine solche Frage vermutlich direkt auf allgemein missvergnügten Protest<br />
stoßen und bleibt deshalb allenfalls in demoskopischen Umschreibungen verborgen.)<br />
Im gleichen Jahr wurde der von einer Kommission im Auftrag des Königs erstellte Entwurf einer demokratischen<br />
Verfassung veröffentlicht. Die ersten Reaktionen waren eher skeptisch. Es ist anzunehmen, dass die<br />
Mehrheit lieber beim alten System geblieben wäre. Auch existierte keine Institution, die diese Verfassung<br />
mit genügender demokratischer Legitimation hätte verabschieden können. Ein Referendum wäre möglich<br />
gewesen, wenn auch mit ungewissem Ausgang. Der König entschied sich für eine Alternative: er besuchte,<br />
allein und manchmal gemeinsam mit dem Kronprinzen, alle zwanzig Distrikte des Landes und stellte die<br />
neue Ordnung in Volksversammlungen vor und zur Diskussion. Die so vermittelte Botschaft hieß "Wenn Ihr<br />
mich liebt und mir vertraut, macht Ihr das von jetzt an so!", und sie kam an. Abstimmungen fanden nicht<br />
statt. Aber am Ende war die Verfassung so etwas wie ein anerkanntes Faktum, alle <strong>Bhutan</strong>er arbeiten seither<br />
eifrig an ihrer praktischen Realisierung, und das nach dem neuen System gewählte Parlament hat<br />
schließlich den Verfassungstext im Sommer 2008 ohne Zögern verabschiedet.<br />
Zunächst wurden erst einmal die notwendigen<br />
institutionellen Voraussetzungen geschaffen, vor<br />
allem eine Wahlkommission berufen, Wahlgesetze<br />
und Verordnungen erarbeitet und erlassen und<br />
die ersten Wahlen vorbereitet. Parteien mussten<br />
gegründet und zugelassen, Wahlregister und<br />
Ausweise eingeführt werden. Noch bevor es in<br />
die entscheidende Runde ging, trat der König<br />
überraschend zugunsten seines ältesten Sohnes<br />
Jigme Khesar zurück, der nun der erste konstitutionelle<br />
Monarch wurde und auch der Jahrhundertfeier<br />
der Wangchuck- Dynastie im Herbst 2008<br />
präsidieren wird. Notwendig wäre der Wechsel<br />
nach der Verfassung erst in vierzehn Jahren notwendig<br />
gewesen. Der König muss wie jeder<br />
Staatsdiener mit 65 Jahren in den Ruhestand<br />
treten, ein echtes Unikum der Konstitutionsgeschichte.<br />
Centre for <strong>Bhutan</strong> Studies Publikation: Karma Ura &<br />
Karma Gelay: Gross National Happiness and Development.<br />
Auch sonst zeichnet sich der recht sorgfältig gearbeitete<br />
Verfassungstext gelegentlich durch ungewöhnliche<br />
Rigidität aus. Die an sich wünschenswerte<br />
Gewaltenteilung wirkt sich in der<br />
Abgrenzung von Verwaltung, Politik, Justiz und<br />
Klerus ziemlich radikal aus. Wenn ein Beamter in<br />
die Politik geht, muss er seine Karriere im öffentlichen<br />
Dienst endgültig aufgeben. Geistliche und<br />
Angehörige der Königsfamilie dürfen nicht wählen.<br />
Kandidaten für die Sitze des Oberhauses<br />
dürfen keiner Partei angehören. Die Bestimmung,<br />
wonach das passive Wahlrecht an Bildungsvoraussetzungen<br />
geknüpft werden kann, wird so ausgelegt, dass nur Hochschulabsolventen als qualifiziert<br />
gelten. Derzeit sind das zwischen zwei und drei Prozent der registrierten Wähler. Im Unterhaus dürfen nur<br />
zwei Parteien vertreten sein, von denen die stärkere die Regierung und die schwächere die Opposition bildet.<br />
Kleinere Parteien sind praktisch von der Mitwirkung ausgeschlossen. Das führte schon im Vorfeld zur<br />
Fusion der verschiedenen Gruppierungen, aus denen sich zwei registrierte Parteien herauskristallisierten.<br />
Die Übernahme des reinen Personenwahlrechts erwies sich hierbei insofern als unglücklich, als die DPT<br />
unter der Führung des Ex-Ministers und jetzigen Regierungschefs Jigmi Thinley 45 von 47 Sitzen der Nationalversammlung<br />
gewann, obwohl die konkurrierende PDP über dreißig Prozent der insgesamt abgegebenen<br />
Stimmen erhalten hatte. Man entschloss sich, deren zwei Abgeordneten nach Kräften zu unterstützen<br />
und im Übrigen besonderen Wert auf das System von "checks and balances" zu legen, in dem vor allem<br />
den 25 Mitgliedern des Oberhauses (National Council), dem Obersten Gerichtshof und dem König wichtige<br />
Funktionen des Ausgleichs zukommen. Allen Beteiligten ist an einer harmonischen Entwicklung gelegen.<br />
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