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Soziolinguistik im suburbanen Milieu: Kreol, Pidgin, Sondersprache?

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(ebd., 205/6)<br />

Putain, me chauffe pas, j’suis déjà<br />

vénère. (← énerve; hier wird ein<br />

participe passé von einer konjugierten<br />

Verbalform abgeleitet;<br />

ebd., 217)<br />

2.4. Es erhebt sich die Frage, ob sich aus diesen Befunden Rückschlüsse auf die Kompetenz <strong>im</strong><br />

französischen Standard ableiten lassen. Dies scheint nur recht bedingt der Fall zu sein. Auf der<br />

einen Seite ist den Sprechern die französische Standardform, von der die verlan-Form abgeleitet<br />

wird, offensichtlich bekannt. Andererseits st<strong>im</strong>mt auffälligerweise die syntaktische Funktion der<br />

verlan-Form mit der der zugrundeliegenden Standardform nicht <strong>im</strong>mer überein. Es wäre allerdings<br />

voreilig, hieraus Rückschlüsse auf etwaige Kompetenzdefizite <strong>im</strong> Verbalsystem des französischen<br />

Standards zu ziehen.<br />

Die Kompetenzproblematik ist aber auch in bezug auf das Arabische relevant. Die Integration<br />

von Xenismen zieht auch Strukturreduzierungen <strong>im</strong> Bereich der arabischen Phonologie nach sich:<br />

Das arabische Phonem /ð/, welches <strong>im</strong> französischen Konsonantismus keine Entsprechung findet,<br />

wird el<strong>im</strong>iniert und durch ein Allophon des Phonems /r/, ein aspiriertes [{h] ersetzt, wie etwa in<br />

folgender Äußerung, die von einem jungen Sprecher in Planoise an seinen Pitbull gerichtet wurde:<br />

Allez mange ton [È{haluf]; c’est bon ça. (dial. arab. [ÈðaLuf], ‘Schwein’, ‘Wildschwein’, ‘Schweinefleisch’)<br />

Hinzuzufügen ist, daß komplementär zur Komplexitätsreduktion morphologischer Strukturen auch<br />

die gegenläufige Tendenz vorliegt: eine Erweiterung der Formenvielfalt durch neue Derivationsregeln:<br />

– verbale verlan-Formen + Suffix -ment → Substantiv: tèjement (‘rejet’)<br />

– Verbstamm + Suffix -os → Adjektiv: craignos (‘dangereux’)<br />

– auch Adjektiv + Suffix -os → Adjektiv (gravos, rapidos, gratos)<br />

3. Aus den bisherigen Erörterungen lassen sich m.E. keine überzeugenden Argumente ableiten, die<br />

gegen das Vorliegen einer <strong>Kreol</strong>isierung sprächen. Dem hier vorgeschlagenen erweiterten Sinn des<br />

Terminus kommt eine <strong>im</strong> französischen Diskurs vertretene Auffassung entgegen, wonach der<br />

Begriff der <strong>Kreol</strong>isierung nicht nur auf sprachliche Phänomene anzuwenden ist, sondern auch auf<br />

die Dynamik von Kultursystemen (cf. Bonniol: 1997; Chaudenson: 1992). Dies ist auf die<br />

Kontaktprozesse in den französischen banlieues gut anwendbar, was mit dem Problem der<br />

Transition und Transformation von Identität(en) in Zusammenhang steht.<br />

3.1. Frei nach dem von Bickerton zurückgewiesenen “Cafeteria-Prinzip” (cf. Calvet: 1997, 233)

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