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Soziolinguistik im suburbanen Milieu: Kreol, Pidgin, Sondersprache?

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der Terminus <strong>Kreol</strong> “is now used to refer to a much wider range of contact languages than to which<br />

it originally referred”. Außerdem, so Winford, besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß sich die<br />

Termini <strong>Pidgin</strong>isierung und <strong>Kreol</strong>isierung nicht nur auf die Genese von <strong>Pidgin</strong>s und <strong>Kreol</strong>s beziehen,<br />

sondern “to processes they share wich varieties of other contact outcomes” (ebd., 12). Dabei<br />

ist zu bedenken, daß es sich bei der <strong>Kreol</strong>isierung nach Mufwene um eine schrittweise<br />

Umstrukturierung und Differenzierung der dominanten (europäischen) Sprache handelt, also um<br />

einen divergenden Sprachwandel, der durch eine Verschiebung des demographischen Gefüges<br />

sowie durch prekäre Interaktionsmuster ausgelöst wird. Beides ist in den <strong>suburbanen</strong> cités gegeben:<br />

massive Verschiebung der Bevölkerungsstruktur durch Konzentration heterogener<br />

Migrantengruppen, und prekäre Kommunikationsmuster.<br />

2.3. Ein weiteres Problem betrifft die morphosyntaktische Strukturdifferenzierung. Winford weist<br />

darauf hin, daß diese auch in anderen als <strong>Pidgin</strong>- und <strong>Kreol</strong>sprachen zu finden ist. Ferner ist<br />

bekannt, daß auch <strong>Kreol</strong>sprachen über Flexionsmorphologie verfügen können. 10<br />

Nun lassen sich in der <strong>suburbanen</strong> cité-Varietät Ansätze von morphosyntaktischer Strukturreduzierung<br />

feststellen, und zwar aufgrund eines weiteren Merkmals von <strong>Kreol</strong>isierung: Nach<br />

Winford (1997, 12), “creolization is that complex of sociolinguistic change comprising expansion<br />

in inner form”, einhergehend mit der Erweiterung der Anwendungsbereiche und sozialen<br />

Kommunikationsfunktionen. Beides ist in der hier interessierenden französischen Varietät gegeben:<br />

Der Anwendungsbereich von Argot-Techniken erweitert sich, etwa durch die Verlanisierung von<br />

Argotismen (choper → pécho, mit Resemantisierung ‘acheter de la drogue’), 11 insbesondere<br />

solcher, die ihrerseits auf arabischen Einfluß zurückgehen (deublé ← argot bled ← dial. arab. bled;<br />

klass. arab. balad ‘pays’). Diese Erhebung des Argot in die zweite (und dritte) Potenz findet man<br />

auch in der Reverlanisierung (Arabe → beur → reubeu). Zudem erweitert sich der Bereich der<br />

sozialen Kommunikationsfunktionen (z.B. der poetischen Funktion, etwa <strong>im</strong> Rap).<br />

Nun ist der verlan zwar zunächst ein rein lexikalisches Phänomen, hat aber morphologische<br />

Konsequenzen, nämlich gerade <strong>im</strong> Hinblick auf die Strukturreduzierung. Ein Beispiel ist die<br />

Genusmarkierung: die Opposition maskulin vs. feminin wird el<strong>im</strong>iniert.<br />

Elle est auch ([oS]) la téci. (Schüleräußerung, Collège Diderot, Planoise)<br />

Hier wird das französische Adjektiv chaud <strong>im</strong> Maskulinum zugrunde gelegt und der Verlanisierung<br />

unterzogen; ansonsten müßte es *deucho oder *deuche (← chaude, letztere Form mit Apokope)<br />

lauten.<br />

Diese Struktur ist außerhalb des verlan rekurrent, so <strong>im</strong> Bereich des französischen Demon-<br />

10Ein Beispiel ist die Numerusmarkierung <strong>im</strong> haïtianischen <strong>Kreol</strong> (cf. Mufwene: 1997a, 51).<br />

11Schüler des Collège Diderot in Planoise (Besançon): “Y a même les surveillants qui viennent pécho.”

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