Jugend im Nationalsozialismus. - Humboldt-gym.de
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<strong>Jugend</strong> <strong>im</strong> <strong>Nationalsozialismus</strong>.<br />
Eine familienbiografische und<br />
regionalgeschichtliche Spurensuche<br />
Beitrag <strong>de</strong>r<br />
Geschichtswerkstatt <strong>de</strong>s <strong>Humboldt</strong>-Gymnasiums Vaterstetten<br />
zum Geschichtswettbewerb 2006/2007<br />
<strong>de</strong>r Körber-Stiftung<br />
„Jung und Alt in <strong>de</strong>r Geschichte“
Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Arbeitskreises:<br />
- Henry Bliemel<br />
- Philipp Gerlach<br />
- Manuel Glatt<br />
- Matthias Konrad<br />
- Franziska Ramschütz<br />
- Jon Schmidt<br />
Betreuerin:<br />
- StR Dr. Ulrike Stoll<br />
Titelfoto:<br />
von links Philipp Gerlach, Frau Dr. Stoll, Franziska Ramschütz, Henry Bliemel.<br />
2
Inhaltsverzeichnis<br />
ARBEITSBERICHT<br />
A) Einleitung<br />
B) <strong>Jugend</strong> <strong>im</strong> <strong>Nationalsozialismus</strong><br />
1. Schule <strong>im</strong> Dritten Reich<br />
2. <strong>Jugend</strong>verbän<strong>de</strong><br />
2.1 Hitler-<strong>Jugend</strong><br />
2.2 Bund Deutscher Mä<strong>de</strong>l<br />
2.3 Katholische Kirche<br />
3. Einzelbeispiel: Pfarrer Schmid in Steinhöring<br />
4. <strong>Jugend</strong>kultur<br />
4.1 Sport + Spiel<br />
4.2 Musik<br />
4.3 Literatur<br />
C) Schluss<br />
D) Anhang<br />
1. Literatur- und Quellennachweise<br />
2. Interview-Notizen<br />
3
Arbeitsbericht<br />
Nach<strong>de</strong>m wir beschlossen hatten, dass wir an <strong>de</strong>m Wettbewerb <strong>de</strong>r Körber-Stiftung<br />
teilnehmen wollen, legten wir die wesentlichen Inhalte unserer Arbeit fest. Wir legten<br />
fest, dass wir uns mit <strong>de</strong>m Leben und <strong>de</strong>m Alltag <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong> beschäftigen wür<strong>de</strong>n. Die<br />
Schüler suchten in <strong>de</strong>n Ortsbibliotheken nach Sekundärliteratur und wur<strong>de</strong>n fündig.<br />
Einige Schüler begannen sich Wichtiges zu notieren, um ihren zugeteilten<br />
Themenbereich damit zu bereichern.<br />
Aber da wir uns näher an die<br />
„Quellen <strong>de</strong>s Ursprungs“ bringen<br />
wollten, fuhren wir in das<br />
Staatsarchiv München und suchten<br />
dort nach interessanten Informationen<br />
zu <strong>de</strong>r NS-Zeit. Aber vorerst ließen<br />
wir uns vom fachkundigen Personal<br />
in die Arbeitsweise eines Archivs<br />
einweisen, da einige von uns noch nie<br />
ein solches besucht hatten. Nach<strong>de</strong>m wir mitunter auch auf äußerst unpassen<strong>de</strong>, aber<br />
<strong>de</strong>nnoch interessante Themen wie die „Maßregelung <strong>de</strong>r Rotzkrankheit“ stießen,<br />
begannen wir langsam ernsthafter und zielstrebiger zu arbeiten, da wir <strong>de</strong>n Abgabetermin<br />
selbstverständlich einhalten wollten.<br />
Die Schüler hatten viel Spaß be<strong>im</strong> „Aktenstöbern“, da diese Dokumente teils 6mal so alt<br />
sind wie wir und auch Informationen enthalten, die man sich ergänzend notieren kann.<br />
Be<strong>im</strong> dritten Besuch <strong>im</strong> Staatsarchiv München suchte je<strong>de</strong>r vorerst nach seinen vorher<br />
behan<strong>de</strong>lten Akten, um dann die endgültigen Markierungen für das Kopieren zu setzen.<br />
Wir waren alle sehr erfreut, als wir hörten, dass uns die Akten kopiert wer<strong>de</strong>n und wir<br />
nicht je<strong>de</strong>s Mal extra in die Stadt fahren müssten. Dann wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m größeren Teil <strong>de</strong>r<br />
Gruppe über die Glie<strong>de</strong>rung unser Akten gesprochen.<br />
Philipp und ich hingegen behan<strong>de</strong>lten noch einen beson<strong>de</strong>rs interessanten Fall, lei<strong>de</strong>r<br />
unser einziges gezieltes Beispiel: Pfarrer Schmid aus Steinhöring. Wir ent<strong>de</strong>ckten es<br />
4
zufällig, be<strong>im</strong> durchstöbern <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Akten und begannen zu lesen... Seite um<br />
Seite suchten wir nach interessanten Informationen und tatsächlich – wir hatten ein<br />
Beispiel gefun<strong>de</strong>n, das viel farbiger ist als jegliche abstrakte Betrachtung.<br />
Bei unterem Treffen in <strong>de</strong>r Schule sprachen wir parallel zur Archivarbeit darüber, wie ein<br />
sachgemäßes Zeitzeugengespräch zu führen ist, was uns dann bei <strong>de</strong>n Gesprächen mit<br />
Großeltern sowie Verwandten hilfreich war. Abschließend zu all unserer spannen<strong>de</strong>n<br />
Arbeit trafen wir einen Zeitzeugen namens Max Mannhe<strong>im</strong>er, <strong>de</strong>r auch Buchautor ist. Er<br />
kam in die Bibliothek unseres Gymnasiums, um uns sein Leben <strong>im</strong> <strong>Nationalsozialismus</strong><br />
zu schil<strong>de</strong>rn. Als Ju<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Su<strong>de</strong>tenland und KZ-Überleben<strong>de</strong>r von Auschwitz hatte<br />
er über an<strong>de</strong>re Themen zu berichten als über das Spezialthema, das wir uns herausgesucht<br />
hatten, <strong>Jugend</strong> <strong>im</strong> <strong>Nationalsozialismus</strong>. Dennoch waren stets alle aufmerksam und<br />
wissbegierig, <strong>de</strong>nn es kann nicht scha<strong>de</strong>n bei historischen Fragen auch<br />
Hintergrundwissen zu erlangen. Außer<strong>de</strong>m ist Max Mannhe<strong>im</strong>er ein sehr<br />
beeindrucken<strong>de</strong>r Mann und es wur<strong>de</strong> klar, dass <strong>de</strong>r <strong>Nationalsozialismus</strong> eine wahrhaft<br />
mör<strong>de</strong>rische Zeit war.<br />
Alles in Allem, muss ich sagen, können wir mit unserer Arbeit zufrie<strong>de</strong>n<br />
sein, obwohl einige Kernfragen nicht beantwortet wer<strong>de</strong>n konnten!<br />
__________<br />
Jon Schmidt<br />
5
A) Einleitung<br />
Wir, das Wahlfach Geschichtswerkstatt <strong>de</strong>s <strong>Humboldt</strong>-Gymnasiums Vaterstetten,<br />
beschlossen <strong>im</strong> November <strong>de</strong>s letzten Jahres, an <strong>de</strong>m Geschichtswettbewerb <strong>de</strong>r Körber-<br />
Stiftung teilzunehmen, nach<strong>de</strong>m wir <strong>de</strong>n Film “Napola. Elite für <strong>de</strong>n Führer” angeschaut<br />
hatten. Eine Mitschülerin schlug dies vor und händigte <strong>de</strong>r Lehrerin das Heft <strong>de</strong>r Koerber<br />
Stiftung “SPUREN SUCHEN” aus, das sie über das Internet bestellt hatte. Wir nahmen<br />
uns vor, möglichst viel über die einzelnen Vorkommnisse in <strong>de</strong>r NS-Zeit herauszufin<strong>de</strong>n.<br />
Uns interessierte, wie es wohl gewesen war, in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s <strong>Nationalsozialismus</strong><br />
<strong>Jugend</strong>licher zu sein. Dazu suchten wir in <strong>de</strong>r Schul- und Gemein<strong>de</strong>bibliothek nach<br />
Literatur, wir recherchierten <strong>im</strong> Internet, wir befragten unsere Großeltern und wir fuhren<br />
mehrmals ins Staatsarchiv München, in <strong>de</strong>m die Unterlagen <strong>de</strong>s Landratsamts Ebersberg<br />
aus <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s <strong>Nationalsozialismus</strong> liegen. 1 Es dauerte zwar lange, bis wir <strong>im</strong><br />
Staatsarchiv München wichtige Informationen erlangten, aber als wir Kopien erhielten,<br />
konnten wir unsere Ergebnisse aus all <strong>de</strong>n unterschiedlichen Informationsquellen<br />
schließlich aufschreiben!<br />
B) <strong>Jugend</strong> <strong>im</strong> <strong>Nationalsozialismus</strong><br />
1. Schule <strong>im</strong> Dritten Reich<br />
Schulen sind die Einrichtung, an <strong>de</strong>nen <strong>Jugend</strong>liche neben <strong>de</strong>m Elternhaus am stärksten<br />
geprägt wer<strong>de</strong>n. Die Nationalsozialisten hatten daher ein Interesse daran, die Schulen in<br />
ihrem Sinne zu prägen.<br />
Schultypen<br />
Die absolute Eliteschulen waren die Napolas. Sie unterschie<strong>de</strong>n sich von <strong>de</strong>n Adolf-<br />
Hitler-Schulen (AHS) vor allem darin, dass sie vom Erziehungsministerium betrieben<br />
wur<strong>de</strong>n, während die AHS von <strong>de</strong>r NSDAP und <strong>de</strong>r HJ geführt wur<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n<br />
Son<strong>de</strong>rschulen wur<strong>de</strong>n die Schüler nach ihrer Aufnahmeprüfung politisch geschult, sie<br />
mussten Mutproben und harten Drill über sich ergehen lassen, Sport war sehr wichtig,<br />
1 Unser Dank gilt <strong>de</strong>r freundlichen Unterstützung <strong>de</strong>s Staatsarchivs München, insbeson<strong>de</strong>re durch Herrn<br />
Bierschnei<strong>de</strong>r, Herrn Dr. Grau und Herrn Dr. Braun.<br />
6
aber <strong>de</strong>r Abschluss war <strong>de</strong>m von normalen Schulen gleichwertig (vgl. Film „Napola-Elite<br />
für <strong>de</strong>n Führer“).<br />
Später bekamen die Schüler nur noch für best<strong>im</strong>mte HJ-Veranstaltungen schulfrei. Sie<br />
hatten Pflichtunterricht bis 14 Uhr, hatten zwölf Tage <strong>im</strong> Jahr für Schulveranstaltungen<br />
frei und durften keine außerschulischen Sammlungen etc. mehr machen. Im Krieg<br />
wur<strong>de</strong>n tausen<strong>de</strong> von Schulen zerstört, zehntausen<strong>de</strong> Lehrer wur<strong>de</strong>n als Soldaten<br />
eingesetzt und hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong> Schüler in Lagern gehalten. Schon 15-jährige mussten als<br />
s.g. FLAK- (=Flugabwehrkraft)Helfer Gräben für die Soldaten schippen. Die strenge<br />
nationalsozialistische Regierung hatte das Schulleben aller Beteiligten komplett<br />
verän<strong>de</strong>rt.<br />
Lehrpläne/ Unterrichtsstoff<br />
Einige Dichter und Schriftsteller, wie z. B. Heinrich Heine, durften offiziell in <strong>de</strong>n<br />
Schulen gar nicht gelesen wer<strong>de</strong>n. Die Nazis taten sie als “un<strong>de</strong>utsch“ ab, da ihre<br />
I<strong>de</strong>ologie nicht mit <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>en dieser Leute übereinst<strong>im</strong>mte. Häufig wur<strong>de</strong>n Aufsätze über<br />
NS-Themen wie z.B. „Soldaten als i<strong>de</strong>ales Mannesbild“ geschrieben. Im Fach<br />
Rassenkun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r „Rasse“ <strong>de</strong>r Schüler oft jene benei<strong>de</strong>t, die<br />
nach Ansicht <strong>de</strong>r Lehrer „arisch“ waren, da die Nazis propagierten, solche Menschen<br />
seien „zum Führen geboren“. Nur randweise wur<strong>de</strong>n die Schüler direkt mit <strong>de</strong>m<br />
Holocaust o<strong>de</strong>r „Mein Kampf“ konfrontiert. In <strong>de</strong>r Schule wur<strong>de</strong> man politisch getr<strong>im</strong>mt,<br />
auch wenn das die Hauptaufgabe <strong>de</strong>r HJ war. Häufig kamen auch Soldaten aus <strong>de</strong>m<br />
Ersten Weltkrieg in die Klassen, um dort von ihren Kriegserlebnissen zu berichten.<br />
Weltkriegsliteratur, in <strong>de</strong>r Frontkameradschaft und Tod in Ehre für das Vaterland wichtig<br />
war, wie z.B. „Sieben vor Verdun“, war Pflichtlektüre. Oft wur<strong>de</strong>n heikle Aspekte zu<br />
diesem Thema von <strong>de</strong>n Lehrern einfach übergangen. Die Schüler wur<strong>de</strong>n so geprägt, dass<br />
sie zwar keine Nazis waren, aber williges „Kanonenfutter“, dass sie also von <strong>de</strong>r Lehre<br />
<strong>im</strong>poniert und bereit waren, für Deutschland zu sterben. HJ-Führer durften in <strong>de</strong>r Schule<br />
nicht ausgesch<strong>im</strong>pft wer<strong>de</strong>n, was zu Protesten <strong>de</strong>r Lehrer führte. Diese wur<strong>de</strong>n dann wie<br />
üblich bestraft. In allen Fächern war die nationalsozialistische Lehre klar zu sehen, so<br />
han<strong>de</strong>lten z.B. neben <strong>de</strong>n Aufsätzen auch Rechenaufgaben von <strong>de</strong>n Nazis wichtigen<br />
7
Themen, wie zum Beispiel <strong>de</strong>r Zerstörungskraft von Bomben.<br />
Äußerte sich ein jüdischer Schüler intelligent zu einem heiklen Thema, so wur<strong>de</strong> er nicht<br />
beachtet. Aus einem <strong>de</strong>r gelesenen Bücher habe ich jedoch erfahren, dass die<br />
nationalsozialistischen Lehrer diese Einwän<strong>de</strong> als schlau empfan<strong>de</strong>n. Daher frage ich<br />
mich, warum sie dann nationalsozialistischer Überzeugung waren. In <strong>de</strong>n früheren Jahren<br />
von Hitlers Regierungszeit wur<strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n zwar verachtet, aber gedul<strong>de</strong>t. Sie durften<br />
jedoch keine verantwortungsvollen Ämter übernehmen und sollten möglichst jüdische<br />
Schulen besuchen.<br />
2. <strong>Jugend</strong>verbän<strong>de</strong><br />
2.1 Hitlerjugend<br />
Die HJ wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m 2. Reichsparteitag <strong>de</strong>r NSDAP vom 3./ 4. Juli 1926 als<br />
nationalsozialistische <strong>Jugend</strong>bewegung gegrün<strong>de</strong>t. Nach <strong>de</strong>r Machtübernahme 1933<br />
wan<strong>de</strong>lte sich die HJ zur Staatsjugend. Die freiwilligen Mitglie<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n am 1.12.1936<br />
durch das „Gesetz über die Hitlerjugend“ und am 25.3.1939 durch die Einführung <strong>de</strong>r<br />
„<strong>Jugend</strong>dienstpflicht“ zur Mitgliedschaft gezwungen. Die Zahl <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r stieg von<br />
rund 100.000 <strong>im</strong> Jahr 1932 auf 8.700.000 <strong>im</strong> Jahr 1939. Es waren fast alle <strong>Jugend</strong>lichen<br />
Mitglie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r HJ. Die militärisch organisierte HJ wur<strong>de</strong> nach Alter und Geschlecht<br />
aufgetrennt: 10-14jährige Jungen bil<strong>de</strong>ten das <strong>de</strong>utsche Jungvolk. Die eigentliche HJ<br />
erfasste die 14-18jährigen.<br />
Die HJ war seit <strong>de</strong>m 1.5.1931 <strong>de</strong>r Sturmabteilung unterstellt. Diese wur<strong>de</strong> aber <strong>im</strong> April<br />
1932 verboten und so wur<strong>de</strong> die HJ <strong>de</strong>r NSDAP angeglie<strong>de</strong>rt.<br />
Feierlich Aufzüge, Propagandamärsche und Para<strong>de</strong>n, Fahrten, “Gelän<strong>de</strong>spiele“ und<br />
Lagerleben machte die HJ für viele <strong>Jugend</strong>liche reizvoll. Für die <strong>Jugend</strong> wur<strong>de</strong>n spezielle<br />
Radiosendungen produziert, die sie sich in <strong>de</strong>n Gruppen anhörten. Die HJ diente später<br />
<strong>im</strong>mer mehr dazu Soldaten zu rekrutieren.<br />
2.2 Der Bund Deutscher Mä<strong>de</strong>l<br />
Der BDM wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> Juni 1930 als Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r HJ gegrün<strong>de</strong>t. Nach <strong>de</strong>r<br />
Machtübernahme <strong>de</strong>r Nazis 1933 stieg die Zahl <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r konstant an. 1933 betrug<br />
8
<strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Mädchen in <strong>de</strong>r HJ nur rund 25%, später- <strong>im</strong> Jahr 1939- waren dann schon<br />
rund die Hälfte aller Mitglie<strong>de</strong>r weiblich. Viele kamen wegen <strong>de</strong>r attraktiven<br />
Freizeitgestaltung zum BDM. Viele Beamte und Angestellte ließen auf Drängen <strong>de</strong>s<br />
Staates ihre Töchter zum BDM. Es wur<strong>de</strong> von vielen <strong>Jugend</strong>lichen auch als Chance<br />
gesehen, <strong>de</strong>m Elternhaus zu entkommen.<br />
Mit <strong>de</strong>m „Gesetz über die Hitlerjugend“ vom 1.12.1936 wur<strong>de</strong> die bis dahin freiwillige<br />
Mitgliedschaft verpflichtend. Der BDM war unterglie<strong>de</strong>rt in <strong>de</strong>n Jungmä<strong>de</strong>lbund <strong>de</strong>r 10-<br />
13jährigen und <strong>de</strong>n eigentlichen BDM <strong>de</strong>r 14-17jährigen. 1938 wur<strong>de</strong> das Werk “Glaube<br />
und Schönheit“ für die 17-21jährigen Frauen gegrün<strong>de</strong>t. Der BDM lief in etwa parallel<br />
zur HJ und die Mädchen wur<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>r NS-I<strong>de</strong>ologie erzogen.<br />
Zur wichtigen Ausbildung galt auch hier körperliche Ertüchtigung. In <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Leistungsabnahmen wur<strong>de</strong>n auch BDM-Leistungsabzeichen vergeben.<br />
Zu Beginn <strong>de</strong>s 2.Weltkriegs än<strong>de</strong>rten sich auch die Aufgaben <strong>de</strong>r BDM. Sie sollten von<br />
nun an „Kriegshelfer“ sein, also Briefe schreiben und Pakete für Soldaten packen.<br />
2.3 Die katholische Kirche<br />
1933 war die Einstellung <strong>de</strong>r katholischen Kirche zum <strong>Nationalsozialismus</strong> nicht klar.<br />
Aufgrund bischöflicher Äußerungen kann man aber sagen, dass die Kirche die Nazis eher<br />
ablehnte. Mit <strong>de</strong>r Machtübernahme Hitlers durch die NS-Bewegung und die Partei zum<br />
staatstragen<strong>de</strong>n Fundament konnte sich die Kirche nicht mehr gegen die Nazis<br />
aussprechen, da nach <strong>de</strong>m Pauluswort <strong>im</strong> Römerbrief alle staatliche Gewalt von Gott<br />
käme. Dennoch wollte die katholische Kirche nicht mit wehen<strong>de</strong>n Fahnen in <strong>de</strong>n Krieg<br />
ziehen, aber sie empfand ihn doch als vaterländischen Krieg. Eines ist jedoch klar: An<br />
vielen Orten wur<strong>de</strong> die Pfarrjugend zur Gegnerschaft <strong>de</strong>r Hitler-<strong>Jugend</strong> und <strong>de</strong>r Pfarrer<br />
zum Gegner <strong>de</strong>r religionskritischen nationalsozialistischen Partei.<br />
3. Einzelbeispiel: Pfarrer Schmid in Steinhöring 2<br />
Der Gemein<strong>de</strong>pfarrer Philipp Schmid in Steinhöring, einem kleinen Dorf <strong>im</strong> Landkreis<br />
Ebersberg, zeigte großen Wi<strong>de</strong>rstand gegen das NS- Reg<strong>im</strong>e, das <strong>de</strong>n Kirchen kritisch<br />
9
gegenüberstand.<br />
Er hielt in <strong>de</strong>r Grundschule Religionsunterricht ab und war sehr am regelmäßigen<br />
Kirchenbesuch seiner Schüler interessiert, was ihm große Probleme einbrachte. Denn als<br />
er eines Tages fragte, wer <strong>de</strong>nn in die Kirche gegangen sei, hoben sich keine Finger <strong>de</strong>r<br />
anwesen<strong>de</strong>n Mädchen. Daraufhin erließ er als Strafe, dass diejenigen Mädchen und ein<br />
Junge, die die Kirche nicht besucht hatten, nach <strong>de</strong>m Unterricht in <strong>de</strong>r Schule bleiben<br />
müssten, wobei er <strong>de</strong>n Jungen erheblich früher gehen liess. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> er nach <strong>de</strong>m<br />
Unterricht von einem Buben mit <strong>de</strong>m Hitlergruß gegrüßt und <strong>de</strong>r Pfarrer sch<strong>im</strong>pfte <strong>de</strong>n<br />
Knaben hierfür.<br />
Hierauf hin wur<strong>de</strong> durch die NSDAP festgestellt, dass <strong>de</strong>r Pfarrer zwischen <strong>de</strong>n Mädchen<br />
und <strong>de</strong>n Buben unterschied, dass er <strong>de</strong>n Hitlergruß unterbin<strong>de</strong>n wollte und somit <strong>de</strong>n<br />
Nationalen Staat bekämpfe.<br />
Die Folge hieraus war, dass Pfarrer Schmid von nun an von „oben“ kontrolliert und<br />
überwacht wur<strong>de</strong> und die NSDAP offenbar darüber nachdachte ihn zu (v)ersetzen.<br />
Viele Unterstellungen umgaben Pfarrer Schmid, wie die Akten zeigen. Man warf ihm<br />
vor, politische Predigten zu halten 3 und Min<strong>de</strong>rjährige zu zwingen in die Kirche zu gehen<br />
und sie obendrein für <strong>Jugend</strong>kongregationen zu überre<strong>de</strong>n.<br />
Offensichtlich versuchte <strong>de</strong>r Pfarrer auch <strong>de</strong>monstrativ, <strong>de</strong>n NS-<strong>Jugend</strong>veranstaltungen<br />
kirchliche Treffen entgegenzusetzen. Die Bevölkerung scheint <strong>de</strong>m allgemein nicht<br />
abgeneigt gewesen zu sein, son<strong>de</strong>rn war wohl eher auf <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>s Pfarrers, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>n<br />
Akten <strong>de</strong>s Landratsamtes Ebersberg heißt es:<br />
„Als Pfarrer Schmid entgegen <strong>de</strong>r bisherigen Übung eine Generalkommunion auf<br />
Samstag (20. Oktober 1934) ansetzte und dadurch die Durchführung <strong>de</strong>s<br />
Staatsjugendtages unmöglich machte, wur<strong>de</strong> auf Veranlassung <strong>de</strong>s Bürgermeisters <strong>de</strong>m<br />
Rechnung getragen und alles getan um <strong>de</strong>m Pfarrer keinen Anlass zu geben, über die<br />
Religionsfeindlichkeit <strong>de</strong>s <strong>Nationalsozialismus</strong> zu klagen. Es ist also nicht so, das etwa<br />
die Nationalisten von Steinhöring gegen die Religion eingestellt wären. Im Gegenteil, die<br />
Bevölkerung ist tief religiös.“<br />
Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass Pfarrer Schmid und die katholische Kirche<br />
2 Die folgen<strong>de</strong>n Ausführungen beruhen auf <strong>de</strong>n Unterlagen <strong>im</strong> Staatsarchiv München, LRA 66438.<br />
3 Staatsarchiv München , LRA 66438, Schreiben <strong>de</strong>r Gendamerie-Station Steinhöring an das Bezirksamt<br />
Ebersberg vom 27.12.1934.<br />
10
auch <strong>im</strong> religiösen Steinhöring ihre Schwierigkeiten bekamen. So wur<strong>de</strong> ein Schaukasten<br />
mit antichristlichen Artikeln vor <strong>de</strong>r Kirche aufgehängt, <strong>de</strong>r auch nach mehrmaligem<br />
Antrag auf Abnahme durch <strong>de</strong>n Pfarrer hängen blieb. Es wur<strong>de</strong>n mehrere mysteriöse<br />
Anschläge auf Pfarrer Schmids Pfarrei verübt, die möglicherweise von <strong>de</strong>r NS ausgeführt<br />
wur<strong>de</strong>n. Beweise gab es hierfür allerdings nicht.<br />
Es gab auch einen persönlichen Konflikt zwischen Pfarrer Schmid und <strong>de</strong>m Pfarrmesner<br />
Otto Lo<strong>de</strong>rmeis, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>ssen Kin<strong>de</strong>r hatten in <strong>de</strong>r NSDAP führen<strong>de</strong> Stellungen. 4 Selbst<br />
dieser sehr spezifische, die Allgemeinheit nicht betreffen<strong>de</strong>r Fall wur<strong>de</strong> vom Bezirksamt<br />
Ebersberg in Augenschein genommen. Das Bezirksamt stellte ganz klar dar, was „wahr<br />
ist“: Der Pfarrer Schmidt habe eine feindselige Haltung gegenüber <strong>de</strong>m Pfarrmesner. Er<br />
gehöre zu einer kleinen Min<strong>de</strong>rheit, die nicht nationalsozialistisch sei. In einem<br />
Schreiben ist außer<strong>de</strong>m zu fin<strong>de</strong>n, dass Pfarrer Schmid versuchte nicht nur <strong>de</strong>r Partei,<br />
son<strong>de</strong>rn auch ihren Organisationen zu scha<strong>de</strong>n. Denn <strong>de</strong>r Pfarrer habe eine<br />
<strong>Jugend</strong>kongregation gegrün<strong>de</strong>t, die <strong>de</strong>n Bund Deutscher Mädchen (BDM) „zerschlagen“<br />
solle. 5 Außer<strong>de</strong>m wird geäußert, dass Pfarrer Schmid <strong>de</strong>r Staatsautorität durch seinen<br />
nationalaufhetzen<strong>de</strong>n Unterricht scha<strong>de</strong>.<br />
Was aus Pfarrer Schmid in Steinhöring wur<strong>de</strong>, wissen wir nicht. Die Unterlagen <strong>im</strong><br />
Staatsarchiv München gehen nur bis 1938. Nach <strong>de</strong>r Auskunft eines Lokalhistorikers<br />
wur<strong>de</strong> er allerdings etwa 1939 wegen seiner feindlichen Haltung gegenüber <strong>de</strong>r örtlichen<br />
NSDAP strafversetzt. 6 Sein Fall zeigt, wie die Kirche und die Hitler-<strong>Jugend</strong> bzw. <strong>de</strong>r<br />
Bund Deutscher Mä<strong>de</strong>l miteinan<strong>de</strong>r um die Kin<strong>de</strong>r stritten und diese in ihren Einfluss<br />
bringen wollten. Die katholische Kirche hatte dabei aber die schwächere Position, Pfarrer<br />
Schmid hatte zwar nicht viele offene, aber anschein<strong>de</strong>nd zu viele gehe<strong>im</strong>e Fein<strong>de</strong>.<br />
4. <strong>Jugend</strong>kultur<br />
Von Anfang an interessierte uns, wie <strong>de</strong>r Alltag <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>lichen <strong>im</strong> <strong>Nationalsozialismus</strong><br />
aussah. Was spielten sie? Welche Musik hörten sie? Was lasen sie? War das an<strong>de</strong>rs als<br />
4 Staatsarchiv München , LRA 66438, Schreiben an das Bezirksamt Ebersberg vom 28.06.1935.<br />
5 Staatsarchiv München , LRA 66438, Schreiben <strong>de</strong>s Bezirksamts Ebersberg an das Präsidium <strong>de</strong>r<br />
Regierung von Oberbayern vom 22.10.1934.<br />
6 Auskunft von Bernhard Schäfer am 15.2.2007.<br />
11
ei ihren Eltern? Wir fan<strong>de</strong>n nur zum Thema Sport etwas <strong>im</strong> Archiv, aber unsere<br />
Großeltern konnten einiges erzählen. Auch <strong>im</strong> Internet fan<strong>de</strong>n wir Informationen.<br />
4.1 Sport und Spiel<br />
Abbildung: www.dhm.<strong>de</strong>/lemo/objekte/pict/96001489/in<strong>de</strong>x.html<br />
Schon von klein auf spielten Kin<strong>de</strong>r mit nationalsozialistischen Spielzeugen. Z.B ist in<br />
einem Spielzeugauto <strong>de</strong>r Führer mit zum „<strong>de</strong>utschen Gruß“ erhobenem Arm zu sehen. 7<br />
O<strong>de</strong>r das sogenannte „Braune Haus“, ein Spielzeughaus, so benannt nach <strong>de</strong>m Vorbild<br />
<strong>de</strong>r Münchner Zentrale <strong>de</strong>r NSDAP. 8 Es gab auch ein Puppenhaus, in <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Alltag<br />
<strong>de</strong>r Hitler-<strong>Jugend</strong> bzw. <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s Deutscher Mä<strong>de</strong>l wi<strong>de</strong>rspiegelte. Dem Kind wur<strong>de</strong><br />
sozusagen die I<strong>de</strong>ologie <strong>de</strong>r Nationalsozialisten schon be<strong>im</strong> Spielen „einge<strong>im</strong>pft“.<br />
Der Sport war in <strong>de</strong>r NS-Zeit ebenfalls sehr wichtig. Die <strong>Jugend</strong>lichen wur<strong>de</strong>n<br />
damit für <strong>de</strong>n Krieg aufgebaut. Im „Arbeitsplan für eine allseitige körperliche<br />
Ertüchtigung <strong>de</strong>r Schulentlassenen <strong>Jugend</strong> in <strong>de</strong>n Vereinen“ wird das so beschrieben:<br />
„Spiele, namentlich Mannschaftsspiele, erziehen zur Unterordnung und Entschlusskraft,<br />
zum Gehorsam gegen die Gesetze. Sie lehren <strong>de</strong>n Gegner achten und ritterlich zu<br />
bekämpfen. Hier entsteht das Gefühl für die Verantwortung und für die Gemeinschaft,<br />
<strong>de</strong>ren Erfolg auf <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>s Einzelnen beruht.“ 9<br />
7 http://www.dhm.<strong>de</strong>/lemo/html/nazi/alltagsleben/spielzeug/in<strong>de</strong>x.html.<br />
8 Vgl. Abbildung<br />
9 Staatsarchiv München, LRA 76557, Arbeitsplan für eine allseitige körperliche Ertüchtigung <strong>de</strong>r<br />
Schulentlassenen <strong>Jugend</strong> in <strong>de</strong>n Vereinen, S. 5. Lei<strong>de</strong>r ist kein ganaues Erscheinungsjahr angegeben.<br />
12
Das ist sehr zeittypisch, da in <strong>de</strong>r NS-Zeit genau diese Elemente wichtig waren. Aber<br />
dieser Text wur<strong>de</strong> vermutlich vor <strong>de</strong>m Krieg, also um 1930 geschrieben, weil <strong>im</strong> Krieg<br />
bzw. kurz vor <strong>de</strong>m Krieg <strong>de</strong>r einzelne unbe<strong>de</strong>utend war und hier gesagt wird, dass <strong>de</strong>r<br />
Erfolg auf <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>s einzelnen beruhe. In <strong>de</strong>r „Körperlichen Grundschule“ – eine Art<br />
Lehrplan für <strong>de</strong>n Sportunterricht an <strong>de</strong>r Grundschule - wird folgen<strong>de</strong>s gesagt, was auch<br />
sehr zeittypisch ist:<br />
„Alle Spieler sollen sich gleichmäßig am Spiel beteiligen. Träge und Beschei<strong>de</strong>ne sind<br />
aufzumuntern, Vordringliche auf das richtige Maß <strong>de</strong>r Rücksicht zu verweisen.“ 10<br />
In <strong>de</strong>r NS-Zeit wur<strong>de</strong>n viele Mannschaftsspiele, z.B. Fußball gespielt, um das Gefühl <strong>de</strong>r<br />
Gemeinschaft zu stärken. Im Sport wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r Mut <strong>de</strong>r Jungendlichen gefestigt und<br />
beson<strong>de</strong>rs auf die Kraft <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong> wur<strong>de</strong> geachtet. So hat man viel am Reck o<strong>de</strong>r an<br />
an<strong>de</strong>ren Geräten trainiert. Schiessen war natürlich auch sehr wichtig, um die<br />
<strong>Jugend</strong>lichen auf <strong>de</strong>n Krieg vorzubereiten.<br />
Im „Lehrplan <strong>de</strong>r Lehrgänge für die Abt. Volksertüchtigung <strong>de</strong>r B.G.F.L.“ kann man das<br />
alles sehr gut sehen. 11 Es wird viel mit Medizinbällen gespielt, viel geschwommen und<br />
Wan<strong>de</strong>rungen gemacht, die zum besseren Kennenlernen <strong>de</strong>r He<strong>im</strong>at und zum<br />
Zurechtfin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Natur dienen. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n viele Vorträge zu <strong>de</strong>n Themen<br />
Wesen und Ziel <strong>de</strong>r körperlichen Erziehung, Schiesslehre, Wesen und Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s<br />
Wan<strong>de</strong>rns, Grundlagen zur Muskellehre, Kartenlesen und sogar zum Führertum gehalten.<br />
4.2 Musik<br />
In <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s NS-Reg<strong>im</strong>es wur<strong>de</strong> allgemein Klassik<br />
gehört, zum Beispiel Opern von Richard Wagner, die sich<br />
großer Beliebtheit erfreuten, 12 aber auch Unterhaltungsmusik<br />
und Tanzschlager erlebten ihren ersten großen<br />
Aufschwung. 13 In <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Musik- Rundfunkprogrammen<br />
lief überwiegend diese Musikform.<br />
R icha rd Wa g ner, wikipedia<br />
10 Staatsarchiv München, LRA 76557, Körperliche Grundschule, S. 42.<br />
11 Staatsarchiv München, LRA 76557, Lehrplan <strong>de</strong>r Lehrgänge für die Abt. Volksertüchtigung <strong>de</strong>r B.G.F.L.<br />
12 Auskunft unserer Musiklehrerin Frau Lechner vom 15.11.2006<br />
13
Zwar wur<strong>de</strong>n Swing und Jazz von <strong>de</strong>n Nazis als<br />
„Niggermusik“ bezeichnet, doch das konnte die <strong>Jugend</strong>lichen <strong>de</strong>r damaligen Zeit nicht<br />
abhalten, sie trotz<strong>de</strong>m zu hören.<br />
Da es <strong>de</strong>m NS-Reg<strong>im</strong>e nicht gelang <strong>de</strong>n Musikgeschmack <strong>de</strong>r breiten Masse zu<br />
verän<strong>de</strong>rn, wur<strong>de</strong> die amerikanische Herkunft <strong>de</strong>r Lie<strong>de</strong>r einfach verleugnet und<br />
statt<strong>de</strong>ssen als <strong>de</strong>utsche „stark rhythmische“ Musik bezeichnet.<br />
Doch nicht überall gab es damals Radio und somit Zugang zu dieser neuen Art von<br />
Musik. Außerhalb <strong>de</strong>r Städte in abgelegenen Dörfern wur<strong>de</strong> lediglich selber musiziert. 14<br />
Dabei waren die Instrumente Zither und Geige sehr gängig. Wer sich ein Klavier leisten<br />
konnte, musste schon etwas wohlhaben<strong>de</strong>r sein.<br />
Innerhalb <strong>de</strong>r HJ und <strong>de</strong>m Jungvolk wur<strong>de</strong> viel gesungen. 15 Es gab sogenannte HJ-<br />
Lie<strong>de</strong>rbücher, die Gedichte, Sprechchöre und Lie<strong>de</strong>r, zum Beispiel „Ewiges<br />
Deutschland“, „Uns geht die Sonne nicht unter“ o<strong>de</strong>r „Unsere Fahne flattert uns voran“<br />
etc., enthielten.<br />
4.3 Literatur<br />
Abbildung: wikipedia, Bücherverbrennung 1933<br />
Die Bücherverbrennung am 10.05.1933 war <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>r sogenannten „geistigen<br />
13 Hier und <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n: www.dhm.<strong>de</strong>/lemo/html/nazi/kunst/musik/in<strong>de</strong>x.html vom 28.12.2006<br />
14 Hier und <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>m: Interview von Franziska Ramschütz mit <strong>de</strong>m Zeitzeugen Hermann Lautner am<br />
22.01.2007<br />
15 Hier und <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>m: Dieter Galinski, Ulrich Herbert, Ulla Lachauer, “Nazis und Nachbarn”, Seite 63<br />
14
Erneuerung“ <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literatur 16 . Von nun an ließ das NS-Reg<strong>im</strong>e nur noch Bücher<br />
zu, die in ihr nationalsozialististisches Weltbild passten. Vor allem wur<strong>de</strong> Wert auf die<br />
Volksgemeinschaft und das soldatische Hel<strong>de</strong>ntum gelegt.<br />
Kin<strong>de</strong>r und <strong>Jugend</strong>liche waren von dieser Einschränkung in sofern betroffen, dass sie<br />
manche <strong>Jugend</strong>- o<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rbücher, wie von Erich Kästner o<strong>de</strong>r Heinrich Heine, nicht<br />
lesen durften, aber unpolitische Bücher, wie von Karl May o<strong>de</strong>r Wilhelm Busch, waren<br />
weiterhin erlaubt.<br />
C) Schluss<br />
Durch diesen Wettbewerb haben wir viel dazu gelernt. Neben <strong>de</strong>n neuen Erkenntnissen<br />
über das Leben <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>lichen zur Zeit <strong>de</strong>s <strong>Nationalsozialismus</strong> erfuhren wir auch, wie<br />
man <strong>im</strong> Archiv mit <strong>de</strong>n alten Original-Dokumenten arbeitet. Wie unsere Lehrerin Frau<br />
Dr. Stoll sagte, haben wir echte Detektivarbeit betrieben, so zum Beispiel <strong>im</strong> Fall <strong>de</strong>s<br />
Pfarrers Schmid, <strong>de</strong>n wir untersucht haben. Lei<strong>de</strong>r war zu unserer speziellen Region,<br />
<strong>de</strong>m Landkreis Ebersberg, nicht so viel zu fin<strong>de</strong>n, so dass wir mehr Allgemeines<br />
schreiben mussten. Es hat uns jedoch sehr viel Spaß gemacht, die Vergangenheit zu<br />
erforschen.<br />
16 Hier und <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n: www.dhm.<strong>de</strong>/lemo/html/nazi/kunst/literatur/in<strong>de</strong>x.html<br />
15
D) Anhang<br />
1. Quellen- und Literaturverzeichnis:<br />
1.1Verwen<strong>de</strong>te Literatur:<br />
- Broszat, Martin/ Fröhlich, Ecke/ Wiesemann, Falk, “Bayern in <strong>de</strong>r NS-Zeit”, München<br />
1977.<br />
- Focke, Harald, “Alltag unterm Hakenkreuz - Wie die Nazis das Leben <strong>de</strong>r Deutschen<br />
verän<strong>de</strong>rten”, Hamburg 1979.<br />
- Galinski, Dieter, “Nazis und Nachbarn”, Hamburg 1982.<br />
- Körner, Torsten, “Die Geschichte <strong>de</strong>s Dritten Reiches”, Frankfurt a. M. 2000.<br />
- Mannhe<strong>im</strong>er, Max, „ Spätes Tagebuch“, Zürich 2000.<br />
- von <strong>de</strong>r Grün, Max, “Wie war das eigentlich?”, Darmstadt 1979.<br />
1.2 Quellen<br />
Staatsarchiv München, Bestand LRA [Akten <strong>de</strong>s Landratsamtes Ebersberg]:<br />
-LRA 66.439<br />
-LRA 66.438<br />
-LRA 76.557<br />
-LRA 66.615<br />
-LRA 66.482<br />
-LRA 67.082<br />
-LRA 66.483<br />
1.3 Zeitzeugengespräche:<br />
- Gespräch von Philipp Gerlach mit Dr. Hans Stephan Hebel am 26.12.2006<br />
- Gespräch von Mathias Konrad mit Heribert Cramer am 13.01.2006<br />
- Gespräch von Manuel Glanz mit Werner Glanz am 23.01.2006<br />
- Gespräch <strong>de</strong>r Geschichtswerkstatt mit <strong>de</strong>m KZ-Überleben<strong>de</strong>n Max Mannhe<strong>im</strong>er am<br />
22.2.2007<br />
16
2. Notizen von <strong>de</strong>n Zeitzeugengespräche:<br />
1. Zeitzeugengespräch:<br />
Name: Hermann Lautner<br />
Jahrgang: 1936<br />
Herkunftsort: Wölsauerhammer<br />
Wie war die Einstellung zum Nationalzozialismus in eurer Familie?<br />
Ich habe davon nicht viel mitbekommen. Erstens war ich damals noch ziemlich jung und<br />
zweitens war unsere Gemein<strong>de</strong> bis 1976 die flächenkleinste Bayerns, <strong>de</strong>shalb war unser<br />
Dorf nicht wirklich interessant für das NS-Reg<strong>im</strong>e.<br />
Auf was für eine Schule bist du gegangen?<br />
Auf eine Volksschule, die eigentlich gar keine war, <strong>de</strong>nn unser Ort hatte keine eigene<br />
Schule und auch keine Kirche. Wir hatten in einer Fabrik Unterricht und die Schule<br />
bestand aus nur zwei Klassen. Da wir so gut wie keine Schulutensilien hatten, haben wir<br />
unter an<strong>de</strong>rem die weißen Rän<strong>de</strong>r von Zeitungen als Blätter für die Schule zum Schreiben<br />
benutzt.<br />
Hattet ihr ihr Rassenkun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r so etwas ähnliches, als Unterrichtsfach?<br />
Nein, überhaupt nichts <strong>de</strong>rgleichen!<br />
Habet <strong>de</strong>r Nazionalzosialismus generell Einfluss auf <strong>de</strong>n Schullalltag gehabt?<br />
Nein, eigentlich gar nicht, aber sonntags haben die Älteren von uns Kin<strong>de</strong>rn, die in<br />
<strong>de</strong>r HJ waren, <strong>im</strong>mer einen Aufmarsch gemacht und wir Jüngeren mussten in die<br />
Kirche ins Nachbardorf und durften nicht zu schauen. Darüber haben wir uns je<strong>de</strong>s<br />
Mal geärgert!<br />
Was für Bücher habt ihr <strong>de</strong>nn so gelesen?<br />
Vor allem Wilhelm Busch, aber auch Karl May. Bei uns wur<strong>de</strong>n die Bücher <strong>im</strong>mer<br />
innerhalb <strong>de</strong>s Dorfes von Hand zu Hand weitergegeben und gelesen.<br />
Was für Musik habt ihr gehört?<br />
Wir haben gar keine Musik gehört. Wir haben selbst Musik gemacht. Die Älteren haben<br />
es uns beigebracht. Beliebt waren Zitter und Geige. Wer Klavier spielte, musste schon<br />
reicher sein.<br />
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Was für prägen<strong>de</strong> Ereignisse aus <strong>de</strong>r Zeit fallen dir ein?<br />
1.Im Frühjahr 1945 saßen wir am Wegesrand und haben stun<strong>de</strong>nlang Flüchtlingszüge<br />
vorbeilaufen gesehen.<br />
2. Ein Fliegerangriff war in unsere Nähe. Es waren keine Männer anwesend, da die<br />
sich irgendwo <strong>im</strong> Krieg befan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>shalb haben die Großeltern und Mütter die<br />
Führung übernommen und sind mit uns Kin<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n Wald geflohen. Lei<strong>de</strong>r sind<br />
dann die Bomben nicht über <strong>de</strong>m Dorf abgeworfen wor<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn über <strong>de</strong>m Wald,<br />
in<strong>de</strong>m wir uns versteckt hatten. Da haben wir richtig Glück gehabt, dass wir nicht<br />
getroffen wur<strong>de</strong>n.<br />
3. Als die Alliierten dann einmarschiert sind, hat unser Dorf die weiße Fahne<br />
rausgehängt, aber die wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>utschen Soldaten in <strong>de</strong>r Nähe wie<strong>de</strong>r<br />
heruntergerissen. Das lustige war aber, dass als die Amerikaner mit ihren Panzern<br />
an unserem Dorf vorbeizogen sind keiner Notiz von uns genommen hat. Erst am<br />
dritten Tag sind dann mal ein paar Soldaten ins Dorf gekommen und haben es<br />
„besetzt“.<br />
War die nationalsozialistische Geschichte später ein „Tabu-Thema“ in euer Familie?<br />
Naja, es wur<strong>de</strong> einfach nicht darüber gere<strong>de</strong>t. Keiner hat danach gefaragt, aber es hat<br />
auch keiner von sich aus darüber gere<strong>de</strong>t.<br />
Danke für <strong>de</strong>in Interview.<br />
Gern Geschehen!<br />
Anmerkungen: kursiv = <strong>de</strong>r Interviewte<br />
standart = <strong>de</strong>r Interviewführer<br />
18
2. Zeitzeugengespräch<br />
Thema: Schule<br />
Die Lehrer arbeiten mit <strong>de</strong>m Rohrstock. Es herrscht sehr großer Gehorsam. In <strong>de</strong>r Schule<br />
gibt es Teils Kamera<strong>de</strong>n, teils an<strong>de</strong>re Lehrer, die die Lehrer und <strong>de</strong>n Unterricht<br />
überwachen.<br />
Sonst keine näheren Erinnerungen.<br />
Thema: Freizeit<br />
Fast je<strong>de</strong>r ist in <strong>de</strong>r HJ. Die Nazis versuchen <strong>de</strong>n <strong>Jugend</strong>lichen viel Spaß zu bereiten, sie<br />
aber <strong>de</strong>nnoch mit Propaganda zu beeinflussen. Die Para<strong>de</strong>n und Veranstaltungen <strong>im</strong><br />
Allgemeinen wer<strong>de</strong>n oftmals so gelegt, dass sie sich mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Kirche überschnei<strong>de</strong>n<br />
(vgl. Pfarrer Schmid). Es gibt viele Ausflüge in <strong>de</strong>n Wald.Es wer<strong>de</strong>n zahlreiche Lie<strong>de</strong>r<br />
gelernt.<br />
Thema: Kirche und HJ<br />
Die Kirche ist gegen <strong>de</strong>n <strong>Nationalsozialismus</strong> spricht dies aber nicht öffentlich aus o<strong>de</strong>r<br />
bäumt sich gegen die Nazis auf. Die Veranstaltungen <strong>de</strong>r Kirche stehen ebenfalls unter<br />
Bewachung <strong>de</strong>r Nazis.<br />
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3. Zeitzeugengespräch<br />
Mit meinem Opa, Dr. Hanns-Stephan Hebel, führte ich dieses Zeitzeugengespräch am<br />
26.12.2006. Dieser wur<strong>de</strong> 1926 <strong>im</strong> Allgäu als Sohn eines Straßenaufsehers und einer<br />
Hausfrau geboren. Die Familienverhältnisse waren normal und die Familie stand <strong>de</strong>m<br />
<strong>Nationalsozialismus</strong> negativ gegenüber. Er besuchte eine Oberschule <strong>im</strong> Allgäu.<br />
.<br />
Hinweis: Das Gespräch wur<strong>de</strong> nicht wortwörtlich, son<strong>de</strong>rn sinngemäß wie<strong>de</strong>rgegeben.<br />
Frage: Was für Schultypen gab es damals?<br />
Antwort: Nach <strong>de</strong>r vierjährigen Grundschule folgte entwe<strong>de</strong>r die neunjährige<br />
Volksschule o<strong>de</strong>r die zwölfjährige Oberschule, wobei Jungen- und Mädchenschulen<br />
getrennt waren. Für beson<strong>de</strong>rs sportliche o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Vorstellungen <strong>de</strong>r Nazis (blon<strong>de</strong><br />
Haare, blaue Augen, schlank, groß = “arische/nordische Rasse“ sowie Charakter- und<br />
Willensstärke) entsprechen<strong>de</strong> Jungen<br />
sowie Söhne großer Nazis gab es noch Eliteschulen, wie z.B. Adolf-Hitler-Schulen o<strong>de</strong>r<br />
Nationalpolitische Erziehungsanstalten.<br />
Wie lange dauerte ein Schultag?<br />
Ein Schultag dauerte bis zum Mittag.<br />
Wie groß waren die Klassen?<br />
Circa 15 Schüler/-innen gehörten zu einer Klasse.<br />
Gab es viele Hausaufgaben?<br />
Da <strong>de</strong>r Nachmittag mit HJ (=Hitlerjugend), Sport und Freizeit einigermaßen ausgefüllt<br />
war, war es meist nicht sehr viel.<br />
Inwiefern richtete sich die Schule nach <strong>de</strong>r HJ?<br />
Da die Schule unter <strong>de</strong>r HJ stand, richtete sie sich total nach ihr. Wenn die Schule die<br />
Vorgaben <strong>de</strong>r HJ, wie z.B. ein zusätzlich zur HJ angemessenes Maß an Hausaufgaben,<br />
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missachtete, wur<strong>de</strong> dies <strong>de</strong>n Parte<strong>im</strong>itglie<strong>de</strong>rn gemel<strong>de</strong>t, da die HJ eine Organisation <strong>de</strong>r<br />
NSDAP war. Der Schule drohten dann scharfe Sanktionen. Doch mit <strong>de</strong>r<br />
Terminfestlegung von häufig stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Zeltlagern o.Ä. richtete sich die HJ<br />
wie<strong>de</strong>rum nach <strong>de</strong>n Schulterminen.<br />
In welchen Fächern wur<strong>de</strong> die NS-Lehre verbreitet?<br />
Dies war hauptsächlich in Biologie <strong>de</strong>r Fall. Dort wur<strong>de</strong>n häufig Messungen <strong>de</strong>r<br />
Körpermaße an Schülern vorgenommen, um ihre „Rasse“, die in <strong>de</strong>r NS-Lehre sehr<br />
wichtig war, festzustellen. Man merkte <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r HJ sehr stark, z.B. wur<strong>de</strong>n viele<br />
Vorträge zu Themen aus <strong>de</strong>r Lehre <strong>de</strong>r NSDAP gehalten.<br />
Waren die Lehrer Nazis?<br />
Sie wur<strong>de</strong>n dazu gezwungen. Wenn sie sich antinationalsozialistisch äußerten, wur<strong>de</strong>n sie<br />
sofort entlassen. Die s.g. GAU-Leiter überwachten die Einhaltung <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Nazis<br />
aufgestellten Regeln und Gesetze in <strong>de</strong>n Gemein<strong>de</strong>n, waren also eine Art rechte Hand <strong>de</strong>s<br />
Bürgermeisters und <strong>de</strong>r Polizei. An unserer Schule gab es einen guten und beliebten<br />
Rektor. Doch nach<strong>de</strong>m er einmal gesagt hatte: „Deutschland wird unter <strong>de</strong>n Nazis<br />
untergehen“, sah man ihn niemals wie<strong>de</strong>r.<br />
Wur<strong>de</strong>n jüdische Mitschüler o<strong>de</strong>r solche, die nicht in <strong>de</strong>r HJ waren diskr<strong>im</strong>iniert o<strong>de</strong>r<br />
gedul<strong>de</strong>t?<br />
Durch die HJ-Führer, die Leiter <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>gruppen, wur<strong>de</strong>n sie häufig auf <strong>de</strong>m<br />
Pausenhof diskr<strong>im</strong>iniert, da das Prinzip „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“ galt. Die<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung verstärkte sich <strong>im</strong> Laufe <strong>de</strong>r Zeit noch.<br />
Wie verhielten sie sich in <strong>de</strong>r Schule?<br />
Sie schlossen sich quasi selbst aus. Beispielsweise haben wir in <strong>de</strong>r HJ einmal das Bauen<br />
und Fliegen von kleinen Segelflugzeugen und das Boxen gelernt. Wer nicht in <strong>de</strong>r HJ<br />
war, konnte dann eben nicht segelfliegen und boxen und schloss sich damit selber aus <strong>de</strong>r<br />
großen Gemeinschaft <strong>de</strong>r HJ-Mitglie<strong>de</strong>r, zu <strong>de</strong>nen auch ich gehörte, aus. Außer<strong>de</strong>m<br />
21
wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r HJ aus häufig Zeltlager veranstaltet, an <strong>de</strong>nen die „An<strong>de</strong>ren“ natürlich<br />
nicht teilnehmen konnten.<br />
Gab es während <strong>de</strong>s Krieges weniger Unterricht?<br />
Nein.<br />
Wie sah dieser dann aus?<br />
Man wur<strong>de</strong> klar auf <strong>de</strong>n Kampf vorbereitet. Das Soldatentum war damals ein und alles.<br />
Je<strong>de</strong>r bewun<strong>de</strong>rte die Soldaten und wollte so sein wie sie. Wir hatten damals Angst, <strong>de</strong>r<br />
Krieg könnte vorbei gehen und wir wären nicht dabei. Das ist heutzutage natürlich<br />
unverständlich! Kurz vor <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Krieges wur<strong>de</strong>n wir ältere Schüler dann fast ohne<br />
je<strong>de</strong> Schulung (bis auf das, was wir in <strong>de</strong>r HJ zum Umgang mit Waffen gelernt hatten)<br />
und ohne Ernstfall-Erfahrung zur Flugabwehr eingezogen. Wir hatten keine Chance<br />
gegen die starken und professionellen amerikanischen Kampfflugzeuge, auch da unsere<br />
Anführer genau wie wir noch sehr unerfahren waren. Daher gab es viele Tote. Bei einem<br />
Angriff konnte ich mich gera<strong>de</strong> noch durch einen Sprung in ein Rohr <strong>im</strong> Straßengraben<br />
retten!<br />
Vielen Dank für das interessante Gespräch mit dir!<br />
22
Meine Eindrücke vom Zeitzeugen Max Mannhe<strong>im</strong>er<br />
Manuel Glanz, Mittwoch <strong>de</strong>n 07. Februar 2007<br />
Als ich <strong>de</strong>n Zeitzeugen Max Mannhe<strong>im</strong>er das erste Mal sah, war ich wirklich sehr<br />
erstaunt. Wie er sich die vielen Stufen bis in <strong>de</strong>n vierten Stock unserer Schule hinauf<br />
quälte, nur um Menschen aus <strong>de</strong>n Generationen nach ihm zu erzählen, wie schrecklich es<br />
damals <strong>im</strong> „Dritten Reich“ zuging. Immerhin ist er jetzt ja schon 87 Jahre alt. Auf mich<br />
machte er trotz <strong>de</strong>m, was ihm zugestoßen war, einen sehr lebensfrohen Eindruck. Er<br />
machte <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r Späße und beantwortete auch alle unsere Fragen. Ich glaube, es<br />
machte auch ihm Spaß zu erzählen und so <strong>de</strong>r Nachwelt ein wichtiges Ereignis in <strong>de</strong>r<br />
Geschichte Deutschlands zu erhalten. Es hat mich sehr beeindruckt und zu<strong>de</strong>m tief<br />
berührt als er uns erzählte, dass fünf seiner sieben Familienmitglie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n “Kaminen”,<br />
wie er die Gaskammern nannte, in wenigen Tagen getötet wur<strong>de</strong>n und dass er trotz<strong>de</strong>m<br />
<strong>im</strong>mer noch lachen konnte. Wäre ich an seiner Stelle gewesen und hätte <strong>im</strong> fast noch<br />
jugendlichen Alter von erst 23 Jahren bereits meine ganze Familie verloren, so wäre ich<br />
vermutlich meines Lebens nicht mehr froh gewesen.<br />
Durch seine Erfahrungen <strong>im</strong> „Dritten Reich“ schien mir Max Mannhe<strong>im</strong>er bei weitem<br />
“weiser” o<strong>de</strong>r “allwissen<strong>de</strong>r”, als man es vielleicht von einem 87-jährigen erwartet hätte,<br />
<strong>de</strong>nn seine Ausstrahlung und seine beruhigen<strong>de</strong> Wirkung machte seine Anwesenheit zu<br />
etwas ganz beson<strong>de</strong>rem - einem Erlebnis, das ich sicherlich zeitlebens nicht mehr<br />
vergessen wer<strong>de</strong>.<br />
23