31.10.2013 Aufrufe

Wandernder Sand - marina.ch

Wandernder Sand - marina.ch

Wandernder Sand - marina.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

umwelt<br />

dppi/Pierrick Garenne<br />

<strong>Wandernder</strong> <strong>Sand</strong><br />

Wenn der Meereswind auf sandige Strände trifft, stapeln si<strong>ch</strong> die <strong>Sand</strong>körner zu imposanten<br />

Dünenformationen auf. Diese Lands<strong>ch</strong>aften sind Biotope für zahlrei<strong>ch</strong>e Tiere und Pflanzen – und<br />

ein wi<strong>ch</strong>tiges Trinkwasserreservoir.<br />

Wikipedia Stefanie Pfändler<br />

Text : Stefanie Pfändler<br />

Anmutig s<strong>ch</strong>wingen si<strong>ch</strong> riesige Wellen aus<br />

<strong>Sand</strong> über unendli<strong>ch</strong>e Lands<strong>ch</strong>aften, in jeder<br />

Rille s<strong>ch</strong>immert die Abendsonne und am<br />

Horizont spaziert ein einsames Kamel vorbei.<br />

Wir kennen sie alle, die gigantis<strong>ch</strong>en Dünen<br />

aus den Fotobü<strong>ch</strong>ern unserer Abenteurer-<br />

Freunde, die aus der Sahara zurückkehren<br />

oder aus der Gobi oder Sao Luis da Maranhao.<br />

Denkt an si<strong>ch</strong> das Kamel weg,<br />

so ist diese Romantik jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur in<br />

der Wüste zu finden, sondern weltweit an<br />

zahl rei<strong>ch</strong>en Stränden, au<strong>ch</strong> in Europa. Der<br />

Meereswind trifft auf sandige Strände,<br />

wirbelt dort <strong>Sand</strong>körner auf und trägt sie Zentimeter<br />

für Zentimeter ins Landes innere. Mit<br />

der Zeit stapeln si<strong>ch</strong> die Körner aufeinander<br />

und formen kleine Versionen ihrer gigantis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>western aus der Wüste.<br />

Formen und Bewegungen<br />

Wel<strong>ch</strong>e Form eine Küstendüne annimmt, ist<br />

grundsätzli<strong>ch</strong> von drei Faktoren abhängig:<br />

dem Wind, der Vegetation und der <strong>Sand</strong>zufuhr.<br />

Um erst einmal beim typis<strong>ch</strong>en Bild<br />

der glatten <strong>Sand</strong>düne zu bleiben: Wanderdünen<br />

sind Dünen, auf deren Oberflä<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong><br />

keine Vegetation festsetzen kann. Die <strong>Sand</strong>körner<br />

fegen ungehindert über die Oberflä<strong>ch</strong>e<br />

und formen eine sogenannte Si<strong>ch</strong>eldüne, die<br />

auf der Luvseite fla<strong>ch</strong> ansteigt, um an der<br />

Leeseite abrupt und steil abzufallen. Die Si<strong>ch</strong>eldüne<br />

nährt si<strong>ch</strong> von den konstanten<br />

Winden und wandert einige Meter pro Jahr<br />

leewärts vom Meer weg. An den Seiten ist<br />

der Dünenkamm deutli<strong>ch</strong> weniger ho<strong>ch</strong> als in<br />

der Mitte der Düne. Somit bewegen si<strong>ch</strong> die<br />

Si<strong>ch</strong>elenden etwas s<strong>ch</strong>neller als der Hauptkamm,<br />

weil der Wind dort weniger <strong>Sand</strong> zu<br />

transpor tieren hat. Dadur<strong>ch</strong> entsteht die<br />

typis<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>elform, die si<strong>ch</strong> besonders ausgeprägt<br />

an der Ostseeküste beoba<strong>ch</strong>ten<br />

lässt. Die grösste und eindrückli<strong>ch</strong>ste Wanderdüne<br />

Europas jedo<strong>ch</strong> befindet si<strong>ch</strong> an der<br />

französis<strong>ch</strong>en Atlantikküste (siehe Kasten).<br />

Wi<strong>ch</strong>tige Rolle der Pflanzenwelt<br />

Sobald es erste, anspru<strong>ch</strong>slose Pionierpflanzen<br />

s<strong>ch</strong>affen, si<strong>ch</strong> auf dem unwirtli<strong>ch</strong>en<br />

Untergrund anzusiedeln, setzt dies eine<br />

entwicklung in Gang, die zur Bildung von<br />

gebundenen Dünen führt. Deren typis<strong>ch</strong>ste,<br />

in Küstengegenden vorkommende Form ist<br />

die Parabeldüne. In der Form ist sie der<br />

Si<strong>ch</strong>el düne ähnli<strong>ch</strong>, sie ist allerdings s<strong>ch</strong>maler<br />

und hat eine entgegengesetzte Krümmung<br />

– ihre Bogenkrümmung zeigt leewärts. Wenn<br />

si<strong>ch</strong> mit der Zeit auf den Armen der Düne<br />

immer di<strong>ch</strong>tere Vegetation festsetzt, werden<br />

diese fixiert, während der Kopf weiter landeinwärts<br />

wandert. Zwis<strong>ch</strong>en den Parabelarmen<br />

hinterlässt die Düne dann eine Mulde,<br />

in der si<strong>ch</strong> Feu<strong>ch</strong>tigkeit ansammelt. Je na<strong>ch</strong><br />

Nieders<strong>ch</strong>lag können si<strong>ch</strong> dort ri<strong>ch</strong>tiggehende<br />

Tümpel mit einem sehr spezifis<strong>ch</strong>en<br />

Biotop entwickeln, in dem si<strong>ch</strong> sogar algenartige<br />

Pflanzen und Kröten ansiedeln.<br />

Wel<strong>ch</strong>e Vegetation si<strong>ch</strong> auf dem <strong>Sand</strong><br />

festzusetzen vermag, beeinflussen zahlrei<strong>ch</strong>e<br />

Dünen als S<strong>ch</strong>utzs<strong>ch</strong>ild:<br />

In Nordfrankrei<strong>ch</strong> wurden<br />

1940 rund 300 000 alliierte<br />

Soldaten na<strong>ch</strong> Gross britannien<br />

evakuiert. (oben)<br />

Eine Wanderdüne in<br />

Dänemark vers<strong>ch</strong>luckt einen<br />

Leu<strong>ch</strong>tturm. (unten)<br />

42 <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong> juni 12<br />

juni 12 <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong><br />

43


umwelt<br />

Creafrance bzw. Wikipedia<br />

Eindrückli<strong>ch</strong>: Die grösste<br />

Wanderdüne Europas befindet<br />

si<strong>ch</strong> an der französis<strong>ch</strong>en<br />

Atlantikküste.<br />

Dune du Pyla<br />

Die grösste Wanderdüne Europas befindet si<strong>ch</strong> in der Nähe von Arca<strong>ch</strong>on an<br />

der französis<strong>ch</strong>en Atlantikküste. Die Dune du Pyla ist knapp drei Kilometer<br />

lang und bis zu 108 Meter ho<strong>ch</strong>. Sie besteht aus 87 Hektar reiner <strong>Sand</strong>flä<strong>ch</strong>e.<br />

Mit dem inzwis<strong>ch</strong>en bewaldeten Sockel misst sie über 130 Hektar. Ihre Entwicklung<br />

lässt si<strong>ch</strong> 18 000 Jahre zurückverfolgen. Da der Meeresspiegel damals<br />

deutli<strong>ch</strong> unter dem heutigen Niveau lag, lagerten si<strong>ch</strong> am damaligen Strand<br />

Materialien ab, die in den folgenden Jahrtausenden immer wieder überdeckt<br />

wurden. Vers<strong>ch</strong>iedene S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten zeugen von der Überlagerung mehrerer Dünensysteme,<br />

bei der si<strong>ch</strong> immer wieder diverse Si<strong>ch</strong>el-und Parabeldünen übers<strong>ch</strong>nitten.<br />

Heute verliert die Düne an Höhe, da weniger <strong>Sand</strong> transportiert wird.<br />

Mit mehreren Projekten versu<strong>ch</strong>en die lokalen Behörden, die Düne im nördli<strong>ch</strong>en<br />

Teil deshalb zu stabilisieren und seit einigen Jahren sorgen angepflanzte<br />

Sträu<strong>ch</strong>er und Pinien tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> für mehr Vegetation und eine zunehmende<br />

Stabilität. Im Süden tragen die Gezeiten, die Erosion und der Wind hingegen<br />

zur natürli<strong>ch</strong>en Heranbildung einer neuen Düne bei. Die Dune du Pyla ist als<br />

Naturs<strong>ch</strong>utzgebiet deklariert und gehört mit über einer Million Touristen zu<br />

einem der meistbesu<strong>ch</strong>ten Naturattraktionen Frankrei<strong>ch</strong>s.<br />

Faktoren, die auf unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Weise zusammenspielen:<br />

Feu<strong>ch</strong>tigkeit, Wind, Sonnens<strong>ch</strong>ein,<br />

Nährstoffverfügbarkeit, Kalkvorkommen,<br />

Stadium der Bodenentwicklung und<br />

ni<strong>ch</strong>t zuletzt die Konkurrenz unter den<br />

Pionierpflanzen. Sie lassen in jedem Küstengebiet<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Lebensräume entstehen.<br />

Während si<strong>ch</strong> in Meeresnähe nur<br />

salzresistente Pflanzen dur<strong>ch</strong>setzen können,<br />

haben ihre Wurzeln einige Meter weiter im<br />

Landesinneren bereits mühelos Zugang zu<br />

süssem Grundwasser. Dort können also au<strong>ch</strong><br />

Pflanzen gedeihen, die mehr Wasser benötigen.<br />

Mit der ersten Vegetationsdecke setzt<br />

dann die erste Bodenbildung ein, was<br />

anspru<strong>ch</strong>svolleren Pflanzen ermögli<strong>ch</strong>t, si<strong>ch</strong><br />

auf den Dünen anzusiedeln. Je na<strong>ch</strong> Entwicklungsstadium<br />

findet si<strong>ch</strong> also überall eine<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Vegetation, die wiederum<br />

einen direkten Einfluss auf die Weiterentwicklung<br />

der Dünenformen hat.<br />

Strandhafer und Grundwasser<br />

Eine prominente Position nimmt in Dünengebieten<br />

der Strandhafer ein. Seine Halme<br />

wa<strong>ch</strong>sen rund einen Meter gerade aus dem<br />

<strong>Sand</strong> und bre<strong>ch</strong>en die Kraft des Windes,<br />

womit sie den verwehten <strong>Sand</strong> zum Absetzen<br />

zwingen. Seine tief in den Boden rei<strong>ch</strong>enden<br />

Wurzeln, die über Ausläufer immer neue<br />

Ges<strong>ch</strong>wister spriessen lassen, befestigen den<br />

<strong>Sand</strong> und tragen somit massgebli<strong>ch</strong> zur<br />

Bildung von gebundenen Dünen bei. Als<br />

typis<strong>ch</strong>e Pionierpflanze ist er gegen die unwirtli<strong>ch</strong>en<br />

Bedingungen mit harten Rollblättern<br />

gewappnet, die ihn effizient vor<br />

Wikipedia<br />

Wasserverlust s<strong>ch</strong>ützen. Die kleinen, harten<br />

Blätter sind zudem gut gegen den Wind ges<strong>ch</strong>ützt<br />

und halten au<strong>ch</strong> den s<strong>ch</strong>arfkantigen<br />

<strong>Sand</strong>körnern mühelos stand.<br />

Au<strong>ch</strong> die resistenteste Pionierpflanze brau<strong>ch</strong>t<br />

jedo<strong>ch</strong> hin und wieder Na<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ub an Süsswasser.<br />

Dem Grundwasser kommt in Dünengebieten<br />

deshalb eine tragende Rolle zu. Da<br />

an den Küsten Westeuropas mehr Wasser auf<br />

die Erde fällt als verdampft, sammelt si<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en<br />

den Dünensandkörnern Süss wasser an<br />

und verdrängt das s<strong>ch</strong>werere Salzwasser aus<br />

der ursprüngli<strong>ch</strong>en Küstenflä<strong>ch</strong>e. Somit entsteht<br />

auf dem Salzwasser eine Süsswasserlinse,<br />

die für die Vegetation eine unverzi<strong>ch</strong>tbare<br />

Lebensgrundlage bildet (siehe au<strong>ch</strong><br />

«<strong>marina</strong>.<strong>ch</strong>» 47, Dezember/Januar 2012). Der<br />

Grundwasserspiegel s<strong>ch</strong>wankt natürli<strong>ch</strong>erweise<br />

aufgrund von Ebbe und Flut, den<br />

Jahreszeiten sowie der Nieders<strong>ch</strong>lagsmenge.<br />

Vielerorts steht der Grundwasserspiegel aber<br />

vor allem wegen der übermässigen Trinkwassergewinnung,<br />

Entwässerung oder Bebauung<br />

stark unter Druck. Während die<br />

Pionierpflanzen zwar gelernt haben, si<strong>ch</strong> den<br />

natürli<strong>ch</strong>en Gefahren von Wind, Salz und<br />

<strong>Sand</strong> biologis<strong>ch</strong> anzupassen, droht ihnen die<br />

eigentli<strong>ch</strong>e Gefahr somit vielmehr aus dem<br />

Landesinneren: Von dort nämli<strong>ch</strong> drängen die<br />

Mens<strong>ch</strong>en ans Meer, wel<strong>ch</strong>e die Dünenlands<strong>ch</strong>aften<br />

als Wasserquelle, Wohnparadies<br />

und als Tourismusmagnet entdeckt haben.<br />

Stefanie Pfändler<br />

<strong>marina</strong>.<strong>ch</strong><br />

Ralligweg 10<br />

3012 Bern<br />

Tel. 031 301 00 31<br />

<strong>marina</strong>@<strong>marina</strong>-online.<strong>ch</strong><br />

www.<strong>marina</strong>-online.<strong>ch</strong><br />

Tel. Abodienst: 031 300 62 56<br />

44<br />

<strong>marina</strong>.<strong>ch</strong> juni 12<br />

juni 12 <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!