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Die graphematische Silbe | Thiageswaran

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Orthographische Worttrennung im Deutschen<br />

Exzerpt von Jeyaprabha <strong>Thiageswaran</strong><br />

<br />

Günther, Hartmut (1992): Re-Rep-lik - Zur linguistischen Rekonstruktion und zur anwenderorientierten<br />

Formulierung der orthographischen Worttrennungsregel im Deutschen. Deutsche Sprache 20; 244-255.<br />

Orthographiereformvorschlag (Kommission, 1988)<br />

- Günther kritisiert den Reformvorschlag als ungelungen. Gründe:<br />

- sehr viele Einzelfallregelungen, d.h., der Kommissionsvorschlag ermöglicht es nicht, in jedem<br />

beliebigen Fall anzugeben, ob eine vorliegende Trennung richtig oder falsch ist<br />

- sehr sparsam oder gar nicht kommentierte Beispiele<br />

Dudenregelung (1986) Reformvorschlag (Kommission, 1988)<br />

- st wird nicht getrennt (We-sten, brem-ste) - st kann getrennt werden (Wes-ten, brems-te)<br />

- in Fremdwörtern bleiben bestimmte Konsonanten- - Fremdwörter können auch der Syllabierung<br />

verbindungen wie z.B. ph, rh, sh, th, bl, pl, fl, gl, entsprechend getrennt werden, ebenso Wörter<br />

etc. ungetrennt<br />

wie hi-nauf, wa-rum, etc.<br />

- ein einzelner Konsonant kommt auf die Folgezeile;<br />

von mehreren kommt der letzte auf die folgende<br />

Zeile; dies gilt aber nicht für Konsonantenbuchstabengruppen<br />

mit (*Rep-lik, *Dip-lom)<br />

- eng zusammengehörende Vokalbuchstabengruppen<br />

dürfen nicht getrennt werden<br />

- Konsonantenbuchstabengruppen mit an<br />

letzter Stelle können auch nach der allgemeinen<br />

Regel (nur ein Konsonant auf die Folgezeile) getrennt<br />

werden (Rep-lik, Dip-lom)<br />

- die Trennstelle in Vokalbuchstabengruppen ist<br />

syllabisch festgelegt<br />

Worttrennung bei Vokalbuchstabengruppen und das mündliche Syllabieren<br />

Duden: „Vokalverbindungen dürfen nur getrennt werden, wenn sie keine Klangeinheit bilden…Enger<br />

zusammenge-hörende Vokale bleiben, wenn das möglich ist, besser ungetrennt.“ (Dudenregel: 180)<br />

- Beispiele: Na-ti-on, na-tio-nal, Po-et, poe-tisch, ide-al und Idea-list<br />

nach Günther liefert der Duden eine falsche Begründung, da es hier nicht um „eng zusammengehörende<br />

Vokale“ geht, sondern um das Verbot der Einzelbuchstabenabtrennung: Na-ti-o-na-li-tät ist unzulässig,<br />

denn „ein einzelner Vokal wird nicht abgetrennt“ (Dudenregel: 178).<br />

dies ist eine typographische Regel!<br />

Kommission 1988:<br />

- es wird ganz auf das mündliche Syllabieren gesetzt, also: Bau-er, Mu-se-um, eu-ro-pä-isch, ir-re-al<br />

- keine Trennstellen, wenn einer der Vokalbuchstaben keinen silbischen Vokal mehr repräsentiert,<br />

insbesondere im Suffix -ion bzw. -iell, also: Des-il-lu-sion, Di-rek-tion, of-fi-ziell<br />

eine einsilbige Realisierung der Endung wird vorausgesetzt, d.h. [-ts] bzw. [-ts]<br />

Problemfälle:<br />

1. Kommission: eu-ro-päi-sche steht direkt neben eu-ro-pä-isch<br />

- dieser Fall ist ein Relikt der oben diskutierten Dudenregelung „eng zusammengehörende“ Vokalbuchstaben<br />

nicht abzutrennen.<br />

- Günthers Vorschlag: eu-ro-pä-i-sche<br />

2. Trennung im Fall von , wenn ihm kein [i] entspricht<br />

- Dudenregelung: Fa-mi-li-en<br />

- Kommission: Fa-mi-lien, das präsupponiert die mündliche Syllabierung [fa-mi-n], aber<br />

ein <strong>Silbe</strong>nlaut [] existiert im Deutschen nicht<br />

3. phonologisch unklare Silbifizierung<br />

- das Wort Linguistik kann entweder drei- oder viersilbig sein, [i-u-is-tik] vs. [i-vis-tik]<br />

- zentrales Problem für die Entscheidung, wie getrennt werden soll<br />

Lösungsvorschlag von Günther: beide Trennungen zulassen!<br />

Katarina Klein PS Graphem-Phonem-Korrespondenzen (WS 2003/04) 1/2


4. Ausnahmeregelungen der Kommission:<br />

- bei Wörtern, die mündlich unterschiedlich syllabiert werden, lässt die Kommission auch<br />

unterschiedliche Trennstellen zu; Beispiele: Afrika, Diplom, Hydrant etc.<br />

- aber weil die Beschränkung auf hier nicht erwähnt wird, entsteht der Eindruck, dass<br />

man immer so trennen darf, wie man persönlich syllabiert, was nicht richtig ist<br />

Eine nur auf mündliche Syllabierung rekurrierende Regelung der Worttrennung ist also unzuverlässig.<br />

Während mündliches Syllabieren eine natürliche Fähigkeit ist, die Kinder schon lange vor dem Schuleintritt<br />

beherrschen, ist das Bestimmen von <strong>Silbe</strong>ngrenzen eine schriftinduzierte Fähigkeit. <strong>Die</strong> silbische Gliederung<br />

des Gesprochenen lässt sich ohne Probleme nichtsegmental kennzeichnen, aber die Schrift fordert Segmente<br />

(Grenzen) Worttrennungsregel im Deutschen ist also nicht phonographisch!<br />

Günthers Alternativvorschlag: Revision der linguistischen Rekonstruktion in Günther (1990)<br />

- zweistufiger Aufbau: - in linguistischen Fachtermini so exakt wie möglich formulierte Regeln (R)<br />

- Umsetzungen dieser Regelung in Handlungsanweisungen (A), damit die gegebene<br />

Formulierung der Regeln auch für den durchschnittlichen Anwender praktikabel ist<br />

R1: Wörter können am Ende einer Zeile getrennt werden. <strong>Die</strong> Trennung wird durch den auf der Mitte der<br />

Zeile stehenden waagerechten Trennstrich angezeigt. Steht am Zeilenende ein Bindestrich, so gilt er<br />

zugleich als Trennstrich. <strong>Die</strong> Positionen im Wort, an denen getrennt werden kann, heißen Trennstellen.<br />

R2: Wortgrenzen sowie Morphemgrenzen innerhalb von Wörtern, die Teile von Zusammensetzungen sowie<br />

Präfixe kennzeichnen, sind Trennstellen. Ist die Bestimmung einer spezifischen Trennstelle nach R2<br />

unklar, so kann auch allein nach R3 getrennt werden.<br />

Beispiele: miss-glückt, durch-schwimmen, Häus-chen, Haus-tür, Pro-blem (nach R3.2 auch Prob-lem)<br />

R3: Zwischen zwei durch R2 bestimmten Trennstellen können weitere Trennstellen liegen. <strong>Die</strong>se liegen<br />

immer zwischen zwei Vokalgraphemen.<br />

R3.1: Wenn zwischen den zwei Vokalgraphemen keine Konsonantengrapheme stehen, so liegt zwischen den<br />

Vokalgraphemen eine Trennstelle.<br />

Jedoch werden ie, au, ai, eu, ei, äu, aa, ee, oo sowie ae, oe bzw. ue, die für ä, ö, bzw. ü geschrieben<br />

werden, nicht getrennt. Beispiele: I-de-al, Po-et, Bau-er, See-le, In-di-a-ner, Il-lu-si-on, Fa-mi-lien, Museum,<br />

nai-ve etc.<br />

R3.2: Stehen zwischen den zwei Vokalgraphemen ein oder mehrere Konsonantengrapheme, so liegt die<br />

Trennstelle vor dem letzten Konsonantengraphem. wird zu und als solches getrennt.<br />

Aber th, ph, rh, ch und sch werden nicht getrennt.<br />

Beispiele: Zuk-ker, Wal-ter, Kis-te, El-tern, Karp-fen, Philoso-phie, Wo-che, Wä-sche<br />

Günthers Regelvorschlag bringt aber auch zwei Probleme mit sich:<br />

1. - einigen phonologisch eindeutigen <strong>Silbe</strong>ngrenzen entsprechen keine Trennstellen<br />

Beispiele: *A-bend, *Ide-alist, *Pä-da-go-gik, etc.<br />

- hier darf an den phonologischen <strong>Silbe</strong>ngrenzen orthographisch nicht getrennt werden<br />

aber nur ein Scheinproblem: entsteht nur bei einer notwendigen phono-graphischen Abhängigkeit<br />

2. - die Regel R2 spezifiziert offensichtlich die bevorzugten Trennstellen, aber die Ermittlung<br />

morphemorientierter Trennstellen könnte z.B. bei Fremdwörtern zu Schwierigkeiten führen<br />

- deshalb lässt Günther auch folgende Trennstellen zu: Prog-ramm, Prob-lem<br />

langsames Syllabieren ist unweigerlich schriftorientiertes Syllabieren und vereinfacht die Worttrennung<br />

mündliches Syllabieren ist also eine Fähigkeit, auf der man aufbauen kann, jedoch ist eine<br />

nur auf mündliche Syllabierung rekurrierende Regelung der Worttrennung unzuverlässig<br />

weitere Literatur:<br />

Duden (1986): Duden. Rechtschreibung der Deutschen Sprache<br />

und der Fremdwörter. 19. Auflage. Mannheim et al.: Duden<br />

Verlag.<br />

Günther, Hartmut (1990): <strong>Die</strong> Worttrennung am Zeilenende. Zur<br />

Diskussion des Vorschlags zur Neuregelung der deutschen<br />

Rechtschreibung. In: Deutsche Sprache 18; S.193-205.<br />

Kommission für Rechtschreibfragen des IdS (1989): Zur<br />

Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Düsseldorf:<br />

Schwann.<br />

Katarina Klein PS Graphem-Phonem-Korrespondenzen (WS 2003/04) 2/2

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