Programmheft - kammermusik festival hohenstaufen
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„ein bißchen eklig zu spielen“<br />
Mendelssohns Klaviertrio<br />
Nachdem sich Mendelssohn im Oktober 1844 unter etlichen diplomatischen<br />
Mühen aus der Berliner Stellung als „Preußischer Generalmusikdirektor“<br />
herausmanövriert hatte und Anfang Dezember<br />
wieder in Frankfurt eintraf, fand er seinen kleinen Sohn Felix lebensgefährlich<br />
erkrankt. Erst zwei Jahre zuvor war Mendelssohns Mutter<br />
Lea in Berlin gestorben. Einem Wunder gleich besserte sich der Zustand<br />
des anderhalbjährigen Kindes nach einigen Tagen, und ein völlig<br />
erschöpfter Mendelssohn konnte nur noch Gott danken. Er selbst<br />
war durch die ununterbrochenen Strapazen – hin- und hergerissen<br />
zwischen Berlin, Leipzig und London – bis über die Grenzen seiner<br />
Kraft gegangen. Anfang Februar 1845 kommt noch eine dicke Erkältung<br />
ins Haus: „Ich habe wieder mit Husten und Krächzen<br />
eine Woche das Zimmer hüten müssen, und sitze<br />
noch darin, und Marie und Paul krächzen ein Trio mit<br />
mir...“ – Von einem Trio in c-Moll berichtet er Carl Klingemann<br />
kurze Zeit später.<br />
Der Winter weicht, und mit der Besserung des familiären<br />
Gesundheitszustandes beginnt Mendelssohn wieder<br />
in Ruhe zu arbeiten, schlägt eine Einladung nach New York aus,<br />
reist nicht einmal zur Uraufführung seines Violinkonzerts nach Leipzig:<br />
„sans Reise, sans Musikfest, sans everything“ wolle er den Frühling<br />
verbringen, schreibt er der Schwester Rebecka, wobei letzteres<br />
freilich nicht in Frage kam. Am 30. April 1845 war Mendelssohns<br />
zweites Klaviertrio fertiggestellt, das die Schwester Fanny im November<br />
zum Geburtstag geschenkt bekam. In der gleichen Besetzung<br />
wie beim d-Moll-Trio wurde das Stück am 20.Dezember 1845 in Leipzig<br />
im Rahmen der „Zweiten musikalischen Abendunterhaltung“ mit<br />
dem Komponisten am Flügel, Konzertmeister Ferdinand David und<br />
dem Cellisten Carl Wittmann aufgeführt.<br />
Das c-Moll-Trio, dessen Klänge die schweren Wintertage nicht<br />
verleugnen können, sollte Mendelssohns letztes Kammermusikwerk<br />
mit Klavier bleiben. Die dominierende Rolle des Klaviers lässt sich<br />
dabei kaum überhören (die 2009 erschienene Neuausgabe der Klaviertrios<br />
konnte anhand der autographen Partitur mindestens elf<br />
Korrekturebenen für den Klavierpart nachweisen!). Das Hauptthema<br />
des Kopfsatzes wird vom Klavier intoniert, der langsame Satz rekurriert<br />
auf die „Lieder ohne Worte“, das Scherzo lässt an den „Elfenspuk“<br />
denken. Auch den Choral im letzten Satz – über dessen<br />
genaue Quelle viel dikutiert wurde, wie auch zum Einfluss auf den<br />
jungen Brahms und dessen Klavierquartett c-Moll op. 60 ein eigenes<br />
kleines Kapitel aufzuschlagen wäre – weist Mendelssohn zunächst<br />
streng akkordisch dem Klavier zu.<br />
Mit der Widmung seines zweiten Klaviertrios an Louis Spohr bedankte<br />
sich Mendelssohn für dessen Zueignung der Klaviersonate<br />
As-Dur op. 125 und spielte es Ende Juni 1846, einige Monate nach<br />
IV<br />
Sonntag<br />
17 Uhr<br />
„Das Trio ist ein bißchen eklig zu<br />
spielen, aber eigentlich schwer<br />
ist es doch nicht. Suchet, so werdet<br />
Ihr finden!“<br />
(an Fanny, 20. April 1845)<br />
„...habe zum<br />
ersten Mal seit<br />
langer Zeit das<br />
Glück, recht<br />
ruhig leben und<br />
arbeiten zu können<br />
– was das<br />
für ein Glück ist,<br />
lerne ich jetzt<br />
erst recht ein -<br />
sehen“<br />
(Brief an Eduard<br />
Devrient,<br />
26. April 1845)<br />
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