Programmheft - kammermusik festival hohenstaufen

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31.10.2013 Aufrufe

II Samstag 11 Uhr Reklamemarke mit rätselhaftem Werbekonzept Herzlich willkommen im kammermusikalischen Raritätenkabinett, zu einer Matinee der kleinen Formen, der heiteren Töne, der artigsten musischen Liebenswürdigkeiten und vielfarbig funkelnden Kleinode! Die anmutigen Duette und Trios dieses Hohenstaufener Vormittags sind wohlgemerkt allesamt so kostbar, dass vor ihrem Zauber jedweder Anflug jenes Belächelns verpuffen wird, das sich andernorts in einem Raritätenkabinett üblicher Prägung in kollektiver Übereinkunft auf Kennermienen breitzumachen pflegt. Freilich: fröhlich gelächelt werden darf auch heut und hier – dafür bürgen und sorgen unsere Kammermusiker mit ihrem feinen Programm allemal. Als Paradebeispiel für ausge - sprochen rare Kostbarkeiten können Beethovens Sechs Menuette WoO 9 gelten, deren eher zweitrangige Eigenschaft als Gegenstand der Beethoven- Forschung von absolutem Nicht vor handensein irgendwelcher nützlicher Informationen geprägt ist. Das ansonsten beispielhafte Online- Nachschlagewerk des Beethoven- Hauses Bonn vermerkt lakonisch: „Zu diesem Werk befinden sich keine Dokumente im Digitalen Archiv“ und erweist uns den zweifelhaften Dienst chronologischer Zuordnung mit der bereits von Kinsky geäußerten Ver - mutung „um 1795?“. Vielleicht entspannen sich die Spezialisten irgendwann zur Annahme, die hübschen Tänze in ihrer „althergebrachten“ Besetzung – keine „echten“ Trios, sondern Duette mit Bassbegleitung – seien irgendwann zu irgendeinem geselligen Anlass entstanden, um uns heute erbaulicherweise wissen und zu hören zu lassen, dass der „Gigant“ Beethoven auch mal schwuppdiwupp ein Sixpack fröhlicher Menuette aufs Tableau legen konnte? Nach einer bisher allerdings völlig unbestätigten These soll der Komponist die Stücke für eine morgendliche Aufführung durch junge Kammermusiker in landschaftlich besonders reizvoller Umgebung vorgesehen haben... Zum ersten Mal sei der „Zauber der Geigenromantik“ zu hören gewesen: Der 20-jährige Louis Spohr wurde nach einem Auftritt mit seinem zweiten Violinkonzert in Leipzig auf einen Schlag zum berühmten Mann und von Friedrich Rochlitz als „einer der vorzüg - lichsten derzeit lebenden Violinspieler und ein bedeutender Komponist“ geadelt. Im Jahr darauf spielte er nicht weniger erfolgreich beim Hofkonzert in Gotha und wurde vom Fleck weg zum her- 12 kammermusikfestivalhohenstaufen

zoglich Gothaischen Konzertmeister und Leiter der Hofkapelle berufen. Sieben Jahre blieb er in der thüringischen Residenzstadt, machte sich viele Freunde, als Lehrer einen Namen und tobte sich kompositorisch in zahlreichen kleineren Gattungen aus. Das Duo op. 13 entstand 1807 und wurde im Jahr darauf in Leipzig gedruckt. In dieser Zeit versuchte sich Spohr auch an Streichquartetten, doch „bald nach ihrer Vollendung gefielen sie mir nicht mehr.“ Ähnlich erging es seinem Opernerstling „Die Prüfung“ von 1807, mit dem er höchst unzufrieden war und die Ursache darin vermutete, dass er seine Oper „mit den Mozartschen verglichen hatte.“ Nachher dürfen wir Zeugen eines Stückes werden, das denn Vergleich mit Mozarts Opern locker wegsteckt... Sir George Smart, der bedeutendste englische Dirigent seiner Zeit, ein Freund Carl Maria von Webers, vermerkte in seinem Tagebuch: „Am 24. Juli 1824 war ich zum Dinner in der City bei Mr. Salomons, um dort Rossini zu treffen, der sich als höchst liebenswürdig erwies. Er hatte von Salomons fünfzig Pfund für die Komposition eines Duetts erhalten, das Salomons mit dem großen Kontrabassisten Dragonetti spielen sollte.“ Damit umreißt er in einer für solcherart Programmheftchen vorbildlichen Weise die Umstände der Entstehung von Gioacchino Rossinis Duetto per violoncello e contrabasso. Rossini schrieb das muntere Stück gegen Ende seines siebenmonatigen Aufenthalts in England. Philip Joseph Salomons, wohlhabendes Mitglied der jüdischen Gemeinde Londons, später Gründer der London and Westminster Bank und Bürgermeister seiner Heimatstadt, war ein begeisterter Amateur-Kontrabassist; sein Lehrer Domenico Dragonetti, der „Paganini des Kontrabasses“, der, wie damals üblich, mehrere Instrumente beherrschte, dürfte beim Salon der exklusiven Runde den Cellopart übernommen haben. Öffentlich wurde das Duo damals nicht bekannt; das von Dragonetti angefertigte Manuskript blieb im Besitz der Familie Salomons und wurde erst 1968 gedruckt. Spohr-Notgeld Braunschweig 1921 Rossini um 1820 Gemälde von Constanze Mayer La Martiniere Festivalgeiger Daniel Röhn hat unserem Raritätenkabinett sogar eine kleine Uraufführung geschenkt und seine Opernsuite für zwei Violinen nach Wolfgang Amadeus Mozart gern selbst kommentiert: „Alles muss man selber machen! – Auf gute Musik trifft dieser Satz heutzutage natürlich nicht zu, sie wird nun wirklich nicht kammermusikfestivalhohenstaufen 13

II<br />

Samstag<br />

11 Uhr<br />

Reklamemarke<br />

mit rätselhaftem<br />

Werbekonzept<br />

Herzlich willkommen<br />

im <strong>kammermusik</strong>alischen Raritätenkabinett,<br />

zu einer Matinee der kleinen Formen, der heiteren Töne, der artigsten<br />

musischen Liebenswürdigkeiten und vielfarbig funkelnden Kleinode!<br />

Die anmutigen Duette und Trios dieses Hohenstaufener Vormittags<br />

sind wohlgemerkt allesamt so kostbar, dass vor ihrem Zauber jedweder<br />

Anflug jenes Belächelns verpuffen wird, das sich andernorts in<br />

einem Raritätenkabinett üblicher Prägung in kollektiver Übereinkunft<br />

auf Kennermienen breitzumachen pflegt. Freilich: fröhlich gelächelt<br />

werden darf auch heut und hier – dafür bürgen und sorgen unsere<br />

Kammermusiker mit ihrem feinen Programm allemal.<br />

Als Paradebeispiel für ausge -<br />

sprochen rare Kostbarkeiten können<br />

Beethovens Sechs Menuette WoO 9<br />

gelten, deren eher zweitrangige Eigenschaft<br />

als Gegenstand der Beethoven-<br />

Forschung von absolutem<br />

Nicht vor handensein irgendwelcher<br />

nützlicher Informationen geprägt ist.<br />

Das ansonsten beispielhafte Online-<br />

Nachschlagewerk des Beethoven-<br />

Hauses Bonn vermerkt lakonisch:<br />

„Zu diesem Werk befinden sich keine<br />

Dokumente im Digitalen Archiv“ und<br />

erweist uns den zweifelhaften Dienst<br />

chronologischer Zuordnung mit der<br />

bereits von Kinsky geäußerten Ver -<br />

mutung „um 1795?“. Vielleicht entspannen<br />

sich die Spezialisten irgendwann<br />

zur Annahme, die hübschen Tänze in ihrer „althergebrachten“ Besetzung<br />

– keine „echten“ Trios, sondern Duette mit Bassbegleitung –<br />

seien irgendwann zu irgendeinem geselligen Anlass entstanden, um<br />

uns heute erbaulicherweise wissen und zu hören zu lassen, dass der<br />

„Gigant“ Beethoven auch mal schwuppdiwupp ein Sixpack fröhlicher<br />

Menuette aufs Tableau legen konnte? Nach einer bisher allerdings<br />

völlig unbestätigten These soll der Komponist die Stücke für eine<br />

morgendliche Aufführung durch junge Kammermusiker in landschaftlich<br />

besonders reizvoller Umgebung vorgesehen haben...<br />

Zum ersten Mal sei der „Zauber der Geigenromantik“ zu hören<br />

gewesen: Der 20-jährige Louis Spohr wurde nach einem Auftritt mit<br />

seinem zweiten Violinkonzert in Leipzig auf einen Schlag zum berühmten<br />

Mann und von Friedrich Rochlitz als „einer der vorzüg -<br />

lichsten derzeit lebenden Violinspieler und ein bedeutender<br />

Komponist“ geadelt. Im Jahr darauf spielte er nicht weniger erfolgreich<br />

beim Hofkonzert in Gotha und wurde vom Fleck weg zum her-<br />

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