….und plötzlich bist du draußen
….und plötzlich bist du draußen
….und plötzlich bist du draußen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 1<br />
<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong><br />
Vortrag <strong>und</strong> Diskussionsabend zum Thema<br />
„Arbeit <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit“<br />
Akademie Frankenwarte<br />
am 16. September 2011
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 2<br />
Inhalt:<br />
1. Einleitung<br />
2. Der Begriff „Arbeit“<br />
3. Erwerbsarbeit im Wandel der Geschichte<br />
4. Formen, Entstehung von Arbeitslosigkeit<br />
5. Auswirkungen von Arbeitslosigkeit<br />
7. Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit<br />
7. Zukunft der Erwerbsarbeit<br />
8. Fazit
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 3<br />
Einleitung<br />
„Arbeit nicht nur die Quelle allen Reichtums, sie ist auch die Gr<strong>und</strong>bedingung allen<br />
menschlichen Lebens, hat gewissermaßen erst den Menschen erschaffen“<br />
(Friedrich Engels, 1962, S. 444f).<br />
„Die Neuzeit hat im siebzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert damit begonnen, theoretisch die<br />
Arbeit zu verherrlichen <strong>und</strong> sie hat zu Beginn unseres Jahrh<strong>und</strong>erts damit geendet<br />
die Gesellschaft im Ganzen in eine Arbeitsgesellschaft zu verwandeln. Die Erfüllung<br />
des uralten Traums trifft wie in der Erfüllung von Märchenwünschen auf<br />
eine Konstellation, in der sich der erträumte Segen als Fluch auswirkt. Denn es ist<br />
ja eine Arbeitsgesellschaft, die von ihren Fesseln befreit werden soll, <strong>und</strong> diese<br />
Gesellschaft kennt kaum noch vom Hörensagen die höheren <strong>und</strong> sinnvolleren Tätigkeiten<br />
um deretwillen die Befreiung sich lohnen würde<strong>…</strong>.. Was uns bevorsteht<br />
ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also<br />
die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller<br />
sein?“ (Arendt, 19630, S 33 f).<br />
Wir leben in einer Gesellschaft, die sich nahezu ausschließlich über Erwerbsarbeit<br />
definiert. „Erwerbsarbeit <strong>und</strong> das <strong>du</strong>rch sie erzielte Einkommen spielen eine zentrale<br />
Rolle für das materielle Wohlergehen, das Selbstverständnis, die Lebenschancen,<br />
die Anerkennung <strong>und</strong> die gesellschaftliche Einbin<strong>du</strong>ng der meisten Indivi<strong>du</strong>en“<br />
(Kocka, 2000, S.9). Dies ist nicht immer so gewesen, sondern das Ergebnis<br />
einer langen Entwicklung, die möglicherweise noch nicht abgeschlossen ist.<br />
Arbeit sicherte immer schon die Repro<strong>du</strong>ktion des menschlichen Lebens <strong>und</strong> hat<br />
einen maßgeblichen Einfluss auf die sozialen, ökonomischen <strong>und</strong> geistigen Lebensbedingungen<br />
der die Arbeit verrichtenden Menschen, doch unterlagen die<br />
Bedingungen unter denen Arbeit verrichtet wurde <strong>und</strong> der Stellenwert den Arbeit<br />
für eine Gesellschaft einnahm einem steten Wandel. War im antiken Griechenland<br />
die körperliche Arbeit nachgerade verpönt, so gilt Erwerbsarbeit heute nicht nur<br />
als das alleinige Mittel zur Existenz-, sondern auch zur Statussicherung. Technische<br />
Entwicklung, stete Ausweitung des Handels, Veränderung der Pro<strong>du</strong>ktions-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 4<br />
bedingungen, Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, Globalisierung<br />
haben der Erwerbsarbeit über Jahrh<strong>und</strong>erte hinweg den Stellenwert zukommen<br />
lassen, den sie heute besitzt. Und natürlich war eine Veränderung der Arbeitsbedingungen<br />
immer mit einer Veränderung der sozialen <strong>und</strong> ökonomischen Bedingungen<br />
der gesamten Gesellschaft verb<strong>und</strong>en. Vom Goethes „Komm nun aber<br />
<strong>und</strong> genieße/ denn die Sonne scheinet bald“ über „Müßiggang ist aller Laster Anfang“<br />
zu „Geiz ist geil!“ spannt sich der Bogen der die jeweiligen Gr<strong>und</strong>haltungen<br />
ausdrückt. Seit Beginn der sogenannten in<strong>du</strong>striellen Revolution, vor allem aber<br />
seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde abhängige Beschäftigung in<br />
Form von Lohnarbeit, gestützt von einem sozialen Sicherungssystem (soziale<br />
Marktwirtschaft), zu dem unser Dasein bestimmenden Faktor. Als gesellschaftliche<br />
Norm wird seither das so genannte „Normalarbeitsverhältnis“ betrachtet.<br />
(http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/download /gutachten/ga08ana.pdf)<br />
Materielle Sicherung der Existenz, sozialer Status, physische <strong>und</strong> psychische Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Struktur des Daseins, gesellschaftliche Integration, Kommunikation:<br />
Erwerbstätigkeit <strong>du</strong>rchdringt unser Leben umfassend. Die ökonomische <strong>und</strong> soziale<br />
Situation der Menschen kann nicht losgelöst von den Arbeitsverhältnissen<br />
betrachtet werden. Ein sicherer Arbeitsplatz war viele Jahre lang die Basis für ein<br />
gesichertes Leben. Seit Mitte der 70er Jahre jedoch beginnt dieses „Normalarbeitsverhältnis“<br />
zu erodieren. Atypische <strong>und</strong> prekäre Beschäftigungsverhältnisse<br />
nehmen stetig zu (Dörre, 2006, S.7 - 14). Für immer mehr Menschen, vor allem<br />
für Personen die aus Sicht des Arbeitsmarktes so genannte „Handlungsbedarfe“<br />
oder Hemmnisse (hierzu werden unter anderem gerechnet: ges<strong>und</strong>heitliche Einschränkungen,<br />
geringe Bil<strong>du</strong>ng, Migration, Erziehung von Kindern, Alter, etc.) mit<br />
sich führen wird es zunehmend schwerer, überhaupt eine Existenz sichernde Beschäftigung<br />
zu finden. Umso verheerender wirkt sich der Verlust des Arbeitsplatzes,<br />
der Verlust der Identität stiftenden Beschäftigung aus. Ebenso verheerend<br />
wirkt das Wissen darum, vermutlich nie (mehr) einen Ausbil<strong>du</strong>ngs- oder Arbeitsplatz<br />
erlangen zu können auf die Lebenssituation der Betroffenen. Bis zu 13% der<br />
Erwerbsbevölkerung waren von Arbeitslosigkeit betroffen. Diese Zahl der Arbeitslosen<br />
hält sich seit den 70er Jahren auf einem hohen Niveau, Soziologen sprechen<br />
von „Überflüssigen“ (Bude, 1998), von Menschen, die in der Gesellschaft<br />
nicht länger benötigt werden. „Sobald keine Verwertungsinteressen mehr an
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 5<br />
einer Person, die lediglich als Arbeitskraft definiert wird, bestehen, wird sie eingetauscht,<br />
weitere Sorge gebührt ihr nicht <strong>und</strong> es lohnt sich weder volks- noch betriebswirtschaftlich,<br />
solange nur genügend Nachschub zur Verfügung steht“ (Oswald,<br />
2008). Befindet sich der Wohlfahrtsstaat in der Krise <strong>und</strong> sind seine „utopischen<br />
Energien erschöpft“? (Habermas, 1985).<br />
In dieser Abhandlung soll es darum gehen aufzuzeigen, wie sich Arbeitslosigkeit<br />
gesellschaftlich <strong>und</strong> indivi<strong>du</strong>ell auswirkt. Wie sie entsteht <strong>und</strong> wie mit arbeitsmarktpolitischen<br />
<strong>und</strong> beschäftigungspolitischen Mitteln versucht wird, Arbeitslosigkeit<br />
zu verhindern oder zumindest zu verringern.<br />
Zum Einstieg möchte ich den Begriff Arbeit aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten<br />
<strong>und</strong> klären, was mit dem Begriff „Arbeit“ im common sense überhaupt<br />
gemeint ist. Anschließend soll die Entwicklung der Erwerbsarbeit von der Antike<br />
bis zu postmodernen, postin<strong>du</strong>striellen Gesellschaften nachgezeichnet werden,<br />
begleitet von der Frage, wie die ungeheure Bedeutung die Erwerbsarbeit in der<br />
heutigen Zeit hat, entstanden ist. Im Anschluss daran versuche ich die gesellschaftlichen<br />
wie indivi<strong>du</strong>ellen Folgen von fehlender Arbeit, also von Arbeitslosigkeit<br />
<strong>und</strong> mögliche politische Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit aufzuzeigen. Dem<br />
folgt die Darstellung der wichtigsten sozialstaatlichen Sicherungssysteme sowie,<br />
exemplarisch am Arbeitslosengeld II (Hartz IV) die Höhe der gewährten Leistungen.<br />
Am Ende meines Vortrages stelle ich die aktuell diskutierten Alternativen zu<br />
der heutigen Form von Erwerbsarbeit vor. Wie kann der Arbeitsplatz der Zukunft<br />
aussehen? Können ein bedingungsloses Gr<strong>und</strong>einkommen, eine Re<strong>du</strong>ktion der<br />
Arbeitszeit, Mischmodelle aus Ehrenamt, Repro<strong>du</strong>ktionsarbeit <strong>und</strong> Erwerbsarbeit<br />
die Krise der Arbeit lösen?
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 6<br />
1. Begriff: Arbeit<br />
Ich möchte zu Beginn an Hand von einigen Beispielen zeigen, dass unter Arbeit<br />
nicht zwangsläufig „Erwerbsarbeit“ verstanden werden muss, sondern dass der<br />
Begriff „Arbeit“ die unterschiedlichsten Bedeutungen einnehmen kann, je nachdem<br />
welche Profession den Begriff benutzt. Es geht mir dabei darum, einerseits<br />
die Vielfalt der Aspekte unter denen man „Arbeit“ betrachten kann aufzuzeigen<br />
<strong>und</strong> andererseits eine Bedeutung für die Zwecke des heutigen Abends vorzuschlagen,<br />
um ein einheitliches Verständnis des Begriffes zu gewährleisten.<br />
1.1. physikalisch<br />
Physikalisch ist Arbeit definiert als „Kraft mal Weg“. Die dazu gehörende Formel<br />
lautet unspektakulär: „w = F*s“.<br />
Gemeint ist die Auswirkung einer konstanten Kraft auf einen Körper, die diesen<br />
auf einer geraden Strecke vom Punkt A zum Punkt B bringt. Es handelt sich hier<br />
um eine rein mechanische Angelegenheit<br />
(http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeit_(Physik)<br />
1.2. betriebswirtschaftlich<br />
Ein Unternehmen benötigt um ein Pro<strong>du</strong>kt herzustellen verschiedene Faktoren,<br />
die so genannten Pro<strong>du</strong>ktionsfaktoren. Hierzu zählen: Werkstoffe, Betriebsmittel<br />
<strong>und</strong> (menschliche) Arbeit. Aus der Sicht der Betriebswirtschaft wird Arbeit also als<br />
Pro<strong>du</strong>ktionsfaktor betrachtet <strong>und</strong> damit definiert als „Kosten für das Unternehmen“.<br />
Arbeit muss demzufolge möglichst Kosten-günstig sein ist es doch das Ziel<br />
des Unternehmers möglichst viel Gewinn erwirtschaften. Eine Unterschei<strong>du</strong>ng<br />
wird noch getroffen in so genannte „energetische“ (körperliche) <strong>und</strong> in informatorische<br />
(geistige) Arbeit bzw. in operative <strong>und</strong> dispositive Arbeit (ausführende <strong>und</strong><br />
leitende)
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 7<br />
1.3. volkswirtschaftlich<br />
In der Volkswirtschaftslehre wird Arbeit ebenfalls als Pro<strong>du</strong>ktionsfaktor (Boden,<br />
Kapital, Arbeit) bezeichnet, Arbeit meint hier die jeweilige Arbeitskraft, diese stellt<br />
eine Ware auf dem (Arbeits-)Markt dar. Im volkswirtschaftlichen steht, im<br />
Gegensatz zum betriebswirtschaftlichen Verständnis, jedoch der Aspekt der Einkommenserzielung<br />
mittels der Arbeitskraft im Vordergr<strong>und</strong>. Arbeit ist hier jede<br />
Tätigkeit, die mit der Erzielung von Einkommen verb<strong>und</strong>en ist sie wird definiert<br />
als: "jede menschliche Tätigkeit gegen Entgelt, die wirtschaftliches Handeln plant,<br />
gestaltet <strong>und</strong> ausführt. Sie ist in der Güterpro<strong>du</strong>ktion ein Faktor, der üblicherweise<br />
in Kombination mit anderen Faktoren eingesetzt wird, sie verbindet die Pro<strong>du</strong>ktionsfaktoren<br />
miteinander. Da Arbeit eine menschliche Lebensäußerung ist,<br />
nimmt sie in der Wirtschaft eine besondere Stellung ein." Das bedeutet auch: Aspekte<br />
repro<strong>du</strong>ktiver, ehrenamtlicher, kultureller Arbeit werden bei dieser Sichtweise<br />
nicht berücksichtigt. Arbeit ist, im Gegensatz zu den anderen Pro<strong>du</strong>ktionsfaktoren<br />
Boden <strong>und</strong> Kapital nicht vom Menschen trennbar.<br />
1.4. philosophisch<br />
Aus philosophischer Sicht weist der Begriff „Arbeit“ sehr viel mehr Facetten auf.<br />
Im Laufe der Jahrh<strong>und</strong>erte hat sich die Philosophie ständig mit der Frage danach,<br />
was man denn nun unter Arbeit zu verstehen habe, wie Arbeit ausgestaltet<br />
sein soll, wie sie sich auf den Menschen <strong>und</strong> dessen Lebensverhältnisse auswirkt<br />
beschäftigt <strong>und</strong> kam zu <strong>du</strong>rchaus unterschiedlichen Ergebnissen.<br />
Plato sah als Arbeit die „bewusste schöpferische Auseinandersetzung des Menschen<br />
mit Natur <strong>und</strong> Gesellschaft“ an.<br />
Aristoteles betrachtete alles „Tun oder Bewirken“ als Arbeit. Die Voraussetzung<br />
etwas bewirken zu können war für ihn jedoch Freiheit von alltäglichen Mühen <strong>und</strong><br />
(Existenz sichernden) Arbeitszwängen. Er unterscheidet zwischen Praxis (Handeln,<br />
gemeint ist geistiges Tun) <strong>und</strong> Poiesis (Machen, damit ist zweckgerichtetes
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 8<br />
Herstellen gemeint).<br />
Kant betrachtete Arbeit vorrangig unter dem ethischen Aspekt <strong>und</strong> sah in ihr in<br />
erster Linie eine Pflicht.<br />
Für Hegel war Arbeit die „Verwirklichung der Identität von Subjektivität <strong>und</strong> Objektivität,<br />
als Tätigkeit, die das Tote der Objektivität aufhebt, als Triebkraft der<br />
Entwicklung, die aus dem Menschen ein Pro<strong>du</strong>kt seiner eigenen Tätigkeit macht“<br />
(zit. nach Lukács 1986, S. 213).<br />
Marx sieht in der Arbeit „einen Prozess zwischen Mensch <strong>und</strong> Natur, worin der<br />
Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur <strong>du</strong>rch seine eigene Tat vermittelt, regelt,<br />
<strong>und</strong> kontrolliert“ (Marx 1972, S. 192). Es handelt sich um "eine von allen<br />
Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen".<br />
Moderne Philosophen beurteilen Arbeit eher unter systemtheoretischen Gesichtspunkten<br />
als Interaktion in sozialen oder soziotechnischen Systemen. Niklas Luhmann<br />
sah in der für die Interaktion erforderlichen Kommunikation das bestimmende<br />
Element für den Begriff Arbeit.<br />
Jürgen Habermas ist der Auffassung, Arbeit habe drei Funktionen, nämlich die<br />
soziale Repro<strong>du</strong>ktion, die umgangssprachliche Kommunikation <strong>und</strong> die Bil<strong>du</strong>ng<br />
von Ich-Identitäten (vgl. Honneth, 1986, S. 258)<br />
1.5. soziologisch<br />
In der Soziologie wird der Focus der Betrachtung auf die <strong>du</strong>rch Arbeit entstehenden<br />
sozialen Beziehungen <strong>und</strong> die gesellschaftlichen Strukturen gerichtet, die<br />
einerseits <strong>du</strong>rch Arbeit entstehen <strong>und</strong> in deren Kontext Arbeit wiederum stattfindet.<br />
Arbeit ist ein hier ein Prozess, in dem Menschen soziale Beziehungen eingehen,<br />
die im gesamten Lebenszusammenhang von zentraler Bedeutung sind; hierzu<br />
gehören die Strukturierung der Zeit, die soziale Anerkennung <strong>und</strong> das Selbstwertgefühl<br />
(http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/arbeit.html). Fragen des<br />
Arbeitsprozesses, der Arbeitsbedingungen, der gesellschaftlichen Organisation
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 9<br />
von Arbeit werden hier betrachtet. Auch die Auswirkungen von Arbeit auf das Befinden<br />
des Arbeitenden (Stichworte: Entfrem<strong>du</strong>ng, Arbeitsethik, Arbeitsmotivation..)<br />
werden untersucht.<br />
Arbeit hat wie wir sehen viele Gesichter, je nachdem aus welchem Blickwinkel<br />
man sich dem Thema nähert zeigt sich der Begriff in einem mitunter vollkommen<br />
anderen Licht. Der Schwerpunkt dieser Veranstaltung liegt bekanntermaßen auf<br />
dem Aspekt der Erwerbsarbeit. Ich schlage daher als die für diese Zwecke benutzte<br />
Definition die des Brockhaus vor. Danach ist Arbeit:<br />
Das bewusste, zielgerichtete Handeln des Menschen zum Zweck der Existenzsicherung<br />
wie der Befriedigung von Einzelbedürfnissen; zugleich wesentliches<br />
Moment der Daseinserfüllung (Brockhaus, 1997, Bd.1, S 234ff).<br />
2. Erwerbsarbeit - Von der Jungsteinzeit zur Postmoderne<br />
Die Erwerbsarbeit hatte in der im Laufe der Entwicklung der Menschheit beileibe<br />
nicht immer den Stellenwert den sie heute innehat, sie war vielmehr im Laufe der<br />
Jahrtausende einem gravierenden Wandel unterworfen. Von der ehedem nicht<br />
bestehenden Trennung von Arbeit <strong>und</strong> Freizeit bis zum subsistenzsichernden<br />
„Normalarbeitsverhältnis“ war ein langer Weg. Ein Blick auf die unterschiedliche<br />
Gewichtung von Erwerbsarbeit in den verschiedenen Epochen erklärt wie es zur<br />
heutigen Bedeutung kam <strong>und</strong> trägt damit zum besseren Verständnis der gegenwärtigen<br />
Situation bei.<br />
Noch nie in der Geschichte der Menschheit wurde soviel gearbeitet wie seit dem<br />
19 Jahrh<strong>und</strong>ert (Straub, 2009, S. 15). Noch nie hatte die Frage nach einem<br />
Arbeitsplatz eine derartige Relevanz auf die Lebensbedingungen der einzelnen<br />
Person. Zum keinem Zeitpunkt vor unserer Zeit ist Arbeit in einem solchen Ausmaß<br />
politisch gewesen.<br />
Um diese Hintergründe zu beleuchten möchte ich einen Bogen spannen von den<br />
Zeiten der Jäger <strong>und</strong> Sammler vor der neolithischen Revolution (ca. 10.000 v.<br />
Chr.) über das klassische Altertum, die in<strong>du</strong>strielle Revolution bis zur heutigen
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 10<br />
Zeit. Bei all diesen Betrachtungen muss im Auge behalten werden, dass Sprechen<br />
über Arbeit immer Sprechen über Armut, soziale Stellung, gesellschaftliche Integration<br />
beinhaltet.<br />
2.1. Jäger <strong>und</strong> Sammler<br />
Im Allgemeinen wird angenommen, dass in der Frühzeit die Menschen einen<br />
ständigen Kampf ums Überleben, um Nahrungsbeschaffung, um Schutz vor Witterungseinflüssen<br />
<strong>und</strong> vor den Gefahren die die Natur mit sich bringt, kurz um alle<br />
existenziellen Erforderlichkeiten die ein Überleben ermöglichen zu führen hatten<br />
<strong>und</strong> mithin ein körperlich anstrengendes <strong>und</strong> arbeitsreiches Dasein fristen<br />
mussten. Doch diese Annahme scheint nicht zutreffend zu sein. Im Gegensatz zur<br />
früheren europäischen Vorstellung, dass Menschen mit primitivsten Techniken in<br />
einem beständigen Lebenskampf hart arbeiten mussten, kam man in neueren<br />
Studien zu dem Ergebnis, dass die meisten Jäger <strong>und</strong> Sammler keinen Begriff von<br />
Arbeit hatten <strong>und</strong> nicht viel Zeit für Tätigkeiten im Zusammenhang mit ihrer<br />
Selbsterhaltung aufbrachten (Hann, 2000, S. 25f). Allerdings ist der Vergleich mit<br />
unserem Arbeits- wie mit unserem Zeitbegriff nicht ohne weiteres möglich. So<br />
besteht bei Völkern die noch heute als Jäger <strong>und</strong> Sammler leben eine vollkommen<br />
andere Wahrnehmung der Tätigkeiten. Die Befragung des Orakels gehört<br />
zum unverzichtbaren Bestandteil der Jagd, der Fluss, der zum Fischen genutzt<br />
wird, wird auch zum Baden genutzt, der Wald gilt als die „Eltern“ (a.a.O., S. 26).<br />
Zeit wird nicht immer in unserer linear fortschreitenden Form wahrgenommen.<br />
Man lebt in der Gegenwart. Planung findet nicht statt, Sorge um die Zukunft, die<br />
uns so sehr umtreibt spielt nur eine vernachlässigbare Rolle. Die im Laufe des<br />
Tages verrichteten Tätigkeiten sind nicht in Arbeit <strong>und</strong> Freizeit untergliedert sondern<br />
Notwendiges <strong>und</strong> Angenehmes verbinden sich, Jagen <strong>und</strong> Spielen, Reden<br />
<strong>und</strong> Herstellen von Gerätschaften bilden eine einzige Einheit. Arbeit in der Form<br />
in der wir sie heute verstehen <strong>und</strong> erleben fand nicht statt. Der Einzelne war immer<br />
sich selbst, bestenfalls der Familie oder dem Clan verpflichtet. Eine fremdbestimmte,<br />
den Lebensrhythmus untergliedernde Tätigkeit, ein Dualismus aus Freizeit<br />
<strong>und</strong> Arbeit, Urlaub <strong>und</strong> Beschäftigung existierte nicht. Es gab mithin nicht<br />
einmal einen Begriff von Arbeit, der dem heutigen Verständnis entspräche.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 11<br />
2.2. Antike<br />
Arbeit, insbesondere körperliche Arbeit war im klassischen Altertum sowohl in<br />
Athen als auch in Rom verpönt.<br />
Diese „banausischen“ (von baunos, Ofen, ursprünglich „der am Ofen Arbeitende“,<br />
im weiteren Sinne (Kunst-)Handwerker. B.F.) Tätigkeiten machten unfähig zum<br />
Kriegsdienst, <strong>und</strong> sie gewähren nicht die Muße, die für anspruchsvolle geistige<br />
Tätigkeiten, die Pflege sozialer Beziehungen <strong>und</strong> die Mitwirkung im Gemeinwesen<br />
erforderlich sei (Nippel, 2000, S. 55). Nach Aristoteles konnten Lohnarbeiter <strong>und</strong><br />
selbst freie Handwerker keinen Bürgerstatus erlangen (vgl. Aristoteles, Politik,<br />
1278a), vielmehr sollten alle diejenigen, die nicht genügend Muße zur Entfaltung<br />
ihrer Tugend <strong>und</strong> zur Teilnahme an den Angelegenheiten der Polis verfügen von<br />
den Bürgerrechten ausgeschlossen werden (vgl. Aristoteles, Politik, 1328b). Das<br />
griechische Ideal war das des trefflichen, tapferen, vernünftigen, gebildeten <strong>und</strong><br />
unabhängigen Mannes (Straub, 2009, S. 25ff). Dieses Ideal war mit der Erledigung<br />
von körperlicher Arbeit nicht zu vereinen. Dieses Ideal befasste sich mit öffentlichen,<br />
politischen, gesellschaftlichen Fragen, war ganz den „politischen“ Dingen<br />
zugewandt.<br />
Auch in Rom wurde Arbeit überwiegend von Sklaven geleistet. Die Sklaven waren<br />
ab dem 3. Jhd. V. Chr. die wichtigste Arbeitskraft auf den Gütern, die für überregionale<br />
Märkte zu pro<strong>du</strong>zieren begannen <strong>und</strong> ihren Besitzern hohe Einkommen<br />
sichern sollten (Eggebrecht, Fleming, Meyer, Müller, Oppolzer, Panlini, Schneider,<br />
1980, S. 99f). Aber nicht nur Sklavenarbeit wurde gering geschätzt. Tagelöhner<br />
<strong>und</strong> Handwerker konnten in vielen Städten kein politisches Amt bekleiden, sie<br />
wurden in der Rechtsprechung benachteiligt <strong>und</strong> besaßen nur ein geringes gesellschaftliches<br />
Ansehen (a.a.O., S 107f). Otium, der allgemein angestrebte Zustand,<br />
ist die Ruhe, das Gegenteil davon „Neg-Otium“ die Mühe, die Tätigkeit <strong>und</strong><br />
diese musste vermieden werden.<br />
Allein mit diesen wenigen <strong>und</strong> kurzen Beispielen lässt sich exemplarisch darstellen,<br />
dass eine „ethische Verklärung der Arbeit“ (Max Weber), die zum damaligen<br />
Zeitpunkt überwiegend körperliche Arbeit gewesen ist, nicht stattgef<strong>und</strong>en hat.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 12<br />
Für die Antike läst sich zusammenfassen: Die körperliche Arbeit wurde [nicht nur<br />
als Sklavenarbeit, sondern] auch dann politisch <strong>und</strong> sozial diskriminiert, wenn sie<br />
von freien Menschen geleistet wurde (Oexle, 2000, S. 69).<br />
2.3. Mittelalter<br />
Nach dem Zerfall des Römischen Reiches beginnt sich die Bewertung der Arbeit<br />
langsam aber stetig zu verändern. Zunächst stand für die Menschen deren Leben<br />
stark von Kirche <strong>und</strong> Glauben des jungen Christentums geprägt war, noch der<br />
jenseitige Aspekt des Lebens im Vordergr<strong>und</strong>. Der Mensch soll nicht nach irdischen<br />
Gütern streben, das Hier sein ist nur vorübergehend, jenseitiges Glück wird<br />
angestrebt, Arbeit ist der Fluch der Erbsünde (Gen. 3,19). Im Laufe der Zeit,<br />
möglicherweise mit Ausbleiben des unmittelbar erwarteten Endes der Zeit, verändert<br />
sich die Haltung. Arbeit wird mehr <strong>und</strong> mehr als (religiöse) Pflicht wahrgenommen.<br />
Jesus war Handwerker, sein Vater Zimmermann, Petrus ist Fischer gewesen.<br />
Augustinus betont den Wert der körperlichen Arbeit, die Maxime der<br />
Benediktiner lautet bekanntermaßen „ora et labora“. Die Haltung der Arbeit<br />
gegenüber stand während dieser Zeit jedoch immer im religiösen Zusammenhang<br />
<strong>und</strong> emanzipierte sich nur langsam von diesem.<br />
Arbeit war mit Mühsal verb<strong>und</strong>en, zur Zeit des einsetzenden Feudalismus im 9.<br />
Jhd. waren 90% der Bevölkerung unfrei (Eggebrecht, Fleming, Meyer, Müller,<br />
Oppolzer, Panlini, Schneider, 1980, S. 157) <strong>und</strong> gezwungen in abhängiger Arbeit,<br />
überwiegend als Bauern auf dem Lande, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Mit<br />
der im 9. <strong>und</strong> 10 Jhd. anwachsenden Bevölkerung wuchs die Bedeutung des<br />
Handwerkes. Im 11. Jhd. gab es drei Stände: Klerus, Ritter <strong>und</strong> Arbeiter (a.a.O.,<br />
S. 72). Es entstanden ab dieser Zeit Lohnarbeit, Zünfte, anhängige Beschäftigung<br />
gewann vor allem in Städten in größerem Ausmaß an Bedeutung. Mit alledem<br />
wurde sukzessive Arbeit aufgewertet <strong>und</strong> zunehmend zur Gr<strong>und</strong>lage der Subsistenz.<br />
Dennoch hatte Arbeit bei weitem nicht den heutigen Stellenwert. Noch immer war<br />
die strikte Trennung von Arbeit <strong>und</strong> freier Zeit nicht vollzogen. Noch immer war<br />
die Arbeit nicht eine Ware die auf dem Markt gehandelt wurde, noch immer nahmen<br />
auch andere Aspekte des Lebens großen Raum ein. So gab es beispielsweise
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 13<br />
in Bayern 121 (!) kirchliche Feiertage (Hawel, 2009).<br />
Allerdings entstand im ausgehenden Mittelalter zum ersten Mal die Situation der<br />
fehlenden Arbeit <strong>und</strong> damit der fehlenden ökonomischen Lebensgr<strong>und</strong>lage als<br />
spürbares gesellschaftliches Problem. Schon 15. Jhd. unterteilte man Menschen in<br />
solche die arbeiteten, solche die arbeitswillig aber nicht –fähig waren, sowie solche,<br />
die als arbeitsfähig aber nicht –willig galten. Armenfürsorge wurde eingeführt<br />
<strong>und</strong> nach strengen Kriterien von Arbeitsfähigkeit oder –unfähigkeit organisiert<br />
(Oexle, 2000, S. 77). Bettler brauchten eine Lizenz, Almosen solchen zu geben,<br />
die als arbeitsfähig galten war verboten, Armut wurde mit „Nicht-Arbeit“ gleichgesetzt<br />
(a.a.O., S. 78). Arbeit war nun Basis genossenschaftlicher Vergesellschaftung<br />
<strong>und</strong> mit Freiheit <strong>und</strong> Stadtbürgerrecht positiv verknüpft, diametral anders als<br />
in der antiken Polis. Arbeit wurde für die entstehende Stadtbürgerkultur prägend.<br />
Stadtbürgerliche Kultur wirkte aufwertend auf Arbeit zurück (Kocka, 2001, S. 8).<br />
2.4. In<strong>du</strong>strialisierung<br />
Zu Beginn des 19. Jhd. wurde der Feudalismus von der In<strong>du</strong>strialisierung <strong>und</strong> mit<br />
dieser untrennbar verb<strong>und</strong>en vom Kapitalismus, abgelöst. Die so genannte In<strong>du</strong>strielle<br />
Revolution stellt einen der wesentlichsten Einschnitte in der Entwicklungsgeschichte<br />
der Arbeit dar (Eggebrecht, Fleming, Meyer, Müller, Oppolzer, Panlini,<br />
Schneider, 1980, S. 193). Zunehmende Technisierung einhergehend mit zunehmender<br />
Disziplinierung des Arbeitenden (Policey-Staat) sowie die Ausweitung der<br />
Märkte (Kommodifizierung) trugen letztlich zum modernen Arbeitsverständnis bei.<br />
War zu Zeiten des Feudalismus Landwirtschaft die ökonomische Gr<strong>und</strong>lage der<br />
Gesellschaft (Korpmhardt, 2002, S. 51) wurde über handwerkliche Arbeit in Manufakturen<br />
die in<strong>du</strong>strielle <strong>und</strong> damit maschinelle Pro<strong>du</strong>ktion zur beherrschenden<br />
wirtschaftlichen Macht.<br />
In<strong>du</strong>strielle Revolution ist aber nicht nur technische Umwälzung sondern sie bedeutet<br />
gleichermaßen die Umwälzung der Wirtschafts- <strong>und</strong> Gesellschaftsstruktur<br />
(Eggebrecht, Fleming, Meyer, Müller, Oppolzer, Panlini, Schneider, 1980, S. 193).<br />
So führte die kapitalistische Pro<strong>du</strong>ktionsweise in Verbin<strong>du</strong>ng mit der rückläufigen<br />
Bedeutung der Landwirtschaft zum Entstehen einer großen Zahl von besitzlosen<br />
Personen, die Marx ironisch „doppelt freie Lohnarbeiter“ nannte. Nämlich frei von<br />
Besitz <strong>und</strong> frei von feudaler oder sonstiger Bin<strong>du</strong>ng <strong>und</strong> da<strong>du</strong>rch in der Lage (<strong>und</strong>
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 14<br />
gezwungen) seine Arbeitskraft zu Markte zu tragen <strong>und</strong> dort zu verkaufen. War<br />
der Arbeitsort bisher in engem häuslichen <strong>und</strong> familiären Zusammenhang gestanden,<br />
so fand die Arbeit nach der In<strong>du</strong>strialisierung zunehmend außer Haus in Fabriken<br />
statt, wo sie fremdbestimmt <strong>und</strong> kontrolliert wurde. Die Lebensbedingungen<br />
der Menschen verschlechterten sich Mitte des 19ten Jahrh<strong>und</strong>erts bekanntermaßen<br />
dramatisch. Arbeitszeiten von bis zu 18 St<strong>und</strong>en täglich, Kinderarbeit,<br />
Einkommen, das gerade eben das physische Überleben ermöglichte gehörten zu<br />
den bekannten Folgen. Die Situation wurde erschwert <strong>du</strong>rch teilweise unerträgliche<br />
Wohnverhältnisse, fehlende hygienische Voraussetzungen, Krankheitsepidemien,<br />
zeitweise Arbeitslosigkeit, die die schlechte wirtschaftliche Situation weiter<br />
verschärfte (Eggebrecht, Fleming, Meyer, Müller, Oppolzer, Panlini, Schneider,<br />
1980, S. 220). Aus dieser Situation entstand Mitte des 19 Jahrh<strong>und</strong>erts die Arbeiterbewegung.<br />
Gemeinsame Aktivitäten, politische Betätigung schufen ein Zusammengehörigkeitsbewußtsein,<br />
es entstand das was Marx die Arbeiterklasse genannt<br />
hat <strong>und</strong> der er zunehmend gelang, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.<br />
2.5. Arbeit in In<strong>du</strong>strienationen (post)moderner Prägung<br />
Im Zeitalter der In<strong>du</strong>strialisierung gewann Arbeit nochmals an sozialer, politischer,<br />
<strong>und</strong> kultureller Bedeutung. Arbeit wurde als Erwerbsarbeit gesetzlichadministrativ<br />
normiert <strong>und</strong> verfestigt. Arbeit be<strong>du</strong>rfte nun kaum noch der Rechtfertigung<br />
<strong>du</strong>rch anderes. Vielmehr wurde sie selbstbegründend <strong>und</strong> sinnstiftend.<br />
Arbeit definierte persönliche Identität (Kocka, 2001, S. 10). Arbeit wurde zum beherrschenden<br />
Lebensinhalt <strong>und</strong> zur alleinigen Gr<strong>und</strong>lage der Subsistenz. Die In<strong>du</strong>strialisierung<br />
ist unlösbar verknüpft mit dem Aufstieg des Kapitalismus. Dessen<br />
Siegszug konnte weder die Weltwirtschaftskrise 1929, noch der zweite Weltkrieg<br />
oder die Ölkrisen der 70er Jahre aufhalten.<br />
Nach dem zweiten Weltkrieg setzte sich in Deutschland, gewissermaßen in Fortsetzung<br />
der Bismarkschen Sozialgesetze, die „Soziale Marktwirtschaft“ <strong>du</strong>rch. Im<br />
Gegensatz zum Kapitalismus angloamerikanischer Ausprägung wurde hierbei nicht<br />
zur Gänze auf die Regulierungsmechanismen des Marktes vertraut, vielmehr wur-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 15<br />
de dem Sozialstaat die Aufgabe übertragen sozial ungerechte Ergebnisse des<br />
Marktes zu korrigieren. „Sinn der sozialen Marktwirtschaft ist es, das Prinzip der<br />
Freiheit auf dem Markte mit dem des sozialen Ausgleiches zu verbinden“ (Müller-<br />
Armack). Die Wirtschaft in Deutschland entwickelte sich in den 50er <strong>und</strong> 60er<br />
Jahren überaus positiv (Wirtschaftw<strong>und</strong>erzeit). Die Nachfrage nach Arbeitskräften<br />
konnte im Land nicht befriedigt werden, Arbeitskräfte wurden im europäischen,<br />
später auch im außereuropäischen Ausland rekrutiert (Gastarbeiter). Mehr <strong>und</strong><br />
mehr Menschen profitierten von dieser Entwicklung, Luxusgüter, Urlaubsreisen,<br />
Haushaltsgeräte wurden erschwinglich. Es entstand die Vorstellung, wirtschaftlicher<br />
Aufschwung sei unendlich <strong>und</strong> der Königsweg zu einem besseren Leben für<br />
alle Mitglieder der Gesellschaft.<br />
Dieser Glaube wurde in den Energiekrisen der 70er Jahre schlagartig <strong>und</strong> nachhaltig<br />
erschüttert. Mit der Erkenntnis, dass die natürlichen Ressourcen nicht unbegrenzt<br />
zur Verfügung stehen, dass ökologische Auswirkungen wirtschaftlichen<br />
Tuns berücksichtigt werden müssen entstand das Bewusstsein, dass auch wirtschaftliches<br />
Wachstum endlich ist. Der Wirtschaftsw<strong>und</strong>eroptimismus lief gewissermaßen<br />
gegen eine Wand. Die Arbeitslosenzahl schnellte innerhalb kürzester<br />
Zeit in die Höhe. Seit Mitte der 90er Jahre wird offen die Diskussion um das „Ende<br />
der Arbeit“ (Jeremy Rifkin) geführt. Arbeit ist nach wie vor der Motor unserer Gesellschaft,<br />
aber gleichzeitig nimmt die für die Mitglieder der Gesellschaft verfügbare<br />
Arbeit ab. Die Folge dieser Entwicklung: Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> damit Armut als<br />
gesamtgesellschaftliches Problem weitet sich aus.<br />
3. Formen, Entstehung von <strong>und</strong> Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit<br />
Arbeit hat, wie wir gesehen haben, im Laufe der Menschheitsgeschichte eine immer<br />
stärker werdende Bedeutung für die Menschen gewonnen. Das Fehlen von<br />
Arbeit, der Verlust des Arbeitsplatzes oder das Wissen um die Chancenlosigkeit je<br />
einen solchen zu erlangen zeitigen eine Vielzahl nachteiliger Folgen, sowohl für<br />
die betroffenen Personen als auch für die gesamte Gesellschaft. Auf diese Folgen<br />
soll später näher eingegangen werden. An dieser Stelle sollen nun die politischen<br />
<strong>und</strong> gesellschaftlichen Möglichkeiten erörtert werden der zunehmenden Arbeitslo-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 16<br />
sigkeit zu begegnen. In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage,<br />
welche Erscheinungsformen von Arbeitslosigkeit unterschieden werden können<br />
<strong>und</strong> aus welchen Gründen <strong>und</strong> auf welche Weise Arbeitslosigkeit eigentlich entsteht.<br />
Im Anschluss soll dargestellt werden, wie die Entwicklung der Arbeitslosigkeit<br />
der letzten Jahrzehnte verlaufen ist <strong>und</strong> danach die wichtigsten der derzeit<br />
diskutierten Möglichkeiten Arbeitslosigkeit zu bekämpfen vorzustellen.<br />
3.1. Formen der Arbeitslosigkeit<br />
Der heute verwandte Begriff von Arbeitslosigkeit ist wörtlich im Gesetz beschrieben,<br />
man spricht in solchen Fällen von einer „Legaldefinition“. Zu finden ist sie im<br />
§ 119 SGB III. Danach ist jemand arbeitslos jemand, der<br />
- nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht,<br />
- sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden,<br />
- den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht.<br />
Die Faktoren sind kumulativ, d.h. es müssen alle erfüllt sein, soll die Arbeitslosigkeit,<br />
die statistisch erfasst wird <strong>und</strong> in der Öffentlichkeit diskutiert wird, eintreten.<br />
Das Statistische B<strong>und</strong>esamt kommt hinsichtlich des Umfanges der Arbeitslosigkeit<br />
immer wieder zu anderen Ergebnissen als die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit, da beim<br />
statistischen B<strong>und</strong>esamt die Erwerbslosigkeit, das heißt, nur das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses<br />
zu Gr<strong>und</strong>e gelegt wird.<br />
Es gibt unterschiedliche Formen von Arbeitslosigkeit, die unterschiedliche Ursachen<br />
haben. Diese Unterschei<strong>du</strong>ng ist insofern von Bedeutung, als verschiedene<br />
Ursachen, verschiedene Reaktionen zur Beseitigung zeitigen. Als Formen von<br />
Arbeitslosigkeit werden unterschieden<br />
3.1.1 Friktionelle Arbeitslosigkeit<br />
Hierunter versteht man Arbeitslosigkeit, die <strong>du</strong>rch den Wechsel von einer Arbeitsstelle<br />
zur nächsten entsteht. Da bereits eine neue Arbeitsstelle vorhanden ist <strong>und</strong>
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 17<br />
nur die Dauer bis zu deren Antritt überbrückt wird, ist diese Form der Arbeitslosigkeit<br />
in der Regel sehr kurz <strong>und</strong>, da Wechsel von Arbeitsplätzen immer wieder<br />
stattfinden, selbst zu Zeiten in denen man von Vollbeschäftigung spricht, nicht zu<br />
vermeiden.<br />
3.1.2 Saisonale Arbeitslosigkeit<br />
Von saisonaler Arbeitslosigkeit spricht man bei Arbeitslosigkeit die aufgr<strong>und</strong> jahreszeitlich<br />
schwankender natürlicher oder ökonomischer Nachfrag- <strong>und</strong> Angebotsbedingungen<br />
in einzelnen Sektoren der Volkswirtschaft entsteht. Beispiele<br />
hierfür sind die Branchen Landwirtschaft, Weinbau, Gastronomie, Tourismus.<br />
Wenn sie die Bedingungen wieder ändern, verschwindet die Arbeitslosigkeit ohne<br />
weiteres Zutun.<br />
3.1.3 Konjunkturelle Arbeitslosigkeit<br />
Hierbei handelt es sich um eine Form der Arbeitslosigkeit, die <strong>du</strong>rch zyklische<br />
Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung <strong>und</strong> die dabei auftretenden<br />
Nachfrageschwankungen <strong>und</strong> Pro<strong>du</strong>ktionsrückgänge vor allem in einer Abschwungphase<br />
verursacht wird <strong>und</strong> zu Massenarbeitslosigkeit führen kann<br />
(http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=H696YC). Diese Form der<br />
Arbeitslosigkeit ist auf einen echten <strong>und</strong> möglicherweise länger anhaltenden<br />
Mangel an Arbeitsplätzen zurück zu führen.<br />
3.1.4 Strukturelle Arbeitslosigkeit<br />
Strukturelle Arbeitslosigkeit liegt vor, wenn Angebot <strong>und</strong> Nachfrage auf dem<br />
Arbeitsmarkt deshalb nicht zusammenpassen, weil beide Seiten des Arbeitsmarktes<br />
in Bezug auf vermittlungsrelevante Merkmale wie z.B. Alter, Qualifikation, Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Beschäftigungsgrad, Standort unterschiedlich zusammengesetzt (strukturiert)<br />
sind (Mismatch). Für die Höhe der strukturellen Arbeitslosigkeit sind dem-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 18<br />
nach maßgebend, wo<strong>du</strong>rch <strong>und</strong> in welchem Tempo sich die Struktur der Arbeitskräftenachfrage<br />
<strong>und</strong> des Arbeitskräfteangebots auseinander entwickeln<br />
(http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/arbeitslosigkeit.html?referenceKey<br />
wordName=strukturelle+Arbeitslosigkeit). Hierbei liegt die Arbeitslosigkeit, wie<br />
der Name schon sagt, in der Struktur des Arbeitsmarktes begründet. Es handelt<br />
sich bei struktureller Arbeitslosigkeit jedoch in der Regel nicht um ein reines Allokationsproblem,<br />
vielmehr ist eine gr<strong>und</strong>legende Veränderung des Marktes oder<br />
Teilen davon im Gange oder notwendig.<br />
3.1.4.1 Sockelarbeitslosigkeit<br />
Als Sockelarbeitslosigkeit bezeichnet man die Arbeitslosigkeit, die unter günstigsten<br />
konjunkturellen Bedingungen <strong>und</strong> bei geringst möglicher friktioneller Arbeitslosigkeit<br />
nicht abzubauen ist. Bodensatzarbeitslosigkeit entsteht z. B. <strong>du</strong>rch<br />
Arbeitslose, die keinen Arbeitsplatz mehr finden, weil sie relativ kurz vor der Rente<br />
stehen oder wegen ges<strong>und</strong>heitlicher Probleme nicht vermittelbar sind; weiterhin<br />
da<strong>du</strong>rch, dass nicht jeder Arbeitslose zur Aufnahme jeder Tätigkeit bereit ist<br />
oder nicht jeder Arbeitssuchende für jede Arbeit anforderungsgerecht qualifiziert<br />
ist. Insoweit ist Bodensatzarbeitslosigkeit fast identisch mit der von den Monetaristen<br />
beschriebenen natürlichen Arbeitslosigkeit, die allerdings auch die friktionelle<br />
Arbeitslosigkeit umfasst (http://de.wikipedia.org/wiki/Sockelarbeitslosigkeit).<br />
3.2 Entstehung von Arbeitslosigkeit<br />
Über die Ursachen der Arbeitslosigkeit gibt es unterschiedliche Theorien. Die<br />
gängigsten sind die marxistische, die neoklassische <strong>und</strong> die keynesianische Theorie,<br />
die im Folgenden näher dargestellt werden sollen. Der Begriff „Arbeitslosigkeit“<br />
selbst ist relativ neu. Zwar kennt man die Situation der fehlenden Arbeit <strong>und</strong><br />
daraus resultierenden Armut schon lange (vgl. oben 2.3, 2.4), aber der Begriff<br />
„Arbeitslosigkeit“ fand erst 1895 Eingang in das Handwörterbuch der Staatswissenschaften<br />
(Conrad, Macome, Zimmermann 2000, S 462) <strong>und</strong> den allgemeinen<br />
Sprachgebrauch. Aus diesem Gr<strong>und</strong> gab es streng genommen vor 1895 keine
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 19<br />
Arbeitslosigkeit in dem Sinne wie wir sie heute verstehen.<br />
3.2.1 Karl Marx<br />
Nach Marx’ Theorie des Kapitalismus ist Arbeitslosigkeit systemimmanent. Es<br />
„macht die Entwicklung der kapitalistischen Pro<strong>du</strong>ktion eine fortwährende Steigerung<br />
des in einem in<strong>du</strong>striellen Unternehmen angelegten Kapitals zur Notwendigkeit,<br />
<strong>und</strong> die Konkurrenz herrscht jedem indivi<strong>du</strong>ellen Kapitalisten die immanenten<br />
Gesetze der kapitalistischen Pro<strong>du</strong>ktionsweise als äußere Zwangsgesetze auf“<br />
(Marx, 1890, S. 618). Der Unternehmer pro<strong>du</strong>ziert Waren, die er am Markt verkauft.<br />
Das erwirtschaftete Kapital benutzt er um neue Waren zu pro<strong>du</strong>zieren, die<br />
er wiederum verkauft. Diesen Kreislauf stellt Marx mit der Formel G-W-G’ dar, aus<br />
Geld wird auf dem Wege der Warenpro<strong>du</strong>ktion mehr Geld. Der alleinige Zweck<br />
der Erwirtschaftung von Gewinn ist neuer Gewinn. Da der Unternehmer in der<br />
Regel nicht über eine Monopolstellung verfügt ist er, will er seine Waren verkaufen,<br />
gezwungen, günstiger, besser, effizienter zu pro<strong>du</strong>zieren als die Mitanbieter,<br />
was mittels technischer Entwicklung <strong>und</strong> der fortschreitender Verbesserung der<br />
Pro<strong>du</strong>ktionsbedingungen auch gelingt. Im Laufe der Entwicklung wird folglich<br />
immer weniger menschliche Arbeitskraft für den Pro<strong>du</strong>ktionsprozess benötigt,<br />
was zu Folge hat, dass immer mehr Menschen aus dem Pro<strong>du</strong>ktionsprozess „freigesetzt“<br />
werden.<br />
Diese Arbeitslosen bilden dann die so genannte „in<strong>du</strong>strielle Reservearmee“<br />
(a.a.O., S. 664). Das sind Arbeitslose, auf die der Unternehmer zurückgreifen<br />
kann, wenn er Bedarf an neuen oder zusätzlichen Arbeitskräften hat. Die materielle<br />
Abhängigkeit vom Arbeitsplatz <strong>und</strong> in neuerer Zeit auch der Staat zwingen<br />
die Menschen Arbeit nahezu zu allen Bedingungen anzunehmen. Marx nahm an,<br />
dass das auf diese Weise entstehende Arbeiterproletariat <strong>du</strong>rch Revolution eine<br />
Entwicklung der Gesellschafts- <strong>und</strong> Wirtschaftsform vom Kapitalismus zum Kommunismus<br />
erzwingen würde (dialektischer Materialismus), in welchem das Privateigentum<br />
an Pro<strong>du</strong>ktionsmitteln aufgehoben sei <strong>und</strong> „Jeder nach seinen Fähigkeiten“<br />
arbeiten würde <strong>und</strong> „Jedem nach seinen Bedürfnissen“ gegeben würde<br />
(Marx, 1985). „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen<br />
Pro<strong>du</strong>ktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Pro<strong>du</strong>k-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 20<br />
tionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den<br />
Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen<br />
der Pro<strong>du</strong>ktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben<br />
um. Es tritt dann eine Epoche der sozialen Revolution ein. Mit der Veränderung<br />
der ökonomischen Gr<strong>und</strong>lage wälzt sich der ganze ungeheuere Überbau<br />
langsam oder rascher um“ (Marx 1859, S. 9). Die Frage nach Arbeitslosigkeit<br />
würde sich in solchen Verhältnissen nicht mehr stellen, da alle Mitglieder einer<br />
Gesellschaft gemeinsam über die Pro<strong>du</strong>ktionsmittel verfügen <strong>und</strong> gemeinsam<br />
wirtschaften würden. Jeder wäre nach seinen Fähigkeiten am gesamtgesellschaftlichen<br />
(Re)Pro<strong>du</strong>ktionsprozess beteiligt <strong>und</strong> würde seine Bedürfnisse aus den gemeinsam<br />
erwirtschafteten Gütern befriedigen.<br />
Die von Marx erwartete Revolution indes blieb aus. Die Geschichte zeigt, dass die<br />
von ihm vorhergesagte Entwicklung nicht zwingend eintreten muss. Maria Jahoda<br />
zeigte in ihrer Studie über die Arbeitslosen von Marienthal eindringlich, dass in<br />
der Realität eher das Gegenteil zu beobachten ist: Arbeitslosigkeit erzeugte in<br />
Marienthal anstatt einer Revolution vielmehr eine tiefe Resignation bei den betroffenen<br />
Menschen <strong>und</strong> das selbst unter härtesten materiellen Bedingungen.<br />
3.2.2 Neoklassischer Ansatz<br />
Im Zentrum der neoklassischen Theorie zur Erklärung der Ursachen von Arbeitslosigkeit<br />
steht der Markt. Die Gr<strong>und</strong>annahme des neoklassischen Wirtschaftssystems<br />
besteht darin, dass „die Marktkräfte in diesem System zu der bestmöglichen<br />
Allokation der Ressourcen, also zu ihrem effizienten Einsatz führen“ (Kromphardt<br />
2004, S. 211). Es herrscht die Vorstellung, dass das Marktgeschehen stets zu<br />
einem Ausgleich zwischen Angebot <strong>und</strong> Nachfrage führt. Die Gr<strong>und</strong>voraussetzungen<br />
dieses Konstrukts sind ein vollkommen ökonomisches Verhalten aller Marktteilnehmer<br />
sowie absolute Markttransparenz. “Vereinfach könnte man von einer<br />
Theorie des Tausches sprechen, in der mit streng mathematischen Methoden optimale<br />
Marktzustände in Gestalt von Gleichgewichtsmodellen konstruiert werden.<br />
Der perfekte Zustand einer Marktwirtschaft ist das Konstrukt einer vollständigen<br />
oder auch vollkommenen Konkurrenz, in der viele Nachfragern vielen Anbieter
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 21<br />
gegenüberstehen, die dabei über optimale Informationen <strong>und</strong> damit Markttransparenz<br />
verfügen, so dass ein gleichgewichtiges, effizientes Marktergebnis zustande<br />
kommen kann“ (Butterwegge, Lösch, Ptak 2008, S. 28).<br />
Störungen in diesem System führen zu Fehlentwicklungen <strong>und</strong> damit zu Arbeitslosigkeit.<br />
Diese Störungen werden von Vertretern der neoklassischen Theorie regelmäßig<br />
mit unzureichender Flexibilität der Marktteilnehmer, mit unzulässiger<br />
Intervention des Staates in Form von Lohnforderungen oder mit Einflüssen Dritter<br />
wie beispielsweise Gewerkschaften erklärt. Arbeitslosigkeit ist diesem Modell zu<br />
Folge ein Marktungleichgewicht, in der Form, dass eine zu geringe Nachfrage<br />
nach Arbeitskräften innerhalb eines bestimmten Lohnniveaus besteht. Bei vollkommener<br />
Flexibilität der Arbeitnehmer kann es nach der neoklassischen Theorie<br />
keine Arbeitslosigkeit geben. Zur Beseitigung von auftretender Arbeitslosigkeit<br />
müssen lediglich die Löhne bis unter die Nachfrageschwelle der Arbeitgeber gesenkt<br />
werden, dann würden Einstellungen erfolgen <strong>und</strong> die Arbeitslosigkeit sei<br />
beseitigt. Die Kritik an diesem dieses Modell richtet sich in erster Linie gegen dieses<br />
„Wolkenkuckucksheim“ (Heinrich, 2005, S. 75f) oder „Markt-Märchen“<br />
(a.a.O., S. 29) der Neoklassik, die hier eine Situation zu konstruiert, der jeder<br />
Realitätsbezug fehlt. Es werden mit dem vollkommen ökonomischen Verhalten<br />
<strong>und</strong> der absoluten Markttransparenz in dieser Theorie Verhältnisse angenommen,<br />
die in der Wirklichkeit nicht vorkommen können. Dennoch wird auf wirtschaftlicher<br />
<strong>und</strong> auch politischer Seite seit Jahren unverändert mit diesen Annahmen argumentiert<br />
<strong>und</strong> entsprechend gehandelt. Die Hoffnung, eine Senkung des Lohnniveaus<br />
<strong>und</strong> Erhöhung der Flexibilität würden zu mehr Beschäftigung führen bestimmt<br />
seit Jahren die Handlungsmaximen der Politik. Schon seit Mitte der 70er<br />
Jahre wird der Arbeitsmarkt dereguliert, das Lohnniveau sinkt, die Anforderungen<br />
der Arbeitgeber an die Flexibilität der Arbeitnehmer steigen. Dennoch steigen<br />
auch die Arbeitslosenzahlen seit den 70er Jahren konstant wie das folgende<br />
Schaubild zeigt.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 22<br />
Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland 1960 - 2008<br />
Der Umstand, dass die erwünschte Wirkung der beschriebenen Maßnahmen nicht<br />
eingetreten ist, wird stereotyp wieder mit dem Argument begegnet, die bisherigen<br />
Impulse seien nicht stark genug gewesen, die Löhne müssten noch weiter<br />
sinken, die Einflussnahme der Gewerkschaften noch weiter verringert werden, die<br />
Flexibilität der Arbeitnehmer steigen. Eine schlüssige Erklärung für die empirisch<br />
beobachtbare Entwicklung kann die neoklassische Theorie freilich nicht geben.<br />
Möglicherweise ist Vollbeschäftigung auch gar nicht das erklärte Ziel dieses Systems.<br />
„Gewinnmargen erscheinen nicht mehr als das Ergebnis wirtschaftlicher<br />
Leistungen, sondern werden als Anspruch der Eigentümer vorausgesetzt <strong>und</strong> so<br />
zur zentralen Planungsgröße der gesamten Unternehmensorganisation“ (Dörre,<br />
2009, S. 60). Es geht offensichtlich bei wirtschaftlicher Tätigkeit <strong>und</strong> bei Maßnahmen<br />
zur Optimierung derselben allein um Gewinnmaximierung <strong>und</strong> nicht um<br />
Erhöhung der Zahl der Beschäftigten.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 23<br />
3.2.3 Keynesianischer Ansatz<br />
Im Unterschied zum neoklassischen Ansatz steht im Mittelpunkt der Argumentation<br />
von John Maynard Keynes nicht die Situation des Marktes, sondern die der<br />
Nachfrage bzw. der erwarteten Nachfrage nach Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen.<br />
„Der zentrale Punkt von Keynes „Allgemeiner Theorie der Beschäftigung, des Zinses<br />
<strong>und</strong> des Geldes“ besteht in der Aussage, dass „die Zahl der Beschäftigten in<br />
einer Volkswirtschaft von dem Quantum an Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen bestimmt<br />
wird, das die Unternehmen meinen verkaufen zu können; denn entsprechend<br />
dieser Erwartung pro<strong>du</strong>zieren sie <strong>und</strong> beschäftigen die Arbeitskräfte<strong>…</strong>. Die<br />
effektive Nachfrage setzt sich in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung aus der inländischen<br />
Nachfrage nach Konsum- <strong>und</strong> Investitionsgütern sowie der Nachfrage<br />
des Auslands zusammen.“ (Kromphardt, 2004, S. 177). I<br />
m Gegensatz zur neoklassischen Argumentation sind nicht allein die Kosten des<br />
Unternehmers, damit also die Nachfrage nach Arbeitskräften für das Entstehen<br />
von Arbeitslosigkeit verantwortlich, sondern vielmehr primär die Nachfrage nach<br />
Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen. Die Gesamtnachfrage hiernach ergibt sich aus der<br />
Summe der Binnennachfrage <strong>und</strong> der im Ausland entstehenden Nachfrage. Die<br />
Binnennachfrage wiederum hängt direkt von den der Bevölkerung zur Verfügung<br />
stehenden Einkommen ab. Die neoklassische Forderung nach geringern Löhnen<br />
führt nach Keynesianischer Auffassung zur Verringerung des Einkommens, damit<br />
zu einer Verringerung der Nachfrage nach Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen <strong>und</strong> somit<br />
zum Entstehen von Arbeitslosigkeit. Weil aber nicht nur die Binnennachfrage,<br />
sondern auch der Export die abgesetzte Menge an Gütern beeinflussen, konnte<br />
Deutschland, in den vergangenen Jahren mehrfacher „Exportweltmeister“, trotz<br />
(oder vielmehr wegen) der sehr verhaltenen Lohnentwicklung seit etwa den<br />
1960er Jahren mit der gesamten Wirtschaft sehr gute Ergebnisse erzielen. Wegen<br />
der Instabilität des Marktes, der schwankenden Erwartungen der Unternehmer,<br />
der Konjunkturverläufe hat Keynes die Theorie einer Globalsteuerung <strong>du</strong>rch den<br />
Staat entwickelt. Nach dieser Theorie muss es die Aufgabe der Wirtschaftspolitik<br />
sein, Konjunkturschwankungen <strong>und</strong> deren Auswirkungen möglichst gering zu halten.<br />
Nochmals im Gegensatz zum neoklassischen Ansatz, der allein auf die Wirkung<br />
des Marktes vertraut <strong>und</strong> politische Aktivitäten als schädlich betrachtet, soll<br />
in der Theorie der Globalsteuerung der Staat über Investitions- <strong>und</strong> Lohnpolitik
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 24<br />
aktiv <strong>und</strong> antizyklisch in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen.<br />
3.3 Ergänzende Faktoren<br />
Neben den genannten Theorien die mit unterschiedlichen Ansätzen versuchen<br />
das Entstehen von Arbeitslosigkeit zu erklären, gibt es zusätzliche Faktoren, die<br />
auf die Entstehung von Arbeitslosigkeit in Deutschland, wenn nicht verursachen,<br />
so doch zumindest unterstützend wirken.<br />
Zunächst, in Anlehnung an die Theorie Marx’, die Entwicklung des Arbeitsvolumens<br />
in Deutschland in der Zeit von 1960 bis jetzt. Das Arbeitsvolumen umfasst<br />
die insgesamt von den Arbeitnehmern <strong>und</strong> Selbständigen tatsächlich geleisteten<br />
Arbeitsst<strong>und</strong>en bei Tätigkeiten innerhalb der Pro<strong>du</strong>ktionsgrenzen der Volkswirtschaftlichen<br />
Gesamtrechnung <strong>und</strong> ist damit der Indikator für die einer Gesellschaft<br />
zur Verfügung stehenden Arbeit. Im unten aufgeführten Schaubild wird<br />
das Arbeitsvolumen pro Einwohner dargestellt um die Veränderungen in der Bevölkerungszahl<br />
die im Laufe der Jahre zu verzeichnen waren angemessen zu berücksichtigen.<br />
Entwicklung des Arbeitsvolumens in Deutschland 1800 - 2000<br />
Quelle: Henning, IW, Statistisches B<strong>und</strong>esamt, IWG aus Franzmann, 2010, S. 38
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 25<br />
Mit Ausnahme der Wirtschaftsw<strong>und</strong>erzeit <strong>und</strong> des Wiedervereinigungssprunges<br />
1989 sinkt das Arbeitsvolumen in Deutschland seit 1860 kontinuierlich. Das Institut<br />
für Arbeitsmarkt <strong>und</strong> Berufsforschung (IAB) errechnete allein in der Zeit von<br />
1991 bis 2004 eine Verringerung des gesamten Arbeitsvolumens um 6,2 %<br />
(Wanger, 2006, S. 29f). Bei einer Erwerbsbevölkerung von etwa 40 Mio. Menschen<br />
rechtfertigt nur dieser Rückgang eine Zunahme der Arbeitslosigkeit um 2,5<br />
Mio. Erwerbspersonen. Entgegen anderslautender Bekräftigungen seitens der<br />
Ökonomen scheint Deutschland möglicherweise doch die Arbeit, jedenfalls die<br />
Erwerbsarbeit auszugehen.<br />
Ein zweiter Faktor der zur Verringerung des Arbeitsplatzangebotes <strong>und</strong> damit zur<br />
Entstehung von Arbeitslosigkeit führt, ist die seit Jahren immer stärker stattfindende<br />
Aufsplitterung der vorhandenen Arbeit von Vollzeitbeschäftigung auf so<br />
genannte atypische Beschäftigungsverhältnisse. Unter dem Begriff „atypische Beschäftigungsverhältnisse“<br />
fasst man alle Beschäftigungsverhältnisse zusammen,<br />
die nicht dem Normalarbeitsverhältnis entsprechen zusammen. Als Normalarbeitsverhältnis<br />
gilt ein abhängiges Arbeitsverhältnis in Vollzeit, unbefristet <strong>und</strong><br />
versicherungspflichtig. Abweichungen davon wie Befristung, Teilzeit gelten folglich<br />
als atypisch. Diese Form von Beschäftigungsverhältnissen, vor allen Dingen<br />
Teilzeitbeschäftigung hat vor allem in den letzten 10 Jahren stark zugenommen.<br />
Insbesondere die Zahl der nicht versicherungspflichtigen, geringfügigen Beschäftigungen<br />
ist auf mittlerweile mehr als 7 Millionen Stellen angestiegen. Durch die<br />
Aufspaltung von ehedem Vollzeiterwerbsstellen in mehrere versicherungsfreie Beschäftigungen<br />
fallen Existenz sichernde Arbeitsplätze weg <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit<br />
entsteht.<br />
Die Branchen in denen Normalarbeitsverhältnisse in Teilzeitstellen oder geringfügige<br />
Beschäftigungsverhältnisse aufgesplittet wurden sind in erster Linie Dienstleistungen,<br />
Handel <strong>und</strong> Gastgewerbe. Bemerkenswert, dass In diesen Brachen<br />
der Anteil von Frauen unter den Beschäftigten besonders hoch ist, so dass Frauen<br />
überproportional vom Wegfall der versicherungspflichtigen Beschäftigung betroffen<br />
sind wird. Gemeinsam mit anderen Ursachen (Veränderung des Familienbildes,<br />
Zunahme der Trennungen <strong>und</strong> Schei<strong>du</strong>ngen, Kindererziehung etc.) steht zu<br />
erwarten, dass diese Entwicklung in absehbarer Zukunft zu einer starken Zunah-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 26<br />
me der Altersarmut besonders bei Frauen führen wird.<br />
Anbei ein Diagramm, das die Zunahme der atypischen Beschäftigungsverhältnisse<br />
in Ost-, West- <strong>und</strong> Gesamtdeutschland veranschaulicht.<br />
Entwicklung <strong>und</strong> Zusammensetzung der atypischen Beschäftigung (ohne Leiharbeit) in Deutschland 1)<br />
Anteile an allen abhängig Beschäftigten in vH<br />
Schaubild 88<br />
Geringfügige Beschäftigung<br />
Unbefristete Teilzeitbeschäftigung<br />
Befristete Vollzeitbeschäftigung<br />
Befristete Teilzeitbeschäftigung<br />
40<br />
40<br />
35<br />
35<br />
30<br />
30<br />
25<br />
25<br />
20<br />
20<br />
15<br />
15<br />
10<br />
10<br />
5<br />
5<br />
0<br />
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />
1) Erwerbstätige im Alter von 15 Jahren <strong>und</strong> älter nach Angaben des Mikrozensus. Bis einschließlich 2004 Ergebnisse für eine feste Berichtswoche im Frühjahr;<br />
ab 2005 Jahres<strong>du</strong>rchschnittsergebnisse.<br />
0<br />
© Sachverständigenrat<br />
Daten aus dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates 2008/09 Atypische Beschäftigungsverhältnisse:<br />
Zweiklassengesellschaft am Arbeitsmarkt?<br />
Deutlich wird <strong>du</strong>rch diese Übersicht insbesondere die Zunahme der geringfügigen<br />
Beschäftigungsverhältnisse. Im Zusammenspiel mit dem Diagramm über die Entwicklung<br />
des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumens ergibt sich eine Situation in<br />
der einerseits die verfügbare Menge an Arbeit abnimmt <strong>und</strong> andererseits die vorhandene<br />
Arbeit verstärkt auf mehrere Arbeitsplätze aufgeteilt wird. Kocka spricht<br />
von einer tendenziellen Fragmentierung der Arbeit in Raum <strong>und</strong> Zeit (Kocka,<br />
2001, S. 13). Dies führt zu der aktuell erlebten Situation, dass immer weniger<br />
Menschen Arbeitsplatz mit einem Existenz sichernden Einkommen finden können.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 27<br />
4 Auswirkungen von Arbeitslosigkeit<br />
Die Erwerbsarbeit hat sich, wie oben gezeigt werden konnte, im Laufe der Jahre<br />
mehr <strong>und</strong> mehr zum Dreh <strong>und</strong> Angelpunkt unseres Lebens entwickelt. Wir leben<br />
in einer so genannten „Arbeitsgesellschaft“. Arbeitsgesellschaft meint, dass die<br />
Verteilung der gesellschaftlichen Güter, der Lebenschancen, des gesellschaftlichen<br />
Ansehens <strong>und</strong> des indivi<strong>du</strong>ellen Selbstwertgefühls bei uns weitestgehend über<br />
Erwerbsarbeit geregelt ist (Meireis, 1996, S. 160). Gleichzeitig ist in den letzten<br />
Jahren zunehmend eine Krise der Arbeit (Negt, 1995, S. 3-9) <strong>und</strong> des Arbeitsmarktes<br />
zu konstatieren. Die gesamtgesellschaftlich verfügbare (Erwerbs-)Arbeit<br />
nimmt ab. Die Zahl der arbeitslosen Menschen steigt seit den 70er Jahren immer<br />
mehr an. Die sozialen Sicherungssysteme benötigen immer mehr finanzielle Ressourcen<br />
um diese Entwicklung ansatzweise auszugleichen <strong>und</strong>, da sich diese Sicherungssysteme<br />
fast ausschließlich aus Löhnen <strong>und</strong> Gehältern finanzieren, fließen<br />
mit abnehmender Beschäftigung immer weniger Mittel in die Kassen. Es wird<br />
also immer schwieriger die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit wirksam zu mildern.<br />
Doch welche Auswirkungen hat Arbeitslosigkeit? Was passiert mit Menschen die<br />
ihre Arbeitsstelle verlieren? Und was bedeutet Arbeitslosigkeit gesamtgesellschaftlich.<br />
Es soll an dieser Stelle nach den Auswirkungen des Fehlens von Arbeit <strong>und</strong><br />
der damit entstehenden Arbeitslosigkeit gefragt werden. Von den Auswirkungen<br />
betroffen sind zunächst natürlich einmal auf arbeitslos gewordenen Personen,<br />
aber, wie wir sehen werden, auch die gesamte Gesellschaft. Zunächst stelle ich<br />
die gesellschaftlichen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit dar, im Anschluss die indivi<strong>du</strong>ellen.<br />
4.1. gesellschaftliche Auswirkungen<br />
Die Auswirkungen, die Arbeitslosigkeit auf die gesamte Gesellschaft hat sind<br />
vielfältig <strong>und</strong> häufig nicht unmittelbar zu erkennen. Zunächst <strong>und</strong> augenscheinlich<br />
werden natürlich <strong>du</strong>rch Arbeitslosigkeit Kosten unterschiedlicher Art<br />
<strong>und</strong> Weise verursacht.<br />
Immer wieder in der Diskussion <strong>und</strong> im Fokus der Öffentlichkeit stehen die <strong>du</strong>rch
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 28<br />
die Leistungen als solche in<strong>du</strong>zierten Kosten, man spricht von so genannten Sozialtransferleistungen.<br />
Nun sind direkt verursachte Kosten <strong>du</strong>rch erforderliche Sozialtransferleistungen<br />
bei Weitem nicht die einzige Auswirkung von Arbeitslosigkeit<br />
auf ein Gesellschaftssystem. Soziale Spannungen, Gettoisierung in der Wohnbevölkerung,<br />
Segregation, erschwerte Integration von Migranten, Bil<strong>du</strong>ngsproblematik,<br />
Delinquenz, <strong>und</strong> ähnliches mehr ist mehr oder weniger unmittelbar als<br />
Folge von Arbeitslosigkeit zu betrachten. Im Einzelnen:<br />
4.1.1. Kosten für Sozialtansferleistungen<br />
Arbeitslosigkeit verursacht gesamtwirtschaftliche Kosten, das ist ein Gemeinplatz.<br />
Monatlich müssen von der öffentlichen Verwaltung Sozialtransfers an die Menschen,<br />
die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen<br />
bestreiten können, überwiesen werden, um deren soziokulturelles Existenzminimum<br />
sicherzustellen. Soziokulturell meint, dass nicht nur das physische Überleben,<br />
sondern auch die Teilnahme an gesellschaftlichen Ereignissen mit diesen Mitteln<br />
gewährleistet sein muss. Die Diskussion über Inhalte der so genannten Regelsätze<br />
wird immer wieder kontrovers in der Öffentlichkeit geführt. Immer geht<br />
es um die Frage, was unter „sozio-kulturell“ zu verstehen ist. Gehören Genussmittel<br />
wie Tabak <strong>und</strong> Alkohol dazu? Bil<strong>du</strong>ng? Teilnahme an Veranstaltungen? Zugehörigkeit<br />
zu Vereinen? Was muss die Gesamtheit Menschen ohne eigenes Einkommen<br />
finanzieren, damit diese als Teile eben dieser Gesellschaft leben können?<br />
Doch die <strong>du</strong>rch Arbeitslosigkeit verursachten Kosten stellen sich bei genauerem<br />
Hinsehen noch weitaus differenzierter dar, denn nicht allein die Sozialtransfers<br />
kosten Geld, sondern dazu auch die Leistungen, die für die von Arbeitslosigkeit<br />
betroffenen Menschen an die Kranken-, Pflege-, Rentenkassen entrichtet werden<br />
müssen. Wer ohne Arbeit ist entrichtet keine Arbeitnehmerabgaben zu den Sozialversicherungen,<br />
die Gemeinschaft muss dies übernehmen. Aufgr<strong>und</strong> der fehlenden<br />
Lohn- <strong>und</strong> Gehaltseinnahmen der Betroffenen erfolgen Mindereinnahmen<br />
an Steuern <strong>und</strong> Beiträgen für den Staat.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 29<br />
Diese messbaren Aufwen<strong>du</strong>ngen für die Zahlungen n Arbeitslosengeld des Jahres<br />
2007 stellt sich in der Summe wie folgt dar:<br />
4.1.2 Opportunitätskosten<br />
Neben diesen messbaren <strong>und</strong> damit relativ leicht zu beziffernden Kosten entstehen<br />
der Gesellschaft <strong>du</strong>rch strukturelle Arbeitslosigkeit noch so genannte Opportunitätskosten.<br />
Das sind Kosten <strong>du</strong>rch nicht genutzte Arbeitskraft <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit<br />
der arbeitslosen Menschen <strong>und</strong> damit <strong>du</strong>rch entgangenen „Nutzen“ für<br />
die Gesellschaft. Diese Kosten sind allerdings kaum mess- <strong>und</strong> damit schwer bezifferbar.<br />
Teilweise zielen arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, wie zum Beispiel
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 30<br />
Arbeitsgelegenheiten (1-Euro-Jobs) darauf ab, Opportunitätskosten zu vermeiden<br />
<strong>und</strong> solchen Nutzen zu erzeugen.<br />
4.1.3 weitere Auswirkungen<br />
Über die genannten Folgen hinaus entstehen gesamtgesellschaftlich Auswirkungen,<br />
oft verb<strong>und</strong>en mit materiellen Aufwen<strong>du</strong>ngen, für alle Lebenssituationen, die<br />
mit Arbeitslosigkeit zusammenhängen. Auch wenn diese Folgen nicht in jedem<br />
Fall unmittelbar <strong>und</strong> offensichtlich kausal verknüpft sein müssen, tragen sie aber<br />
sehr häufig zumindest als Begleiterscheinung zum Ergebnis bei. Zu diesen Folgen<br />
zählen beispielsweise:<br />
- Obdachlosigkeit<br />
- Delinquenz<br />
- Kosten für das Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />
- Jugendhilfekosten<br />
- Auswirkungen <strong>und</strong> Kosten für das Bil<strong>du</strong>ngssystem<br />
- Vertrauensverlust in das politische System <strong>und</strong> dergleichen mehr (Brinkmann,<br />
Wiedemann 1994).<br />
- Segregation im Sozialraum, Gettoisierung<br />
- Ausbleibende Integration von MigrantInnen<br />
- gesellschaftliche Segregation (In-Groups/Out-Groups)<br />
- Altersarmut<br />
- Benachteiligung ganzer Bevölkerungsgruppen (AGG)<br />
Versuche diese Kosten zu messen <strong>und</strong> bezifferbar zu machen scheitern schon im<br />
Ansatz. Unterschiedliche Zuständigkeiten von Behörden <strong>und</strong> Schwierigkeiten in<br />
der Erfassung der Daten lassen kaum grobe Schätzungen geschweige konkrete<br />
Zahlenangaben zu.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 31<br />
4.2. Auswirkungen für das Indivi<strong>du</strong>um<br />
In erster Linie ist von Arbeitslosigkeit mit all ihren nachteiligen Folgen natürlich<br />
der jeweilige Mensch betroffen. Nicht allein finanzielle Einbußen, sondern eine<br />
Vielzahl von Einschränkungen, Benachteiligungen, Risiken deren subjektive Verarbeitung<br />
<strong>du</strong>rch die Betroffenen uneinheitlich erfolgt, gehen mit dem Verlust des<br />
Arbeitsplatzes einher. In einer Gesellschaft, die sich nahezu ausschließlich über<br />
Erwerbstätigkeit definiert ist der Arbeitslose schnell überflüssig. „In beiden Fällen<br />
geht es um Überflüssige – überflüssig für die Erwerbsarbeit <strong>und</strong> überflüssig für<br />
die soziale oder politische Partizipation. Überflüssig zu sein bedeutet Schwierigkeiten<br />
zu haben, den Alltag zu organisieren, zu viel Zeit zu haben <strong>und</strong> zu wenig<br />
Anlass für Sinnstiftendes“ (Dangschat, 2008, S. 138). Die Inklusionskraft der Erwerbsarbeit<br />
geht weit über die Erzielung von Geldeinkommen hinaus (Pomberger<br />
2008 S. 7). Robert Castel unterscheidet zwei Dimensionen der Exklusion, nämlich<br />
zum einen „non-integration“ in den Arbeitsmarkt <strong>und</strong> zum Zweiten „noninsertion“<br />
in die sozialen Beziehungen (vgl. Castel, 2000). Arbeit ist unbestritten<br />
eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Integration. Wer seinen Arbeitsplatz<br />
verliert, läuft Gefahr, an den Rand der Gesellschaft zu geraten oder ganz<br />
aus dieser heraus zu fallen (Belwe 2008, S. 2). Die Art <strong>und</strong> Weise wie die Betroffenen<br />
diese Situation verarbeiten, welches Ausmaß subjektive Belastung annimmt<br />
<strong>und</strong> welche Folgen auftreten ist verschieden. Empirisch ist vor allem belegbar,<br />
dass die Annahme einer mechanischen Verarbeitung von Arbeitslosigkeit verfehlt<br />
ist: Unterschiedliche Verarbeitungsformen sind nachweisbar, die es erschweren,<br />
wenn nicht gar unmöglich zu machen scheinen, überhaupt noch zu verallgemeinerungsfähigen<br />
Aussagen zu kommen (Brinkmann, Wiedemann 1994, S. 182).<br />
Die wesentlichen Aspekte der Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das Indivi<strong>du</strong>um<br />
sollen hier aufgezeigt werden. Man kann auch, wie es Markus Pomberger in<br />
seinem Beitrag zur APuZ in der Ausgabe 40-41/2008 „Arbeitslosigkeit: Psychosoziale<br />
Folgen“ getan hat, fragen: „Was fehlt, wenn Arbeit fehlt<strong>…</strong>“ <strong>und</strong> z.B. auf die<br />
Marienthalstudie (Jahoda, Lazarsfeld, Zeisel, 1975) verweisen. Es gibt eine derartige<br />
Vielzahl von Folgeerscheinungen der Arbeitslosigkeit, dass nicht alle an dieser<br />
Stelle behandelt werden können.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 32<br />
Ich möchte die wichtigsten indivi<strong>du</strong>ellen Folgen von Arbeitslosigkeit nur stichpunktartig<br />
wie folgt zusammenfassen:<br />
4.2.1. Finanzielle Folgen:<br />
Verschul<strong>du</strong>ng, Wohnungsverlust, Sperrung von Kommunikationsversorgung,<br />
Sperrung der Energieversorgung, Ernähungsdefizite. Auch wenn <strong>du</strong>rch Sozialtransferleistungen<br />
die Folgen von Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>enem Einkommensverlust<br />
teilweise aufgefangen werden, so steigt das Armutsrisiko mit<br />
Verlust des Arbeitsplatzes dramatisch an.<br />
4.2.2 Ges<strong>und</strong>heitliche Folgen:<br />
psychische <strong>und</strong> physische Erkrankungen, Deprivation, Depravation, (Zukunfts-)<br />
Ängste, Verlust der Erfahrung der Selbstwirksamkeit, Verlust der Identität. Die<br />
nachteiligen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die Ges<strong>und</strong>heit sind vielfältig<br />
<strong>und</strong> werden <strong>du</strong>rch eine Vielzahl empirischer Studien (s.u.) bestätigt. Seit einiger<br />
Zeit sind verstärkt Bestrebungen zu verzeichnen, dem entgegen zu wirken. Kooperationen<br />
von Gr<strong>und</strong>sicherungsstellen, Krankenkassen, Bil<strong>du</strong>ngsträgern mit<br />
dem Ziel die Folgen zu verringern entstehen mehr <strong>und</strong> mehr.<br />
4.2.3. Soziale Folgen:<br />
Exklusion, räumliche Segregation, ausbleibende Integration, Bil<strong>du</strong>ngsverlust, Dequalifizierung,<br />
Re<strong>du</strong>ktion oder Verlust persönlicher Netzwerke, Delinquenz, Kommunikationsverlust,<br />
Fehlende Akzeptanz. Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit<br />
im sozialen Raum sind m.E. noch immer nicht in ihrer vollen Tragweite erfasst.<br />
Niemand vermag wirklich genau zu sagen, welche Auswirkungen beispielsweise<br />
Segregation von MigrantInnen auf deren Integration <strong>und</strong> Bil<strong>du</strong>ng hat, oder wie<br />
sich der Verlust persönlicher Netzwerke auf die Entstehung von psychischen <strong>und</strong>
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 33<br />
physischen Erkrankungen auswirkt.<br />
4.2.4. Raum-zeitliche Folgen:<br />
Verlust der Tagesstruktur, Verlangsamung des gesamten Lebens, Verlust von<br />
raum-zeitlichen Beziehungsgeflechten.<br />
Häufung, Auswirkungen <strong>und</strong> Verarbeitungsmechanismen der Folgen von Arbeitslosigkeit<br />
sind indivi<strong>du</strong>ell <strong>und</strong> subjektiv verschieden. Einflussfaktoren sind nach<br />
einer Sächsischen Längsschnittstudie (vgl. Kauls, 2004) Alter, Qualifikation, Familienstand,<br />
Anzahl der Arbeitslosigkeitserfahrungen. Es lässt sich jedoch feststellen,<br />
dass die Folgen der Arbeitslosigkeit sich mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit<br />
verstärken <strong>und</strong> kumulieren. Die augenscheinlichsten <strong>und</strong> am besten<br />
untersuchten Folgen sind die ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen der Arbeitslosigkeit.<br />
So kommt eine Studie von Michael Bellwinkel <strong>und</strong> Erika Zoike (Bellwinkel, Zoike,<br />
2007, S. 471 - 484) zu dem Ergebnis, dass bei Stoffwechselerkrankungen die<br />
Krankheitstage von Arbeitslosen viermal so hoch sind, wie die von Privatversicherten,<br />
psychische Störungen lägen um den Faktor 3,6 höher als bei Pflichtversicherten.<br />
Nicht nur die Beeinträchtigung der Lebenssituation der Betroffenen, auch die<br />
Kosten die aus diesen Erkrankungen für das Versicherungssystem resultieren ist<br />
immens. Aus Mindereinnahmen an Beiträgen <strong>und</strong> Mehrausgaben für die Erkrankungen<br />
ergibt sich eine Deckungslücke für die Kassen von 15 Mrd. € (bei 4,3 Mio.<br />
Arbeitslosen in 2006).<br />
Doch nicht nur real eingetretene Arbeitslosigkeit hat die genannten negativen<br />
Folgen für die Betroffenen, bereits die Bedrohung eines möglichen Arbeitsplatzverlustes<br />
hat gravierende Auswirkungen auf das psychische Befinden (Kauls,<br />
2004, S. 20). So macht sich in den alten B<strong>und</strong>esländern jeder vierte Beschäftigte,<br />
in den neuen B<strong>und</strong>esländern jeder Dritte große Sorgen um die Zukunft seines<br />
Arbeitsplatzes. Die Sorge ist nach der Studie des Sozioökonomischen Panels des<br />
DIW vor allen Dingen mit der seit dem in Krafttreten des SGB II größer gewordenen<br />
Einkommensungleichheit <strong>und</strong> der als Status bedrohend empf<strong>und</strong>enen Wirkung<br />
von „Hartz IV“ begründet (SOEP Paper Nr. 279). Die ges<strong>und</strong>heitliche Beein-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 34<br />
trächtigung ist nur ein Teilaspekt, die gesamte Lebenszufriedenheit sinkt signifikant.<br />
Für den Zusammenhang von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit gibt es zwei Erklärungsmodelle,<br />
die Kausalitätstheorie, nach welcher Menschen wegen der Arbeitslosigkeit<br />
krank werden, <strong>und</strong> die Selektionstheorie, nach der Menschen die häufiger<br />
krank sind, eher entlassen <strong>und</strong> damit arbeitslos werden. Beide Theorien lassen<br />
sich in wissenschaftlichen Studien empirisch belegen. In der Sächsischen<br />
Längsschnittstudie wird eine Wechselwirkung im Sinne eines Teufelskreises angenommen.<br />
Personen, die krank sind, werden eher arbeitslos als Ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> bleichen<br />
es auch länger (Kauls 2004, S. 40). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das<br />
IAB, das ergänzend hinzufügt, dass eine gesellschaftliche Stigmatisierung mit indivi<strong>du</strong>eller<br />
Schuldzuweisung den sozialen Abstieg forcieren kann <strong>und</strong> die psychische<br />
Belastung zusätzlich erhöht (Holleder 2003). Um die aufgezeigten Folgen der<br />
Arbeitslosigkeit auf Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Lebenssituation, verb<strong>und</strong>en mit den da<strong>du</strong>rch<br />
notwendig werdenden finanziellen Aufwen<strong>du</strong>ngen, zu mindern werden die unterschiedlichsten<br />
Projekte ins Leben gerufen. JobFitRegional in NRW, AmigA in Berlin<br />
Brandenburg, Ges<strong>und</strong>heitsprojekt-Sozial aus Sachsen. Alle arbeiten mit sicherlich<br />
gut gemeinen Ratschlägen, Tipps zur Verhaltensänderung, Aufklärung, Selbsthilfegruppen,<br />
aber „die beste Maßnahme zur Ges<strong>und</strong>heitsförderung bei Arbeitslosen<br />
<strong>und</strong> Senkung der Kosten bei der Gesetzlichen Krankenkasse, so ist es aus den<br />
dargestellten Bef<strong>und</strong>en zu schlussfolgern, wäre die Bereitstellung von Arbeitsplätzen<br />
für alle Arbeitslosen“ (Bellwinkel, Zoike, 2007, S. 47a).<br />
5. Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit<br />
In Anlehnung an die unterschiedlichen Theorien zur Entstehung von Arbeitslosigkeit<br />
gibt es unterschiedliche Theorien zu deren Bekämpfung. Man unterscheidet<br />
hier im Wesentlichen Beschäftigungspolitik <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik, letztere wiederum<br />
ist unterteilt in aktive <strong>und</strong> passive Arbeitsmarktpolitik.<br />
Während die Beschäftigungspolitik die Absicht verfolgt, das Arbeitsvolumen insgesamt<br />
zu heben, soll mit der Arbeitsmarktpolitik der Arbeitsmarkt strukturell verbessert<br />
werden. Beide Ansätze zielen also auf eine Optimierung der bestehenden
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 35<br />
Situation ab <strong>und</strong> nicht auf eine gr<strong>und</strong>sätzliche Veränderung. Einen Ansatz Erwerbsarbeit<br />
insgesamt zu überwinden als Konsequenz der Marx’schen Theorie<br />
findet sich lediglich in sehr abgemilderter Form.<br />
Zum Unterschied zwischen Beschäftigungspolitik <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik schreibt<br />
Gert Wagner: „Gesamtwirtschaftlich orientierte Beschäftigungspolitik dient der<br />
Anhebung des Arbeitsvolumens insgesamt, während Arbeitsmarktpolitik auf eine<br />
Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes zielt“. (Wagner, 2000, s.<br />
223f). Man kann den Zusammenhang von Beschäftigungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitischen<br />
Maßnahmen wie folgt darstellen:<br />
Maßnahmen der Politik zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit<br />
Transnational<br />
National<br />
National<br />
Beschäftigungspolitik<br />
Arbeitsmarkpolitik<br />
aktiv<br />
passiv<br />
Angebot<br />
Nachfrage<br />
• Lohnpolitik.<br />
• Gewerkschaften,<br />
• Lohnnebenkosten,<br />
• Sozialsysteme,<br />
• Fiskalpolitik,<br />
• Geldpolitik<br />
• <strong>…</strong><strong>…</strong><br />
• Vermittlungsbudget<br />
• Arbeitsgelegenheiten<br />
• „Freie Förderung“<br />
• Förderung der beruflichen<br />
Weiterbil<strong>du</strong>ng<br />
• (Sanktionen)<br />
• <strong>…</strong>..<br />
• Eingliederungszuschuss<br />
• Arbeitsbeschaffungsm.<br />
• Kurzarbeitergeld<br />
• Einstiegsgeld<br />
• <strong>…</strong><strong>…</strong>.<br />
• Arbeitslosengeld<br />
• ArbeitslosenG II<br />
• Insolvenzgeld<br />
• Kurzarbeitergeld<br />
• Vorruhestand<br />
• <strong>…</strong>.<br />
Graphik: eigene Darstellung<br />
5.1 Beschäftigungspolitik<br />
Beschäftigungspolitik umfasst das Spektrum von staatlichen Maßnahmen, welche<br />
die Arbeitslosigkeit bekämpfen <strong>und</strong> die Vollbeschäftigung der gesamten erwerbsfähigen<br />
Bevölkerung oder einer bestimmten Bevölkerungsgruppe anstreben<br />
(http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=97).
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 36<br />
Beschäftigungspolitik versucht also mit geeigneten Maßnahmen, die Arbeitsmarktsituation<br />
auf nationaler Ebene, zu nehmend aber auch auf transnationaler,<br />
sprich europäischer, Ebene zu steuern. Seit den 90er Jahren werden hierzu im<br />
Europäischen Parlament Vereinbarungen <strong>und</strong> Strategiepapiere entwickelt, auf deren<br />
Gr<strong>und</strong>lage von der Europäischen Union den jeweiligen Staaten Zielvorgaben<br />
unterbreitet werden. So wurden 1993 im Vertrag von Maastricht EU-Richtlinien zu<br />
Beschäftigungspolitik festgeschrieben <strong>und</strong> im Jahr 2000 die „Strategie für nachhaltiges<br />
Wachstum <strong>und</strong> Beschäftigung in Europa“, die so genannte Lissabon-<br />
Strategie, vereinbart. Mit diesen Übereinkünften sollte nationalstaatsübergreifend<br />
nachfrageseitig Beschäftigungsförderung betrieben werden. In den Papieren wurde<br />
die Subsidiarität sozialstaatlicher Transferleistungen bekräftigt <strong>und</strong> die Schaffung<br />
neuer, vor allem wissensbasierter Arbeitsplätze vereinbart. Die Instrumente<br />
die der Beschäftigungspolitik, vor allem auf europäischer Ebene zur Verfügung<br />
stehen, sind die „Beschäftigungspolitischen Leitlinien“ des Ministerrates die dieser<br />
jährlich auf Gr<strong>und</strong>lage des EG-Vertrages erlässt. Die Ziele dieser Richtlinien sind<br />
die Koordination der einzelstaatlichen aktiven <strong>und</strong> passiven Arbeitsmarktpolitik,<br />
die Koordination der jeweiligen Bil<strong>du</strong>ngspolitik, die Anpassung der sozialen Sicherungssysteme,<br />
die Förderung der Chancengleichheit, die Förderung der Flexibilität<br />
der Arbeitnehmer, er Schutz der Arbeitnehmerrechte. Die Möglichkeiten der<br />
Einflussnahme auf die nationale Beschäftigungspolitik sind derzeit noch sehr gering.<br />
So hat die Kommission, nachdem sie in ihrem ersten Erfahrungsbericht festgestellt<br />
hatte, dass nicht alle Länder der aktiven Arbeitsmarktpolitik den Vorzug<br />
vor passiver Arbeitsmarktpolitik einräumen, die Mitgliedstaaten <strong>und</strong> Tarifparteien<br />
nochmals aufgefordert, die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer <strong>du</strong>rch entsprechende<br />
Qualifizierungsmaßnahmen zu verbessern. Möglichkeiten der Sanktionierung<br />
einzelstaatlicher Versäumnisse oder Nichteinhaltung von Vereinbarungen<br />
bestehen nicht.<br />
Die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland hat bisher kaum eine gezielte <strong>und</strong> eigenständige<br />
Beschäftigungspolitik im Sinne von gezielter Steuerung der Wirtschafts-, Geld-,<br />
Fiskal-, Lohn- <strong>und</strong> Sozialpolitik betrieben. Beschäftigungspolitik ist bislang eher<br />
als eine abhängige Variable der Wirtschaftspolitik betrachtet wurden, mit dem Ergebnis,<br />
dass sie auch immer wieder dieser nach- <strong>und</strong> untergeordnet wurde. Einzelne<br />
Maßnahmen, wie das von Gerhard Schröder ins Leben gerufene „Bündnis<br />
für Arbeit“ scheiterten recht kläglich.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 37<br />
Die Auswahl der Maßnahmen der staatlichen Beschäftigungspolitik ist abhängig<br />
von der zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Theorie über die Entstehung der Arbeitslosigkeit<br />
(vgl. o. 3.2). Während Anhänger des keynesianischen Ansatzes versuchen die<br />
Nachfrage über eine Erhöhung des verfügbaren Einkommens zu steigern, versuchen<br />
Neoliberale über eine Senkung der Kosten der Arbeit, Flexibilisierung des<br />
Arbeitsmarktes, verstärkte Aktivierung der arbeitslosen Menschen zusätzliche<br />
Arbeitsplätze zu schaffen. Die B<strong>und</strong>esrepublik hat sich beschäftigungspolitische<br />
Leitlinien für die Jahre 2008 – 2010 gegeben, die auf die übergreifenden Ziele<br />
Vollbeschäftigung, Steigerung der Arbeitsplatzqualität <strong>und</strong> Arbeitsplatzpro<strong>du</strong>ktivität<br />
<strong>und</strong> Stärkung des sozialen Zusammenhalts <strong>und</strong> soziale Eingliederung ausgerichtet<br />
sind<br />
(http://www.bmas.de/portal/13998/europaeische__beschaeftigungspolitik.html).<br />
Dieses Ziel wurde im Rahmen der Agenda 2010 überwiegend mit neoliberalen<br />
Mitteln versucht zu erreichen. Ein Einfluss von politischer Seite mit finanziellen<br />
Mitteln auf die Entstehung von Arbeitsplätzen <strong>und</strong> die Bereitschaft zu Einstellungen<br />
von Personal bei Wirtschaftsunternehmen gestaltet sich zunehmend schwieriger,<br />
da die Wirtschaft zunehmend globaler agiert <strong>und</strong> andererseits der Einfluss<br />
der Nationalstaaten auf Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sinkt.<br />
Beschäftigungspolitik, vor allen Dingen auch europäische Beschäftigungspolitik<br />
wird oftmals kritisiert. So sei eine europäische Politik nicht geeignet <strong>und</strong> nicht in<br />
der Lage den unterschiedlichen nationalen Bedürfnissen in gemeinsamen beschäftigungspolitischen<br />
Leitlinien nicht hinreichend Rechnung zu tragen (Lesch,<br />
2000, S. 14 – 15). Auch seien ohne Arbeitsmarktreformen die vielfach strukturellen<br />
Probleme nicht zu lösen (a.a.O., S. 14 – 15). Die Kritik an der Beschäftigungspolitik<br />
ist vielfach neoliberal motiviert. So sei für eine wirksame Beschäftigungspolitik<br />
die Deregulierung der Arbeitsmärkte nicht weit genug fortgeschritten,<br />
noch immer sei die Mobilität <strong>und</strong> Flexibilität der Arbeitnehmer zu stark eingeschränkt,<br />
es fehle an Koordination der Geld-, Fiskal- <strong>und</strong> Lohnpolitik (Kasten,<br />
Soskice, 2000, S. 14 – 15).
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 38<br />
5.2 Arbeitsmarktpolitik<br />
„Arbeitsmarktpolitik ist ein Teilbereich der Arbeitspolitik <strong>und</strong> umfasst alle Maßnahmen<br />
der öffentlichen Hand, die eine regulierende Funktion auf das Zusammenspiel<br />
von Arbeitsangebot <strong>und</strong> Arbeitsnachfrage in einer Volkswirtschaft haben.<br />
Der Einsatz von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten resultiert aus der politischen<br />
Auffassung, dass ein freier bzw. unregulierter Arbeitsmarkt Phänomene<br />
zeitigt, die gesellschaftlich nicht wünschenswert sind. Arbeitsmarktpolitik kann insofern<br />
sowohl explizit Gegenstand einer politischen Programmatik, wie etwa in<br />
einer sozialen Marktwirtschaft sein oder auch implizit aus pragmatischem Handeln<br />
in liberalen Wirtschaftssystemen resultieren“<br />
(http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsmarktpolitik). Zentrale Träger der Arbeitsmarktpolitik,<br />
die ihre Ursprünge bereits in der Weimarer Republik hatte, sind die<br />
B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit <strong>und</strong>, seit 2005 das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen<br />
am Arbeitsmarkt in Kraft getreten ist, die Gr<strong>und</strong>sicherungsstellen (Argen,<br />
JobCenter), eine vernachlässigbare Position nehmen die B<strong>und</strong>esländer ein.<br />
Arbeitsmarktpolitik untergliedert sich in zwei Sektoren, es wird gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
unterschieden zwischen „aktiver“ <strong>und</strong> „passiver“ Arbeitsmarktpolitik.<br />
Die Arbeitsförderung soll dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken <strong>und</strong><br />
<strong>du</strong>rch Verbesserung der indivi<strong>du</strong>ellen Beschäftigungsfähigkeit Langzeitarbeitslosigkeit<br />
vermeiden (§ 1 Sozialgesetzbuch Dritter Teil, SGB III). Mit der aktiven<br />
Arbeitsmarktpolitik soll also einerseits die „Marktgängigkeit“ der Arbeitslosen verbessert<br />
werden <strong>und</strong> andererseits ein sozialer Ausgleich in Form von Chancengleichheit<br />
erzielt werden (vgl. APuZ 27/2009). Es stehen hierfür zwei gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Arten von Instrumentarien zur Verfügung.<br />
Zum einen können so genannte nachfrageorientierte Maßnahmen ergriffen werden.<br />
Hierunter versteht man alle Anreize die Arbeitgebern gegenüber geschaffen<br />
werden um Arbeitslose, insbesondere Menschen mit so genannten Hemmnissen<br />
oder „Handlungsbedarfen“ einzustellen. Zu diesen Anreizen zählen vor allem Möglichkeiten<br />
der Subventionierung (Arbeitgeberzuschüsse etc.) <strong>und</strong> Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen,<br />
Probearbeiten u.ä. Zu den nachfrageorientierten Instrumenten<br />
gehören im weitesten Sinne auch präventive Maßnahmen zum Erhalt von Arbeits-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 39<br />
plätzen wie zum Beispiel Kurzarbeitergeld an Arbeitgeber oder Zuschüsse für<br />
Existenzgründer.<br />
Alternativ zu nachfrageorientierten zielen angebotsorientierte Maßnahmen vor allem<br />
auf die berufliche <strong>und</strong> die horizontale (räumliche) Mobilität der Arbeitslosen<br />
<strong>und</strong> sollen damit deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Die Maßnahmen<br />
zur beruflichen Mobilität zählen gewissermaßen zu den Kernelementen der<br />
aktiven Arbeitsmarktpolitik. Sie umfassen sämtliche Maßnahmen zur Ausbil<strong>du</strong>ng,<br />
Fortbil<strong>du</strong>ng <strong>und</strong> Umschulung, aber auch der sozialen Betreuung besonders der<br />
Problemgruppen. Die räumliche Mobilität der Arbeitslosen wird <strong>du</strong>rch Zuschüsse<br />
zu Bewerbungs-, Reise-, <strong>und</strong> Umzugskosten, Überbrückungsgeld, Familienheimfahrten<br />
etc. gefördert. Seit der Reform der Arbeitsverwaltung im Jahre 2005<br />
(Hartz Gesetze) zählen auch Arbeitsgelegenheiten (1-Euro-Jobs) zum angebotsorientierten<br />
Instrumentarium. Mit diesen Reformen hat die B<strong>und</strong>esregierung versucht,<br />
einerseits die Leistungsfähigkeit der Behörde B<strong>und</strong>esagentur zu steigern<br />
<strong>und</strong> andererseits den Druck auf die Arbeitslosen zu erhöhen. Mit Einführung des<br />
Arbeitslosengeldes 2 wurden beispielsweise die Zumutbarkeitsregelungen für die<br />
Aufnahme einer Beschäftigung verschärft, die ehemals am Einkommen orientierten<br />
Transferleistungen am Bedarf orientiert <strong>und</strong> Sanktionsmöglichkeiten ausgeweitet.<br />
Während mit Hilfe der aktiven Arbeitsmarktpolitik versucht wird, Arbeitslosigkeit<br />
zu verhindern oder, wenn sie eingetreten ist, schnellstmöglich wieder zu beenden,<br />
sollen mittels der passiven Arbeitsmarktpolitik die materiellen Auswirkungen<br />
der Arbeitslosigkeit gemildert werden. Es geht hier darum Einkommensausfälle zu<br />
kompensieren. Die Mittel die hierfür zur Verfügung stehen sind:<br />
- Arbeitslosengeld als Lohnersatzleistung<br />
- Arbeitslosengeld 2 (Gr<strong>und</strong>sicherung für Erwerbsfähige, „Hartz IV“<br />
- Insolvenzgeld als Lohnersatzleistung bei Arbeitslosigkeit <strong>du</strong>rch Insolvenz<br />
des Arbeitgebers<br />
- Zahlung von Kurzarbeitergeld als Lohnersatzleistung für den Einkommensausfall<br />
bei vom Arbeitgeber angeordneter, vorübergehender Verringerung<br />
der Arbeitszeit
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 40<br />
- Zahlung von Vorruhestandgeld <strong>und</strong> Altersruhegeld bei Überlastung des Ar<br />
beitsmarktes<br />
5.3 Kritik an Maßnahmen der Beschäftigungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik<br />
Die im öffentlichen Diskurs geäußerte Kritik an der Beschäftigungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik<br />
lässt sich im Wesentlichen in drei Bereiche untergliedern. Zunächst<br />
gibt es eine generelle Kritik am kapitalistischen System, daneben kann man separate<br />
Kritik der Beschäftigungs- <strong>und</strong> Kritik der Arbeitsmarktpolitik feststellen.<br />
5.3.1 Generelle Kritik<br />
Die generelle Kritik gegen Beschäftigungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik richtet sich<br />
im Gr<strong>und</strong>e gegen das System Kapitalismus oder Neoliberalismus selbst. Es<br />
wird einerseits bezweifelt, dass das System die gemachten Versprechungen<br />
„Wohlstand für Alle“ (Ludwig Erhard) erfüllen kann <strong>und</strong> andererseits angeführt,<br />
dass eine zunehmende Zahl von Menschen von gesellschaftlicher Teilnahme aus<br />
geschlossen werden.<br />
Das Ziel der Beschäftigungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik besteht wie wir gesehen<br />
haben darin, möglichst viele Menschen im Arbeitsmarkt zu integrieren. Dieses Ziel<br />
stellt gleichzeitig den Kern der generellen Kritik dar. Einerseits wird bezweifelt,<br />
dass Lohnarbeit gr<strong>und</strong>sätzlich erstrebenswert ist, andererseits wird bezweifelt,<br />
dass das Ziel mit den vorhandenen Mitteln zu erreichen ist. „Sozial ist, was Arbeit<br />
schafft“ sagen die Unionsparteien mit dem Beschluss der Präsidien der CDU/CSU<br />
vom 04. Mai 2003 (CDU/CSU, 2003), welcher Art die Arbeit ist, wird verschwiegen.<br />
Das Leistungsprinzip ist in der Krise (vgl. Schatz, 2004) <strong>und</strong> führt zu „Prekarisierung<br />
in Folge einer finanzgetriebenen Landnahme, welche Markt begrenzende<br />
Institutionen <strong>und</strong> Regulationssysteme umformt, aushöhlt <strong>und</strong> schwächt“ (Dörre,<br />
2009, S. 54). Das System Arbeitsmarkt mit dem Prozess der Kommodifizierung ist<br />
nicht länger in der Lage alle Angehörigen der Gesellschaft zu versorgen, es<br />
schafft eine ganze Klasse von Personen, die nicht länger benötigt werden, somit
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 41<br />
überflüssig werden (Bude, Willisch, 2008). Jeder Mensch wird nur noch unter dem<br />
Gesichtspunkt der Verwertbarkeit für den Arbeitsmarkt betrachtet. Das Leistungsprinzip,<br />
dem alle genügen müssen erhält eine rein wirtschaftliche Bedeutung. Nur<br />
was sich als (Geld)Wert schaffend, als Bruttoinlandspro<strong>du</strong>kt steigernd, als Volkseinkommen<br />
mehrend erweist, gilt als wertvoll <strong>und</strong> Markt attraktiv. Diese Haltung<br />
wird <strong>du</strong>rch die gängigen Mittel der Beschäftigungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik gefördert.<br />
Interessen der Arbeitnehmer an beispielsweise einem Lohn der ein wirt<br />
schaftlich unabhängiges Leben ermöglicht, an Arbeitsverträgen die eine Lebensplanung<br />
ermöglichen werden diesen Zielen untergeordnet. Die Schlagworte lauten<br />
„Flexibilität“ (Lessenich, 2009, S. 159), „Lohnsenkung“, „Zeitarbeit“. Diese<br />
Tendenz wirkt Demokratie gefährdend, so ein weiterer Kritikpunkt (Lösch, 2008,<br />
S. 240f). Wenn sich der Staat immer mehr zurückzieht, die gesellschaftsrelevanten<br />
Entschei<strong>du</strong>ngen immer mehr dem Markt überlässt, soziale Sicherungssysteme<br />
re<strong>du</strong>ziert werden, entsteht eine Mehrklassengesellschaft. Eliteklassen <strong>und</strong> Prekariat<br />
entwickeln sich auseinander, der Gr<strong>und</strong>satz der Gemeinsamkeit, der „common<br />
sense“ der den Kern der Gesellschaft bildet zerfällt.<br />
5.3.2 Kritik an der Beschäftigungspolitik<br />
Das Ziel der Beschäftigungspolitik besteht darin, über Steuerung der Wirtschafts-,<br />
Geld-, Fiskal-, Lohn- <strong>und</strong> Sozialpolitik, mittlerweile vermehrt auf transnationaler<br />
Ebene, Vollbeschäftigung zu erreichen. Diesem Ziel, so ein Ansatzpunkt von Kritik<br />
der Beschäftigungspolitik, werden nahezu alle Aktivitäten nachgeordnet.<br />
Seit Jahren werden beispielsweise eklatante Defizite im Bereich der Bil<strong>du</strong>ng konstatiert.<br />
Deutschland ist der OECD Studie von 2006 zu Folge eines der Länder in<br />
denen im Bereich der Bil<strong>du</strong>ng die größte Segregation zwischen Migranten <strong>und</strong><br />
Einheimischen erfolgt. Die Anstrengungen diesen Umstand zu korrigieren halten<br />
sich spürbar in Grenzen. „In fast allen Ländern können wir zwischen 1991 <strong>und</strong><br />
2006 eine deutliche Bil<strong>du</strong>ngsexpansion bei den 25 – 34-Jährigen nachzeichnen<strong>…</strong>Deutschland<br />
indes fiel zurück.“ (Allmendinger, 2009, S. 4)<br />
Ökologische Gesichtspunkte stehen, so ein anderes Beispiel, wie das unwürdige<br />
Taktieren <strong>und</strong> Feilschen um den CO²-Ausstoss auf der Klimakonferenz in Kopen-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 42<br />
hagen gezeigt hat, deutlich hinter wirtschaftlichen Überlegungen zurück.<br />
Die zentrale Kritik an der deutschen wie an der europäischen Beschäftigungspolitik<br />
richtet sich aber auch hier zunächst gegen die neoliberale Gr<strong>und</strong>haltung mit<br />
einseitiger Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Marktes mit den bekannten Folgen<br />
des Abbaues der sozialen Sicherungssysteme, der zunehmenden Deregulierung<br />
von Beschäftigung, des schwindenden Einflusses der .Arbeitnehmer <strong>und</strong> der<br />
Gewerkschaften. Durch die Abgabe von Kompetenzen an die Europäische Union<br />
verliert zudem der Nationalstaat Steuerungsmöglichkeiten, die EU hingegen ist<br />
nicht in der Lage die Probleme zu lösen (http://linksnet.de/de/artikel/18313), insbesondere<br />
in der aktuellen Krise ist die Europäische Union nicht in der Lage auf<br />
die anstehenden Probleme adäquat zu reagieren (Uni Bremen, 2009). Die aktuelle<br />
Krise Griechenlands ist vor allem „Ausdruck der Strukturmängel der Konstruktion<br />
des Maastrichter Vertrages, die in der Konzentration auf Geldpolitik <strong>und</strong> die<br />
Installierung eines Systems der Wettbewerbsstaaten zu sehen sind“ (Busch,<br />
2010). Aber auch die deutsche Beschäftigungspolitik wird innerhalb der EU immer<br />
wieder kritisiert. Die Politik Deutschlands sei zu angebotsorientiert <strong>und</strong> zu sehr<br />
auf die Handelsbilanz fixiert. Die deutsche Politik gilt aus diesem Gr<strong>und</strong> als unkooperativ<br />
den Nachbarländern gegenüber (F-E-S, 2010.)<br />
Die inländische Lohnpolitik hingegen wird in diesem Zusammenhang seit Jahren<br />
vernachlässigt. Zurückgehende Binnennachfrage, zunehmende Differenz zwischen<br />
Arbeitnehmerlöhnen <strong>und</strong> Unternehmensgewinnen sind die Folge. Das folgende<br />
Schaubild verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Löhne,<br />
der Binnennachfrage, der Anzahl der Erwerbstätigen <strong>und</strong> der erzielten Exporte<br />
<strong>und</strong> veranschaulicht damit die Beschäftigungspolitik der B<strong>und</strong>esrepublik in den<br />
letzten Jahren.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 43<br />
Schaubild 42<br />
Wirtschaftliche Entwicklung in ausgewählten Ländern 1)<br />
1999 = 100<br />
Arbeitnehmerentgelt je Erwerbstätigenst<strong>und</strong>e<br />
Log. Maßstab<br />
160<br />
150<br />
UK<br />
140<br />
NL<br />
130<br />
AT<br />
120<br />
FR<br />
110<br />
DE<br />
100<br />
95<br />
1999 00 01 02 03 04 05 06 07 2008<br />
Erwerbstätige 2) Log. Maßstab<br />
112<br />
NL<br />
110<br />
108<br />
FR<br />
106<br />
104<br />
UK<br />
DE<br />
AT<br />
102<br />
100<br />
98<br />
1999 00 01 02 03 04 05 06 07 2008<br />
Log. Maßstab<br />
130<br />
Bruttoinlandspro<strong>du</strong>kt 3)<br />
Preisentwicklung des Bruttoinlandspro<strong>du</strong>kts<br />
Log. Maßstab<br />
130<br />
125<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
FR<br />
UK<br />
AT<br />
NL<br />
DE<br />
UK<br />
NL<br />
FR<br />
AT<br />
DE<br />
125<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
100<br />
100<br />
95<br />
1999 00 01 02 03 04 05 06 07 2008<br />
1999 00 01 02 03 04 05 06 07 2008<br />
95<br />
Log. Maßstab<br />
200<br />
Exporte 4)<br />
Log. Maßstab<br />
130<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
DE<br />
AT<br />
UK<br />
NL<br />
FR<br />
NL<br />
FR<br />
UK<br />
AT<br />
DE<br />
125<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
100<br />
100<br />
95<br />
1999 00 01 02 03 04 05 06 07 2008<br />
Binnennachfrage 5) 95<br />
1999 00 01 02 03 04 05 06 07 2008<br />
1) In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Betrachtete Länder: AT-Österreich, DE-Deutschland, FR-Frankreich, NL-Niederlande,<br />
UK-Vereinigtes Königreich.– 2) Inlandskonzept.– 3) Preisbereinigt.– 4) Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen.– 5) Konsumausgaben <strong>und</strong> Bruttoinvestitionen.<br />
Quelle für eigene Berechnungen: EU<br />
© Sachverständigenrat<br />
Die nächste Übersicht zeigt die Entwicklung der Einkommen <strong>und</strong> der Unternehmensgewinne<br />
in der Zeit von Januar 2000 bis März 2009. Selbst unter Berücksichtigung<br />
des Einbruches 2008/2009 ist die Entwicklung unübersehbar: sinkenden<br />
Nettolöhnen stehen exorbitant steigende Unternehmensgewinne gegenüber.<br />
Beides kann als Ergebnis der Lohnpolitik als Teil der Beschäftigungspolitik der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik seit den 1980er Jahren betrachtet werden.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 44<br />
Einkommensentwicklung in Deutschland<br />
Die aufgeführten Beispiele ließen sich fast beliebig fortsetzen. Sie genügen meines<br />
Erachtens jedoch, um zu zeigen, dass die Beschäftigungspolitik sowohl in<br />
Deutschland als auch in Europa vollkommen angebotsorientiert agiert <strong>und</strong> trotz<br />
der aktuellen Wirtschaftskrise offensichtlich nicht Willens ist diesen Kurs zu verlassen.<br />
5.3.3 Kritik an der Arbeitsmarktpolitik<br />
Die Wirkungen im Hinblick auf die Vermei<strong>du</strong>ng von Arbeitslosigkeit, die mit Beschäftigungs-<br />
<strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik, gleich welcher Ausprägung tatsächlich erzielt<br />
werden <strong>und</strong> überhaupt erzielt werden können, sind zumindest umstritten.<br />
Während sich die Beschäftigungspolitik national wie international an Rahmenbedingungen<br />
des Arbeitsmarktes richtet, soll mit der Arbeitsmarktpolitik unmittelbar
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 45<br />
der Markt einerseits <strong>und</strong> die Arbeitskräfte andererseits beeinflusst werden.<br />
Auch in diesem Bereich werden die Auswirkungen der Entwicklung <strong>und</strong> der Reformen<br />
der letzten Jahre teilweise heftig kritisiert. Die seit den 70er Jahren stetig<br />
zunehmende Massenarbeitslosigkeit verhindert für einen Anteil von bis zu einem<br />
Drittel der Bevölkerung (Steinert, 2008, S. 110ff) gesellschaftliche Teilnahme,<br />
führt zur Exklusion der Betroffenen (Bude, 2008), die „Hartz-Gesetze“ sind nicht<br />
geeignet die Lebenssituation der Betroffenen zu verbessern, vielmehr handelt es<br />
sich um eine „Erziehung zur Armut“ (Kessl, Reutlinger, Ziegler (Hg), 2007). „Im<br />
Zentrum der aktivierungspolitischen wohlfahrtsstaatlichen Programmatik steht der<br />
tendenzielle Übergang von der „Staatsversorgung“ zur Selbstsorge, von der öffentlichen<br />
zur privaten Sicherungsverantwortung, vom kollektiven zum indivi<strong>du</strong>ellen<br />
Risikomanagement“ (Lessenich, 2009, S. 163) ohne jedoch die Frage zu beantworten<br />
ob die Menschen hierzu einerseits in der Lage sind <strong>und</strong> andererseits<br />
überhaupt tatsächliche Chancen der Realisierung dieses Überganges bestehen.<br />
Mit der aktiven Arbeitsmarktpolitik, gleich ob angebots- oder nachfrageorientiert<br />
soll Arbeitslosigkeit verhindert oder beseitigt werden, mit der passiven sollen die<br />
materiellen Nachteile der Arbeitslosigkeit ausgeglichen werden.<br />
Doch die Auswirkungen die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, entfalten stehen<br />
seit Jahren von unterschiedlichen Seiten in der Kritik.<br />
Der zentrale Vorwurf der gegen aktive Arbeitsmarktpolitik vorgebracht wird ist<br />
der, dass die tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsangebotes nicht beeinflusst<br />
werden können <strong>und</strong> nicht selten schlicht ignoriert werden. Weder nachfragenoch<br />
angebotsorientierte Maßnahmen sind geeignet Arbeitsplätze zu schaffen. Mit<br />
der „Transformation des keynesianischen Wohlfahrtsstaates“ (Dahme, Wohlfahrt,<br />
2005, S. 9f), manifestiert vor allem <strong>du</strong>rch die Gesetze für „moderne Dienstleistungen<br />
am Arbeitsmarkt, besser bekannt als „Hartz-Gesetze“, wurde das Prinzip<br />
der Versorgung zu Gunsten eine Prinzips der „Aktivierung“ von Sozialtransferleistungen<br />
beziehender Menschen aufgegeben. Bei der Verstärkung der „Aktivierung“<br />
wird einerseits Inaktivität <strong>und</strong> andererseits eine Nachfrage unterstellt, für dies es<br />
zu aktivieren gilt. „Schon der Terminus „aktivierende Arbeitsmarktpolitik“ diffamiert<br />
Erwerbslose im Gr<strong>und</strong>e als (zu) passiv, denn sonst könnten <strong>und</strong> müssten<br />
sie ja nicht <strong>du</strong>rch geeignete Maßnahmen „aktiviert“ werden (Butterwegge, 2007,<br />
S. 183). Man müsste in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, wozu
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 46<br />
Menschen aktiviert werden sollen. Es wird in diesem Zusammenhang oft vergessen,<br />
dass unsere Verfassung von einem Sozialstaatsverständnis getragen ist, das<br />
vorsieht, jeden Menschen ein ökonomisch <strong>und</strong> kulturell angemessenes Leben zu<br />
ermöglichen. Eine Arbeitspflicht oder die „Verpflichtung eine gesellschaftlich relevante<br />
Leistung abzuliefern“ (Dangschat, 2008, S. 143) hingegen ist nicht vorgesehen.<br />
Doch unabhängig von der Frage nach der Motivationslage der Menschen<br />
ohne Arbeit, besteht faktisch kaum eine Möglichkeit eine Arbeitsstelle zu finden.<br />
Der Begriff „aktivierende Arbeitsmarktpolitik unterstellt nämlich weiterhin, dass<br />
eine Nachfrage nach Arbeitskräften besteht, die mangels „Aktivität“, das meint im<br />
Übrigen „Motivation“ (Walther, 2005, S. 45), nicht befriedigt werden kann.<br />
Dem ist nicht so. Ein Blick auf die bei der B<strong>und</strong>esagentur gemeldeten Stellen im<br />
Vergleich zu den gemeldeten Arbeitslosen zeigt seit Mitte der 1970er Jahre eine<br />
erschreckende Diskrepanz. Im März 2010 sind bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit<br />
288.000 Stellen ohne Förderung (1-Euro-Jobs, ABM etc.) gemeldet, einen Ansatz<br />
für Teilzeitstellen unterstellt, kann von höchstens 150.000 - 200.000 freien Stellen<br />
die die Kriterien eines Normalarbeitsverhältnis‘ erfüllen entsprechen gesprochen<br />
werden. Dem stehen 3,5 Mio. gemeldete arbeitslose Menschen gegenüber, die so<br />
genannte stille Reserve <strong>und</strong> Personen, die sich in Fördermaßnahmen <strong>und</strong> ähnlichem<br />
befinden hinzugerechnet muss man von etwa 4,5 Mio. Arbeitslosen sprechen.<br />
Es besteht ein Missverhältnis von 25 – 30:1, heißt auf eine freie Stelle bewerben<br />
sich 25 – 30 arbeitslose Menschen.<br />
Die folgende Graphik der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit verdeutlicht das drastische<br />
Missverhältnis. Zu beachten ist die der Anzahlt der freien Stellen, dass die von der<br />
B<strong>und</strong>esagentur dargestellte Zahl auch die geförderten (ABM, 1-Euro-Jobs) <strong>und</strong><br />
Teilzeitstellen beinhaltet. Da in der Übersicht auch Teilzeitstellen beinhaltet sind,<br />
muss man, um Vollzeitäquivalente zu erhalten, die Zahl <strong>du</strong>rchaus um 40-50% re<strong>du</strong>zieren.<br />
Deutlich erkennbar die Arbeitsmarktsituation in den 60er <strong>und</strong> frühen<br />
70er Jahren, als Arbeitskräfte fehlten <strong>und</strong> Gastarbeiter ins Land geholt wurden,<br />
sowie die Entwicklung die mit den Ölkrisen Mitte der 70er Jahre einsetztet <strong>und</strong><br />
eine Arbeitslosigkeit verursacht hat, die sich seither nicht mehr maßgeblich verringerte.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 47<br />
Eine Vielzahl von Studien unterstreicht darüber hinaus, dass – trotz der belastenden<br />
Nachfragesituation - nahezu alle Arbeitslosen eine hohe Motivation mitbringen<br />
(Brenke, 2010, S. 3).<br />
Konsequenterweise erweisen sich auch die in der Arbeitsmarktpolitik eingesetzten<br />
Instrumente als nicht wirkungsvoll. So „zeigte sich in umfangreichen Evaluationsstudien,<br />
dass kaum eines dieser neuen [arbeitsmarktpolitischen B.F.] Instrumente<br />
erfolgreich sind. Gerade die meisten der <strong>du</strong>rch die „Hartz IV-Gesetzte“ implementierten<br />
Instrumente erwiesen sich als regelrechter „Flop“ (Oschmansky, Ebach,<br />
2009, S. 20).<br />
Eine Studie des IAB (Achatz, Trappmann, 2009, S. 2) zeigt, dass innerhalb der<br />
ersten 11 Monate nach Beginn des Leistungsbezuges nur etwa 6% der Betroffenen<br />
wegen Arbeitsaufnahme wieder aus dem Bezug von Sozialleistungstransfers<br />
ausscheiden. Man könnte also zu dem Ergebnis gelangen, die Gr<strong>und</strong>annahme der<br />
fehlenden Motivation ist unzutreffend, die ergriffenen Maßnahmen zeitigen keine<br />
Wirkung <strong>und</strong> folgerichtig bleibt das erhoffte Ergebnis aus.<br />
Bleibt die Frage, aus welchem Gr<strong>und</strong> angesichts solcher Realitäten immer wieder
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 48<br />
Leistungsbezieher als F<strong>und</strong>amentalverweigerer bezeichnet werden? Bleibt die<br />
Frage weswegen gegen einen Menschen, der Sozialleistungen bezieht <strong>und</strong> aus<br />
welchen Gründen auch immer, den Anforderungen des Amtes nicht genügt, Sanktionen<br />
verhängt werden. Sanktionen bedeuten immer eine Re<strong>du</strong>ktion der monetären<br />
Leistungen. Die Bandbreite des Handlungsspielraumes reicht von einer Absenkung<br />
um 10 % (das sind etwa 36.- €/mtl.) bis zu einer vollständigen Versagung<br />
der Leistung, in jedem Fall zwingend ausgesprochen für drei Monate. Seit<br />
Jahren ist diese Praxis höchst umstritten. Während auf politischer Seite beispielsweise<br />
vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch eine Arbeitspflicht für<br />
Transferleistungsempfänger <strong>und</strong> eine Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> –praxis gefordert werden <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>sicherungsstellen gar zur Durchsetzung<br />
verpflichtet werden sollen (Koch, 2010), halten andere, wie die Juso Vorsitzende<br />
Franziska Drohsel die gesamte Vorschrift für verfassungswidrig (Drohsel,<br />
2010), da sie gegen die geforderte Achtung der Menschenwürde <strong>und</strong> gegen das<br />
Sozialstaatsprinzip verstößt. Mittlerweile hat sich ein breites Bündnis für die Aussetzung<br />
der Sanktionsvorschrift des § 31 SGB II gebildet, dem neben einigen<br />
Verbänden wie Tacheles e.V., auch viele prominente Einzelpersonen (F. Drohsel,<br />
K. Dörre, K. Kipping, C. Offe) angehören (http://www.sanktionsmoratorium.de).<br />
Weitere Argumente werden gegen Sanktionen vorgebracht. Zum einen besteht<br />
die Argumentationslogik der Sanktion nicht selten in einem unzulässigen Zirkelschluss.<br />
Wenn die Gr<strong>und</strong>sicherungsstelle nach einem Profiling zu dem Ergebnis<br />
gelangt, dass ein bestimmtes Verhalten oder eine Kompetenz wie Zuverlässigkeit,<br />
Tagesstruktur, Pünktlichkeit <strong>und</strong> ähnliche erlangt werden soll richtet sie regelmäßig<br />
zur Vermittlung dieser Kompetenz bei einem Bil<strong>du</strong>ngsträger eine Maßnahme<br />
ein zu der die im Leistungsbezug stehenden Menschen geschickt werden. Wenn<br />
diese Menschen nun nicht, nicht pünktlich oder nicht regelmäßig an der Maßnahme<br />
teilnehmen, tritt eine Sanktionierung dieses Verhaltens ein. Nun sollte aber ja<br />
genau das Verhalten, das nicht an den Tag gelegt wurde, erst <strong>du</strong>rch die Maßnahme<br />
„erlernt“ werden. Die Sanktionslogik ist demnach unzulässig zirkulär.<br />
Auch besteht ein Problem darin, dass die MitarbeiterInnen der Gr<strong>und</strong>sicherungsstellen<br />
gelegentlich eklatante beraterische Defizite aufweisen, so dass die Gründe<br />
die zu einer Sanktion führen, möglicherweise nicht in jedem Fall dem Verhalten<br />
des Leistungsbeziehers zuzurechnen sind. Göckler stellt beispielsweise in einer<br />
Untersuchung zu Sanktionsgesprächen fest, dass nach - expressis verbis als sol-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 49<br />
che terminierten - Sanktionsgesprächen etwa 10% der Sanktionierten unmittelbar<br />
nach dem Gespräch, in dem die Sanktion verhängt wurde, von diesem Umstand<br />
keinerlei Kenntnis hatten <strong>und</strong> angaben, das Thema „Sanktion“ habe in dem eben<br />
geführten Gespräch keine Rolle gespielt (Göckler, 2009, S. 305). Eine Beratung<br />
darüber, wie mit der für den oder die Sanktionierte/n höchstwahrscheinlich problematischen<br />
Situation umgegangen werden kann, gemeinsame Ermittlung von<br />
Auswegen oder Alternativen oder Angebote darüber wo Hilfe zu finden ist haben,<br />
so Göckler, in solchen Gesprächen wenig Raum. Folgerichtig kommt Göckler daher<br />
zu dem Ergebnis „Ein professionelles Beratungsverständnis fehlt in der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherung“ (Göckler, 2009, S. 329). Unter den geschilderten Voraussetzungen<br />
Kürzungen bei der als Existenzminimum angesehenen Transferleistung vorzunehmen<br />
halte ich für zumindest sehr fragwürdig.<br />
Auch aus wirtschaftsnaher Seite erfolgte Kritik an den gesetzlichen Veränderungen.<br />
Im Hinblick auf die passive Arbeitsmarktpolitik beklagt man von dort die<br />
überwiegend reaktive Haltung der Politik, die zu wenig gestaltend auf den<br />
Arbeitsmarkt wirkt. Mittels hoher Lohnersatzleistungen wird die Flexibilität der<br />
Arbeitnehmer eingeschränkt <strong>und</strong> damit wiederum Segmentierung gefördert werden<br />
(Blanke, Schmid, 1999, S. 19). Die Arbeitsmarktpolitik sei nicht in der Lage<br />
Megatrends wie Globalisierung, Tertiarisierung, Informatisierung <strong>und</strong> Demographischen<br />
Wandel zu begegnen (Klös, Scharnagel, 2009, S. 21 – 27). Die relativ<br />
hohen Ersatzleistungen wirken auf die Empfänger Aktivierungshemmend. Auch<br />
B<strong>und</strong>esarbeitsministerin Frau von der Leyen versucht aktive <strong>und</strong> passive Arbeitsmarktpolitik<br />
weniger komfortabel zu machen. „Diese müsse Wege aufzeigen, wie<br />
Menschen aus der Arbeitsmarktpolitik rauskommen, <strong>und</strong> nicht wie sie möglichst<br />
komfortabel drin bleiben“ (von der Leyen, 2010).<br />
Die Diskussion um die Höhe der Leistungen ist ebenso alt wie unerträglich. Immer<br />
wieder wird versucht Bezieher von Sozialtransferleistungen zu diskreditieren<br />
<strong>und</strong> als Schmarotzer diffamieren. So haben Friedrich Thießen, Professor für Finanzen<br />
an der Technischen Universität Chemnitz, <strong>und</strong> sein Kollege Christian Fischer<br />
im Jahre 2008 eine Studie veröffentlicht, der zu Folge ein Betrag von 132.-<br />
€ zur Existenzsicherung ausreichend sei. Der Vorsitzende der Freien demokratischen<br />
Partei <strong>und</strong> stellvertretende Kanzler der B<strong>und</strong>esrepublik, Guido Westerwelle,<br />
gab im Februar dieses Jahres zu Protokoll: "Wer dem Volk anstrengungslosen
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 50<br />
Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein. An einem solchen<br />
Denken kann Deutschland scheitern." Und löste damit, wieder einmal, eine ausufernde<br />
Diskussion um die Höhe der Leistungen aus. Das am häufigsten gebrauchte<br />
Argument dafür die Transferleistungen seien zu hoch ist das des so genannten<br />
„Lohnabstandsgebotes“. Dieses Gebot besagt, dass derjenige, der<br />
Arbeitseinkommen erzielt mehr finanzielle Mittel haben muss, als derjenige, der<br />
Sozialtransferleistungen bezieht. Damit wollte die B<strong>und</strong>esregierung den Zielkonflikt<br />
zwischen Sicherung der Existenz <strong>und</strong> Arbeitsaufnahme auflösen. Dieses Gebot,<br />
so wird argumentiert, werde zunehmend hintergangen, wenn beispielsweise<br />
eine Kellnerin mit zwei Kindern etwa 110.- € mehr Unterstützung erhalte, als sie<br />
<strong>du</strong>rch die Beschäftigung verdient. Da<strong>du</strong>rch würden Fehlanreize gesetzt <strong>und</strong> die<br />
Menschen würden eher motiviert, Sozialleistungen zu beziehen anstatt zu arbeiten.<br />
Um die Höhe der Leistungen überprüfen zu lassen, wurde das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
bemüht. Dieses stellte in einer Entschei<strong>du</strong>ng im Februar 2010 fest,<br />
dass die Ermittlung der Hartz IV-Regelsätze für Erwachsene <strong>und</strong> vor allem für<br />
Kinder „nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung eines menschenwürdigen<br />
Existenzminimums <strong>…</strong> erfüllen“. (BVerfG, 1 BvL 1/09 vom<br />
9.2.2010). Zwar wurde die Höhe der Regelsätze nicht explizit als nicht verfassungskonform<br />
bezeichnet, doch herrscht Übereinstimmung, dass genau das gemeint<br />
gewesen ist. Indem die Regelsätze gekippt sind, droht nun auch Hartz IV<br />
zu kippen", frohlockt beispielweise der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwege.<br />
Für den Deutschen Gewerkschaftsb<strong>und</strong> (DGB) hat das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
deutlich gemacht, "dass Hartz IV nicht armutsfest ist".<br />
Für den FPD-Vorsitzenden Westerwelle hingegen trät das Urteil „sozialistische Züge“,<br />
da derjenige, der arbeitet mehr haben muss, als derjenige, der nicht arbeitet.“<br />
Die Logik der Argumentation ist klar, das Ergebnis allerdings ist eine Frage der<br />
Perspektive. Solange die Löhne sich in einem ordentlichen Rahmen bef<strong>und</strong>en haben,<br />
war die Frage des Lohnabstandsgebotes leicht zu beantworten. Seit sich<br />
aber die politische Seite vom Lohnabstandsgebot <strong>du</strong>rch eine massive Ausweitung<br />
des Niedriglohnsektors verabschiedet hat, stellt sich die Frage immer wieder aufs<br />
Neue. In der Zeit von 1996 bis 2005 ist der Anteil der im Niedriglohnbereich Beschäftigten<br />
von 14,6 % auf 20,7% angestiegen, die Kosten für den B<strong>und</strong>eshaushalt<br />
hierfür belaufen sich auf 9,2 Mrd. € (Weinkopf, 2010). Man kann diese Aus-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 51<br />
gaben auch als Subvention an Arbeitgeber betrachten (Bosch, 2010). Das Problem<br />
liegt natürlich nicht in der Höhe der Sozialtransferleistungen, sondern in der<br />
geringen Höhe der Löhne. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors, die Entwicklung<br />
der Binnennachfrage <strong>und</strong> ähnliche Indikatoren sind eigentlich nicht falsch zu<br />
interpretieren. Für eine Neugestaltung der Sätze jedenfalls hat das Gericht der<br />
Regierung bis Ende dieses Jahres Zeit eingeräumt.<br />
In der folgenden Übersicht sind die Höhe der Regelsätze sowie die Aufteilung des<br />
Betrages dargestellt.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 52<br />
Die graphische Darstellung verdeutlicht die Ausweitung des Niedriglohnsektors<br />
seit 1995<br />
6. Zukunft der (Erwerbs?)Arbeit<br />
Betrachtet man die bisherigen Ergebnisse, so lässt sich feststellen, dass Er<br />
werbsarbeit nicht nur eine wesentlicher Faktor unseres Lebens ist, sondern vielmehr<br />
das gesamte Dasein ausfüllt. Der zum Leben erforderliche Gelderwerb, soziale<br />
Interaktionen, Akzeptanz, Ges<strong>und</strong>heit, Struktur des Daseins, alles ist an das<br />
Innehaben eines Arbeitsplatzes geknüpft. Die Folgen des Fehlens oder des Verlustes<br />
eines solchen Arbeitsplatzes, die Arbeitslosigkeit, hat entsprechende Kon-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 53<br />
sequenzen. Die Entwicklung der Erwerbsarbeit deutet daraufhin, dass die gesamtgesellschaftlich<br />
zur Verfügung stehende entlohnte Arbeit immer geringer<br />
wird (vgl. Beck, 1998, Sennet, 1998). Wirtschaftswissenschaftler (Wagner, 2000,<br />
S. 217ff) hingegen bestreiten dies <strong>und</strong> weisen daraufhin, dass allenfalls Verschiebungen<br />
zeitlicher <strong>und</strong> inhaltlicher Art stattfinden, die Erwerbsarbeit an sich aber,<br />
da Einerseits die Bedarfe der Menschen unendlich sind <strong>und</strong> Andererseits zur Befriedigung<br />
der Bedarfe keine Alternative zur Lohnarbeit zu erkennen sei, nicht<br />
„ausgehen“ werde. Eine Antwort auf diese Argumentation gibt beispielsweise Offe,<br />
der anführt, dass Erstens unerfüllte Bedarfe nicht zwingend beschäftigungswirksam<br />
werden müssen, Zweitens Arbeitskraft ein Gut ist, das atypisch reagiert,<br />
d.h., wenn es nicht nachgefragt wird umso stärker angeboten wird <strong>und</strong> Drittens<br />
bisher zumindest eine Ausweitung der angebotenen Arbeit jedenfalls nicht stattgef<strong>und</strong>en<br />
hat, wohl aber eine Ausweitung des Angebotes an Arbeitskraft, eine<br />
Entwicklung, die die bekannten Folgen gezeitigt hat.<br />
Einigkeit jedenfalls scheint nur darüber zu bestehen, dass Alternativen gef<strong>und</strong>en<br />
werden müssen. Auch wird „in den Debatten um Vergangenheit <strong>und</strong> Zukunft von<br />
Erwerbsarbeit häufig übersehen, dass die regelmäßige Lohnarbeit <strong>und</strong> die dauerhafte<br />
Einbin<strong>du</strong>ng in Beschäftigung immer auch machtvolle Instrumente sozialer<br />
Kontrolle <strong>und</strong> Kohäsion waren (Vogel, 2008, S. 158). Kocka kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass sich die gesamte Struktur der Erwerbsbeschäftigung gravierend verändert.<br />
Die Geschlechterrolle verändert sich mit nachhaltigen Auswirkungen auf<br />
das Angebot an Arbeitskräften, immer mehr Frauen bieten auf dem Arbeitsmarkt<br />
ihre Arbeitskraft an. Das Modell „Vater als Alleinverdiener <strong>und</strong> Ernährer“ erodiert<br />
zunehmend. Räumliche <strong>und</strong> zeitliche Arbeitsstrukturen lösen sich auf. Vollbeschäftigung<br />
an nur einem Arbeitsplatz wird immer seltener, räumliche <strong>und</strong> zeitliche<br />
Flexibilität wird mehr <strong>und</strong> mehr gefordert. Die Unternehmen geben zunehmend<br />
die Verantwortlichkeit <strong>und</strong> das Risiko an die Arbeitnehmer ab. Formen prekärer<br />
Selbständigkeit nehmen zu. Inhaltliche Flexibilisierung erfordert den Abschied<br />
von der Vorstellung einen Beruf zu erlernen <strong>und</strong> lebenslang auszuführen.<br />
Permanente (Weiter-)Bil<strong>du</strong>ng ist erforderlich, wechselnde Berufbiographien werden<br />
die Regel werden (vgl. Kocka, 2001). Wie also darf man sich Erwerbsarbeit in<br />
der Zukunft vorstellen? Welche Modelle künftiger Beschäftigung werden aktuell<br />
diskutiert?
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 54<br />
6.1. Bürgerarbeit<br />
Der Begriff der Bürgerarbeit geht zurück auf den Münchner Soziologen Ulrich<br />
Beck (Beck, 2000, S. 416ff) <strong>und</strong> wurde aufgegriffen von den, zumindest in diesem<br />
Punkt, übereinstimmenden Berichte der Zukunftskommissionen der Freistaaten<br />
Bayern <strong>und</strong> Sachsen. Der in diesen Berichten vorgeschlagene Weg zur Lösung<br />
des Problems der fehlenden Erwerbsarbeit sieht vor, dass arbeitslose Menschen<br />
Tätigkeiten für das Gemeinwohl verrichten, eben Bürgerarbeit. Hinsichtlich der<br />
Entlohnung existieren zwei Varianten. Die eine, die Ulrich Beck vorschlägt sieht<br />
vor, dass Bürgerarbeit nicht ausdrücklich materiell entlohnt wird. Es soll ein „Bürgergeld“<br />
in Höhe der Sozialtransferleistungen gezahlt werden <strong>und</strong> zusätzlich, gewissermaßen<br />
immateriell Anspruch auf Qualifikation, die Anerkennung von Rentenansprüchen,<br />
so genannte „Favour Credits“ erworben werden. Die zweite Variante,<br />
die in einem Modellversuch der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit in Sachsen-<br />
Anhalt <strong>und</strong> Thüringen <strong>du</strong>rchgeführt wurde, sieht vor, dass den Beschäftigten ein<br />
Gehalt knapp über der Transferleistungshöhe gezahlt wird (DGB, 2010, S. 2). Gezahlt<br />
wurde ein St<strong>und</strong>enlohn zwischen 5,25 <strong>und</strong> 7,50 €.<br />
Im Hinblick auf die Verbindlichkeit schwebte Beck im Jahre 2000 noch eine vollkommene<br />
Freiwilligkeit vor in der „organisierter, schöpferischer Ungehorsam“<br />
(Beck, 2000, S. 418) herrscht <strong>und</strong> sich Bürger für Bürger engagieren. Motivation<br />
war Gr<strong>und</strong>voraussetzung <strong>und</strong> das Ehrenamt stand gedanklich Pate für das Modell.<br />
Im Jahre 2010 jedoch fordert Roland Koch bereits „Es kann kein funktionierendes<br />
Arbeitslosenhilfesystem geben, das nicht auch ein Element der Abschreckung<br />
enthält<strong>…</strong> Politik muss die notwendige Härte haben, solche fordernden Elemente<br />
<strong>und</strong> <strong>du</strong>rchzusetzen, weil sie die Gegenleistung für eine sehr großzügige Unterstützung<br />
der Bürger <strong>und</strong> Steuerzahler sind.“ Gemeint mit der Formulierung „Element<br />
der Abschreckung“ ist explizit die Bürgerarbeit. Auch Guido Westerwelle<br />
fordert den verpflichtenden Einsatz von Transferleistungsempfängern zur Bürgerarbeit.<br />
In einem Interview mit der Zeitung „Bild am Sonntag“ vom 21.02.2010<br />
schreibt er: „Jeder, der jung <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> ist <strong>und</strong> keine Angehörigen zu betreuen<br />
hat, muss zumutbare Arbeiten annehmen – sei es in Form von gemeinnütziger<br />
Arbeit“. Auf diese Art <strong>und</strong> Weise wurde aus dem Gedanken der Stärkung des Sektors<br />
öffentlich geförderter Beschäftigung ein Modellprojekt zur Einführung einer<br />
Arbeitspflicht für EmpfängerInnen von Sozialleistungen. Bürgerarbeit stellt im
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 55<br />
Gr<strong>und</strong>e keine Zukunftsoption für Erwerbsarbeit dar, weil sie genaugenommen<br />
nicht neue Modelle der Beschäftigung beinhaltet, sondern vielmehr die, mehr<br />
oder weniger sinnvolle, Beschäftigung von Beschäftigungslosen zum Ziel hat. Kritiker<br />
werfen dem Modell „Bürgerarbeit“ daher den primär repressiven Charakter<br />
vor. Es ginge nicht darum Menschen Perspektiven zu verschaffen, sondern um die<br />
Einführung einer Arbeitspflicht <strong>und</strong> um Kosmetik der Arbeitslosenstatistik. Außerdem<br />
geht das Modell der Beschäftigung von Erwerbslosen an den Vorstellungen<br />
<strong>und</strong> Wünschen der meisten Menschen, die ordentlich bezahlte Erwerbstätigkeit<br />
suchen, schlichtweg vorbei.<br />
Die B<strong>und</strong>esregierung ist derzeit dabei eine Form des Bürgergeldes in einem Modellprojekt<br />
bei Gr<strong>und</strong>sicherungsträgern zu testen. Diese Art der Bürgerarbeit sieht<br />
vor, dass langzeitarbeitslose Menschen nach sechs Monaten intensiver Förderung<br />
<strong>und</strong> Qualifizierung bei Trägern die kommunale Aufgaben erfüllen eingestellt werden<br />
können. Der B<strong>und</strong> zahlt dem Arbeitgeber eine Pauschale von 1.080.- €, von<br />
der mindestens 900.- € als Bruttolohn für eine 30 St<strong>und</strong>entätigkeit (≙ 6,92<br />
€/St<strong>und</strong>e brutto) an den Arbeitgeber weitergegeben werden müssen. Durchgeführt<br />
werden dürfen nach derzeitigem Kenntnisstand nur kommunale, zusätzliche<br />
<strong>und</strong> im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben. Gleiches galt bisher für so genannte<br />
Arbeitsgelegenheiten, so dass der Eindruck entsteht, hier sollen 1-Euro-<br />
Jobs in bezahlte, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt<br />
werden. Ein Schritt in die richtige Richtung, sofern die Aufnahme einer<br />
solchen Beschäftigung nicht erzwungen werden kann <strong>und</strong> nicht sanktionsbewehrt<br />
wird.<br />
6.2 Arbeitskraftunternehmer <strong>und</strong> Künstlerarbeitsplätze<br />
Der Begriff „Arbeitskraftunternehmer“ geht auf den Münchner Soziologen Hans J.<br />
Pongartz <strong>und</strong> seien Kollegen Günter Voß zurück. Letzterer stellt fest: „Die Formen,<br />
in denen Arbeitskraft von Erwerbstätigen angeboten <strong>und</strong> von Betrieben genutzt<br />
wird, verändern sich. Mit der These vom Arbeitskraftunternehmer als neuem<br />
Leittypus von Erwerbsarbeit gehen Günter Voß <strong>und</strong> ich (1998) davon aus,<br />
dass Erwerbstätige zunehmend unternehmerisch mit ihrer eigenen Arbeitskraft<br />
umgehen müssen. Sie entsprechen damit Forderungen der Betriebe nach mehr
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 56<br />
Eigenverantwortung <strong>und</strong> Selbstorganisation in der täglichen Arbeit. Statt auf Anweisung<br />
reagierende Arbeit-Nehmer suchen Betriebe zunehmend selbständig<br />
agierende Auftrag-Nehmer, die bereit sind, sich bei jeder Aufgabe von neuem zu<br />
beweisen“ (Pongartz, 2000). Die Arbeitskraft wird damit zur absoluten Ware. Der<br />
Erfordernis der Wirtschaft nach mehr Flexibilisierung <strong>und</strong> mehr Eigenverantwortlichkeit<br />
der Arbeitnehmer wird ohne Rücksicht auf die Person des Arbeitnehmers<br />
Rechnung getragen. Der Arbeitsplatz der Zukunft ist der eines „Künstlers <strong>und</strong> Publizisten“<br />
(Schmid, 2000, S. 283), selbständig, nicht betriebsförmig, befristet,<br />
spezifiziert, diskontinuierlich häufig in mehrfachen Anstellungen, freie Mitarbeiter,<br />
„free lancer“ das sind die Stichworte mit denen diese Arbeitsverhältnisse beschrieben<br />
werden. Der Arbeitsmarkt wird als Netz gedacht in dem junge, dynamische,<br />
gebildete, unabhängige, mobile, flexible Menschen sich tummeln, von<br />
einem Ort zum anderen, von einem Job zum nächsten, eben Unternehmer ihrer<br />
Arbeitskraft. Zwar verfügt der Arbeitskraftunternehmer über ein sehr hohes Maß<br />
an Freiheit von Fremdbestimmung, aber, wie alle Unternehmer auch über keine,<br />
wenn nicht selbst organisierte <strong>und</strong> finanzierte, Form von sozialer Absicherung.<br />
Folgerichtig kritisiert Detlef Gerst: „Dieses Leitbild korrespondiert mit einer zunehmenden<br />
Bereitschaft in Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft, Formen einer kollektiven<br />
Regulierung von Arbeit sowie das Indivi<strong>du</strong>um schützende gesellschaftliche<br />
Institutionen zugunsten einer stärkeren "Warenförmigkeit" <strong>und</strong> einer vermeintlichen<br />
Aktivierung von Arbeitskräften zu verdrängen“ (Gerst, 2005). Neben<br />
all den anderen Kritikpunkten an diesem Modell, soll hier festgehalten werden,<br />
dass wohl sehr viele der heute arbeitslosen Menschen den an ArbeitskraftunternehmerInnen<br />
gestellten Anforderungen nicht gerecht werden können. Wie<br />
oben dargestellt verringert sich mit der Arbeitslosigkeit die Mobilität, Flexibilität,<br />
bei länger andauernder Arbeitslosigkeit tritt unter Umständen Dequalifizierung<br />
ein, insgesamt bewegt sich die Lebenssituation in eine Richtung die der des<br />
Arbeitskraftunternehmers diametral entgegensteht.<br />
6.3 Weitere Ansätze<br />
Persönlicher Berufsstatus (Alain Supiot, 2000, S. 296ff).<br />
Supiot schlägt den Begriff des „persönlichen Berufsstatus vor mit dem „die Kontinuität<br />
des Weges“ gewährleistet werden soll. Letztlich werden unter diesen Be-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 57<br />
griff alle Tätigkeiten einer Person zusammengefasst <strong>und</strong> es sollen Friktionen,<br />
auch im Hinblick auf soziale Sicherung, zwischen „Ausbil<strong>du</strong>ng“, „Beruf“, „Selbständigkeit“,<br />
„sozialen Ziehrechten (Elternzeit, Bil<strong>du</strong>ngsurlaub u.ä.) vermieden<br />
werden. Es geht also nicht um einen „verengten Beschäftigungsbegriff, sondern<br />
um einen erweiterten Arbeitsbegriff“ (Alain Supiot, 2000, S. 296ff).<br />
Androgynisierung der Arbeit<br />
Die Gesellschaft werde sich verändern, werde androgyner vermuten Hans Betram<br />
(Bertram, 2000, S. 308 - 342) <strong>und</strong> Karin Hausen (Hausen, 2000, S. 343 - 361,<br />
„care-taking“ wird zur Aufgaben von Mann <strong>und</strong> Frau, das Rollenbild des männlichen<br />
Alleinverdieners <strong>und</strong> Familienernährers wird zu Gunsten der Akzeptanz von<br />
Frauen auf dem Arbeitsmarkt endgültig verschwinden. Die Arbeitzeit wird sich re<strong>du</strong>zieren<br />
<strong>und</strong> teilen, der Anteil des Mannes an der repro<strong>du</strong>ktiven Arbeit tendenziell<br />
steigen. Hauser fordert darüber hinaus eine Ausweitung des Arbeitsbegriffes<br />
dahin gehend, als die Betrachtungsweise nicht allein eine marktwirtschaftliche,<br />
sondern vielmehr eine gesamtwirtschaftliche sein muss <strong>und</strong> deswegen die zur<br />
Repro<strong>du</strong>ktion der Gesellschaft erforderliche Arbeit mit einfließen muss. Arbeiten<br />
zur Erziehung, der Pflege <strong>und</strong> der Fürsorge dürften nicht länger unbezahlt bleiben<br />
<strong>und</strong> vorausgesetzt werden.<br />
Lebensarbeitszeitmodelle<br />
Neue Modelle der Lebensarbeitszeit (Kohli, 2000, S. 381f) mit einem verfügbaren<br />
Wechsel zwischen Arbeits-, Freizeit-, Bil<strong>du</strong>ngsphasen (Stickwort „Sabbatical“)<br />
werden ebenso diskutiert wie eine tiefgreifende Veränderung im Bil<strong>du</strong>ngssystem<br />
mit lebenslanger Bil<strong>du</strong>ng, Mo<strong>du</strong>larisierung aller Ausbil<strong>du</strong>ngs- <strong>und</strong> Studieninhalte,<br />
die lebenslang kontinuierliche (Weiter-)Bil<strong>du</strong>ng zulassen (Mayer, 2000, S. 407).<br />
Allen Diskussionsbeiträgen ist im Gr<strong>und</strong>e genommen gemein, dass sie geprägt<br />
sind von einem Bild des leistungsfähigen, souveränen, selbstorganisierten Menschen.<br />
Menschen mit Einschränkungen gleich welcher Art haben hierin keinen<br />
Platz <strong>und</strong> werden, so müssen die Diskussionsbeiträge wohl interpretiert werden,<br />
in der (Erwerbs-)Gesellschaft der Zukunft keinen Platz mehr finden <strong>und</strong> für die<br />
Erwerbsgesellschaft der Zukunft überflüssig sein, genauso wie Bude <strong>und</strong> andere<br />
es prognostizieren.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 58<br />
6.4 (Bedingungsloses) Gr<strong>und</strong>einkommen<br />
Eine weitere Alternative die zwar nicht unmittelbar als Zukunft der Erwerbsarbeit<br />
angesehen werden kann, sehr wohl aber für deren Zukunft eine bedeutsame Rollen<br />
spielen könnte, ist das so genannte „Bedingungslose Gr<strong>und</strong>einkommen“. Der<br />
Gedanke eine Gr<strong>und</strong>einkommens für alle, welches ohne Bedingung gezahlt wird<br />
<strong>und</strong> die soziokulturelle Existenz sichert, fasziniert <strong>und</strong> beschäftigt Vertreter aller<br />
Parteien von Dieter Althaus bis zur Linkspartei, vom Unternehmer Götz Werner<br />
bis zu Professoren wie Christoph Butterwegge.<br />
Das heutige Sozialversicherungssystem ist in seiner Finanzierung nahezu vollständig<br />
an die Erwerbseinkommen gekoppelt. Renten-, Kranken, Arbeitslosen-,<br />
Pflegeversicherungen speisen sich aus den Beiträgen, die von Arbeitslöhnen abgeführt<br />
werden. Bei steigender Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> sinkenden Beiträgen entsteht<br />
schnell eine Schieflage in der Finanzierungsbasis dieses Modells. Die bekannten<br />
Folgen sind entweder die Erhöhung der Beiträge oder die Absenkung der Leistungen,<br />
oder Beides gleichzeitig. Für eines der reichsten Länder dieser Erde, so die<br />
Befürworter eines Bedingungslosen Gr<strong>und</strong>einkommens, sollte die Gewährleistung<br />
eines menschenwürdigen Lebens nicht zur Disposition stehen. „Die Würde des<br />
Menschen ist unantastbar“ (Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 1, Satz 1) <strong>und</strong> auch nicht von<br />
Gegenleistungen an den Staat oder die Gesellschaft abhängig. Befürworter nehmen<br />
an, die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt seien positiv, da Arbeiten, die<br />
unbeliebt seien besser bezahlt werden müssten, Tätigkeiten die als nicht Sinn<br />
stiftend erachtet würden nicht mehr getan würden (Netzwerk Gr<strong>und</strong>einkommen,<br />
2009). Der Gr<strong>und</strong>gedanke des Gr<strong>und</strong>einkommens ist bestechend einfach <strong>und</strong> besteht<br />
darin, dass jeder Staatsangehörige <strong>und</strong> jeder legal im Lande lebende Ausländer<br />
ohne Bedürftigkeitsprüfung, ohne Gegenleistung, ohne Arbeitszwang, ohne<br />
Antrag einen bestimmten Betrag als soziokulturelles Existenzminimum erhält.<br />
Dem Gedanken eines bedingungslosen Gr<strong>und</strong>einkommens liegen ein positives<br />
Menschenbild <strong>und</strong> die Überzeugung, dass jeder Mensch gewissermaßen von Natur<br />
aus bestrebt ist, zu arbeiten, zu Gr<strong>und</strong>e (Erich Fromm, 1983; Hannah Arend,<br />
1967). Die repressive Gr<strong>und</strong>struktur der Fürsorge mit einer gelegentlich an<br />
Arbeitspflicht erinnernde Aktivierungspolitik dagegen entspringt einem tiefen
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 59<br />
Misstrauen <strong>und</strong> einer negativen Gr<strong>und</strong>haltung den Menschen gegenüber. Die Beträge,<br />
die als Höhe des Gr<strong>und</strong>einkommens derzeit diskutiert werden bewegen<br />
sich zwischen 650 <strong>und</strong> 1500 € je Monat. Befürworter des Gedankens BGE wollen<br />
beweisen können, dass ein bedingungsloses Gr<strong>und</strong>einkommen auch finanzierbar<br />
ist. Hierzu stellt Wilke eine Übersicht aus den verschiedenen Modellen zusammen,<br />
überprüft im Einzelnen deren Finanzierbarkeit <strong>und</strong> kommt jeweils zu dem Ergebnis,<br />
das Modell sei zu finanzieren (Wilke, 2007)<br />
So reizvoll <strong>und</strong> in vielerlei Hinsicht einleuchtet die Idee eines solchen Gr<strong>und</strong>einkommens<br />
für alle auf den ersten Blick erscheint, so gibt es auch etliche gute<br />
Gründe, die sich gegen ein Bedingungsloses Gr<strong>und</strong>einkommen vorbringen lassen.<br />
Entsprechend kontrovers ist die Diskussion, die seit Jahren geführt wird.<br />
Vertreter einer wirtschaftsorientierten Perspektive wie Hans-Werner Sinn vom<br />
Münchner ifo-Institut fürchten den Verfall der Arbeitsmoral <strong>und</strong> wollen eher den<br />
Niedriglohnsektor stärken, deswegen fordern sie eine „Workfare-Politik“ oder „Aktivierende<br />
Sozialhilfe“. (Sinn, 2006). Die ist da<strong>du</strong>rch gekennzeichnet, dass Menschen<br />
über die Sozialtransfer zahlenden Behörden zu Arbeit, auch im Niedriglohnbereich<br />
gezwungen werden <strong>und</strong> die Niedriglöhne dann eben mit Transferleistungen<br />
auf das soziokulturelle Existenzminimum „aufgestockt“ werden. Inwieweit<br />
damit Sozialleistungsmissbrauch <strong>du</strong>rch die Unternehmer betrieben wird, soll an<br />
dieser Stelle nicht diskutiert werden.<br />
Professor Eichenhofer fürchtet das bestehende Sozialversicherungssystem aufzugeben,<br />
dieses sei gewissermaßen untrennbarer Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft.<br />
Es habe sich, so die Argumentation (Eichenhofer, 2007), in langen<br />
Jahren bewährt <strong>und</strong> solle allenfalls modifiziert werden. Ein bedingungsloses<br />
Gr<strong>und</strong>einkommen für alle sei nicht finanzierbar, moralisch nicht zu rechtfertigen<br />
<strong>und</strong> zudem eine Sozialutopie, die bereits im England Anfang des 19ten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
gescheitert sei.<br />
Die Konstruktion Gr<strong>und</strong>einkommen beinhaltet einen gr<strong>und</strong>legenden Widerspruch,<br />
wenn damit die Entkoppelung sozialer Absicherung von Erwerbsarbeit gefordert<br />
wird, da die soziale Absicherung Einzelner von dem <strong>du</strong>rch Erwerbsarbeit erwirtschafteten<br />
Einkommen Anderer abhängt. „Allenfalls können Teile der Bevölkerung<br />
leben, ohne zu arbeiten, aber nur, solange das andere (für sie) tun <strong>und</strong> den erzeugten<br />
gesellschaftlichen Reichtum mit ihnen teilen. Von der Erwerbsarbeit<br />
trennen lassen sich nur der indivi<strong>du</strong>elle Rechtsanspruch auf Transferleistungen,
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 60<br />
den jemand geltend macht <strong>und</strong> der Zuteilungsmechanismus, nach dem die Zahlungen<br />
erfolgen“ (Butterwegge, 2007). Auch befürchtet Butterwegge „organisatorisch-technische<br />
Schwierigkeiten“ bei der Umsetzung, da er nicht annimmt, dass<br />
sie das Gr<strong>und</strong>einkommen auf die deutschen Staatsbürger einschränken lässt <strong>und</strong><br />
mit einer starken „Sogwirkung“ gerechnet aus Europa werden muss.<br />
Ein so genanntes „Solidarisches Bürgergeld“ fordert Dieter Althaus. Dieses Bürgergeld<br />
liegt mit 600.- € (zzgl. 200.- € Krankenversicherung) aber deutlich unter<br />
dem jetzigen Gr<strong>und</strong>sicherungsniveau <strong>und</strong> würde allein aus diesem Gr<strong>und</strong> eine<br />
„Quasi-Arbeitspflicht“ beinhalten, da Menschen gezwungen wären, diesen Betrag<br />
zu erhöhen um das Existenzminimum zu erlangen. Nachdem mit dem Gr<strong>und</strong>einkommen<br />
aber alle anderen Transferleistungen gestrichen würden, bliebe nur der<br />
Arbeitsmarkt an dem man sich zu jedem Preis verkaufen müsste. Da auf Gr<strong>und</strong><br />
der Ausgestaltung von einem Existenz sichernden Gr<strong>und</strong>einkommen nicht ernsthaft<br />
gesprochen werden kann, kann diese Form der Transferleistung eher als<br />
implizite Kritik am Bedingungslosen Gr<strong>und</strong>einkommen betrachtet werden. Die FDP<br />
<strong>und</strong> Teile der Union haben sich diesem Modell angeschlossen.<br />
Einen Übergang vom „Sozialstaat zum Almosenstaat“ <strong>du</strong>rch das Althaus’sche Bürgergeld<br />
sieht der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der folgerichtig nicht länger<br />
„Wohlstand für alle“, sondern vielmehr „Hartz IV für alle“ fürchtet. (Bofinger,<br />
2009, S. 215). Er fordert generell einen stärkeren (Sozial-)Staat, der eine verstärkt<br />
distributive Wirkung entfalten sollte.<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Idee eines Bedingungslosen<br />
Gr<strong>und</strong>einkommens einiges an Charme mit sich bringt, aber die Realisierung so<br />
viele Tücken birgt, dass mit einer Umsetzung alsbald nicht gerechnet werden<br />
muss.<br />
7. Fazit<br />
Die Geschichte der Erwerbsarbeit ist eine lange. Von den Anfängen als Jäger <strong>und</strong><br />
Sammler bis zur heutigen Bedeutung hat sich das Verhältnis des Menschen zur<br />
Erwerbsarbeit immer wieder gewandelt <strong>und</strong> es hat den Anschein, als ob wir auch<br />
aktuell vor einem tiefgreifenden Wandel stünden. Auch wenn Ökonomen bestrei-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 61<br />
ten, dass der Menschheit die Arbeit ausgeht, so findet derzeit doch zumindest<br />
eine gravierende Verschiebung von pro<strong>du</strong>ktions- zu tertiärer oder intellektueller<br />
Arbeit statt. Die Schwierigkeiten, die diese Transition nach sich ziehen sind vielfältig.<br />
Viele Menschen aus unserer Gesellschaft sind körperlich, geistig, intellektuell,<br />
psychisch den veränderten Anforderungen des flexiblen, intellektualisierten, mobilen,<br />
dynamischen Arbeitsmarktes nicht gewachsen <strong>und</strong> finden in der Folge keinen<br />
Existenz sichernden Arbeitsplatz. Es steht zu befürchten, dass diese Entwicklung<br />
nicht abgeschlossen ist <strong>und</strong> die Zahl der Betroffenen steigen wird. Der Umstand,<br />
dass unser Sozialsystem, das eine mehr oder minder gerechte Verteilung der gesellschaftlich<br />
erzeugten Güter vornehmen soll, sich nahezu allein aus Erwerbseinkommen<br />
speist, verschärft eher die Probleme als es sie löst. Noch immer wird Betroffenen<br />
in der Öffentlichkeit, sowohl von politischer als auch von journalistischer<br />
Seite, <strong>und</strong> wider besseres Wissen persönliches Versagen <strong>und</strong> indivi<strong>du</strong>elle Schuld<br />
zugewiesen. Damit wird deren ohnehin prekäre Lebenssituation ohne Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
Not noch verschärft. Unsere Gesellschaft muss ein tragfähiges Konzept entwickeln,<br />
wie wir mit den Veränderungen <strong>und</strong> den daraus resultierenden Folgen umgehen<br />
wollen. Almosen verteilen <strong>und</strong> Schuld zuweisen ist keine Lösung, weder für<br />
jetzt noch für die Zukunft.<br />
Ich halte den Gedanken eines Gr<strong>und</strong>einkommens für einen <strong>du</strong>rchaus reizvollen,<br />
wenngleich ich eine absolute Bedingungslosigkeit nicht in allen Fällen befürworten<br />
möchte. Weder fürchte ich die Finanzierbarkeit (Modellrechnungen scheinen die<br />
Machbarkeit der Finanzierung zu bestätigen), noch eine gr<strong>und</strong>sätzlich mangelnde<br />
Bereitschaft zur Arbeit (Ich habe während meiner gesamten Zeit der Betreuung<br />
arbeitsloser Menschen keine einzige Person kennengelernt, der ernsthaft nicht<br />
arbeiten wollte), vielmehr bin ich der Auffassung es sollte einerseits zumindest ein<br />
Beratungsangebot aufrecht erhalten werden <strong>und</strong> andererseits ein Beschäftigungsangebot<br />
im Sinne Ulrich Becks bestehen um die nachteiligen Folgen von Arbeitslosigkeit<br />
zu mindern. Darüber hinaus muss ein Angebot an sozial-integrativer Unterstützung<br />
aufrechterhalten werden. Für Menschen in bestimmten defizitären Lebenssituationen<br />
(Erkrankung, Überschul<strong>du</strong>ng, Wohnungslosigkeit, mangelnde Bil<strong>du</strong>ng,<br />
auch Erziehungszeit) könnte die vollumfängliche Gewährung der Leistung<br />
von einer „Arbeit“ an der eigenen Person“, von einer Form des „gelingenden Lebens“<br />
abhängig gemacht werden. Natürlich ist es ein schmaler Grat einen solchen<br />
Begriff auszufüllen, groß ist die Gefahr des Missbrauchs. Dennoch sind Anhalts-
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 62<br />
punkte denkbar: So könnte einem Menschen der suchkrank ist eine entsprechende<br />
Therapie auferlegt werden, Bil<strong>du</strong>ngsfernen Bil<strong>du</strong>ngsangebote unterbreitet<br />
werden, jedenfalls jeweils an einer objektiven Verbesserung der Lebenssituation<br />
gearbeitet werden. Wer Kinder erzieht, muss Sorge tragen, dass die Betreuung<br />
stets zum Wohle des Kindes erfolgt, wer sich <strong>und</strong>/oder anderen Schaden zufügt,<br />
muss dieses Verhalten ablegen.<br />
Auch könnte die Gefahr bestehen, mit Einführung eines vollkommen bedingungslosen<br />
Gr<strong>und</strong>einkommens Beschäftigungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik zu vernachlässigen<br />
<strong>und</strong> sich vom Wunsch zu verabschieden, allen Bürgern den Zugang zu Arbeit<br />
zu ermöglichen. Dies wäre insoweit fatal, als sich unsere Gesellschaft noch immer<br />
weiterstgehend über Erwerbsarbeit definiert (vgl. Arend). Manche mögen dies bedauern,<br />
wegdiskutieren kann man den Umstand nicht. Es könnte nun die Gefahr<br />
bestehen, dass weite Teile der Bevölkerung ernsthaft vom gesamtgesellschaftlichen<br />
Pro<strong>du</strong>ktionsprozess ausgegliedert werden <strong>und</strong> somit eine Zwei-Klassen-<br />
Gesellschaft im Wortsinne entsteht.<br />
Ich halte in diesem Zusammenhang die Initiativen des Beschäftigungszuschusses<br />
<strong>und</strong> der neuen Bürgerarbeit für Schritte in die richtige Richtung. Wenn die Mechanismen<br />
des allgemeinen Arbeitsmarktes versagen, muss von politischer Seite<br />
ein zusätzlicher, „Dritter“ Arbeitsmarkt geschaffen <strong>und</strong> als freiwilliges Angebot an<br />
Arbeitsstellen für die Menschen, denen der Markt kein Angebot macht, vorgehalten<br />
werden.<br />
Ich wünsche mir, eine Gr<strong>und</strong>versorgung die das soziokulturelle Existenzminimum<br />
garantiert, die in defizitären Lebenssituationen tatsächlich unterstützt <strong>und</strong> nicht<br />
sinnfrei <strong>und</strong> sanktionsbewehrt jenseits aller Realität versucht Menschen zu „aktivieren“,<br />
die tagtäglich hochaktiv sein müssen, um ihr Leben bewältigen zu können.
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 63<br />
Literaturverzeichnis:<br />
- Achatz, Juliane; Trappmann, Mark, „Wege aus der Gr<strong>und</strong>sicherung“, IAB Kurzbericht<br />
28/2009, Institut für Arbeitsmarkt <strong>und</strong> Berufsforschung, Nürnberg, 2009<br />
- Allmendinger, Jutta, „Der Sozialstaat des 21ten Jahrh<strong>und</strong>erts braucht zwei Beine“<br />
in: Bil<strong>du</strong>ng“, Aus Politik <strong>und</strong> Zeitgeschehen (APuZ) 45/2009, Frankfurter Sozietätsdruckerei,<br />
Frankfurt a.M., 2009<br />
- Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftpolitik „Von der Krise in den Absturz?“,<br />
Memoran<strong>du</strong>m 2009, Papyrossa Verlagsgesellschaft, Bremen, 2009<br />
- Arendt, Hannah, „Vita Aktiva oder vom tätigen Leben“, Stuttgart, Verlag Kohlhammer,<br />
1960<br />
- Aristoteles, Politik, Rowohlt, 1994<br />
- Beck, Ulrich, „Schöne neue Arbeitswelt“, Frankfurt a.M., Campus Verlag, 1998<br />
- Beck, Ulrich, „Die Zukunft von Arbeit <strong>und</strong> Demokratie“, Suhrkamp, Frankfurt a.M.,<br />
2000<br />
- Belwe, Katharina, „Arbeitslosigkeit: Psychosoziale Folgen“ in: Aus Politik <strong>und</strong> Zeitgeschehen<br />
(APuZ) 40-41/2008, Frankfurter Sozietätsdruckerei, Frankfurt a.M., 2008<br />
- Bellwinkel, Michael; Zoike, Erika, „Ges<strong>und</strong>heitsförderung bei Arbeitslosen“ in: „Prävention<br />
<strong>und</strong> Versorgungsforschung“, Kirch, W., Ba<strong>du</strong>ra, B., Pfaff, H. (Hg.) Springer<br />
Verlag, Berlin, 2007<br />
- Bertram, Hans, „Arbeit, Familie <strong>und</strong> Bin<strong>du</strong>ngen“ in: „Geschichte <strong>und</strong> Zukunft der<br />
Arbeit“, Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus Verlag, Frankfurt a.M., 2000<br />
- Blanke, Susanne; Schmid, Josef, „ Die aktive Arbeitsmarktpolitik der B<strong>und</strong>esländer<br />
im Vergleich“, Europäisches Zentrum für Föderalismusförderung, Tübingen, 1999<br />
- Bofinger, Peter, „Ist der Markt noch zu retten?“, Ullstein, Berlin, 2009<br />
- Brenke, Karl, „Arbeitslose Hartz IV-Empfänger: 90 Prozent wollen einen Job“ in: Wochenbericht<br />
des DIW Nr. 6/2010, Berlin 2010<br />
- Brinkmann, Christian / Wiedemann, Eberhard : Indivi<strong>du</strong>elle <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />
Folgen von Erwerbslosigkeit in Ost <strong>und</strong> West. In: Montada, Leo (Hrsg.): Arbeitslosigkeit<br />
<strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit. Campus Verlag, Frankfurt / New York, 1994 S. 175-<br />
192.<br />
- Brockhaus, Lexikon in fünfzehn Bänden, Bd. 1 A – Bau, Leipzig, Mannheim, 1997
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 64<br />
- Bude, Heinz, „Die Überflüssigen als Transversale Kategorie“ in: Berger, Peter A.;<br />
Vester, Michael (Hg.) „Alte Ungleichheiten – neue Spaltungen“, Wiesbaden, 1998<br />
- Bude, Heinz; Willisch, Andreas, „Exklusion, Eine Debatte über die Überflüssigen“,<br />
Suhrkamp, Frankfurt a.M., 2008<br />
- Busch, Klaus, „Europäische Wirtschaftsregierung <strong>und</strong> Koordinierung der Lohnpolitik“,<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, 2010-05-04<br />
- Butterwegge, Christoph, Gr<strong>und</strong>einkommen <strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit“ in: APuZ<br />
„Gr<strong>und</strong>einkommen?“, 51-52/2007, Frankfurt a.M., 2007<br />
- Butterwegge, Christoph, „Rechtfertigung, Maßnahmen <strong>und</strong> Folgen einer neoliberalen<br />
(Sozial-)Politik“ in: Butterwegge, Christoph, Lösch, Bettina, Ptak Ralf, „Kritik des<br />
Neoliberalismus“, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Göttingen, 2008<br />
- CDU/CSU, „Für Wachstum - Sozial ist, was Arbeit schafft“, Gemeinsamer Beschluss<br />
der Präsidien von CDU/CSU, München, 2004<br />
- Dahme, Heinz, Wohlfahrt, Jürgen (Hg.), „Aktivierende Soziale Arbeit“, Schneider<br />
Verlag, Stuttgart, 2005<br />
- Dangschat, Jens S., „Exclusion – The New American Way of Life?“, in: Bude, Heinz;<br />
Willisch, Andreas, „Exklusion, Eine Debatte über die Überflüssigen“, Suhrkamp,<br />
Frankfurt a.M., 2008<br />
- Dörre, Klaus „Prekäre Arbeit <strong>und</strong> soziale Integration“, Aus Politik <strong>und</strong> Zeitgeschehen<br />
(APuZ) 40-41/2006 „Integration - Desintegration“, Frankfurter Sozietätsdruckerei,<br />
Frankfurt a.M., 2006<br />
- Dörre, Klaus, Lessenich, Stephan, Rosa, Hartmut, „Soziologie-Kapitalismus-Kritik“,<br />
Suhrkamp, Frankfurt a.M., 2009<br />
- Eichenhofer, Eberhard, „Sozialversicherung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>einkommen“ in: APuZ<br />
„Gr<strong>und</strong>einkommen?“, 51-52/2007, Frankfurt a.M., 2007<br />
- Eggebrecht Arne, Fleming Jens, Meyer Gert, Müller v. Achatz, Oppolzer Alfred,<br />
Paulingi Akos, Schneider Helmuth, „Geschichte der Arbeit“, Kiepenheuer & Witsch,<br />
Köln, 1980<br />
- Engels, Friedrich, „Anteil der Arbeit an der Menschwer<strong>du</strong>ng des Affen“ in: Marx,<br />
Karl,; Engels Friedrich, MEW 20 „Dialektik der Natur“, Dietz Verlag Berlin, 1962<br />
- Erlinghagen, Marcel, „Mehr Angst vor Arbeitsplatzverlust seit Hartz IV“, SOEP<br />
Paper36, Nr. 279, DIW, Berlin, 2010<br />
- Friedrich-Ebert-Stiftung, „Die deutsche Wirtschaftpolitik: Ein Problem für Europa?“,<br />
WISO direkt, Januar 2010, Bonn
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 65<br />
- Fromm, Erich, „Überfluss <strong>und</strong> Überdruss“ in: Schultz, H.-J. (Hg.) „Über die Liebe<br />
zum Leben“ München, R<strong>und</strong>funksen<strong>du</strong>ngen, 1983<br />
- Gerst, Detlef, „Arbeitskraftunternehmer – Leitbild der neoliberalen Arbeitsgesellschaft?“<br />
in: Forum Wissenschaft 2/2005 BeWi Verlag, Bonn, 2005<br />
- Göckler, Rainer, „Beratung im Zwangskontext“, dgvt-Verlag, Tübingen, 2009<br />
- Habermas, Jürgen, „Die Krise des Wohlfahrtsstaates <strong>und</strong> die Erschöpfung utopischer<br />
Energien“. In: Ders.: Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V.,<br />
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 1985<br />
- Hansen, Kathrin, „Arbeit <strong>und</strong> Geschlecht“ in: „Geschichte <strong>und</strong> Zukunft der Arbeit“,<br />
Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus Verlag, Frankfurt a.M., 2000<br />
- Haun, Christopher, „Echte Bauern <strong>und</strong> Stachanowiten <strong>und</strong> die Lilien auf dem Felde“<br />
in: „Geschichte <strong>und</strong> Zukunft der Arbeit“, Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus<br />
Verlag, Frankfurt a.M., 2000<br />
- Hawel, Marcus, Heit, Helmut, Kritidis, Gregor <strong>und</strong> Anhalt, Utz: Politische Protestbewegungen<br />
- Probleme <strong>und</strong> Perspektiven nach 1968, Offizin, 2009<br />
- Heinrich, Michael, „Krise der Arbeitsgesellschaft – Krise des Kapitalismus?“ in:<br />
„Lohnarbeiten – Arbeitslos?“, Exner, Andreas (Hg.), Münster, 2005<br />
- Holleder, Alfons, „Arbeitslos – Ges<strong>und</strong>heit los – chancenlos“, IAB Kurzbericht<br />
4/2003, Institut für Arbeitsmarkt <strong>und</strong> Berufsforschung, Nürnberg, 2003<br />
- Honneth, Axel, „Kritik der Macht“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 1986<br />
- Jahoda, Marie; Lazarsfeld, Paul; Zeisel, Hans, „Die Arbeitslosen von Marienthal“,<br />
Frankfurt a.M. 1975 (Original 1933)<br />
- Kasten, Gabriele, Soskice David, „Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen europäischer Beschäftigungspolitik“<br />
in: APuZ „Arbeit – Arbeitsmarktpolitik“, B 14 – 15/2000, Bonn, 2000<br />
- Kauls, Heike, „Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“, Ergebnisse der Sächsischen Längsschnittstudie,<br />
17. Welle 2003, Otto Brenner Stiftung (Hg.), Berlin, 2004<br />
- Klös, Hans-Peter; Scharnagel, Benjamin, „ Arbeitsmarktpolitik seit 2003“ in APuZ<br />
„Arbeitsmarktpolitik“, 27/2009, Frankfurt a.M., 2009<br />
- Koch, Roland, Interview in der Wirtschaftswoche am 16.01.2010<br />
- Kocka, Jürgen; Offe, Claus (Hg.) „Geschichte <strong>und</strong> Zukunft der Arbeit“, Campus Verlag,<br />
Frankfurt a.M. 2000<br />
- Kocka, Jürgen, „Thesen zur Geschichte <strong>und</strong> Zukunft der Arbeit“, in Aus Politik <strong>und</strong><br />
Zeitgeschehen (APuZ) 21/2001, Frankfurter Sozietätsdruckerei, Frankfurt a.M., 2001
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 66<br />
- Kohli, Martin, „Arbeit <strong>und</strong> Lebenslauf, Alte <strong>und</strong> neue Paradoxien“ “ in: „Geschichte<br />
<strong>und</strong> Zukunft der Arbeit“, Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus Verlag, Frankfurt<br />
a.M., 2000<br />
- Kromphardt, Jürgen, „Konzeptionen <strong>und</strong> Analysen des Kapitalismus“, Vandenhoek<br />
& Ruprecht, Göttingen, 2002<br />
- Lesch, Hagen, „Brauchen wir eine europäische Beschäftigungspolitik?“ in : APuZ<br />
„Arbeit – Arbeitsmarktpolitik“, B 14 – 15/2000, Bonn, 2000<br />
- Lösch, Bettina, „Die neoliberale Hegemonie als Gefahr für die Demokratie“ in:<br />
Butterwegge, Christoph, Lösch, Bettina, Ptak Ralf, „Kritik des Neoliberalismus“, VS<br />
Verlag für Sozialwissenschaften, Göttingen, 2008<br />
- Leyen von der, Ursula, „Die SPD arbeitet sich selber an Hartz IV ab“ in: F.A.Z.net<br />
vom 16.04.210<br />
- Lukas, Georg, „Der junge Hegel <strong>und</strong> die Probleme der kapitalistischen Gesellschaft“,<br />
Berlin, Aufbau-Verlag 1954<br />
- Marx, Karl, „Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie“, erster Band, Dietz Verlag,<br />
Berlin 1980<br />
- Marx, Karl, „Kritik des Gothaer Programms“, MEW 19, Dietz Verlag, Berlin, 1985<br />
- Marx, Karl, „Zur Kritik der politischen Ökonomie“, MEW 13, 1859<br />
- Mayer, Karl Ulrich, „Arbeit <strong>und</strong> Wissen, Die Zukunft von Bil<strong>du</strong>ng <strong>und</strong> Beruf“ “ in:<br />
„Geschichte <strong>und</strong> Zukunft der Arbeit“, Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus<br />
Verlag, Frankfurt a.M., 2000<br />
- Meireis, Torsten: "Arbeit macht das Leben süß ...": das "Recht auf Arbeit" ; eine reformatorische<br />
Herausforderung? / Torsten Meireis, 1996. In: Ethik in der Wirtschaft :<br />
Chancen verantwortlichen Handelns / Jörg Becker ; Georg Bol ; Thomas Christ<br />
(Hrsg.). Mit Beitr. von Hans Lenk, Stuttgart [u.a.] : Kohlhammer, (1996).<br />
- Negt, Oskar, „Die Krise der Arbeitsgesellschaft“ in: Aus Politik <strong>und</strong> Zeitgeschehen<br />
(APuZ) B 15/1995, Frankfurter Sozietätsdruckerei, Frankfurt a.M., 1995<br />
- Netzwerk Gr<strong>und</strong>einkommen (Hg.), „Kleines ABC des Bedingungslosen Gr<strong>und</strong>einkommens“,<br />
Digitaldruck leibel.de, Neu-Ulm, 2009<br />
- Nippel, Wilfried, „Erwerbsarbeit in der Antike“ in: „Geschichte <strong>und</strong> Zukunft der<br />
Arbeit“, Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus Verlag, Frankfurt a.M., 2000<br />
- Oexle, Otto Gerhard, „Arbeit, Armut, Stand im Mittelalter“, in: „Geschichte <strong>und</strong> Zukunft<br />
der Arbeit“, Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus Verlag, Frankfurt<br />
a.M., 2000
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 67<br />
- Oschmiansky, Frank; Ebach Mareike, „Aktive Arbeitsmarktpolitik im Wandel“ in:<br />
APuZ „Arbeitsmarktpolitik“, 27/2009, Frankfurt a.M., 2009<br />
- Oswald, Ingrid, „Mittelschichtsvorbehalte“ in: Bude, Heinz; Willisch, Andreas, „Exklusion,<br />
Eine Debatte über die Überflüssigen“, Suhrkamp, Frankfurt a.M., 2008<br />
- Pomberger, Markus, „Arbeit, Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> soziale Integration“ in , „Arbeitslosigkeit:<br />
Psychosoziale Folgen“, Aus Politik <strong>und</strong> Zeitgeschehen (APuZ) 40-41/2008,<br />
Frankfurter Sozietätsdruckerei, Frankfurt a.M., 2008<br />
- Schatz, Holger, „Arbeit als Herrschaft“, UNRAST Verlag, Münster, 2004<br />
- Schmid, Günther, „Arbeitsplätze der Zukunft! in: „Geschichte <strong>und</strong> Zukunft der<br />
Arbeit“, Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus Verlag, Frankfurt a.M., 2000<br />
- Sennett, Richard, „Der flexible Mensch“, Berlin Verlag, Berlin, 1998<br />
- Sinn, Hans-Werner; Holzner Christian; Meister, Wolfgang; Ochel, Wolfgang;<br />
Werding, Martin „Aktivierende Sozialhilfe 2006, Das Kombilohnmodell des ifo Institutes““<br />
in ifo Schnelldienst, Nr. 59, 2006<br />
- Supiol, Alain, „Wandel der Arbeit <strong>und</strong> Zukunft des Arbeitsrechts in Europa“ in: „Geschichte<br />
<strong>und</strong> Zukunft der Arbeit“, Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus Verlag,<br />
Frankfurt a.M., 2000<br />
- Steinert, Hans, „Die Diagnostik der Überflüssigen“ in: Bude, Heinz; Willisch, Andreas,<br />
(Hg.) „Exklusion“, Suhrkamp, Frankfurt a.M., 2008<br />
- Straub, Eberhard, „Vom Nichtstun“, Verlag Wolf Jobst Siedler, Berlin, 2009<br />
- Vogel, Bernhard, „Überflüssige in der Überflussgesellschaft?“, in: Bude, Heinz; Willisch,<br />
Andreas, „Exklusion, Eine Debatte über die Überflüssigen“, Suhrkamp, Frankfurt<br />
a.M., 2008<br />
- Wagner, Gert, „Erwerbsarbeit sollte Zukunft haben“ in: „Geschichte <strong>und</strong> Zukunft der<br />
Arbeit“, Kocka, Jürgen <strong>und</strong> Offe, Claus (Hg.), Campus Verlag, Frankfurt a.M., 2000<br />
- Wagner, Susanne, „Erwerbstätigkeit, Arbeitszeit <strong>und</strong> Arbeitsvolumen nach Geschlecht<br />
<strong>und</strong> Altersgruppen“, IAB Forschungsbericht 2/2009, Nürnberg, 2006<br />
- Walther, Andreas, „Partizipation als Weg aus dem Aktivierungsdilemma?“, in: Dahme,<br />
Heinz, Wohlfahrt, Jürgen (Hg.), „Aktivierende Soziale Arbeit“, Schneider Verlag,<br />
Stuttgart, 2005<br />
- Wilke, Martin, „Finanzierungsmodelle für ein Bedingungsloses Gr<strong>und</strong>einkommen“,<br />
universitäre Seminararbeit, 2007,
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 68<br />
Internet:<br />
Normalarbeitsverhältnis:<br />
http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/download/gutachten/ga08_ana.pdf<br />
Arbeit, Physik:<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeit_(Physik)<br />
Arbeit, Volkswirtschaft:<br />
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/arbeit.html<br />
konjunkturelle Arbeitslosigkeit:<br />
http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=H696YC<br />
strukturelle Arbeitslosigkeit:<br />
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/arbeitslosigkeit.html?referenceKeywordName=stru<br />
kturelle+Arbeitslosigkeit<br />
Sockelarbeitslosigkeit:<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Sockelarbeitslosigkeit<br />
Niedriglohnsektor:<br />
http://www.sozialerfortschritt.de/?page_id=319<br />
Sanktionen:<br />
http://www.reuters.com/article/idDEBEE60H0PN20100118 (Koch)<br />
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,683849,00.html (Drohsel)<br />
Arbeitskraftunternehmer:<br />
http://www.diezeitschrift.de/12001/positionen3.htm<br />
Wirtschafspolitik:<br />
„Europäische Ökonominnen <strong>und</strong> Ökonomen für eine alternative Wirtschaftspolitik in Europa“,
„<strong>…</strong>.<strong>und</strong> <strong>plötzlich</strong> <strong>bist</strong> <strong>du</strong> <strong>draußen</strong>“, Akademie Frankenwarte<br />
16.September 2011, Burkard Fuchs, Seite 69<br />
Memoran<strong>du</strong>m 2002 http://linksnet.de/de/artikel/18313<br />
http://www.bmas.de/portal/13998/europaeische__beschaeftigungspolitik.html<br />
Beschäftigungspolitik:<br />
http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=97<br />
Arbeitsmarktpolitik:<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsmarktpolitik