terre des hommes (Hg.): die zeitung. Armes reiches Afrika. 2000
terre des hommes (Hg.): die zeitung. Armes reiches Afrika. 2000
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<strong>die</strong> <strong>zeitung</strong>H7557<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
deutschland e.v.<br />
hilfe für<br />
kinder in not<br />
ruppenkampstraße 11a<br />
postfach 4126 49 031 osnabrück<br />
postfach 4126 49 031 osnabrück september <strong>2000</strong><br />
KOLUMBIEN:<br />
Die Angst<br />
besiegen<br />
SEITE 3<br />
BURKINA FASO:<br />
Die Last<br />
der Frauen<br />
SEITE 4<br />
ZIMBABWE:<br />
Ungelöste<br />
Landfrage<br />
SEITE 5<br />
<strong>Armes</strong> <strong>reiches</strong> <strong>Afrika</strong><br />
Ein Kontinent der Gegensätze: Die Schönheit<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, <strong>die</strong> Schrecken <strong>des</strong> Krieges.<br />
Der Reichtum der Böden, <strong>die</strong> Armut der<br />
Foto: Veit Mette/Bielefelder Fotobüro<br />
Menschen. Kraft und Lebensfreude,<br />
Verzweiflung und Resignation. Ein Blick auf<br />
<strong>Afrika</strong>: unser Schwerpunkt Seite 4 bis 6.<br />
NAMIBIA:<br />
Flucht vor<br />
dem Krieg<br />
SEITE 6<br />
PHILIPPINEN:<br />
Pulverfass<br />
Mindanao<br />
SEITE 7<br />
EDITORIAL<br />
Nichts Neues aus <strong>Afrika</strong>?<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
es ist das alte Lied: Aus <strong>Afrika</strong><br />
erreichen uns <strong>die</strong> gewohnten<br />
Bilder von Hunger und Krieg,<br />
Dürre und AIDS, Korruption<br />
und Kriminalität. Die tägliche<br />
Schreckensnachricht aus dem<br />
Krisenkontinent gehört so sehr zu<br />
unserem Alltag, dass wir sie kaum<br />
noch bewusst wahrnehmen.<br />
»<strong>Afrika</strong> ist wie ein Eisenbahnunglück«,<br />
schrieb schon zu Anfang<br />
<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts der elegante<br />
französische Reisende André<br />
Gide: »Man muss es gesehen<br />
haben.« So betrachten wir aus<br />
sicherer Distanz <strong>die</strong> Katastrophen<br />
<strong>des</strong> Schwarzen Kontinents, und<br />
bekümmert stellen wir fest: Was<br />
für ein riesiges Desaster. Durchsetzt<br />
ist <strong>die</strong>se Sicht oft noch mit<br />
einem Rest sehnsüchtiger Kolonialnostalgie:<br />
Ich hatte eine Farm<br />
in <strong>Afrika</strong> ... Was bleibt, ist das Bild<br />
eines verlorenen Kontinents, eines<br />
allumfassenden Scheiterns – <strong>Afrika</strong><br />
im freien Fall. Wer macht sich da<br />
noch <strong>die</strong> Mühe, Fragen zu stellen,<br />
Ursachen zu suchen – oder gar<br />
Lösungen? Es reicht doch festzustellen,<br />
dass <strong>Afrika</strong> rettungslos rückständig<br />
ist, dass sich <strong>die</strong> afrikanischen<br />
Stämme gegenseitig massakrieren,<br />
dass afrikanische Herrscher<br />
ihre Völker schlimmer ausbeuten als<br />
einst <strong>die</strong> Kolonialherren.<br />
Wir sind es <strong>Afrika</strong> schuldig,<br />
genauer hinzuschauen. So unübersichtlich<br />
und deprimierend <strong>die</strong> Situation<br />
auch erscheinen mag – mit<br />
Klischees und Verallgemeinerungen<br />
wird man ihr nicht gerecht. Vielmehr<br />
lohnt sich der Versuch, Zusammenhänge<br />
zu erkennen, zu differenzieren:<br />
Welche Rolle spielen bei heutigen<br />
afrikanischen Kriegen <strong>die</strong> irrationalen<br />
Grenzen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Kolonialmächte<br />
hinterlassen haben? Sind es auch<br />
kommerzielle Interessen von Waffenhändlern<br />
und Diamanten- oder<br />
Ölmultis, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Kriege immer neu<br />
entfachen? Gibt es eine stimmige<br />
internationale <strong>Afrika</strong>-Politik, <strong>die</strong><br />
dazu beiträgt, Krisen zu verhindern<br />
und Chancen zu nutzen?<br />
Ja, es gibt auch Chancen. Zwar<br />
mag eine Portion Zweckoptimismus<br />
im Spiel sein, wenn Südafrikas Präsident<br />
Thabo Mbeki unermüdlich <strong>die</strong><br />
»African Renaissance« beschwört,<br />
doch es gibt positive Entwicklungen<br />
in <strong>Afrika</strong>. Nur wird es hier leider<br />
kaum wahrgenommen, dass ein Land<br />
wie Mali beharrlich und mit sichtbaren<br />
Erfolgen daran arbeitet, <strong>die</strong><br />
Armut der Bevölkerung zu bekämpfen<br />
und demokratische Prozesse<br />
zu fördern. Es gibt weitere Beispiele:<br />
Der Senegal will <strong>die</strong> Macht <strong>des</strong><br />
Präsidenten beschränken und das<br />
Parlament stärken – ein wichtiges<br />
Zeichen gegen Klientelismus und<br />
Korruption, <strong>die</strong> in vielen afrikanischen<br />
Präsidialregimen herrschen.<br />
Andere Länder wie Ghana im Westen<br />
oder Botswana im Süden <strong>Afrika</strong>s<br />
sind seit Jahren auf einem stabilen<br />
Reformweg. Und Mosambik ist<br />
– trotz <strong>des</strong> schweren Rückschlages<br />
durch <strong>die</strong> Flut – ein Beispiel<br />
dafür, dass nach Jahrzehnten <strong>des</strong><br />
Bürgerkrieges auch in <strong>Afrika</strong> <strong>die</strong><br />
Wende zu Frieden, Demokratie<br />
und wirtschaftlicher Entwicklung<br />
möglich ist.<br />
Die Menschen, <strong>die</strong> sich für<br />
solche mühsamen Veränderungen<br />
einsetzen, ver<strong>die</strong>nen<br />
unsere Unterstützung. <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong> steht ihnen bei ihrem<br />
Einsatz zur Seite – denn <strong>die</strong><br />
Kinder <strong>Afrika</strong>s haben eine Recht<br />
auf eine bessere Zukunft.<br />
Ihr<br />
Stephan Stolze
2 Meinung und Nach rich t<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> September <strong>2000</strong><br />
DAS PORTRAIT<br />
Auf Josiah ist Verlass<br />
Arbeit mit den Straßenkindern von Johannesburg<br />
KOMMENTAR<br />
Weltsozialgipfel <strong>2000</strong>:<br />
Kein Aufbruch in Genf<br />
Pünktlich um halb drei öffnet sich<br />
das rostige Tor zum Hinterhof <strong>des</strong><br />
»Twilight«-Grundstücks in der<br />
Van der Merwe Street in Hillbrow/<br />
Johannesburg. Für eine halbe Stunde<br />
wird <strong>die</strong>ser holprige, staubige Platz<br />
im Schatten schmutziger Hinterhoffassaden<br />
zum Treffpunkt der heimatlosen<br />
Jungen. Rund 40 Straßenkinder<br />
von Hillbrow, dem »härtesten«<br />
Stadtteil der südafrikanischen<br />
Metropole Johannesburg, versammeln<br />
sich Tag für Tag vor <strong>die</strong>sem<br />
Tor in der mit Glassplittern bewehrten<br />
Mauer, um ihre Essensration –<br />
einen Teller Maisbrei, ein Brötchen –<br />
in Empfang zu nehmen und<br />
– vielleicht – ein paar Worte mit<br />
Josiah Mptola zu wechseln.<br />
Josiah besitzt das Vertrauen<br />
der Jungen, <strong>die</strong> im täglichen<br />
Überlebenskampf auf<br />
den Straßen der Millionenstadt<br />
gelernt haben, dass man<br />
sich auf nichts und niemanden<br />
verlassen kann. Außer<br />
auf Josiah, den Streetworker<br />
von »Twilight Children«.<br />
Dieses Zentrum für Straßenkinder<br />
ist in Südafrika<br />
sehr bekannt und wird von<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> seit Jahren<br />
unterstützt. Für Josiah<br />
Mptola ist <strong>die</strong> Essenausgabe<br />
eine Gelegenheit, mit den<br />
Jungen Kontakt aufzunehmen.<br />
Manche sind kaum acht<br />
Jahre alt. Die meisten sind<br />
zwischen zwölf und 15. Viele<br />
sind zerlumpt, <strong>die</strong> Kleidung<br />
zerrissen und schmutzig.<br />
»Sie glauben, dass sie damit<br />
mehr Erfolg beim Betteln haben«,<br />
erklärt Josiah.<br />
Die meisten von ihnen kennt er.<br />
Einige begrüßen ihn per Handschlag,<br />
bevor sie sich in <strong>die</strong> Schlange vor<br />
der Essensausgabe einreihen. Andere<br />
hocken sich mit gefülltem Plastikteller<br />
seitwärts an <strong>die</strong> Mauer und<br />
halten sich eine Plastiktüte mit Glue<br />
vor das Gesicht, jenem berauschenden<br />
Klebstoff, den <strong>die</strong> Kinder einatmen,<br />
um den Hunger, <strong>die</strong> nächtliche<br />
Kälte und vieles andere zu vergessen.<br />
Josiah verurteilt <strong>die</strong> Kinder<br />
nicht. Er weiß, aus welchen Verhältnissen<br />
sie kommen. »Die meisten<br />
fliehen vor der Armut und der<br />
Gewalt in ihren Familien«, sagt er.<br />
Foto: Cordula Kropke<br />
Gesprächspartner für Johannesburgs Straßenkinder:<br />
Josiah Mptola bei der Essensausgabe bei Twilight<br />
Eine Reintegration in <strong>die</strong> Familie<br />
ist oft unmöglich. »Wir müssen <strong>die</strong><br />
Entscheidung der Kinder für das<br />
Leben auf der Straße respektieren.«<br />
Aber er kennt auch jenen Kreislauf<br />
aus Verwahrlosung, Gewalt und<br />
Drogen, aus dem es kaum ein Entrinnen<br />
gibt. Jedenfalls nicht aus<br />
eigener Kraft: »Wenn wir ihnen<br />
nicht helfen, werden sie kriminell.«<br />
Tag für Tag fährt Josiah mit dem<br />
klapprigen Twilight-Pickup <strong>die</strong><br />
Treffpunkte der Straßenjungen ab,<br />
bringt sie mal zum Arzt, mal zu den<br />
Familien in den Townships. Er ist<br />
ansprechbar für sie, unterstützt<br />
sie bei ihren Versuchen, zu einem<br />
geregelten Leben zurückzukehren,<br />
kann manche für ein Leben<br />
im Twilight-Wohnheim in<br />
der Van der Merwe Street<br />
gewinnen. Diese Chance ist<br />
allerdings an eine Bedingung<br />
geknüpft: Drogen, Betteln,<br />
Kriminalität sind tabu.<br />
Rund 60 Jungen bis<br />
15 Jahre leben derzeit im<br />
Heim. Sie müssen sich nach<br />
einer Hausordnung mit festem<br />
Tagesablauf, Putz- und<br />
Küchen<strong>die</strong>nsten und regelmäßigem<br />
Schulbesuch<br />
richten. Um ihr Leben später<br />
eigenverantwortlich gestalten<br />
zu können, müssen sie<br />
lernen, sich in <strong>die</strong> Gemeinschaft<br />
einzuordnen. Für<br />
Josiah steht fest: »Das Wichtigste<br />
für <strong>die</strong> Kinder sind<br />
Erziehung, Unterricht und<br />
Ausbildung.«<br />
martin kempe<br />
von Wolf-Christian Ramm<br />
Die Bilanz ist ernüchternd: Seit<br />
dem Weltsozialgipfel 1995 in<br />
Kopenhagen hat sich weltweit <strong>die</strong><br />
soziale Lage verschlechtert.<br />
Die Zahl der absolut Armen stieg<br />
seitdem um 200 Millionen auf<br />
1,3 Milliarden; das Einkommen <strong>des</strong><br />
reichsten Fünftels der Menschheit<br />
ist um 74mal höher als das <strong>des</strong><br />
ärmsten Fünftels. Die Umsetzung<br />
der verpflichtenden Beschlüsse von<br />
Kopenhagen lässt sehr zu wünschen<br />
übrig – für Millionen von<br />
Menschen in der Dritten Welt eine<br />
Katastrophe.<br />
Wer jedoch von der Sondergeneralversammlung<br />
der Vereinten<br />
Nationen Ende Juni in Genf einen<br />
Aufbruch erhofft hatte, der wurde<br />
enttäuscht. Der Weltsozialgipfel<br />
<strong>2000</strong> brachte kaum Fortschritte.<br />
Die Regierungen aus Industrieund<br />
Entwicklungsländern haben<br />
das selbst gesteckte Ziel verfehlt,<br />
fünf Jahre nach dem Gipfel in<br />
Kopenhagen neue wirkungsvolle<br />
Initiativen zur Bekämpfung von<br />
Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer<br />
Ausgrenzung zu ergreifen.<br />
Zwar einigten sie sich darauf, <strong>die</strong><br />
Zahl der in absoluter Armut<br />
Lebenden bis zum Jahr 2015 zu halbieren,<br />
doch sie legten weder<br />
Zwischenziele fest noch verpflichteten<br />
sie sich, <strong>die</strong> notwendigen<br />
finanziellen Mittel zur Armutsbekämpfung<br />
bereit zu stellen.<br />
Also wieder einmal nur Polit-<br />
Floskeln, auch von der Bun<strong>des</strong>regierung.<br />
Es fehlt vor allem am<br />
politischen Willen der internationalen<br />
Staatengemeinschaft,<br />
sich auf verbindliche Vereinbarungen<br />
zu verständigen. Damit<br />
aus dem Stillstand ein Aufbruch<br />
wird, bedarf es einer Anti-<br />
Armuts-Konvention. Es muss<br />
festgelegt werden, wie das Ziel<br />
der Halbierung der weltweiten<br />
Armut bis 2015 konkret zu erreichen<br />
ist. Doch das allein reicht<br />
nicht. In ein solches Regelwerk<br />
auf Ebene der Vereinten Nationen<br />
müssen unbedingt Privatwirtschaft<br />
und international operierende<br />
Konzerne eingebunden<br />
und auf <strong>die</strong> Einhaltung verbindlicher<br />
Umwelt- und Sozialstandards<br />
verpflichtet werden.<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> wird sich<br />
zusammen mit einer wachsenden<br />
Zahl von Organisationen und<br />
sozialen Bewegungen in einer<br />
weltweiten »Social-Watch-Kampagne«<br />
dafür stark machen,<br />
dass <strong>die</strong> Verpflichtungen von<br />
Kopenhagen und das Ziel<br />
sozialer Gerechtigkeit nicht von<br />
der politischen Tagesordnung<br />
verschwinden.<br />
Karikatur: Horst Haitzinger<br />
DAS AKTUELLE STICHWORT<br />
Das Abkommen von Cotonou<br />
Es ist geschafft: Am 23. Juni <strong>2000</strong><br />
wurde das neue Kooperationsabkommen<br />
zwischen der EU und den<br />
77 Ländern der Staatengruppe <strong>Afrika</strong>s,<br />
der Karibik und <strong>des</strong> Pazifiks<br />
(AKP-Staaten) in Cotonou, Benin,<br />
unterzeichnet. Der Vertrag regelt <strong>die</strong><br />
Entwicklungshilfe und <strong>die</strong> Handelskooperation.<br />
Das neue Abkommen<br />
ersetzt <strong>die</strong> vor 25 Jahren in Kraft<br />
getretene Lomé-Konvention. Zwar<br />
ist das Zustandekommen <strong>des</strong> neuen<br />
Vertrages zu begrüßen, doch ist der<br />
partnerschaftliche »Geist von<br />
Lomé« weitgehend der Unterordnung<br />
unter <strong>die</strong> Regeln <strong>des</strong> freien<br />
Welthandels zum Opfer gefallen.<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> und <strong>die</strong> Organisation<br />
Weltwirtschaft, Ökologie<br />
& Entwicklung (WEED) haben den<br />
Verhandlungsprozess bis zur<br />
Unterzeichnung kritisch begleitet.<br />
Die wichtigsten Kritikpunkte im<br />
Überblick:<br />
— Zwar steht <strong>die</strong> Bekämpfung<br />
der Armut im Mittelpunkt <strong>des</strong><br />
Cotonou-Abkommens, jedoch<br />
muss <strong>die</strong>se Priorität auch in <strong>die</strong><br />
praktische Entwicklungspolitik<br />
der EU Eingang finden und<br />
mit den nötigen finanziellen<br />
Mitteln abgesichert werden.<br />
— Eine der Auflagen zur Bewilligung<br />
von EU-Mitteln ist eine »gute<br />
Regierungsführung« auf Seiten<br />
der AKP-Länder. Sinnvoller wäre<br />
es, <strong>die</strong> Entwicklungsorientierung<br />
staatlichen Handels in den Mittelpunkt<br />
der EU-AKP-Zusammenarbeit<br />
zu stellen.<br />
— Die geplanten »Wirtschaftspartnerschaftsabkommen«,<br />
<strong>die</strong> de<br />
facto auf eine völlige Handelsliberalisierung<br />
zielen, werden dem<br />
Leitbild einer ökologisch tragfähigen<br />
und sozial verträglichen Entwicklung<br />
nicht gerecht. Die EU<br />
sollte zusammen mit den AKP-<br />
Staaten für eine entwicklungskonforme<br />
Reform der internationalen<br />
Handelsregeln eintreten.<br />
— Die wirtschaftliche Integration der<br />
AKP-Staaten innerhalb der jeweiligen<br />
Region ist zwar ein begrüßenswertes<br />
Ziel <strong>des</strong> Abkommens. Da<br />
ein starker und undifferenzierter<br />
Liberalisierungsdruck von außen,<br />
der auf den Abschluss von Freihandelsabkommen<br />
mit der EU<br />
zielt, <strong>die</strong>se Prozesse jedoch nachhaltig<br />
stört, sollte <strong>die</strong> EU zuerst<br />
<strong>die</strong> selbst bestimmte politische und<br />
ökonomische Integration der AKP-<br />
Staaten untereinander fördern.<br />
— Das Abkommen der EU mit<br />
Südafrika bietet einen Vorgeschmack,<br />
wie durch <strong>die</strong> erzwungene<br />
Marktöffnung zur EU <strong>die</strong><br />
Wirtschaft <strong>des</strong> Vertragspartners<br />
geschädigt wird: Regionale<br />
Produkte werden durch billigere<br />
EU-Exporte verdrängt. So wird<br />
<strong>die</strong> EU zum großen Gewinner<br />
der Freihandelsabkommen.<br />
— Die protektionistische europäische<br />
Agrarpolitik steht in<br />
eklatantem Widerspruch zur<br />
nachhaltigen Entwicklungspolitik<br />
im Süden und damit zu<br />
den Zielen <strong>des</strong> Cotonou-Vertrages.<br />
Dieses Problem wird<br />
im neuen Abkommen aber nicht<br />
thematisiert.<br />
— Fragen der Gleichstellung der<br />
Frauen sowie Umweltschutzbestimmungen<br />
werden zwar<br />
angesprochen, aber ihre reale<br />
Umsetzung bleibt verschwommen<br />
und weitgehend offen.<br />
klaus schilder<br />
Weitere Informationen zum<br />
neuen Abkommen finden sich<br />
auf der gemeinsamen Website<br />
von <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> und WEED<br />
unter www.weedbonn.org/eu<br />
KURZ NOTIERT<br />
»Ehrlich, du glaubst gar nicht, wie du uns Leid tust.«<br />
Gegen Kindersoldaten<br />
Nach langen Verhandlungen verabschiedete<br />
<strong>die</strong> UN-Generalversammlung<br />
im Mai in New York ein<br />
Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention<br />
und forderte alle<br />
188 Mitgliedsstaaten zur baldigen<br />
Unterzeichnung und Ratifizierung<br />
auf. Jugendliche unter 18 Jahren<br />
sollen künftig weltweit weder an<br />
bewaffneten Auseinandersetzungen<br />
teilnehmen noch zwangsrekrutiert<br />
Vorsitzende bestätigt<br />
werden dürfen. Kanada unterzeichnete<br />
als erstes Land das UN-<br />
Protokoll zum Verbot von Kindersoldaten,<br />
inzwischen folgten<br />
Kambodscha und fünf weitere<br />
Staaten. Das Zusatzprotokoll tritt<br />
in Kraft, sobald zehn Staaten<br />
unterzeichnet haben. Bislang war<br />
in der Kinderrechtskonvention<br />
als Min<strong>des</strong>talter für <strong>die</strong> Rekrutierung<br />
15 Jahre festgeschrieben.<br />
Petra Boxler, seit 1995 Vorsitzende<br />
<strong>des</strong> entwicklungspolitischen<br />
Kinderhilfswerkes <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong>, wurde für zwei Jahre<br />
wiedergewählt. Die ehrenamtlichen<br />
Mitglieder der Organisation<br />
bestätigten <strong>die</strong> 39-jährige<br />
promovierte Mathematikerin<br />
aus Bremen auf der Jahres-<br />
Mitgliederversammlung.
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> September <strong>2000</strong><br />
Hintergrund 3<br />
»Die Angst ist Komplize«<br />
Interview mit der kolumbianischen Anwältin Yenly Méndez (26) über<br />
Menschenrechtsverletzungen, strafloses Morden und den »Plan Colombia«<br />
Das spanische Wort »impunidad«<br />
ist in der deutschen Übersetzung<br />
kaum bekannt: Es bedeutet<br />
Straflosigkeit, Nicht-Bestrafung<br />
von Verbrechen. Kolumbien ist<br />
ein Musterland der »impunidad«:<br />
Nahezu hundert Prozent der politisch<br />
motivierten und 97 Prozent<br />
der anderen Verbrechen bleiben<br />
ungestraft. Eine Folge: Je<strong>des</strong> Jahr<br />
werden in dem 42 Millionen-Einwohner-Land<br />
etwa 26.000 Menschen<br />
ermordet – das ist <strong>die</strong> höchste<br />
Mordrate der Welt.<br />
Die Anwältin Yenly Méndez<br />
und ihre vier Kollegen sind Feinde<br />
der »impunidad«. Sie gründeten<br />
das Rechtsanwaltskollektiv<br />
»Humanidad Vigente« (Rechtskräftige<br />
Menschlichkeit), um<br />
Menschenrechtsverletzungen<br />
– vor allem solche an Kindern –<br />
vor Gericht zu bringen. <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong> unterstützt <strong>die</strong>se Arbeit<br />
jährlich mit 54.000 Mark.<br />
Frau Méndez, was ist der Grund<br />
für <strong>die</strong> »impunidad«? Haben <strong>die</strong><br />
Staatsanwälte und Richter Angst<br />
vor Rache?<br />
Das ist sicher ein Grund. Diejenigen,<br />
<strong>die</strong> sich um Gerechtigkeit<br />
bemühen, werden oft Opfer von<br />
Morddrohungen und Morden. Häufig<br />
sehen sie sich gezwungen, das<br />
Land zu verlassen. Aber für mich ist<br />
der Hauptgrund fehlender Wille zur<br />
Strafverfolgung. Wenn Militärs an<br />
Menschenrechtsverbrechen beteiligt<br />
sind, geht man davon aus, dass <strong>die</strong><br />
Opfer Sympathisanten der Guerilla<br />
waren. Nach der militärischen<br />
Logik sind sie im Krieg gestorben.<br />
Aber auch andere Gewaltverbrechen<br />
werden kaum bestraft...<br />
Nur sehr selten. Das Problem der<br />
»impunidad« ist auch eines fehlender<br />
Mittel und schlechter Arbeit im<br />
Justizapparat. Die Ausbildung ist<br />
mangelhaft und es gibt Korruption.<br />
Menschenrechtsverteidiger leben<br />
in Kolumbien gefährlich. Haben<br />
Sie keine Angst?<br />
Sicher, vor allem seit ich ein Kind<br />
habe. Aber <strong>die</strong> Angst lähmt mich<br />
nicht. Das ist bei allen Verteidigern<br />
der Menschenrechte in Kolumbien<br />
so. Denn <strong>die</strong> Angst ist Komplize<br />
der Menschenrechtsverletzungen<br />
und der Straflosigkeit: Wenn Morddrohungen<br />
uns stoppen würden,<br />
wäre <strong>die</strong> Situation noch schlimmer<br />
als jetzt. Natürlich ist es ein tiefer<br />
Schmerz, wenn ein Kollege bedroht<br />
oder ermordet wird. Aber gerade<br />
<strong>des</strong>halb müssen wir ja weiterarbeiten,<br />
damit so etwas nicht passiert.<br />
Wenn man sich für Menschenrechtsarbeit<br />
entscheidet, ist das ein<br />
Lebensweg, kein Job. Natürlich muss<br />
man sehr gut aufpassen und wissen,<br />
wie man sich in gefährlichen Gegenden<br />
bewegt: immer mit dort bekannten<br />
Personen zusammen sein, den<br />
lokalen Autoritäten den Besuch<br />
ankündigen, in Kontakt mit den Kollegen<br />
bleiben usw.<br />
Die Kultur der Gewalt in Kolumbien<br />
Kinder in einem Flüchtlingslager in Turbo, Department Antioquia<br />
Wie ist »Humanidad Vigente«<br />
entstanden?<br />
Wir haben an der Uni Jura stu<strong>die</strong>rt<br />
und dort in einer Gruppe gearbeitet,<br />
<strong>die</strong> sich um <strong>die</strong> Verteidigung der<br />
Menschenrechte bemühte. Als wir<br />
mit dem Studium fertig waren, wollten<br />
wir <strong>die</strong> Arbeit weitermachen.<br />
Deshalb haben wir 1996 Humanidad<br />
Vigente gegründet. Wir versuchen,<br />
den Aussagen der bewaffneten<br />
Gruppen <strong>die</strong> Wahrheit der Opfer<br />
gegenüberzustellen. Wir sichern<br />
Beweise und bemühen uns, <strong>die</strong> Verantwortlichen<br />
vor Gericht zu bringen.<br />
Das ist in Kolumbien sehr<br />
schwierig und langwierig. In einem<br />
Fall vergingen anderthalb Jahre,<br />
bis mit den Ermittlungen begonnen<br />
wurde. Und dann waren hundert<br />
Zeugenaussagen nicht genug, um <strong>die</strong><br />
Beteiligung der Militärs zu beweisen.<br />
Welche Kinderrechtsverletzungen<br />
machen Ihnen am meisten Sorgen?<br />
Die Kinder im bewaffneten Konflikt:<br />
Kinder sind in Kolumbien Opfer<br />
Kolumbien ist ein Beispiel dafür,<br />
dass sich Gewalt und bewaffnete<br />
Konflikte nicht mehr nur in ihrer<br />
klassischen Form – als Krieg, Bürgerkrieg<br />
oder Verbrechen – beschreiben<br />
lassen. Eine klare Trennungslinie<br />
zwischen kriegerischen<br />
Konflikten und Gewaltkriminalität<br />
ist nicht mehr zu ziehen. Legale<br />
und illegale Strukturen sind kaum<br />
mehr zu unterscheiden.<br />
Für <strong>die</strong>se Entwicklung gibt es<br />
vor allem zwei Ursachen: <strong>die</strong><br />
extreme soziale Ungleichheit auf<br />
dem Land und eine etablierte,<br />
unkontrollierte Gewalt. 80 Prozent<br />
<strong>des</strong> Bodens konzentrieren sich in<br />
den Händen von nur fünf Prozent<br />
der Besitzer, und <strong>die</strong> zehn Prozent<br />
Ärmsten verfügen über nur 1,3 Prozent<br />
der Einkommen. Zehn Prozent<br />
Reiche verfügen dagegen über<br />
39,5 Prozent.<br />
Diese Situation hat in den 50er<br />
Jahren zum Ausbruch eines latenten<br />
Bürgerkriegs geführt. Während<br />
der als La Violencia bezeichneten<br />
50er und 60er Jahre entstanden<br />
auch jene bewaffneten, zivilen<br />
To<strong>des</strong>schwadronen, <strong>die</strong> im Auftrag<br />
von Großgrundbesitzern und<br />
Militärs mordeten. Auf der anderen<br />
Seite gründeten sich ab 1964 mehrere<br />
Guerilla-Organisationen.<br />
Eine neue Eskalation der Gewalt<br />
setzte 1983 ein, als <strong>die</strong> herrschende<br />
Clique aus Großgrundbesitzern,<br />
Militärs und korrupten Politikern<br />
<strong>die</strong> Paramilitärs kreierte. Es wird<br />
geschätzt, dass Paramilitärs in den<br />
letzten zehn Jahren 20.000 Menschen<br />
aus politischen Erwägungen<br />
ermordeten – ein Mehrfaches<br />
<strong>des</strong>sen, was auf das Konto der Guerilla<br />
geht.<br />
Insbesondere in den Jahren<br />
1987 bis 1990 gesellte sich zu <strong>die</strong>sem<br />
Repressionsinstrument noch eine<br />
Welle terroristischer Anschläge der<br />
Drogenmafia. Ziel der Bombenanschläge<br />
war <strong>die</strong> Einschüchterung<br />
<strong>des</strong> Justizapparates und der<br />
Me<strong>die</strong>n. Das Zusammenwirken<br />
<strong>die</strong>ser verschiedenen gewalttätigen<br />
Akteure führt dazu, dass<br />
Kolumbien heute unregierbar<br />
ist. In wenigstens zwei Drittel<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> ist der Einfluss der<br />
Guerilla oder der Paramilitärs<br />
stärker als <strong>die</strong> staatliche Präsenz.<br />
Bei Menschenrechtsorganisationen<br />
gehen nahezu täglich<br />
Hilferufe zur Aufklärung von<br />
gewaltsamen Entführungen und<br />
Ermordungen ein. Gezielt werden<br />
bekannte Menschenrechtsverteidiger<br />
»von Unbekannten«<br />
ermordet. Auch Projektpartner<br />
von <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> werden in<br />
Kolumbien massiv bedroht.<br />
albert recknagel<br />
Albert Recknagel ist<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>-Referent<br />
für Südamerika<br />
»Menschenrechtsarbeit ist kein Job, sondern ein Lebensweg«:<br />
Yenly Méndez von »Humanidad Vigente«<br />
Foto: Andreas Rister<br />
von Morden, unbegründeten Verhaftungen,<br />
und sie werden als Soldaten<br />
missbraucht. Vor allem in ländlichen<br />
Gegenden gibt es Zwangsrekrutierungen<br />
zu den paramilitärischen<br />
Gruppen – es sind Fälle von neunund<br />
zehnjährigen Kindern bekannt<br />
geworden. Auch <strong>die</strong> Guerilla-Organisationen<br />
haben Kinder in ihren<br />
Reihen. Viele haben keine Eltern<br />
mehr und gehen zur Guerilla, weil<br />
sie dort wenigstens etwas zu essen<br />
und vermeintlichen Schutz bekommen.<br />
Warum ist der Friedensprozess in<br />
Kolumbien so schwierig? Ist der<br />
Krieg für einige ein gutes Geschäft?<br />
Ich glaube, <strong>die</strong>ser Staat hat kein<br />
Interesse, den Konflikt friedlich zu<br />
lösen, weil er kein Interesse an<br />
gesellschaftlichen Veränderungen<br />
hat. Nach meiner Meinung liegen<br />
<strong>die</strong> Wurzeln in tiefen ökonomischen,<br />
politischen und sozialen Problemen.<br />
Kann nicht auch <strong>die</strong> Guerilla<br />
– zum Beispiel mit Entführungen<br />
und Lösegeldforderungen – viel<br />
Geld ver<strong>die</strong>nen?<br />
Wenn <strong>die</strong> Guerilla nur Lösegeld einstreichen<br />
wollte, könnte sie es ohne<br />
ideologischen Diskurs tun, das<br />
Ergebnis wäre dasselbe. Ich glaube<br />
nicht, dass <strong>die</strong> Leute 20 Jahre in den<br />
Bergen leben, um Lösegeld zu kassieren.<br />
Sie können ja nicht mal in<br />
<strong>die</strong> Stadt, um <strong>die</strong> Freuden <strong>des</strong> Gel<strong>des</strong><br />
zu genießen. Die Guerilla macht<br />
sicher sehr viele, schwerwiegende<br />
Fehler, <strong>die</strong> den Menschen schaden.<br />
Foto: Christel Kovermann<br />
Aber ich glaube, dass sie gesellschaftliche<br />
Veränderungen und<br />
soziale Gerechtigkeit erreichen will,<br />
wenn auch mit falschen Mitteln.<br />
Es gibt einen aktuellen Plan zur<br />
Befriedung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und zum<br />
Kampf gegen den Drogenhandel,<br />
den »Plan Colombia« ...<br />
Die Regierung Pastrana stellt den<br />
Plan offiziell so dar. Aber in Wirklichkeit<br />
ist er in erster Linie eine<br />
Anti-Aufstandsstrategie – und zwar<br />
nicht nur gegen <strong>die</strong> Guerilla gerichtet,<br />
sondern gegen <strong>die</strong> Bevölkerung.<br />
Der Plan hat zwei Dimensionen, eine<br />
militärische und eine soziale. Der<br />
militärische Teil soll etwa 1.600 Millionen<br />
Dollar kosten, und im US-<br />
Kongress wird zurzeit verhandelt,<br />
ob <strong>die</strong> USA ihn unterstützen. Dann<br />
gibt es <strong>die</strong> soziale Dimension – <strong>die</strong><br />
ist natürlich auch notwendig, um<br />
<strong>die</strong> humanitäre Katastrophe, <strong>die</strong> der<br />
militärische Teil verursachen wird,<br />
abzufedern. Diesen Teil sollen europäische<br />
Geberländer unterstützen.<br />
Ist <strong>die</strong> Unterstützung <strong>des</strong> sozialen<br />
Teils sinnvoll?<br />
Wir sind gegen jede Unterstützung<br />
<strong>des</strong> »Plan Colombia«, denn er ist<br />
sozial, ökonomisch, ökologisch und<br />
in Bezug auf <strong>die</strong> Menschenrechte<br />
eine Katastrophe. Vor allem eine<br />
Region im Süden <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> wird<br />
angegriffen werden – mit der Entschuldigung,<br />
dass dort Koka angebaut<br />
wird. Aber der eigentliche<br />
Grund ist, dass dort <strong>die</strong> in Kolumbien<br />
bedeutendste Guerilla-Organisation,<br />
<strong>die</strong> FARC (Revolutionäre bewaffnete<br />
Kräfte Kolumbiens), sehr stark ist.<br />
Die FARC soll militärisch in <strong>die</strong> Knie<br />
gezwungen werden. Welche Folgen<br />
hat das? Es wird Bombenangriffe<br />
geben, und natürlich eine große<br />
Fluchtwelle: Man rechnet mit etwa<br />
300.000 Bauern aus dem Süden <strong>des</strong><br />
Lan<strong>des</strong>, <strong>die</strong> in den Städten Zuflucht<br />
suchen werden. Die Situation der<br />
vielen Flüchtlinge in den Städten ist<br />
aber jetzt schon schwierig, und dann<br />
wird sie noch schwieriger werden.<br />
Schon heute gibt es fast zwei Millionen<br />
Binnenflüchtlinge im Land, drei<br />
Viertel davon sind Kinder. Sie haben<br />
nicht das Notwendigste. Alles fehlt.<br />
interview: iris stolz<br />
Mehr über <strong>die</strong> Situation in Kolumbien<br />
und <strong>die</strong> dortige <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>-Arbeit<br />
erfahren Sie auf unserer<br />
Internet-Homepage: www.tdh.de
4 <strong>Afrika</strong><br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> September <strong>2000</strong><br />
<strong>Afrika</strong> in der Schuldenfalle<br />
Interview mit Dr. Walter Eberlei<br />
Seit 1992 legen <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
und Deutsche Welthungerhilfe<br />
jährlich den Bericht »Die Wirklichkeit<br />
der Entwicklungshilfe«<br />
vor. Der neue Bericht, der im<br />
Herbst erscheinen wird, befasst<br />
sich mit der Verschuldung der<br />
Entwicklungsländer. Autor ist<br />
Dr. Walter Eberlei vom Institut<br />
für Entwicklung und Frieden<br />
(INEF) der Universität Duisburg.<br />
Stephan Stolze hat mit ihm<br />
gesprochen.<br />
Wie stellt sich <strong>die</strong> Verschuldung<br />
<strong>Afrika</strong>s heute dar?<br />
<strong>Afrika</strong> südlich der Sahara steht<br />
noch immer vor einem gigantischen<br />
Schuldenberg. Der Schuldenstand<br />
in Höhe von rund<br />
230 Milliarden US-Dollar (1999) hat<br />
sich in den vergangenen 20 Jahren<br />
vervierfacht. Im Verhältnis zur<br />
Wirtschaftskraft haben sich <strong>die</strong><br />
Daten auch in den 90er Jahren verschlechtert.<br />
Ein Beispiel nur: 1990<br />
hätte <strong>die</strong> Region 63 Prozent ihres<br />
gesamten Bruttosozialprodukts<br />
aufwenden müssen, um <strong>die</strong> Schulden<br />
abzutragen; 1999 waren es<br />
schon 76 Prozent. Schaut man auf<br />
einzelne, besonders hoch verschuldete<br />
Länder, sieht das Bild<br />
noch viel düsterer aus.<br />
Welche Auswirkungen hat das für<br />
<strong>die</strong> Länder <strong>Afrika</strong>s?<br />
1999 hat <strong>die</strong> Region, immerhin <strong>die</strong><br />
ärmste der Welt, de facto 15 Milliarden<br />
US-Dollar Schulden<strong>die</strong>nst an<br />
seine Gläubiger gezahlt. Dieses<br />
Geld fehlt natürlich an allen Ecken,<br />
zum Beispiel, um <strong>die</strong> Ausweitung<br />
sozialer Programme finanzieren zu<br />
können. Dass eine Lösung der<br />
Schuldenkrise seit Jahrzehnten verschleppt<br />
wird, ist mitverantwortlich<br />
für <strong>die</strong> tiefe Krise Sub-Sahara<br />
<strong>Afrika</strong>s. Natürlich ist das nicht der<br />
einzige Grund. Politische Fehlentscheidungen,<br />
in Einzelfällen<br />
auch korrupte Regierungen, <strong>die</strong><br />
schlechten Handelsbedingungen<br />
und andere Gründe mehr gehören<br />
zu einer Gesamtanalyse.<br />
Wie beurteilen Sie den »Kölner<br />
Schuldengipfel« von 1999?<br />
Im Prinzip positiv. Durch den<br />
Druck jahrelanger Entschuldungskampagnen,<br />
<strong>die</strong> ja auch von <strong>terre</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>hommes</strong> mitgetragen wurden,<br />
sind in Köln ganz ordentliche<br />
Beschlüsse zu Stande gekommen.<br />
Allerdings: Es hapert mit der<br />
Umsetzung. Die Bun<strong>des</strong>regierung<br />
hat – so <strong>die</strong> Bilanz ein Jahr nach<br />
dem G-7-Gipfel Köln – bis heute<br />
noch keinen einzigen Schuldenerlass<br />
auf der Basis der Kölner<br />
Beschlüsse unter Dach und Fach<br />
gebracht. Wenn <strong>die</strong> Kölner Beschlüsse<br />
aber vollständig umgesetzt<br />
werden, wäre das für <strong>die</strong> ärmsten<br />
Länder ein echter Fortschritt.<br />
Welche Bilanz ziehen Sie für <strong>die</strong><br />
Struktur-Anpassungsprogramme,<br />
<strong>die</strong> Weltbank und Internationaler<br />
Währungsfonds fast allen afrikanischen<br />
Staaten auferlegt haben?<br />
Sie sind durchweg gescheitert,<br />
obwohl sie nicht in allen Einzelelementen<br />
falsch angelegt waren. Eine<br />
sparsame Ausgabenpolitik zum<br />
Beispiel ist auf Dauer unverzichtbar.<br />
Aber <strong>die</strong> Programme<br />
krankten daran, dass sie nicht an<br />
den Bedürfnissen der Menschen<br />
in <strong>die</strong>sen Ländern ausgerichtet<br />
waren. Angeblich soll sich das<br />
jetzt ja mit den neuen Programmen<br />
zur Armutsbekämpfung<br />
ändern. Diese Programme unter<br />
dem Begriff »Poverty Reduction<br />
Strategy Paper« (PRSP) sind<br />
an <strong>die</strong> Stelle der Strukturanpassungsprogramme<br />
getreten.<br />
Wie sehen Sie <strong>die</strong> <strong>Afrika</strong>-Politik<br />
der rot-grünen Bun<strong>des</strong>regierung?<br />
<strong>Afrika</strong> hat bei weitem<br />
nicht den Stellenwert,<br />
den unser Nachbarkontinent<br />
haben<br />
müsste. Das ist nicht<br />
nur eine moralische<br />
Frage, obwohl ich es<br />
für einen Skandal<br />
halte, dass zu Beginn<br />
<strong>des</strong> 21. Jahrhunderts,<br />
den Europa in einem<br />
nie gekannten Reichtum<br />
erlebt, wenige<br />
Flugstunden entfernt<br />
Kinder verhungern<br />
oder an vermeidbaren<br />
Krankheiten sterben.<br />
Der Stellenwert<br />
der <strong>Afrika</strong>politik<br />
entspricht auch nicht unseren<br />
eigenen langfristigen Interessen.<br />
Ich nenne nur Stichworte wie<br />
Ausweitung der Wüsten und<br />
Umweltzerstörung mit globalen<br />
Folgen, Migrationsbewegungen<br />
aus Armutsgründen oder <strong>die</strong><br />
Unkalkulierbarkeit von Kriegen.<br />
Darauf wird bei weitem nicht<br />
angemessen reagiert.<br />
Gibt es Ansätze einer internationalen<br />
<strong>Afrika</strong>-Politik, um künftig<br />
Krisen zu verhindern und vorhandene<br />
Potenziale zu nutzen?<br />
Auf dem Papier ja, zum Beispiel<br />
in der neuen entwicklungspolitischen<br />
Strategie unter dem<br />
erwähnten Kürzel PRSP. Wenn<br />
<strong>die</strong> Regierungen und multilateralen<br />
Institutionen <strong>die</strong>s ernst<br />
nehmen, würde das eine enorme<br />
Verbesserung der Koordination<br />
in der Entwicklungszusammenarbeit<br />
mit <strong>Afrika</strong> bedeuten. Die<br />
Umsetzung erfordert aber kritische<br />
Begleitung, denn der Teufel<br />
steckt im Detail. Wirklichkeit<br />
ist aber auch, dass insbesondere<br />
zwischen den USA und Frankreich<br />
in manchen Regionen <strong>Afrika</strong>s<br />
heftig um Einfluss gekämpft<br />
wird. Da läuft manches gegeneinander.<br />
Die Bun<strong>des</strong>regierung<br />
könnte in <strong>die</strong>ser Hinsicht<br />
eine aktive und moderierende<br />
Rolle spielen. Das sehe ich aber<br />
leider nicht.<br />
Dr. Walter Eberlei, Jahrgang<br />
1960, Publizist und Politikwissenschaftler.<br />
1992 Mitbegründer<br />
<strong>des</strong> »Initiativkreises: Entwicklung<br />
braucht Entschuldung!«.<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
im Institut für Entwicklung und<br />
Frieden (INEF) der Universität<br />
Duisburg.<br />
Ein Kontinent wird abgehängt<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> setzt auf das Prinzip Partnerschaft<br />
Es gibt viele Gründe, von einer tiefen<br />
Krise <strong>Afrika</strong>s zu sprechen:<br />
— vierzehn afrikanische Länder sind<br />
derzeit in Kriege verstrickt;<br />
— 70 Prozent aller AIDS-Infizierten<br />
leben in <strong>Afrika</strong>;<br />
— 30 Millionen <strong>Afrika</strong>ner sind von<br />
akuten Hungersnöten betroffen;<br />
— je<strong>des</strong> zehnte Kind in <strong>Afrika</strong> stirbt<br />
vor seinem ersten Geburtstag;<br />
— mehr als 50 Prozent der <strong>Afrika</strong>ner<br />
haben keinen Zugang zu sauberem<br />
Trinkwasser;<br />
— ein Drittel hat keinerlei medizinische<br />
Versorgung;<br />
— fast <strong>die</strong> Hälfte der <strong>Afrika</strong>ner sind<br />
Analphabeten;<br />
— mit 13 Prozent der Weltbevölkerung<br />
verfügt <strong>Afrika</strong> über 0,3 Prozent<br />
der Internet-Anschlüsse;<br />
— mit einem Anteil von weniger als<br />
zwei Prozent am Welthandel gilt<br />
<strong>Afrika</strong> als abgekoppelt von der<br />
Weltwirtschaft.<br />
Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.<br />
Besonders entmutigend ist: Die<br />
meisten <strong>die</strong>ser Werte haben sich in<br />
den vergangenen Jahren nicht etwa<br />
verbessert, sondern deutlich verschlechtert.<br />
Nichts zu retten?<br />
Hinter den nüchternen Zahlen verbirgt<br />
sich <strong>die</strong> Verzweiflung von Millionen<br />
Müttern, <strong>die</strong> ihre Kinder nicht<br />
ernähren können; von Kriegsopfern<br />
und Flüchtlingen, <strong>die</strong> alles verloren<br />
haben; von Jugendlichen ohne<br />
Chance, dem Elend zu entkommen.<br />
Während <strong>die</strong> Not <strong>Afrika</strong>s wächst,<br />
geht <strong>die</strong> internationale Unterstützung<br />
zurück: 1994 betrug <strong>die</strong> Hilfe für <strong>die</strong><br />
Länder südlich der Sahara nach UN-<br />
Angaben insgesamt 18,8 Milliarden<br />
US-Dollar, 1998 brachten <strong>die</strong> reichen<br />
Länder nur noch insgesamt 13,5 Milliarden<br />
auf. Auch <strong>die</strong> Bun<strong>des</strong>regierung<br />
hat <strong>die</strong> Entwicklungshilfe für<br />
<strong>Afrika</strong> deutlich zurückgefahren: Der<br />
Etat <strong>des</strong> Entwicklungsministeriums<br />
(BMZ) sah für 1999 noch bilaterale<br />
Zusagen über 669,2 Millionen Mark<br />
für Sub-Sahara-<strong>Afrika</strong> vor; in <strong>die</strong>sem<br />
Jahr sind es 593,5 Millionen – eine<br />
Kürzung um deutlich mehr als zehn<br />
Prozent. Der Eindruck, so scheint es,<br />
hat sich durchgesetzt, in <strong>Afrika</strong> sei<br />
ohnehin nichts mehr zu retten.<br />
Doch auch das ist <strong>Afrika</strong>:<br />
—seit 1990 fanden in 42 von 48<br />
afrikanischen Ländern südlich der<br />
Sahara Wahlen statt;<br />
— darunter gibt es bedeutende Signale<br />
wie <strong>die</strong> Wahlen in Nigeria, dem<br />
bevölkerungsreichsten Land <strong>Afrika</strong>s,<br />
nach 16 Jahren Militärdiktatur;<br />
— wo Kriege überwunden werden<br />
können – wie in Mosambik – sind<br />
sogar in kurzer Zeit zweistellige<br />
Wachstumsraten erreichbar;<br />
Die Last der Frauen<br />
Foto: Ursula Meissner<br />
Chancen für Mädchen: Schwerpunkt der <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>-Arbeit in Westafrika<br />
In den Ländern <strong>des</strong> Sahel hat der<br />
Islam starken Einfluss. In Mali und<br />
Gambia sind mehr als 80 Prozent<br />
der Bevölkerung Muslime, in Burkina<br />
Faso sind es etwa 50 Prozent.<br />
Daneben sind auch afrikanische<br />
Naturreligionen noch sehr lebendig.<br />
Vielfach haben sich Elemente<br />
beider Religionen vermischt und<br />
sind tief in den regionalen Traditionen<br />
verwurzelt.<br />
Zu <strong>die</strong>sen Traditionen gehört<br />
<strong>die</strong> Benachteiligung der Frau. Zwar<br />
fällt gerade in Westafrika auf, wie<br />
selbstbewusst <strong>die</strong> Frauen auftreten,<br />
doch <strong>die</strong> Männer haben in allen<br />
wichtigen Entscheidungen das<br />
letzte Wort. Frauen haben keinen<br />
Zugang zu Landbesitz, sie dürfen<br />
nicht ohne <strong>die</strong> Zustimmung ihres<br />
männlichen »Vormun<strong>des</strong>« über<br />
Geld verfügen oder ein eigenes<br />
Gewerbe betreiben. Mädchen werden<br />
im Gegensatz zu ihren Brüdern<br />
nicht zur Schule geschickt,<br />
weshalb in manchen Gegenden mehr<br />
als 90 Prozent der Frauen Analphabetinnen<br />
sind. Die meisten Mädchen<br />
der ländlichen Regionen Westafrikas<br />
werden auch heute noch Opfer der<br />
traditionellen Genitalbeschneidungen.<br />
Mädchen werden gegen ihren<br />
Willen in jungen Jahren verheiratet.<br />
Viele Frauen leiden unter familiärer<br />
Gewalt. Hinzu kommt <strong>die</strong> ungerechte<br />
Arbeitsteilung: Es sind <strong>die</strong><br />
Frauen, <strong>die</strong> auf dem Feld arbeiten<br />
müssen, <strong>die</strong> Früchte auf dem Markt<br />
verkaufen, <strong>die</strong> Kinder versorgen,<br />
Wasser und Brennholz holen,<br />
Hirse stampfen und <strong>die</strong> Mahlzeiten<br />
zubereiten. All das sind äußerst<br />
zeit- und kraftraubende Tätigkeiten.<br />
Dabei sehen <strong>die</strong> staatlichen<br />
Gesetzbücher <strong>die</strong> Gleichberechtigung<br />
von Männern und Frauen vor.<br />
Doch <strong>die</strong>se Gesetze haben in den<br />
Dörfern keine Bedeutung. Dort<br />
— das durchschnittliche Wirtschaftswachstum<br />
<strong>des</strong> Kontinents liegt<br />
heute bei knapp fünf Prozent – was<br />
allerdings noch nicht ausreicht, um<br />
<strong>die</strong> Armut wirksam zu bekämpfen.<br />
Typisch <strong>Afrika</strong>?<br />
»Dieser Kontinent hat viele Gesichter«,<br />
sagt Ruth Hilbert, <strong>die</strong> das <strong>terre</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>hommes</strong>-Büro in Burkina Faso,<br />
Westafrika, leitet. So hat auch <strong>die</strong><br />
Projektarbeit von <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
in <strong>Afrika</strong> ganz unterschiedliche<br />
Schwerpunkte. In Westafrika sind es<br />
drei Länder <strong>des</strong> Südlichen Sahel, in<br />
denen Partnerprojekte gefördert werden:<br />
Mali, Gambia und Burkina<br />
Faso. In <strong>die</strong>ser trockenen Region am<br />
Rande der Wüste ist <strong>die</strong> Armut groß.<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> unterstützt<br />
Gesundheits- und Ernährungszentren<br />
für Kinder, Bildungs- und Ausbildungsprogramme<br />
für Jugendliche,<br />
und auch der Einsatz gegen ausbeuterische<br />
Kinderarbeit und Kinderhandel<br />
gewinnt an Bedeutung.<br />
Besonderes Gewicht hat in <strong>die</strong>ser<br />
Region <strong>die</strong> Förderung von Frauen<br />
und Mädchen, <strong>die</strong> hier stark benachteiligt<br />
sind.<br />
Im Südlichen <strong>Afrika</strong> stehen<br />
andere Themen im Zentrum: Die<br />
Hilfe für Straßenkinder in den<br />
Metropolen Johannesburg oder<br />
Harare, der Wiederaufbau nach dem<br />
Krieg in Mosambik, der Kampf gegen<br />
Missbrauch und Gewalt an Kindern.<br />
Zwei Themen haben hier überragende<br />
Bedeutung: Krieg und AIDS.<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> engagiert sich im<br />
Bürgerkriegsland Angola; ein weiteres<br />
neues Projektland ist Sambia,<br />
wo derzeit Programme für AIDS-<br />
Waisen aufgebaut werden.<br />
»Bei allen Unterschieden haben<br />
unsere Projekte aber eines gemeinsam«,<br />
erklärt Ruth Hilbert: »Die Idee<br />
der Partnerschaft. Indem wir mit örtlichen<br />
Initiativen zusammenarbeiten,<br />
wollen wir zum Aufbau der Zivilgesellschaft<br />
beitragen. Nur wenn <strong>die</strong><br />
Menschen in der Lage sind, ihre<br />
eigenen Interessen zu vertreten, hat<br />
<strong>Afrika</strong> eine Chance.«<br />
stephan stolze<br />
wissen Frauen nichts von ihren<br />
Rechten. Information, Bildung<br />
und Ausbildung für Frauen und<br />
Mädchen ist <strong>des</strong>halb einer der<br />
wichtigsten Schwerpunkte der<br />
Projektarbeit von <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
im Südlichen Sahel. Ein<br />
Beispiel ist das Frauen-Netzwerk<br />
RECIF in Burkina Faso, in<br />
dem mehr als 40 Organisationen<br />
mit über 100.000 Mitgliedern<br />
zusammengeschlossen sind.<br />
Die Mitarbeiterinnen fahren<br />
über <strong>die</strong> Dörfer und führen ein<br />
Theaterstück vor, mit dem sie<br />
<strong>die</strong> Männer auf <strong>die</strong> Ungerechtigkeit<br />
aufmerksam machen und<br />
den Mädchen und Frauen ihre<br />
Rechte nahe bringen. Auch<br />
durch Radio- und Fernsehprogramme<br />
versucht RECIF dazu<br />
beizutragen, dass sich <strong>die</strong> Lage<br />
der Frauen verbessert. sze<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
unterstützt RECIF mit<br />
jährlich ca. 55.000,– Mark.
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> September <strong>2000</strong> <strong>Afrika</strong> 5<br />
Tödliches Schweigen<br />
Die Gefahr durch AIDS wurde viel zu lange ignoriert<br />
Über AIDS spricht man nicht. Die<br />
Angst vor der Schande verhindert<br />
den offenen Umgang mit der Krankheit,<br />
<strong>die</strong> sich so ungehindert ausbreiten<br />
kann. Besonders in den Ländern<br />
<strong>des</strong> Südlichen <strong>Afrika</strong> ist <strong>die</strong> Katastrophe<br />
längst Wirklichkeit: Kaum<br />
jemand in Zimbabwe, der noch<br />
keine Angehörigen durch AIDS verloren<br />
hat – jeder vierte Erwachsene<br />
ist dort bereits infiziert. Kaum besser<br />
ist <strong>die</strong> Situation in den Nachbarländern<br />
Botswana, Sambia, Südafrika<br />
oder Mosambik. Heute ist AIDS in<br />
<strong>Afrika</strong> <strong>die</strong> häufigste To<strong>des</strong>ursache.<br />
Nach UN-Angaben lebten Ende 1999<br />
von weltweit 34,3 Millionen HIV-<br />
Infizierten 24,5 Millionen in <strong>Afrika</strong><br />
südlich der Sahara. In den nächsten<br />
zehn Jahren, so eine US-Stu<strong>die</strong>, wird<br />
<strong>die</strong> Lebenserwartung im Südlichen<br />
<strong>Afrika</strong> auf etwa dreißig Jahre sinken.<br />
Medikamente zur Behandlung<br />
bei AIDS sind für <strong>die</strong> meisten <strong>Afrika</strong>ner<br />
unerschwinglich. Zwar gab es<br />
bei der 13. Welt-AIDS-Konferenz,<br />
<strong>die</strong> im Juli im südafrikanischen Durban<br />
stattfand, Signale der Pharmaindustrie:<br />
Das deutsche Unternehmen<br />
Boehringer Ingelheim will das Mittel<br />
Viramune kostenlos in bestimmte<br />
Entwicklungsländer liefern. Das<br />
Medikament kann <strong>die</strong> Übertragung<br />
<strong>des</strong> HIV-Virus von schwangeren<br />
Frauen auf <strong>die</strong> ungeborenen Kinder<br />
verhindern. Doch selbst wenn <strong>die</strong><br />
Pharma-Preise drastisch reduziert<br />
würden – es fehlt <strong>die</strong> Infrastruktur in<br />
<strong>Afrika</strong>, um <strong>die</strong> notwendige medizinische<br />
Begleitung der medikamentösen<br />
Behandlung zu leisten. Es gibt<br />
somit zwei AIDS-Welten: Die reichen<br />
Länder, in denen AIDS als eine<br />
schwere chronische, aber behandelbare<br />
Krankheit betrachtet werden<br />
kann – und <strong>die</strong> Länder der Dritten<br />
Welt, denen <strong>die</strong>se Behandlung verwehrt<br />
bleibt. Dort bleiben nur <strong>die</strong><br />
Prävention und <strong>die</strong> Hospizarbeit für<br />
<strong>die</strong> Sterbenden.<br />
Millionen AIDS-Waisen<br />
Für <strong>Afrika</strong> gibt es daher nur eine<br />
Hoffnung: »Das Schweigen brechen.«<br />
So lautete auch das Motto<br />
der Konferenz in Durban. Eine<br />
Chance hat <strong>Afrika</strong> im Kampf gegen<br />
AIDS nur, wenn endlich auch <strong>die</strong><br />
Regierungen entschlossene Kampagnen<br />
auf den Weg bringen, wenn bis<br />
in <strong>die</strong> entlegensten Dörfer Aufklärung<br />
betrieben wird, wenn den<br />
Heranwachsenden an sämtlichen<br />
Schulen erklärt wird, dass Kondome<br />
Leben retten. Viel zu lange wurde<br />
das Problem systematisch ignoriert.<br />
Auch Südafrikas Ex-Präsident<br />
Nelson Mandela muss sich <strong>die</strong>sen<br />
Vorwurf gefallen lassen: Erst Ende<br />
1997 erwähnte er das Wort AIDS<br />
erstmals in einer Rede. Dabei gibt es<br />
auch positive Beispiele: In Uganda<br />
wurde <strong>die</strong> Gefahr durch den Virus<br />
frühzeitig erkannt; dort reagierte <strong>die</strong><br />
Regierung schon in den 80er Jahren<br />
mit einer breiten Aufklärungskampagne.<br />
Leicht ist es nicht, <strong>die</strong> Mauer <strong>des</strong><br />
Schweigens zu durchbrechen. Schon<br />
das Wort AIDS wird in Zimbabwe<br />
gemieden: »Iyoyo« – <strong>die</strong>se Sache –<br />
ist <strong>die</strong> gängige Umschreibung. Wer<br />
auch nur in den Verdacht gerät, an<br />
»<strong>die</strong>ser Sache« erkrankt zu sein,<br />
muss damit rechnen, von der eigenen<br />
Familie ausgestoßen und davongejagt<br />
zu werden. Die Unwissenheit ist der<br />
fruchtbare Nährboden für den Virus.<br />
In Mosambiks Region Zambezia<br />
zum Beispiel ist <strong>die</strong> traditionelle<br />
Foto: Per-Anders Petterson/Laif<br />
Ein HIV-infiziertes Baby wird im Murchison Hospital in Natal, Südafrika, untersucht<br />
Annahme verbreitet, Erkrankungen<br />
wie AIDS könnten durch Sex geheilt<br />
werden – indem der »schlechte<br />
Geist« der Krankheit auf einen<br />
anderen Körper übergeht. In anderen<br />
Gegenden herrscht der Glaube,<br />
jede Krankheit sei ein vorbestimmtes<br />
Schicksal, dem man auch durch<br />
Vorsorge nicht entkommen könne.<br />
»Diese regionalen Unterschiede<br />
müssen bei den Kampagnen berücksichtigt<br />
werden«, erklärt <strong>die</strong> mosambikanische<br />
Soziologin Nelia Taimo,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Haltung der Bevölkerung zu<br />
AIDS untersucht hat: »Es ist sinnlos,<br />
den Leuten in Ruvoma <strong>die</strong>selben<br />
Botschaften zu vermitteln wie denen<br />
am Maputo-Fluss.«<br />
Nicht nur AIDS, auch <strong>die</strong> wachsende<br />
wirtschaftliche Not hat dazu<br />
geführt, dass <strong>die</strong> traditionellen Bindungen<br />
in <strong>Afrika</strong> immer mehr zerfallen:<br />
Eigentlich sind es <strong>die</strong> Dorfgemeinschaft<br />
und <strong>die</strong> Großfamilie,<br />
<strong>die</strong> den einzig sicheren Rückhalt<br />
in schlechten Zeiten bieten. Dieses<br />
Prinzip mag auf dem Lande noch<br />
begrenzte Gültigkeit haben – in den<br />
wachsenden Städten ist jeder mit<br />
seiner Not allein.<br />
Immer mehr Kinder, <strong>die</strong> sich in<br />
<strong>Afrika</strong>s Großstädten durchschlagen,<br />
sind AIDS-Waisen. Sie haben ihre<br />
Familien verloren oder wurden von<br />
den Verwandten verstoßen. Ihre<br />
Zahl wird in den nächsten Jahren<br />
explo<strong>die</strong>ren: Im Jahr 2010, so eine<br />
Stu<strong>die</strong> der US-Entwicklungsbehörde,<br />
werden auf der Welt 30 Millionen<br />
AIDS-Waisen leben – 90 Prozent<br />
davon in <strong>Afrika</strong>.<br />
In den Straßenkinderzentren, <strong>die</strong><br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> im Südlichen<br />
<strong>Afrika</strong> fördert, sind <strong>die</strong>se Waisenkinder<br />
längst angekommen. Hier<br />
werden sie aufgenommen, erhalten<br />
medizinische Betreuung und <strong>die</strong><br />
Chance einer Ausbildung. <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong> hat es sich zum Ziel gesetzt,<br />
viel mehr solcher Angebote zu schaffen<br />
– etwa in Sambia, das aus <strong>die</strong>sem<br />
Grund neu in <strong>die</strong> Liste der Projektländer<br />
aufgenommen wurde.<br />
Neben <strong>die</strong>ser direkten Hilfe steht<br />
auch <strong>die</strong> AIDS-Aufklärung im Vordergrund<br />
der Arbeit von <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong>. Schließlich gilt es, alle<br />
Kräfte zu mobilisieren, um das tödliche<br />
Schweigen zu überwinden.<br />
stephan stolze<br />
Die ungelöste Landfrage<br />
Farmbesetzungen in Zimbabwe<br />
»Vorwärts nach Albanien« – so<br />
titelte der südafrikanische Weekly<br />
Mail&Guardian in einem Kommentar<br />
zu den Farmbesetzungen in Zimbabwe.<br />
Wie einst Albaniens Staatschef<br />
Enver Hodscha sei auch Zimbabwes<br />
Präsident Robert Mugabe auf<br />
dem besten Wege, sein Land zu isolieren.<br />
Genüsslich zitierten Kommentatoren<br />
den zweiten Vornamen<br />
<strong>des</strong> Veteranenführers Chenjirei »Hitler«<br />
Hunzvi, der als Organisator der<br />
Farmbesetzungen gilt.<br />
So wurde der Eindruck erweckt,<br />
<strong>die</strong> aktuelle Entwicklung in Zimbabwe<br />
lasse sich auf <strong>die</strong> Aktionen<br />
zweier unzurechnungsfähiger Männer<br />
reduzieren. Nicht um eine<br />
Bodenreform ginge es Mugabe, sondern<br />
um den nackten Machterhalt.<br />
Und Hunzvi, der alte Genosse aus<br />
dem Befreiungskampf, sei nur ein<br />
Werkzeug Mugabes und werde nach<br />
der gewonnenen Wahl überflüssig<br />
sein. Aber wird das Landthema jetzt,<br />
nachdem Mugabe <strong>die</strong> Wahlen knapp<br />
gewinnen konnte, aus dem politischen<br />
Alltagsgeschäft verschwinden?<br />
Sicher nicht.<br />
Land war und ist in Zimbabwe<br />
ein emotional hoch geladenes<br />
Thema – spätestens seit 1969, als das<br />
weiße Regime Ian Smiths <strong>die</strong> Hälfte<br />
<strong>des</strong> fruchtbarsten Lan<strong>des</strong> seinen Farmern<br />
sicherte und sich einseitig vom<br />
britischen Mutterland lossagte.<br />
»Lasst uns vergessen und vergeben«,<br />
versprach Robert Mugabe 1980 bei<br />
der Unabhängigkeit Zimbabwes und<br />
hatte vermutlich dabei <strong>die</strong> Finger<br />
hinter seinem Rücken gekreuzt. Aber<br />
das war <strong>die</strong> Botschaft, <strong>die</strong> er seinen<br />
ehemaligen Feinden und allen potentiellen<br />
Investoren entgegenschickte<br />
– und <strong>die</strong> Welt wollte es nur zu<br />
gerne glauben. Die Landfrage sollte<br />
friedlich gelöst werden.<br />
Koloniale Landverteilung<br />
Heute, nach 20 Jahren, kontrollieren<br />
noch immer etwa 4.500 weiße<br />
Großfarmer mehr als ein Drittel <strong>des</strong><br />
fruchtbarsten Ackerbodens, während<br />
mehr als 700.000 schwarze Kleinbauern<br />
weiter in den »Communal<br />
Lands« der Kolonialzeit leben, wo<br />
<strong>die</strong> trockenen, unfruchtbaren Böden<br />
kaum genug zum Überleben hergeben.<br />
»Es ist kaum überraschend, dass<br />
<strong>die</strong> Leute wütend sind«, meint Timothy<br />
Stamps, Gesundheitsminister seit<br />
fast 15 Jahren und <strong>die</strong> meiste Zeit der<br />
einzige Weiße in Mugabes Kabinett.<br />
»Auf dem Land herrscht eine unbeschreibliche<br />
Armut, kaum ein Bauer<br />
kann seine Familie richtig ernähren.«<br />
Robert Mugabe hatte jedoch nie<br />
wirklich vor, mit der Landreform<br />
Ernst zu machen. Zwar einigte man<br />
sich 1998 endlich auf einen Zwei-<br />
Jahresplan, und <strong>die</strong> Vereinigung<br />
kommerzieller Farmer bot der Regierung<br />
den Verkauf von 120 Farmen<br />
an. Doch nur 70 Angebote wurden<br />
aufgriffen. Die meisten davon gingen<br />
in den Besitz von Funktionären der<br />
Regierungspartei ZANU-PF über.<br />
Die herrschende Elite hatte<br />
mittlerweile ihren Frieden mit den<br />
weißen Siedlern geschlossen, <strong>die</strong><br />
Zimbabwe mit ihren Exporten zu<br />
einer wichtigen Handelsnation im<br />
Südlichen <strong>Afrika</strong> machten. Das Land<br />
ist der drittgrößte Tabakexporteur<br />
hinter den USA und China. Doch<br />
Mugabes Fähigkeit, <strong>die</strong> weißen<br />
Investoren glücklich zu machen und<br />
einer schwarzen Schicht von<br />
Geschäftsleuten hohe Einkünfte zu<br />
sichern, hat <strong>die</strong> soziale Ungleichheit<br />
in Zimbabwe weiter vertieft. Misswirtschaft,<br />
Regierungsunfähigkeit<br />
und das kostspielige Abenteuer einer<br />
militärischen Intervention im Kongo<br />
haben <strong>die</strong> Ökonomie <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />
und <strong>die</strong> Popularität Mugabes an den<br />
Rand <strong>des</strong> Abgrun<strong>des</strong> gebracht.<br />
Wie in vielen anderen afrikanischen<br />
Ländern sollte auch für<br />
Zimbabwe ein Strukturanpassungsprogramm<br />
<strong>des</strong> Internationalen<br />
Währungsfonds <strong>die</strong> richtige ökonomische<br />
Medizin sein. Die »Anpassungen«<br />
bestanden aus Privatisierung,<br />
Begrenzung öffentlicher<br />
Ausgaben, Exportorientierung im<br />
Agrarsektor, Liberalisierung <strong>des</strong><br />
Geldhandels sowie dem Entzug<br />
staatlicher Subventionen für Grundnahrungsmittel.<br />
Die Folge war wachsende<br />
Armut in weiten Teilen der<br />
Bevölkerung. Hinzu kam der dramatische<br />
Währungssturz 1997: Über<br />
Nacht brach der Börsenhandel um<br />
40 Prozent ein, und der Zimbabwe-<br />
Dollar stürzte in ein Tief, von dem<br />
er sich bis heute nicht erholt hat.<br />
Der Geldverfall zusammen mit<br />
dem Subventionsabbau für Nahrungsmittel<br />
waren es schließlich, <strong>die</strong><br />
zur Formierung einer ernst zu nehmenden<br />
Opposition führten. Sie<br />
wird von den städtischen Gewerkschaften<br />
und ihrem Führer Morgan<br />
Tsvangirai angeführt. Dieser Opposition<br />
gelang es im Februar <strong>die</strong>sen Jahres,<br />
bei der Abstimmung über eine<br />
neue Verfassung Mugabe zum ersten<br />
Mal eine schwere Niederlage zuzufügen.<br />
Auch <strong>die</strong> weiße Siedlerschicht<br />
wandte sich von Mugabe ab und<br />
unterstützte das neue »Movement<br />
for Democratic Change« (MDC) mit<br />
beträchtlichen Geldbeträgen.<br />
Der Geist aus der Flasche<br />
In <strong>die</strong>ser Situation griff Robert<br />
Mugabe, der alte »Comrade Bob«, in<br />
populistischer Manier <strong>die</strong> Landfrage<br />
auf und stilisierte sie zu einer Fortsetzung<br />
seines Befreiungskampfes<br />
gegen <strong>die</strong> rho<strong>des</strong>ischen Siedler hoch.<br />
Sein alter Kampfgefährte Chenjirei<br />
Hunzvi kam ihm dabei gerade recht.<br />
Aber was mit einer eher symbolischen<br />
Besetzung von 50 bis 100 Farmen<br />
so recht für Mugabes Wahlkampf<br />
zugeschnitten begann, eskalierte<br />
in einer Welle von Besetzungen<br />
von nahezu 1.400 Farmen. Es entwickelte<br />
sich eine Bewegung, <strong>die</strong><br />
auch Mugabe selbst in Schwierigkeiten<br />
bringen kann. Hunzvi als der<br />
eigentliche Organisator der Besetzungen<br />
trat immer selbstbewusster<br />
vor <strong>die</strong> Kameras. Ankündigungen<br />
aus gemäßigten ZANU-PF-Kreisen,<br />
dass <strong>die</strong> Landfrage nach der Wahl<br />
friedlich gelöst werde, trat er entgegen:<br />
»Die Landverteilung kann<br />
nicht in den Händen der Politiker<br />
bleiben«, verkündete er lautstark.<br />
Es wird Robert Mugabe schwer<br />
fallen, <strong>die</strong> Geister zu vertreiben, <strong>die</strong><br />
er selbst gerufen hat.<br />
Mugabes viel gelobter Versöhnungskurs<br />
ist am Ende. »Es war <strong>die</strong><br />
Versöhnung einer kleinen Elite, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Staatsmacht erbte, ohne sich um<br />
soziale Gerechtigkeit für <strong>die</strong> Masse<br />
zu kümmern«, schreibt Ibobo Mandaza<br />
in den Blättern zur südafrikanischen<br />
Politik und Ökonomie; »darum<br />
konnte <strong>die</strong>se Versöhnung weder<br />
dauerhaft noch nachhaltig sein.«<br />
Es musste der Tag kommen, an<br />
dem <strong>die</strong>s offenbar wurde. Zimbabwe<br />
hat ihn jetzt erreicht.<br />
ulrich tietze<br />
Der Autor leitet das <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>-Büro<br />
in Maputo/Mosambik.
6 Aus den Projekten<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> September <strong>2000</strong><br />
Krieg um Öl und Diamanten<br />
Namibia: Bildungsprogramme im Flüchtlingslager<br />
Der Reichtum <strong>Afrika</strong>s ist auch sein<br />
Dilemma. Zum Beispiel Angola:<br />
Hier sind es <strong>die</strong> reichen Erdölquellen<br />
und Diamantenminen, <strong>die</strong> ein Ende<br />
<strong>des</strong> verheerenden Bürgerkrieges<br />
immer wieder verhindern. Begonnen<br />
hat <strong>die</strong>ser Krieg in den 60er<br />
Jahren mit dem bewaffneten Kampf<br />
gegen <strong>die</strong> portugiesischen Kolonialherren.<br />
Nach der Unabhängigkeit<br />
1975 wurde er als »Stellvertreterkrieg«<br />
weitergeführt, als <strong>die</strong> Supermächte<br />
ihre Konfrontation auf den<br />
Schlachtfeldern der Dritten Welt<br />
austragen ließen. In Angola wurden<br />
<strong>die</strong> rechtsgerichteten Rebellen der<br />
UNITA von Südafrika und den USA<br />
finanziert; <strong>die</strong> Truppen der sozialistischen<br />
Regierung erhielten Unterstützung<br />
aus Moskau und Havanna.<br />
Fast <strong>die</strong> gleiche Entwicklung<br />
nahm auch ein anderer Kriegsschauplatz<br />
<strong>des</strong> Südlichen <strong>Afrika</strong>:<br />
Mosambik. Doch dort fehlte nach<br />
dem Ende <strong>des</strong> Kalten Krieges das<br />
Geld der Verbündeten, um <strong>die</strong><br />
Kämpfe fortzusetzen. Inzwischen<br />
herrscht in Mosambik seit acht Jahren<br />
ein stabiler Frieden. In Angola<br />
dagegen haben beide Kriegsparteien<br />
reichlich Geld – zur Freude der<br />
Waffenhändler: Die Regierung kontrolliert<br />
<strong>die</strong> Ölquellen, <strong>die</strong> Rebellen<br />
<strong>die</strong> Diamantenminen. Die Tragö<strong>die</strong><br />
<strong>des</strong> hungernden angolanischen<br />
Volkes nimmt kein Ende.<br />
Auch in anderen afrikanischen<br />
Kriegen geht es um Rohstoffe: Im<br />
westafrikanischen Sierra Leone sind<br />
es besonders hochwertige Diamanten,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Kassen der Kriegsfürsten<br />
füllen, und auch im Kongokrieg,<br />
dem »Ersten Weltkrieg <strong>Afrika</strong>s«,<br />
geht es um Schürf- und Förderlizenzen<br />
für Öl, Edelsteine, Kupfer und<br />
andere Bodenschätze. Politische<br />
oder ethnische Motive werden nur<br />
noch vorgetäuscht – in Wahrheit<br />
»Viva a paz« – es lebe der Frieden: Kinder <strong>des</strong> Angola-Krieges<br />
bietet der Krieg den Warlords einfach<br />
<strong>die</strong> beste Möglichkeit zur<br />
Bereicherung. Immerhin wird <strong>die</strong>ser<br />
Zusammenhang nun auch von der<br />
internationalen Politik wahrgenommen:<br />
Die G-8-Staaten haben unlängst<br />
vereinbart, <strong>die</strong> Verbreitung<br />
von Kleinwaffen und <strong>die</strong> Finanzierung<br />
von Konflikten durch illegalen<br />
Diamantenhandel verstärkt zu<br />
bekämpfen. Und selbst der südafrikanische<br />
Diamantenmulti DeBeers<br />
musste inzwischen aus Sorge um<br />
sein Image ankündigen, nicht mehr<br />
mit Kriegsdiamanten zu handeln.<br />
Jahrzehntelang hatte der Weltmarktführer<br />
Millionengeschäfte mit den<br />
blutigen Edelsteinen gemacht.<br />
Der Krieg in Angola macht<br />
nicht an den Grenzen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />
halt. Immer stärker wirken sich<br />
<strong>die</strong> Kämpfe auch auf das südliche<br />
Nachbarland Namibia im Südwesten<br />
<strong>Afrika</strong>s aus. Eine Folge ist<br />
<strong>die</strong> wachsende Zahl von Flüchtlingen,<br />
<strong>die</strong> vor dem Bürgerkrieg<br />
aus Angola nach Namibia fliehen.<br />
Hilfe für Flüchtlingskinder<br />
Im Lager Osire, das ursprünglich für<br />
2.000 Bewohner angelegt war, leben<br />
inzwischen rund 11.000 Flüchtlinge.<br />
Bis zum Jahresende ist damit zu<br />
rechnen, dass ihre Zahl auf min<strong>des</strong>tens<br />
15.000 wachsen wird.<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> hat jetzt mit<br />
der Hilfe für <strong>die</strong> Kinder und Jugendlichen<br />
von Osire begonnen. »Die<br />
Flüchtlinge sind völlig mittellos und<br />
angewiesen auf Nahrungsmittelhilfe<br />
und äußerer Unterstützung«, erklärt<br />
Söhne und Töchter der Wolken<br />
Westsahara: Nahrungsmittel und Prothesen für Kinder<br />
Wieder einmal wurden <strong>die</strong> Hoffnungen<br />
<strong>des</strong> sahrauischen Volkes bitter<br />
enttäuscht. Das Referendum über<br />
<strong>die</strong> Unabhängigkeit der Westsahara,<br />
vorgesehen für den 31. Juli <strong>2000</strong>,<br />
wurde erneut abgesagt – zum wievielten<br />
Male eigentlich?<br />
Es gibt also weiterhin keine<br />
Rückkehr in <strong>die</strong> Heimat für <strong>die</strong> mehr<br />
als 100.000 Flüchtlinge, <strong>die</strong> seit<br />
25 Jahren in Zeltlagern der algerischen<br />
Sahara hausen, in einer<br />
lebensfeindlichen Sandwüste, abhängig<br />
von internationaler Hilfe, <strong>die</strong><br />
immer spärlicher geleistet wird. Jeder<br />
Tropfen Wasser, je<strong>des</strong> Kleidungsstück,<br />
je<strong>des</strong> Gramm Nahrung muss<br />
mühsam herbeigeschafft werden.<br />
Es ist bewundernswert, mit welcher<br />
Würde <strong>die</strong> Sahrauis <strong>die</strong>ses Leben<br />
meistern: Es ist ihnen gelungen,<br />
unter den widrigen Bedingungen <strong>des</strong><br />
Lagerlebens ein funktionieren<strong>des</strong><br />
Schulsystem aufzubauen, <strong>die</strong> notwendigste<br />
Gesundsheitsversorgung<br />
sicherzustellen und demokratische<br />
Regeln <strong>des</strong> Zusammenlebens durchzusetzen.<br />
Dennoch gehen <strong>die</strong> Traditionen<br />
der Sahrauis zwangsläufig verloren.<br />
Es ist ein Nomadenvolk – <strong>die</strong> ständige<br />
Suche nach Weideland für ihre<br />
Herden gab den Sahrauis den poetischen<br />
Beinamen<br />
Söhne und Töchter<br />
der Regenwolken.<br />
Inzwischen ist in den<br />
Lagern eine ganze<br />
Generation aufgewachsen,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
traditionelle Lebensweise<br />
ihres Volkes<br />
nur noch aus Erzählungen<br />
kennt.<br />
Foto: Günay Ulutuncok/laif<br />
Wasser in der Wüste: Sahrauische Kinder in den Flüchtlingslagern<br />
Ungewisse Zukunft<br />
Das Leiden <strong>des</strong><br />
sahrauischen Volkes<br />
hat seinen Ursprung<br />
in der Kolonialzeit.<br />
Die spanischen Kolonialherrscher<br />
hatten<br />
<strong>die</strong> Westsahara verlassen, ohne sich<br />
um <strong>die</strong> Zukunft <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> zu kümmern.<br />
1975 wurde <strong>die</strong> Westsahara<br />
völkerrechtswidrig von marokkanischen<br />
Truppen besetzt. Seither<br />
herrscht der marokkanische König<br />
über das Land. Die reichen Bodenschätze<br />
werden geplündert, <strong>die</strong> einheimische<br />
Bevölkerung mit Polizeistaatsmethoden<br />
unterdrückt. Es<br />
begann der Befreiungskrieg der<br />
»Frente Polisario«, <strong>die</strong> aber gegen<br />
<strong>die</strong> Übermacht der Besatzer ohne<br />
Chance war. So blieb Zehntausenden<br />
Zivilisten nur <strong>die</strong> Flucht vor<br />
den Bombenangriffen ins Innere<br />
der Sahara.<br />
Inzwischen hat <strong>die</strong> Weltöffentlichkeit<br />
<strong>die</strong>sen Konflikt vergessen.<br />
Es ist eine verzweifelte Logik, wenn<br />
junge Sahrauis heute darüber nachdenken,<br />
wieder zu den Gewehren<br />
zu greifen. Sie wissen, dass sie militärisch<br />
nichts ausrichten können.<br />
Nur eines können sie erreichen: dass<br />
<strong>die</strong> Welt vom fortgesetzten Elend<br />
der Flüchtlinge Notiz nimmt. Heute<br />
ist fraglicher denn je, ob <strong>die</strong> Sahrauis<br />
Birgit Dittrich, <strong>Afrika</strong>-Referentin bei<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>. Besonders deprimierend<br />
sei <strong>die</strong> Situation der Kinder<br />
und Jugendlichen: »Für 1.500 Kinder<br />
unter fünf Jahren steht ein einziger<br />
kleiner Kindergarten zur Verfügung.<br />
Für <strong>die</strong> 2.500 Kinder zwischen sechs<br />
und 14 Jahren gibt es Grundschulunterricht<br />
in zwei kleinen Klassenräumen,<br />
<strong>die</strong> völlig überfüllt sind.<br />
Und für <strong>die</strong> Jugendlichen gibt es<br />
weder Ausbildungsmöglichkeiten<br />
noch Freizeitangebote.«<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong> will<br />
dazu beitragen,<br />
dass <strong>die</strong> Kinder<br />
im Flüchtlingslager<br />
von Osire<br />
Unterricht und<br />
Ausbildung<br />
— Zu den langjährigen <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong>-Projekten im Südlichen<br />
Sahel gehört <strong>die</strong> Organisation<br />
APGWA in Gambia, <strong>die</strong> sich für<br />
<strong>die</strong> Rechte von Frauen und Mädchen<br />
einsetzt. Es werden Ausbildungskurse<br />
angeboten sowie<br />
Hilfen, damit <strong>die</strong> Frauen ein Einkommen<br />
erwirtschaften können.<br />
Ein Schwerpunkt ist der Kampf<br />
gegen <strong>die</strong> Genitalbeschneidung<br />
von Mädchen, <strong>die</strong> in Westafrika<br />
noch immer sehr verbreitet ist.<br />
Die Mitarbeiterinnen von<br />
APGWA informieren <strong>die</strong> Menschen<br />
über <strong>die</strong> Gefahren <strong>die</strong>ser<br />
blutigen Tradition.<br />
— In Burkina Faso, Westafrika,<br />
leistet <strong>die</strong> Organisation GARD<br />
Hilfe für Jugendliche in 19 entlegenen<br />
Dörfern <strong>des</strong> Departements<br />
Koloko. Dort sehen junge Menschen<br />
häufig nur eine Chance:<br />
<strong>die</strong> Abwanderung in <strong>die</strong> Städte,<br />
wo ihre Hoffnungen aber oft enttäuscht<br />
werden. GARD versucht,<br />
jemals über <strong>die</strong> Zukunft ihres Lan<strong>des</strong><br />
entscheiden und als freie Menschen<br />
dorthin zurückkehren können.<br />
Marokko hat es verstanden, mit<br />
endlosen Winkelzügen das geplante<br />
Referendum immer wieder zu verschleppen.<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> ist entschlossen,<br />
den Flüchtlingen weiterhin beizustehen.<br />
Seit vielen Jahren fördert<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> ein Programm für<br />
behinderte Kinder und Jugendliche,<br />
<strong>die</strong> Opfer eine großen Polio-Epidemie<br />
geworden sind. Ein Orthopä<strong>die</strong>-<br />
erhalten. Wegen der hohen HIV-<br />
Rate ist auch <strong>die</strong> Information der<br />
Jugendlichen zum Thema AIDS<br />
Bestandteil der Projektarbeit. Partner<br />
bei <strong>die</strong>sem Bildungsprogramm<br />
ist <strong>die</strong> namibische Bischofskonferenz,<br />
<strong>die</strong> im Lager von Osire Schulgebäude<br />
errichtet und Unterrichtsund<br />
Ausbildungsmaterial anschafft.<br />
»In Kriegsländern wie Angola<br />
wird heute fast nur noch Nothilfe<br />
geleistet, um <strong>die</strong> Menschen mit den<br />
notwendigsten Nahrungsmitteln<br />
zu versorgen«, erklärt Birgit Dittrich.<br />
»Wir wollen <strong>die</strong> Entwicklung der<br />
Kinder fördern, denn sie sind <strong>die</strong><br />
Zukunft ihres Lan<strong>des</strong>.«<br />
stephan stolze<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> unterstützt <strong>die</strong><br />
Arbeit für Flüchtlingskinder in<br />
Osire in den Jahren <strong>2000</strong> und 2001<br />
mit insgesamt 140.000 Mark.<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> in <strong>Afrika</strong><br />
Projektnotizen<br />
Foto: Museum für Völkerkunde Hamburg<br />
mit den Jugendlichen zusammen<br />
Lebens- und Berufsperspektiven<br />
in der Heimat zu<br />
entwickeln, um so <strong>die</strong> Flucht<br />
in <strong>die</strong> Städte zu verhindern.<br />
— Der Kampf gegen AIDS steht<br />
im Mittelpunkt der Arbeit von<br />
CONNECT in Zimbabwe.<br />
Mit Methoden der Familientherapie<br />
wird versucht, den<br />
Betroffenen zu helfen. Durch<br />
<strong>die</strong> Krankheit stehen viele<br />
Familien unter einem extremen<br />
sozialen und psychischen<br />
Druck. Neben der direkten<br />
Hilfe ist <strong>die</strong> Aufklärung über<br />
AIDS und <strong>die</strong> Möglichkeiten<br />
der Vorsorge ein weiterer<br />
Schwerpunkt bei CONNECT.<br />
— »Street Haven« – Hafen der<br />
Straße nennen <strong>die</strong> Straßenkinder<br />
ihr Zentrum in der Stadt<br />
Uitenhage in Südafrika. Hier,<br />
nahe der Industriemetropole<br />
Port Elizabeth, sind viele Kinder<br />
obdachlos auf den Straßen<br />
unterwegs. Dank der Unterstützung<br />
<strong>des</strong> Gesamtbetriebsrates<br />
von VW gelang es <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong>, <strong>die</strong>ses neue Zentrum<br />
zu errichten. Dort finden <strong>die</strong><br />
Kinder Unterkunft, sie können<br />
zur Schule gehen, und sie erleben<br />
Vertrauen – zum ersten<br />
Mal in ihrem Leben. sze<br />
Techniker reist regelmäßig in <strong>die</strong><br />
Flüchtlingslager, um <strong>die</strong>sen Kindern<br />
neue Prothesen anzupassen. Außerdem<br />
wird mit Hilfe von <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong> eine Baby-Zusatznahrung<br />
in <strong>die</strong> Lager geliefert, damit <strong>die</strong><br />
Kinder <strong>die</strong> lebensnotwendigen Nährstoffe<br />
bekommen. Sie werden <strong>die</strong><br />
Kraft brauchen, um ihre ungewisse<br />
Zukunft in der Wüste zu bestehen.<br />
stephan stolze<br />
Das Orthopä<strong>die</strong>-Projekt und <strong>die</strong><br />
Babynahrung für <strong>die</strong> Flüchtlingslager<br />
wird in <strong>die</strong>sem Jahr mit<br />
insgesamt 180.000 Mark von <strong>terre</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>hommes</strong> gefördert.<br />
Ebenfalls mit Unterstützung von<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> ist im Museum<br />
für Völkerkunde in Hamburg noch<br />
bis zum 1. Oktober eine Ausstellung<br />
zur Situation und Tradition <strong>des</strong><br />
sahrauischen Volkes zu sehen.
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> September <strong>2000</strong> Aus den Projekten 7<br />
Pulverfass Mindanao<br />
Philippinen: Kinderarbeit hält Familien am Leben<br />
Die »Isla Verde« in Davao, <strong>die</strong><br />
Grüne Insel vor der Hauptstadt von<br />
Mindanao, hat ihren Namen kaum<br />
ver<strong>die</strong>nt. Überragt von einzelnen<br />
Palmen ist sie eine dichte Ansammlung<br />
von verschachtelten grauen<br />
Hütten. Vom Festland führt eine<br />
schwankende Holzbrücke hinüber.<br />
In einer Bude sitzt eine Frau und<br />
kassiert 25 Estimo von jedem, der <strong>die</strong><br />
Brücke überquert. Wer in <strong>die</strong> Stadt<br />
will, zur Schule, zur Arbeit, zum<br />
Kaufen oder Verkaufen, muss zahlen.<br />
Vier <strong>die</strong>ser gelben Münzen sind<br />
ein Peso, etwa fünf Pfennige, nicht<br />
viel. Aber 100 Peso sind fünf Mark,<br />
und kaum eine der Familien hier im<br />
Purok IV, einem der Slums von<br />
Davao, hat so viel Geld zum Leben.<br />
»Buy and sell« ist der Trick zum<br />
Überleben. Mit einem Kapital von<br />
300 bis 500 Peso, für das sie zehn bis<br />
zwanzig Prozent Zinsen zahlen,<br />
betreiben viele einen bescheidenen<br />
privaten Handel mit allem, was sich<br />
verkaufen lässt: Kleidung, Gummisandalen,<br />
Haushaltsgerät, Getränke<br />
und Snacks. Die Menschen in<br />
den Slums am Ufer leben auf Land,<br />
das ihnen nicht gehört, ständig in<br />
Gefahr, vom Meer oder von der<br />
Regierung vertrieben zu werden.<br />
1997 hat eine Flutwelle 298 Häuser<br />
auf der Isla Verde zerstört.<br />
Von den 7.107 Inseln, <strong>die</strong> zum<br />
Archipel der Philippinen gehören,<br />
sind Luzon mit der Hauptstadt<br />
Manila im Norden und Mindanao<br />
im Süden <strong>die</strong> größten. Auf Mindanao<br />
leben fast 20 Millionen Einwohner,<br />
mehr als ein Viertel der<br />
Bevölkerung. Doch obgleich sie mit<br />
Bananen- und Ananas-Plantagen,<br />
Fischfang, Forstwirtschaft und<br />
Bergbau 50 Prozent <strong>des</strong> Nationaleinkommens<br />
produzieren, fließt wenig<br />
Geld zurück. Alles muss über Manila<br />
laufen. Umso mehr hat <strong>die</strong> Unzufriedenheit<br />
der Menschen mit der<br />
Regierung zu politischen Unruhen<br />
geführt. Die Moslembewegung,<br />
25 Prozent stark auf Mindanao und<br />
seit dem 12. Jahrhundert hier ansässig,<br />
kämpft seit den 70er Jahren<br />
erbittert für einen eigenen Staat.<br />
1996 wurde zwischen der Moro<br />
Nationalen Befreiungsfront (MNLF)<br />
und der Regierung ein Friedensabkommen<br />
geschlossen. MNLF-Chef<br />
Gutes Unterrichtsmaterial ist rar: Kinder in der Tagesstätte<br />
Nur Misuari gab das Unabhängigkeitsziel<br />
auf, nachdem Manila<br />
soziale und wirtschaftliche Unterstützung<br />
zugesagt hatte. Kritiker <strong>des</strong><br />
Verhandlungsergebnisses spalteten<br />
sich von der MNLF ab und gründeten<br />
<strong>die</strong> Moro Islamische Befreiungsfront<br />
(MILF). 1999 begann erneut<br />
der Sezessionskrieg in Zentral-<br />
Mindanao. Im Mai <strong>die</strong>sen Jahres<br />
startete <strong>die</strong> philippinische Armee<br />
eine Offensive gegen <strong>die</strong> Unabhängigkeitskämpfer.<br />
Spielzeug aus Abfall<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> unterstützt 22 Projekte<br />
auf den Philippinen. Eines<br />
davon ist KAUGMAON, eine 1985<br />
gegründete Stiftung zur Stärkung<br />
von Kinderrechten und Förderung<br />
von Kindern. In der Tagesstätte auf<br />
der Isla Verde, einem Raum mit<br />
Bretterwänden und Lehmboden,<br />
werden 30 Kinder zwischen zwei<br />
und sechs Jahren betreut. Hier im<br />
Süden der Insel Mindanao ist es<br />
immer warm, im Sommer klettert<br />
das Thermometer auf über 40 Grad.<br />
Dann wird es unerträglich heiß<br />
Foto: Frances Krebs<br />
unter dem Wellblechdach – für <strong>die</strong><br />
Kleinen ebenso wie für Ada Sumaguina,<br />
<strong>die</strong> seit zwölf Jahren hier<br />
arbeitet. Ein Ventilator brächte<br />
Erleichterung, doch der kostet rund<br />
tausend Peso. Von den 15 Peso im<br />
Monat, <strong>die</strong> sie eigentlich für je<strong>des</strong><br />
Kind von den Eltern kassieren<br />
sollte, aber selten erhält, kauft Ada<br />
für <strong>die</strong> Kinder »merienda«, den traditionellen<br />
Snack.<br />
30 Kinder besitzen zum Spielen<br />
einen einzigen Bauklotz. Diese<br />
Kinder haben noch Fantasie: Aus<br />
Plastikflaschen, <strong>die</strong> überall herumliegen,<br />
basteln sie Fische, aus alten<br />
Gummilatschen entstehen kleine<br />
Boote. Papier zum Malen und<br />
Schreiben kommt aus den Papierkörben<br />
<strong>des</strong> <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>-Büros<br />
in Davao, aber es fehlt an Buntstiften,<br />
Farben, Pinseln. »Sie lernen aus<br />
den Bildern«, sagt Ada. Eine Wetterkarte,<br />
Bilder von Tieren, Pflanzen,<br />
Früchten, <strong>die</strong> auf den Philippinen<br />
heimisch sind – alles haben <strong>die</strong> Kinder<br />
selbst gemalt.<br />
Eine andere Slumgegend am Hafen<br />
von Davao. Hier hat <strong>die</strong> Regierung<br />
schon aufgeräumt: 6.000 Menschen<br />
wurden umgesiedelt, um Platz zu<br />
machen für eine Erweiterung der<br />
Hafenanlagen. Ein Vertrag zwischen<br />
den Philippinen und den USA<br />
sichert der US-Army gebührenfreien<br />
Zugang zu 21 Häfen. Die Umsiedler<br />
erhielten Land und Geld, ein Haus<br />
darauf zu bauen – aber <strong>die</strong> neue<br />
Stadt ist 20 Kilometer entfernt. Die<br />
Fahrt zur Schule oder zur Arbeit<br />
im Hafen kostet zwölf Peso am Tag<br />
– für viele der Familien mit durchschnittlich<br />
sechs bis acht Kindern ist<br />
Schuldbildung damit unerschwinglich<br />
geworden. Zwar sind <strong>die</strong><br />
Grundschulen frei, doch für Fahrgeld,<br />
Schulmittel, Bücher, Hefte<br />
muss jeder selbst aufkommen. Und<br />
in Lumpen kann man Kinder nicht<br />
zur Schule schicken.<br />
Am Kai liegen sechs Frachter, sie<br />
bringen Dünger aus Thailand, Indonesien<br />
und Japan für <strong>die</strong> großen<br />
Plantagen, <strong>die</strong> multinationalen Konzernen<br />
gehören. Die Schiffe werden<br />
gleichzeitig entladen – hauptsächlich<br />
von Jugendlichen und Kindern.<br />
Sie sind billig, flink und stellen<br />
keine Forderungen. Diese Kinder<br />
arbeiten zwölf Stunden. Sie sind<br />
ständig dem Chemikalienstaub<br />
ausgesetzt, der beim Abfüllen und<br />
Verschließen der Säcke entsteht.<br />
Hautkrankheiten und Atemwegsprobleme<br />
sind <strong>die</strong> Folge. Die Mitarbeiter<br />
der KAUGMAON-Stiftung<br />
betreuen <strong>die</strong> Jugendlichen am<br />
Hafen. Sie helfen bei Problemen<br />
und kümmern sich um Stipen<strong>die</strong>n.<br />
Arbeitende Kinder sollen zumin<strong>des</strong>t<br />
eine Ausbildung machen können.<br />
In der Arbeitspause um Mitternacht<br />
erhalten bis zu 150 Kinder eine<br />
warme Mahlzeit.<br />
frances krebs<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> unterstützt seit<br />
1992 <strong>die</strong> KAUGMAON-Stiftung mit<br />
zurzeit jährlich 26.316 Mark.<br />
»...wenn <strong>die</strong> Kinder wieder lachen können«<br />
Peru: Hilfe für traumatisierte Kinder<br />
»Das schönste Erlebnis ist für<br />
mich«, sagt Marilú voller Stolz,<br />
»wenn <strong>die</strong> Kinder wieder lachen<br />
können.« Marilú ist 32 Jahre alt und<br />
arbeitet in der peruanischen Stadt<br />
Tarapoto mit kriegstraumatisierten<br />
Kindern. Während <strong>des</strong> Bürgerkrieges<br />
in Peru (1985 bis 1994) gehörte<br />
das Departement San Martin, in der<br />
auch Tarapoto liegt, zu den Regionen,<br />
<strong>die</strong> besonders unter dem Krieg<br />
zwischen Militär und Guerilla zu<br />
leiden hatten.<br />
Tausende Menschen kamen<br />
während <strong>des</strong> Bürgerkrieges ums<br />
Leben, Zehntausende wurden aus<br />
ihren Dörfern vertrieben, darunter<br />
viele Kinder. Zahlreiche Kinder und<br />
Jugendliche mussten während <strong>des</strong><br />
Krieges miterleben, wie Familienangehörige,<br />
Nachbarn und Freunde<br />
zwangsrekrutiert, ermordet, vergewaltigt<br />
oder verschleppt wurden.<br />
Viele Zivilisten versuchten dem<br />
Terror durch <strong>die</strong> Flucht in <strong>die</strong> Städte,<br />
vor allem aber nach Tarapoto, zu<br />
entkommen. Später, als <strong>die</strong> Guerilla<br />
an Einfluss verlor und <strong>die</strong> Armee<br />
gewaltsam <strong>die</strong> Macht in der Region<br />
zurückeroberte, flohen auch <strong>die</strong> in<br />
Städte, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Gewaltverbrechen<br />
verantwortlich waren. Auf Grund<br />
der erlebten Gewalterfahrungen<br />
bestimmten Angst, Misstrauen,<br />
Depressionen und Aggressionen das<br />
Klima zwischen den Menschen.<br />
Am Anfang herrscht Traurigkeit<br />
1995 begannen Helfer der Organisation<br />
PASMI (Programm für <strong>die</strong> psychosoziale<br />
Gesundheit von Kindern)<br />
in Tarapoto mit dem Aufbau von<br />
Hilfsprojekten für traumatisierte<br />
Kinder. Die Situation stellte <strong>die</strong> Mitarbeiter<br />
von PASMI vor ein großes<br />
Problem, denn <strong>die</strong> wenigsten hatten<br />
bis dahin Erfahrungen im Umgang<br />
mit kriegstraumatisierten Kindern.<br />
Mit Hilfe qualifizierter Ausbilder aus<br />
der PASMI-Zentrale in Lima wurden<br />
<strong>des</strong>halb Fortbildungsprogramme und<br />
Workshops durchgeführt, um <strong>die</strong><br />
Helfer zu qualifizieren. Bald darauf<br />
konnten <strong>die</strong> ersten Kindergruppen<br />
eingerichtet werden. <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
unterstützt <strong>die</strong> Arbeit der Lehrer,<br />
Psychologen und Sozialarbeiter<br />
von PASMI seit fünf Jahren.<br />
Marilú und ihre Kollegen brauchen<br />
viel Geduld bei ihrer Arbeit.<br />
»Immer, wenn wir mit einer neuen<br />
Gruppe anfangen«, so berichtet sie,<br />
»herrschen Traurigkeit und Unsicherheit.<br />
Kaum jemand traut sich zu<br />
sprechen.« In der ersten Phase der<br />
Betreuung geht es darum, durch<br />
Spiele und Gespräche ein Vertrauensverhältnis<br />
zu den Kindern aufzubauen.<br />
Es dauert häufig sehr lange,<br />
bis <strong>die</strong> Kinder in der Lage sind, über<br />
ihre Leiden zu sprechen. Ist <strong>die</strong>ser<br />
Bann aber gebrochen, können <strong>die</strong><br />
Mitarbeiter von PASMI gemeinsam<br />
mit den Kindern das erlittene Leid<br />
aufarbeiten. »Wir können den Kindern<br />
dabei helfen, ihre Persönlichkeit<br />
und ihr Selbstwertgefühl wieder herzustellen.«<br />
Die Arbeit ist zwar mühevoll,<br />
doch fühlen sich <strong>die</strong> PASMI-<br />
Aktivisten durch den Erfolg bestätigt.<br />
75 Prozent der insgesamt 165 Kinder,<br />
<strong>die</strong> seit 1998 betreut wurden, konnten<br />
erfolgreich behandelt werden. Die<br />
anderen Kinder werden zurzeit noch<br />
im Projekt betreut.<br />
Nicht nur der Krieg hat Tarapoto<br />
verändert. Anfang der 80er Jahre gab<br />
es in der Stadt 15 Armenviertel. Bis<br />
Ende der 90er Jahre wuchs <strong>die</strong> Zahl<br />
auf Grund der Zuwanderung auf<br />
45 an. Es sind vor allem Arbeitssuchende<br />
und junge Familien, <strong>die</strong><br />
es heute nach Tarapoto zieht. Jeder<br />
zweite Einwohner ist jünger als<br />
18 Jahre.<br />
Neues Programm gegen Gewalt<br />
Für viele ist das Gefühl der Entwurzelung<br />
das größte Problem. Die<br />
Arbeitslosigkeit, das Leben am Existenzminimum<br />
und <strong>die</strong> fehlenden<br />
Zukunftsperspektiven fördern ein<br />
Klima der Gewalt. Gewalt in der<br />
Erziehung wird sowohl in den Familien<br />
wie auch in der Schule als normal<br />
empfunden. Weil Institutionen<br />
wie Jugendämter, Polizei oder<br />
Gerichte nicht funktionieren,<br />
bekommen Kinder und Jugendliche<br />
das Bild vermittelt, Konflikte seien<br />
nur mit Gewalt zu lösen. Straßenkriminalität,<br />
Prostitution und der<br />
Drogenhandel haben in den letzten<br />
Jahren deutlich zugenommen. Und<br />
auch <strong>die</strong> Zahl der Selbstmorde unter<br />
Jugendlichen ist stark angestiegen.<br />
Vor <strong>die</strong>sem Hintergrund wollen<br />
<strong>die</strong> Mitarbeiter von PASMI in<br />
einer neuen Projektphase <strong>die</strong> Themen<br />
Gewalt in der Erziehung und<br />
Kin<strong>des</strong>misshandlung aufnehmen.<br />
Hierzu wurden in den letzten<br />
Monaten Sozialarbeiter ausgebildet.<br />
Ihre Aufgabe wird darin bestehen,<br />
<strong>die</strong> Familien zu beraten und<br />
neue Kindergruppen zu betreuen.<br />
Es sind vor allem Mädchen, <strong>die</strong><br />
unter der Gewalt zu leiden haben.<br />
Deshalb wird der Großteil der Kindergruppen<br />
aus Mädchen bestehen.<br />
Wichtig ist für <strong>die</strong> Mitarbeiter<br />
von PASMI auch <strong>die</strong> Stärkung der<br />
Kinderrechte und <strong>die</strong> Selbstorganisation<br />
der Kinder. Auf Stadt- und<br />
Kulturfesten soll mit einer Kampagne<br />
für <strong>die</strong> Rechte der Kinder<br />
geworben werden. Um das soziale<br />
Umfeld der Kinder für das Thema<br />
Gewalt und Gewaltprävention zu<br />
sensibilisieren, ist <strong>die</strong> Einrichtung<br />
eines »Runden Tisches« geplant,<br />
zu dem Vertreter der Behörden, <strong>die</strong><br />
Eltern und Mitarbeiter sozialer<br />
Einrichtungen eingeladen werden.<br />
albert recknagel<br />
michael heuer<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> unterstützt<br />
<strong>die</strong> Arbeit von PASMI jährlich<br />
mit 20.000 Mark.
8 Aktiv<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> September <strong>2000</strong><br />
MELDUNGEN<br />
Weihnachtsaktion Edition <strong>2000</strong><br />
»Spenden statt Präsente«<br />
Diese Briefkarte bietet <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong> jenen an, <strong>die</strong> ihren<br />
Weihnachtsgruß mit einer Spende<br />
verbinden wollen. Sie können<br />
Freunden, Verwandten oder<br />
Geschäftspartnern <strong>die</strong> Karte<br />
schicken – bei entsprechenden<br />
Auflagen auf Wunsch auch mit<br />
einem individuellen Texteindruck.<br />
Aus den farbigen Blättern der<br />
»unsterblichen Blume« haben<br />
Künstler in Vietnam <strong>die</strong>se Karte<br />
gestaltet. Sie erinnern damit an den<br />
Frieden in ihrem Land, der vor<br />
25 Jahren geschlossen wurde. Hoffnung<br />
und Zuversicht sind wichtig<br />
in einem Land, das <strong>die</strong> Folgen <strong>des</strong><br />
Krieges noch längst nicht überwunden<br />
hat. <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> hilft<br />
dabei seit seiner Gründung vor<br />
33 Jahren, als kriegsverletzte<br />
Kinder aus Vietnam nach<br />
Deutschland geholt wurden.<br />
Heute unterstützt <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong> neben zwei großen<br />
Zentren für behinderte und<br />
unterernährte Kinder Selbsthilfeprojekte<br />
im ganzen Land.<br />
Die Briefkarten »Edition<br />
<strong>2000</strong>« im Hochformat (105 x<br />
210 mm) kosten pro Stück mit<br />
Umschlag 5,00 Mark (inkl. Mehrwertsteuer,<br />
zuzüglich Porto).<br />
Bitte nutzen Sie den Bestell-<br />
Coupon auf <strong>die</strong>ser Seite, oder<br />
richten Sie Ihre Bestellung an<br />
<strong>die</strong> Geschäftsstelle in Osnabrück,<br />
Frau Book, Tel. 0541/7101-128;<br />
Frau Wagner, Tel. 0541/7101-104<br />
oder eMail: Logistik@tdh.de.<br />
Förderung von Frauen und Mädchen in Gambia<br />
Neue Diaserie: »Töchter <strong>des</strong> Sahel«<br />
Die Diaserie zeigt <strong>die</strong> Situation<br />
der Frauen und Mädchen und<br />
stellt <strong>die</strong> Arbeit von APGWA vor.<br />
Diese Partnerorganisation von<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> setzt sich für<br />
<strong>die</strong> Förderung von Frauen und<br />
Mädchen in Gambia ein und<br />
kämpft gegen <strong>die</strong> Tradition der<br />
Sportler für <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
Aus dem Erlös <strong>des</strong> EM-Vorbereitungsspiels<br />
Deutschland gegen<br />
Liechtenstein in Freiburg erhielt<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> eine Spende in<br />
Höhe von 5.000 Mark. Der Sportförderausschuss<br />
<strong>des</strong> Deutschen<br />
Fußballbun<strong>des</strong> folgte damit seiner<br />
Tradition, soziale und karitative<br />
Organisationen finanziell zu<br />
unterstützen.<br />
Auch der Denksport setzt sich<br />
für Kinder in Not ein: Die Deutsche<br />
Schachjugend ging mit <strong>terre</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>hommes</strong> eine Kooperation ein,<br />
bei der gezielt Bildungsprojekte für<br />
Kinder unterstützt werden sollen.<br />
Beschneidung von Mädchen.<br />
Die Serie ist für Jugendliche ab<br />
16 Jahren und für Erwachsene<br />
geeignet.<br />
56 Dias mit Textheft, Bestell-<br />
Nr. 800.2771.146, zur Ausleihe.<br />
Bitte wenden Sie sich an Frau<br />
Plake, Telefon: 05 41/71 01-125.<br />
Foto: Christel Kovermann<br />
Übergaben den Scheck<br />
an <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>-<br />
Pressesprecher Wolf-<br />
Christian Ramm (2.v.r.):<br />
Frank Schmidt,<br />
Bernhard Holthaus<br />
und Gerhard<br />
Ballschmiede (v.l.)<br />
vom Niedersächsischen<br />
Fußballverband<br />
Zum Beispiel in Quezaltenango<br />
in Guatemala oder für Straßenkinder<br />
in Mosambik, <strong>die</strong> eine<br />
Ausbildung erhalten sollen.<br />
Beide Partner haben langjährige<br />
Erfahrungen in der Zusammenarbeit<br />
mit jungen Menschen und<br />
sind ehrenamtlich organisiert.<br />
Die Deutsche Schachjugend ist<br />
ein Sportjugendverband; in ihren<br />
rund 1.000 Vereinen werden etwa<br />
25.000 Kinder und Jugendliche<br />
betreut. Im Mittelpunkt steht <strong>die</strong><br />
Förderung <strong>des</strong> Schachspiels, doch<br />
es wird auch allgemeine Jugendund<br />
Bildungsarbeit geleistet.<br />
Schutz vor Schleppern<br />
Erfolgreiche Spendenaktion gegen Kinderhandel in Westafrika<br />
Folgt man der täglichen Berichterstattung<br />
in den Me<strong>die</strong>n, dann ist<br />
<strong>die</strong> Gewaltbereitschaft unter Kindern<br />
und Jugendlichen besorgniserregend<br />
angestiegen. Bestätigung<br />
finden <strong>die</strong>se Meldungen durch<br />
Pädagogen, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> wachsende<br />
Gewalt in Schulen und Familien<br />
hinweisen. Und auch <strong>die</strong> Übergriffe<br />
rechtsradikaler Jugendlicher auf<br />
ausländische Mitbürger lassen nichts<br />
Gutes für <strong>die</strong> Zukunft vermuten.<br />
Aus den Ländern der Dritten<br />
Welt sind wir <strong>die</strong> Bilder fast schon<br />
gewohnt: Straßenbanden, Jugendgangs,<br />
Drogenkriminalität und<br />
Ghettoisierung. Gewalt gegen<br />
Kinder und Jugendliche; Gewalt von<br />
Kindern und Jugendlichen. Ist es<br />
Kindersklaven an der Elfenbeinküste:<br />
Daoud und Salfou wollen zurück nach Hause<br />
Dass Spenden einiges in Bewegung<br />
setzen können, zeigt das Beispiel<br />
Westafrika: Dort hatte <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong> im vergangenen Herbst aufgedeckt,<br />
dass Zehntausende von<br />
Jungen und Mädchen einem organisierten<br />
Kinderhandel zum Opfer<br />
fallen. Eine der Handelsrouten<br />
führt aus<br />
den Dörfern von<br />
Mali auf <strong>die</strong> großen<br />
Plantagen <strong>des</strong> Nachbarlan<strong>des</strong><br />
Elfenbeinküste.<br />
Dorthin, so<br />
ermittelte <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>,<br />
wurden bisher rund<br />
20.000 Jungen verschleppt<br />
und unter<br />
übelsten Bedingungen<br />
zur Arbeit<br />
gezwungen.<br />
Die Zeitschrift<br />
BRIGITTE nahm sich<br />
<strong>des</strong> Themas an und<br />
schickte zwei Reporter<br />
nach <strong>Afrika</strong>, wo sie mit Hilfe von<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> <strong>die</strong> Hintergründe<br />
<strong>des</strong> schmutzigen Geschäftes recherchierten.<br />
Eine schwierige Reportage,<br />
denn <strong>die</strong> Behörden der Elfenbeinküste<br />
waren wenig begeistert davon,<br />
dass <strong>die</strong> Praxis <strong>des</strong> Kinderhandels<br />
auf <strong>die</strong>ses Weise publik gemacht<br />
werden sollte. So mussten <strong>die</strong><br />
Reporterin Christiane Röhrbein, der<br />
Fotograf Michael von Graffenried<br />
und Inga Nagel, <strong>die</strong> im Auftrag von<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> dabei war, auf<br />
abenteuerliche Weise Informationen<br />
sammeln: Nur durch »Überrumpelungstaktik«<br />
gelang es, im Morgengrauen<br />
Zugang zu einem Lager zu<br />
finden, wo Kinder aus Mali jahrelang<br />
gegen ihren Willen festgehalten<br />
wurden.<br />
»Die Sklavenkinder von<br />
Bamako« war der Titel der Reportage,<br />
<strong>die</strong> Anfang <strong>des</strong> Jahres in der<br />
BRIGITTE erschien. Die Leserinnen<br />
wurden darin um Spenden für »Mali<br />
Enjeu« gebeten. Diese Partnerorganisation<br />
von <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
leistet in Mali Aufklärungsarbeit, um<br />
vor dem modernen Sklavenhandel<br />
zu warnen. Außerdem werden<br />
Ausbildungskurse für junge Menschen<br />
angeboten – denn eine gute<br />
Ausbildung ist der beste Schutz vor<br />
den Schlepperbanden.<br />
Inzwischen sind auf Grund der<br />
Reportage mehr als 110.000 Mark<br />
unter dem Stichwort »Mali« an <strong>terre</strong><br />
Wege aus der Gewalt für Kinder und Jugendliche<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> veranstaltet internationale Konferenz<br />
aber wirklich um <strong>die</strong> Zukunft so<br />
schlecht bestellt? Gibt es keinen<br />
Weg aus der Gewalt?<br />
Eine internationale Konferenz,<br />
<strong>die</strong> auf Initiative von <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
und der Friedensstadt Osnabrück<br />
im kommenden Jahr stattfindet,<br />
soll <strong>die</strong> verschiedenen Aspekte<br />
der Gewaltproblematik diskutieren.<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>-Projektpartner<br />
aus <strong>Afrika</strong>, Asien und Lateinamerika<br />
sowie Initiativen und Experten aus<br />
Deutschland und dem europäischen<br />
Ausland werden über ihre Erfahrungen<br />
aus der Arbeit mit Kindern<br />
und Jugendlichen berichten. Ziel der<br />
Konferenz ist es, über Entwicklungen<br />
und Lösungsmöglichkeiten zu<br />
diskutieren. Der Titel der Veranstal-<br />
<strong>des</strong> <strong>hommes</strong> gespendet worden.<br />
Dank <strong>die</strong>ser Unterstützung durch<br />
<strong>die</strong> Spender ist es möglich geworden,<br />
ein einzigartiges Projekt in Mali<br />
zu starten: Direkt an der Grenze zur<br />
Elfenbeinküste wird ein Zentrum<br />
aufgebaut, in dem <strong>die</strong> Opfer <strong>des</strong> Kinderhandels<br />
betreut<br />
werden. Hier, in der<br />
Stadt Sikasso, befindet<br />
sich <strong>die</strong> Drehscheibe<br />
<strong>des</strong> kriminellen<br />
Geschäfts.<br />
Das neue Zentrum<br />
wird wiederum von<br />
der Organisation<br />
Mali Enjeu betrieben.<br />
Im Vordergrund<br />
der Arbeit wird <strong>die</strong><br />
Rückführung der<br />
Opfer stehen: Sie<br />
erhalten medizinische<br />
und psychologische<br />
Betreuung und werden<br />
schließlich zurück<br />
in ihre Dörfer begleitet. Auch Möglichkeiten<br />
zu Arbeit und Einkommen<br />
sollen für <strong>die</strong> Kinder entwickelt<br />
werden. Darüber hinaus wird das<br />
Zentrum auch Präventionsarbeit<br />
leisten: Kinder, <strong>die</strong> auf dem Weg in<br />
<strong>die</strong> Elfenbeinküste sind, weil sie sich<br />
dort eine bessere Zukunft erhoffen,<br />
werden beraten und versorgt.<br />
Auf Grund der erfolgreichen<br />
Spendenaktion konnte <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong> für den Aufbau <strong>des</strong> Projektes<br />
im Jahr <strong>2000</strong> zunächst 217.000<br />
Mark bereitstellen.<br />
stephan stolze<br />
Foto: Michael von Graffenried<br />
Wege<br />
aus der Gewalt<br />
für Kinder<br />
und Jugendliche<br />
exit<br />
tung lautet: »exit: Wege aus der<br />
Gewalt für Kinder und Jugendliche«.<br />
Die Konferenz findet vom<br />
8. bis 10. Mai 2001 in Osnabrück<br />
statt. Wir werden über den aktuellen<br />
Stand der Vorbereitungen in <strong>die</strong>ser<br />
Zeitung berichten.<br />
Weitere Informationen zur Veranstaltung<br />
erhalten Sie auf unserer<br />
Homepage www.tdh.de oder über<br />
<strong>die</strong> <strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong>-Geschäftsstelle<br />
(Stichwort: exit).<br />
MATERIAL VON TERRE DES HOMMES<br />
IMPRESSUM<br />
Materialien zu <strong>Afrika</strong><br />
Länderinformationen<br />
Südafrika<br />
DM 3,— , Bestell-Nr. 101.2568.00<br />
Mosambik<br />
DM 3,— , Bestell-Nr. 101.2570.00<br />
Südlicher Sahel<br />
DM 3,— , Bestell-Nr. 101.2574.00<br />
Videos<br />
»Kanimambo« – Wir sind stark<br />
(Mosambik)<br />
DM 12,80, Bestell-Nr. 810.2717.00<br />
»Twilight« – Kinder der<br />
Dämmerung (Südafrika)<br />
DM 8,80, Bestell-Nr. 810.2718.00<br />
Name<br />
Straße<br />
PLZ/Ort<br />
Briefkarte »Edition <strong>2000</strong>«<br />
ohne individuellen Eindruck<br />
mit Umschlag; DM 5,— zuzüglich<br />
Porto, Bestell-Nr. 731.5129.00<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong><br />
Deutschland e.V.<br />
Hilfe für<br />
Kinder in Not<br />
Postfach 41 26<br />
49 031 Osnabrück<br />
Tel.: 05 41⁄71 01-0<br />
Fax: 0541⁄707233<br />
gewünschte Stückzahl<br />
Spendenkonto 700<br />
Volksbank<br />
Osnabrück eG<br />
BLZ 265 900 25<br />
Herausgeber:<br />
<strong>terre</strong> <strong>des</strong> <strong>hommes</strong> Deutschland e.V.,<br />
Ruppenkampstraße 11a,<br />
Postfach 4126, 49 031 Osnabrück<br />
Spendenkonto: 700,<br />
Volksbank Osnabrück eG,<br />
BLZ 265 900 25<br />
Spenden sind steuerlich absetzbar.<br />
Telefon: 05 41⁄71 01-0<br />
Telefax: 05 41⁄70 72 33<br />
Internet: www.tdh.de<br />
eMail: <strong>terre</strong>@t-online.de<br />
Redaktion: Wolf-Christian Ramm<br />
(verantwortlich), Renate Giesler,<br />
Michael Heuer, Iris Stolz, Stephan<br />
Stolze (RvD); Redaktionsassistenz:<br />
Cornelia Dernbach<br />
Redaktionsschluss <strong>die</strong>ser Ausgabe:<br />
25. Juli <strong>2000</strong><br />
Gestaltung, Satz:<br />
sec GmbH, Osnabrück<br />
Druck und Buchbinderei:<br />
Rieck, Delmenhorst<br />
Auflage: 52.000<br />
100 Prozent Recycling-Papier, 75 Prozent<br />
chlorfrei gebleichter Holzschliff.<br />
Verkaufspreis durch Spende abgegolten.<br />
Nachdruck einzelner Beiträge<br />
mit Quellenangabe erwünscht.<br />
Bitte Belegexemplar zusenden.<br />
Dieser Zeitung liegen ein Überweisungsträger<br />
und der <strong>terre</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>hommes</strong>-Grußkartenkatalog bei.