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Referat von Dekan Rolf Ulmer über das Gebet im Gottesdienst

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Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong>, Seite 1<br />

2011-02-27 Prädikantentreffen Hattenhofen<br />

Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong><br />

1. Grundsätzliches zum <strong>Gebet</strong><br />

Klassische Katechismusformulierung:<br />

Das <strong>Gebet</strong> ist ein Reden des Herzens mit Gott<br />

in Bitte und Fürbitte,<br />

Dank und Anbetung.<br />

Knappe und klare Formulierung: nicht ein äußerliches Reden, kein Vorlesen fremder Texte, sondern<br />

etwas, <strong>das</strong> <strong>von</strong> Herzen kommt. Unser Innerstes wendet sich an Gott – und <strong>das</strong> in mehreren<br />

D<strong>im</strong>ensionen:<br />

Bitte und Fürbitte: ich bitte für mich selbst, ich bitte für andere<br />

Dank: ich spreche aus, wofür ich Gott dankbar bin<br />

Anbetung: Ich rede Gott an als Schöpfer des H<strong>im</strong>mels und der Erde, als liebevollen Vater usw.<br />

Wichtige D<strong>im</strong>ensionen des <strong>Gebet</strong>s. Dennoch fehlt in der klassischen Formulierung ein Element.<br />

Besonders in den Psalmen fällt es auf: Psalm 31, 10f:<br />

HERR, sei mir gnädig, denn mir ist angst! Mein Auge ist trübe geworden vor Gram, matt meine Seele<br />

und mein Leib.<br />

Denn mein Leben ist hingeschwunden in Kummer und meine Jahre in Seufzen.<br />

Deshalb wäre eine schöne und angemessene Ergänzung:<br />

Das <strong>Gebet</strong> ist ein Reden des Herzens mit Gott<br />

in Bitte und Fürbitte,<br />

Klage und Frage,<br />

Dank und Anbetung.<br />

1.1 Warum beten wir <strong>über</strong>haupt?<br />

Martin Luther:<br />

Mein Gott, du hast geboten zu bitten<br />

Und zu glauben, <strong>das</strong>s die Bitte erhört werde.<br />

Darum bitte ich und verlasse mich darauf:<br />

Du wirst mich nicht verlassen und mir den rechten Glauben geben.<br />

Begründung ist also: weil Gott uns aufgefordert hat zu beten, sollen wir es auch tun. Nicht einfaches,<br />

konkretes <strong>Gebet</strong>sanliegen genannt – sondern grundsätzliche Hoffnung: „Du wirst mich nicht<br />

verlassen und mir den rechten Glauben geben“.<br />

Die Aufforderung <strong>im</strong> <strong>Gebet</strong> findet sich tatsächlich in der Bibel: Psalm 50, 15 „rufe mich an in der Not,<br />

so will ich dich erretten und du sollst mich preisen.“ Oder <strong>im</strong> NT: Darum sollt ihr so beten (Einleitung<br />

zum Vaterunser). Es geht aber nicht bloß um eine fromme Pflicht, sondern um eine Haltung.


Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong>, Seite 2<br />

Karl Barth: „Christlich beten heißt: auf alle Illusionen <strong>über</strong> sich selbst verzichten und sich zu seiner<br />

ganzen Bedürftigkeit offen bekennen.“ Es geht also nicht darum, <strong>das</strong>s Gott etwas anordnet, was<br />

Menschen auszuführen haben, sondern <strong>das</strong>s Gott etwas gebietet, um dem Menschen die<br />

Zuverlässigkeit seiner Zusage zu verdeutlichen. Gott ist der Gebende, Schenkende, und der Mensch<br />

betet, um sich ganz als der Empfangende, auf die Gnade Gottes Angewiesene zu erkennen. Damit<br />

wird Gott auch nicht auf eine best<strong>im</strong>mte Weise der Erhörung festgelegt.


Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong>, Seite 3<br />

1.2 Das Bittgebet bzw. Fürbittgebet<br />

Genau <strong>das</strong> aber ist bei vielen Bittgebeten der Fall. Bitte um Regen, Bitte um eine gute Ernte, Bitte um<br />

Gesundheit oder Rettung aus Gefahr. Scheint einen guten biblischen Grund zu haben. Mt 7, 7f. 7<br />

Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn<br />

wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.<br />

Oder denken wir an <strong>das</strong> starke Bild vom Glauben, der Berge versetzen kann (Mt 21,21 Jesus aber<br />

antwortete und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt,<br />

so werdet ihr nicht allein Taten wie die mit dem Feigenbaum tun, sondern, wenn ihr zu diesem Berge<br />

sagt: Heb dich und wirf dich ins Meer!, so wird's geschehen.<br />

Vorstellung, <strong>das</strong>s durch <strong>das</strong> <strong>Gebet</strong> ein Eingreifen Gottes ausgelöst wird, <strong>das</strong> andernfalls ausgeblieben<br />

wäre. Im Heft „Perspektiven“ der Hauskreisarbeit .“ (Perspektiven 55, S.5) wird <strong>von</strong> Ortwin<br />

Schweitzer genau <strong>das</strong> behauptet: „Wir haben die Autorität, <strong>im</strong> <strong>Gebet</strong> Gottes Arm zu bewegen. Ist es<br />

wirklich so einfach?<br />

Wir erleben ja auch ausbleibende <strong>Gebet</strong>serhörung. Persönliches Beispiel: Felix <strong>im</strong> Koma. <strong>Gebet</strong>e<br />

vieler – dennoch ist er gestorben. Warum? Andeutungen <strong>von</strong> Erklärungen, die aber alle nicht<br />

genügen können:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, <strong>das</strong>s du mit Gott rechten willst? (Römer 9, 20): Gott<br />

ist frei, er kann handeln, wie er es für recht hält. Steile, klare, aber auch grausame<br />

Theologie.<br />

Manche Erhörung geschieht nicht in diesem Leben, sondern erst <strong>im</strong> Eschaton. Dann erst,<br />

wenn der Satz aus Offb. 21, 4 gilt: Gott wird abwischen alle Tränen <strong>von</strong> ihren Augen, und<br />

der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;<br />

denn <strong>das</strong> Erste ist vergangen.<br />

Gottes leidende Liebe, wie sie sich am Kreuz Jesu gezeigt hat, zeigt, <strong>das</strong>s auch Jesus<br />

selbst nicht den Weg der schnellen <strong>Gebet</strong>serhörung gewählt hat, sondern <strong>das</strong> Leiden bis<br />

zum Tod durchgestanden hat. Dennoch bleibt die Frage offen, warum Gott <strong>das</strong> Leid –<br />

auch <strong>das</strong> Leid Jesu – <strong>über</strong>haupt zulässt.<br />

Jüdische Z<strong>im</strong>-Zum-Theologie: Gott, der anfangs alles in allem war, zieht sich zurück, um<br />

der Schöpfung Raum zu geben: Raum und Freiheit für die Menschen – für den<br />

betrunkenen Autofahrer, für den durchgeknallten Diktator, für Martin Luther King und<br />

für Mutter Theresa. Die Selbstbeschränkung Gottes ist der Grund dafür, <strong>das</strong>s er nicht<br />

eingreift.<br />

Problematischer ist der Gedanke einer göttlichen Pädagogik: Gott führt uns manchmal in<br />

tiefstes Leid, damit wir dort erkennen, wie sehr wir Gott brauchen. Viel Grausamkeit in<br />

solchen Aussagen, und ein sehr problematisches Gottesbild.<br />

Bitte „um etwas“ transzendiert sich selbst: Wer Gott um etwas bittet, schließt in diese<br />

Bitte die Möglichkeit ein, <strong>das</strong>s Gott noch mehr schenkt, als der Beter erbeten hat.<br />

Augustinus: „Gott hört auf dein Rufen, wenn du ihn dabei suchst. Er hört dich nicht,<br />

wenn du durch ihn anderes suchst.“


Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong>, Seite 4<br />

All diese Erklärungen können nur bedingt weiterhelfen. Dennoch hören wir nicht auf zu bitten – denn<br />

<strong>das</strong> <strong>Gebet</strong> um etwas ist zugleich die Weigerung, sich fatalistisch mit Leid und Unrecht und Tod<br />

abzufinden, und diese Weigerung wird vor Gott zum Ausdruck gebracht.<br />

1.3 Das <strong>Gebet</strong> um Gott<br />

Nach deiner Verheißung, Herr, bitte ich:<br />

Gib mir nicht Gold oder Silber,<br />

sondern einen starken, festen Glauben.<br />

Nach deiner Verheißung suche ich:<br />

Lass mich finden, nicht Lust oder Freude der Welt,<br />

sondern Trost und Erquickung durch dein heilsames Wort.<br />

Nach deiner Verheißung klopfe ich an:<br />

tue mir auf,<br />

ich begehre nichts, was die Welt hoch und groß achtet,<br />

sondern deinen heiligen Geist gib mir,<br />

der mein Herz erleuchte,<br />

mich in meiner Angst und Not stärke und tröste.<br />

Martin Luther<br />

Ganz anderes <strong>Gebet</strong> – nicht um etwas, sondern um Gott und den Glauben an ihn. Schon in den<br />

Psalmen:<br />

Psalm 73, 25f. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach H<strong>im</strong>mel und Erde.<br />

Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost<br />

und mein Teil.<br />

Die Bitte „um Gott“ geht <strong>über</strong> die Bitte „um etwas“ hinaus. So auch <strong>im</strong> NT. Jesus sagt: wenn ihr betet,<br />

sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte<br />

machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn<br />

bittet. (Mt 6,7)<br />

Deshalb ist <strong>das</strong> Vaterunser auch so aufgebaut, <strong>das</strong>s vor den Bitten, die konkrete Nöte betreffen, die<br />

großen „theologischen“ Themen genannt werden: Gottes Name, Gottes Reich, Gottes Wille. Dann<br />

erst folgen die „menschlichen“ Themen: Brot, Schuld, Versuchung.<br />

Etwas ganz Besonderes ist be<strong>im</strong> <strong>Gebet</strong> „um Gott“, <strong>das</strong>s sich die Erhörung des <strong>Gebet</strong>s in gewisser<br />

Hinsicht währende des <strong>Gebet</strong>s vollzieht. Im <strong>Gebet</strong> kommen wir Gott näher, und damit bekommen<br />

wir genau <strong>das</strong>, was wir erbitten.<br />

Damit ist noch ein Thema angesprochen, <strong>das</strong> wesentlich zum <strong>Gebet</strong> gehört. „Das <strong>Gebet</strong> ändert die<br />

Dinge“ – so lautete der Titel eines Buches <strong>von</strong> Charles L. Allen und Hans-Georg Noack. Mehr noch:<br />

Das <strong>Gebet</strong> ändert den Beter.<br />

Mehrere Aspekte:<br />

1. Psychische Entlastung: Angst wird nicht verdrängt, sondern zugelassen. Ich lege meine Sorge<br />

um die Kinder, die Angst vor der schweren beruflichen Aufgabe in Gottes Hand. Das macht<br />

mich ruhiger, hilft mir, damit umzugehen.


Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong>, Seite 5<br />

2. Artikulationshilfe meiner Bedürfnisse und Möglichkeiten: Viele Menschen sind apathisch,<br />

abgestumpft und nicht mehr in der Lage, ihr Leid oder ihre Wünsche auszudrücken. Das<br />

<strong>Gebet</strong> gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Klage und Frage vor Gott auszusprechen. Viele<br />

Psalmen sind in diesem Sinn verstehbar: Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du<br />

mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.“<br />

3. Das <strong>Gebet</strong> macht manche meiner Wünsche fraglich. Wenn ich sie vor Gott ausspreche,<br />

kommen sie in die richtige Relation. Mancher Wunsch kommt <strong>im</strong> <strong>Gebet</strong> in ein anderes Licht.<br />

Beispiel: <strong>Gebet</strong> vor 1. Examen. Naheliegend der Wunsch zu bestehen. Im <strong>Gebet</strong> aber<br />

Gedanken an all die anderen, die <strong>das</strong>selbe wünschen – nur Bitte um den richtigen Weg<br />

sinnvoll.<br />

4. Das <strong>Gebet</strong> kann mich zum Handeln motivieren. Gustav Werner: Was nicht zur Tat wird, hat<br />

keinen Wert. So kann auch aus dem <strong>Gebet</strong> eine Tat entstehen. Für die Hungernden in der<br />

Welt beten – daraus kann auch der Impuls kommen, selbst aktiv zu werden, beispielsweise<br />

eine Spende zu tätigen.<br />

2. Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong><br />

Spezialfall des <strong>Gebet</strong>s: Öffentliches <strong>Gebet</strong><br />

<br />

<br />

<br />

Ich bete vor anderen<br />

Ich bete für andere<br />

Ich bete mit anderen<br />

Mehr als <strong>das</strong> persönliche, individuelle <strong>Gebet</strong>. <strong>Gottesdienst</strong>liches <strong>Gebet</strong> soll <strong>im</strong>mer alle Anwesenden<br />

mit hineinnehmen.<br />

Zwei Hauptteile <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong>:<br />

2.1 Eröffnung und Anrufung – mit<br />

<br />

<br />

<br />

Psalmgebet<br />

Eingangsgebet<br />

Stillem <strong>Gebet</strong>.<br />

Im Eingangsteil des <strong>Gottesdienst</strong>es findet sich die Gemeinde zusammen. Man betritt die Kirche,<br />

begrüßt andere, hört auf die Glocken und <strong>das</strong> Orgelvorspiel, singt <strong>das</strong> erste Lied. Dabei sammelt man<br />

sich und n<strong>im</strong>mt zugleich <strong>das</strong> Hineingenommensein in die Gemeinde wahr.<br />

Nach Votum und Begrüßung ist <strong>das</strong> Thema des <strong>Gottesdienst</strong>es angesprochen – wir konzentrieren uns<br />

nun auf eine gedankliche Richtung, die in die Predigt münden wird. Vorher stellen wir uns in den drei<br />

<strong>Gebet</strong>steilen in den Horizont, den der <strong>Gottesdienst</strong> meint. Wir machen ernst damit, <strong>das</strong>s wir nicht<br />

Besucher/innen einer Veranstaltung sind, sondern Menschen, die gemeinsam vor Gott stehen.<br />

Vor Gott stehen – <strong>das</strong> ist ein Zeichen der Ehrerbietung, nicht der Selbst<strong>über</strong>hebung (<strong>im</strong> Gegensatz<br />

zum Knien). Und <strong>das</strong> <strong>Gebet</strong> vollzieht mehrere Schritte:<br />

Im Psalmgebet nehmen wir Worte des Ersten Testaments auf, sprechen wir <strong>im</strong> Wechsel<br />

<strong>Gebet</strong>sworte, die uns mit den Glaubensgeschwistern des Alten Bundes verbinden. Wir leihen uns


Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong>, Seite 6<br />

Worte, die tausende Jahre früher schon gesprochen wurden, und stellen uns damit in eine große<br />

Traditionslinie. Das kann uns auch heute noch tragen!<br />

Das Psalmgebet schließen wir <strong>im</strong> christlichen <strong>Gottesdienst</strong> mit dem Ehr sei dem Vater. Damit sagen<br />

wir: wir haben Worte des ersten Testaments gesprochen – und wir stellen uns damit in eine Reihe<br />

mit den jüdischen Glaubensgeschwistern. Aber zugleich signalisieren wir auch, <strong>das</strong>s wir diese Worte<br />

als Christen gesprochen haben, indem wir mit der trinitarischen Formel enden.<br />

Das Eingangsgebet soll die Menschen ankommen lassen, mit allem, was sie mitbringen. Deshalb kann<br />

es eingehen auf die mögliche Situation der Anwesenden, kann Unruhe, Sorgen, Ängste<br />

thematisieren. Im <strong>Gottesdienst</strong> soll all <strong>das</strong> vorkommen – aber es soll anders werden. Deshalb bitten<br />

wir <strong>im</strong> Eingangsgebet oft für den <strong>Gottesdienst</strong>, <strong>das</strong>s er gelingen möge in dem Sinn, <strong>das</strong>s Gott ein<br />

Wort für uns sprechen soll. Beispiel:<br />

Gott, h<strong>im</strong>mlischer Vater,<br />

vor dir liegt unser Leben mit all seinen unterschiedlichen Seiten. Du kennst <strong>das</strong>, was uns gelungen ist<br />

und woran wir uns freuen, aber dir ist auch <strong>das</strong> vertraut, woran wir scheitern und was uns belastet<br />

und quält. All dies bringen wir mit in diesen <strong>Gottesdienst</strong> und bitten dich: schenke uns ein Wort,<br />

einen Gedanken, ein Lied, <strong>das</strong> uns hilft, unseren Weg zu gehen. Sprich du zu uns durch dein Wort und<br />

bewege du unsere Herzen. Amen.<br />

Oder:<br />

Herr, unser Gott<br />

aus der Unruhe der vergangenen Woche kommen wir vor dir zusammen.<br />

Vieles beschäftigt uns, Schönes und Unerfreuliches.<br />

Gelungenes und Misslungenes tragen wir in Gedanken mit uns herum.<br />

Pläne für die kommenden Tage gehen uns schon wieder durch den Kopf.<br />

Wir bringen vor dich, was uns beschäftigt.<br />

Schenke uns Ruhe und Klarheit.<br />

Sammle unsere Gedanken.<br />

Und mache uns frei, damit wir loslassen können<br />

und offen werden für <strong>das</strong>, was du uns sagen willst.<br />

(Brigitte Müller)<br />

Beide Beispiele greifen <strong>das</strong> auf, was die <strong>Gottesdienst</strong>besucherinnen und Besucher womöglich<br />

mitbringen. Sie nennen es und laden dazu ein, zur Ruhe zu kommen und sich durch den <strong>Gottesdienst</strong><br />

öffnen und bewegen zu lassen.<br />

Mitunter wird <strong>das</strong> Eingangsgebet auch Lobpreischarakter haben. Zu Psalm 8<br />

Herr, unser Gott,<br />

voller Wunder ist unsere Welt.<br />

Die ganze Schöpfung singt dein Lob.<br />

Sonne, Mond und Sterne,<br />

die Erde und <strong>das</strong> Meer,<br />

Pflanzen und Tiere, sie alle preisen dich.<br />

Sie preisen dich ohne Worte,


Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong>, Seite 7<br />

einfach indem sie da sind.<br />

Wie klein sind wir Menschen <strong>im</strong> unendlichen Weltall!<br />

Und doch gibst du dich mit uns ab.<br />

Und doch hast du uns Macht und Würde verliehen.<br />

H<strong>im</strong>mel, Erde und Meer,<br />

Pflanzen und Tiere, alles hast du uns unterstellt.<br />

Lass uns verantwortlich mit deiner Schöpfung umgehen.<br />

Herr, unser Gott, du bist groß.<br />

Zugleich wird <strong>das</strong> Eingangsgebet auf <strong>das</strong> Stille <strong>Gebet</strong> hinführen. Es ist der persönlichste Teil dieses<br />

dreiteiligen <strong>Gebet</strong>s:<br />

<br />

<br />

<br />

Psalmgebet: Gemeinschaft <strong>über</strong> die Christenheit hinaus<br />

Eingangsgebet: Gemeinschaft der Menschen <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong><br />

Stilles <strong>Gebet</strong>: persönliches <strong>Gebet</strong>.<br />

Einleitung kann einfach sein: wir beten miteinander und füreinander in der Stille. Keine zu langen<br />

Einleitungen, soll Raum für Eigenes eröffnen.<br />

Ein Stilles <strong>Gebet</strong> sollte nicht zu kurz sein. Wenn Sie unsicher sind, wie lange es dauern soll, sprechen<br />

Sie in Gedanken langsam ein Vaterunser.<br />

Nach dem Stillen <strong>Gebet</strong> sind wir ganz zur Ruhe gekommen. Wir sind bereit, auf die Verkündigung zu<br />

hören: auf die Schriftlesung und – nach dem Wochenlied – auf die Predigt.<br />

2.2 Fürbittengebet<br />

Es steht <strong>im</strong> letzten Teil des <strong>Gottesdienst</strong>es und führt <strong>von</strong> der Verkündigung weiter zu Sendung und<br />

Segen. Waren wir <strong>im</strong> Stillen <strong>Gebet</strong> ganz bei uns, hat die Verkündigung andere Inhalte an unser Ohr<br />

und in unser Herz gebracht. Wir haben eine Bibeltext ausgelegt bekommen, haben Bezüge zur<br />

Wirklichkeit der Welt und unseres Lebens hergestellt. Und damit öffnet sich unser Denken und<br />

Wollen für andere – <strong>im</strong> Fürbittengebet kommt <strong>das</strong> zum Ausdruck.<br />

Es bittet Gott für andere und nennt möglicherweise auch ganz konkrete Problemfelder –<br />

beispielsweise die Menschen in Libyen, die gerade <strong>im</strong> Bürgerkrieg stehen oder an die Erdbebenopfer<br />

in Christchurch. Wichtig: in <strong>das</strong> Fürbittengebet gehören keine politischen Botschaften:<br />

Für oder gegen Stuttgart 21<br />

<br />

Für oder gegen den Verbleib <strong>von</strong> Minister zu Guttenberg <strong>im</strong> Amt<br />

Denken Sie <strong>im</strong>mer daran: <strong>das</strong> <strong>Gebet</strong> richtet sich zuerst an Gott – und den brauchen wir nicht dar<strong>über</strong><br />

zu belehren, was er tun soll!<br />

Genauso wenig dürfen Fürbitten versteckte Appelle enthalten: „Gott, lass uns erkennen, <strong>das</strong>s wir<br />

deine Schöpfung bewahren sollen. Lass uns darauf Acht haben, nicht unnötig Auto zu fahren und mit<br />

den Gaben deiner Schöpfung sorgsam umzugehen.“


Das <strong>Gebet</strong> <strong>im</strong> <strong>Gottesdienst</strong>, Seite 8<br />

Fürbitten sind keine Fortsetzung der Predigt. Sie sollen die Betenden nicht belehren, sondern sie<br />

hineinnehmen in <strong>das</strong> <strong>Gebet</strong>, <strong>das</strong> niemanden wegen seiner persönlichen Haltung, politisch oder<br />

religiös, ausschließen darf.<br />

Von der Form her gibt es drei grundsätzliche Möglichkeiten:<br />

1. Ein durchgehendes <strong>Gebet</strong>, <strong>das</strong> durch einen oder mehrere Sprecher vorgetragen wird – die<br />

Gemeinde betet hörend mit<br />

2. Ein gegliedertes <strong>Gebet</strong>, auf <strong>das</strong> die Gemeinde mehrfach durch ein Kyrie eleison oder Herr<br />

erbarme dich oder ähnliches antwortet. Die Antwort kann dabei gesungen oder gesprochen<br />

werden.<br />

3. Möglich ist auch, <strong>im</strong> <strong>Gebet</strong> eine Zeit der Stille einzufügen, in der Einzelne ihre eigenen Bitten<br />

in Gedanken beten können. Danach folgt ein liturgischer Abschluss.<br />

Als Gliederungsprinzip bewährt es sich, die Fürbitten wie konzentrische Kreise aufzubauen:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Bitte für uns selbst: Bitte um Glauben, Bitte um Mut, bitte um Freude und Hoffnung<br />

Bitte für die Gemeinde oder die Kirche: Gemeinschaft, Zusammenhalt, Ausstrahlung nach<br />

außen<br />

Bitte für Menschen, die nicht da sind: für Kranke, Einsame, Sterbende<br />

Bitte für Gesellschaft und Welt: politische und soziale Herausforderungen<br />

Wichtig: nicht in Wiederholungen erschöpfen, nicht alles nennen und sagen, nicht Gott oder die<br />

Gemeinde belehren, nicht so lange beten, <strong>das</strong>s Überdruss entsteht.<br />

Schließlich dann <strong>das</strong> gemeinsame Vaterunser. N<strong>im</strong>mt all <strong>das</strong> auf, was wir brauchen – die h<strong>im</strong>mlischen<br />

und die irdischen Bitten. Im gemeinsamen Sprechen denken wir all <strong>das</strong> mit, was wir an persönlichen<br />

Sorgen und Fragen mitbringen, und wissen <strong>das</strong> in den Worten Jesu gut aufgehoben.<br />

Sprechen des Vaterunsers als Liturgin oder Liturg: Mitsprechen, aber vom Mikrofon zurücktreten.<br />

Wir sind keine Vorbeter, sondern Mitbeter.<br />

Be<strong>im</strong> Vaterunser können Sie den Blick auch heben – aber bitte nicht bei den anderen <strong>Gebet</strong>en. Da<br />

sind Sie nicht <strong>im</strong> Blickkontakt zur Gemeinde – wie bei der Predigt, sondern sind ganz bei sich und<br />

ganz bei Gott.<br />

Und <strong>das</strong> Wichtigste: sprechen Sie nur <strong>Gebet</strong>e, die sie ehrlich beten können. Ändern Sie ruhig, greifen<br />

sie auf Sammlungen zurück, Hauptsache, die <strong>Gebet</strong>e passen dann zum <strong>Gottesdienst</strong> und zu Ihnen<br />

selbst.

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