PBG-Revision - Walker Späh, Carmen
PBG-Revision - Walker Späh, Carmen
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I N H A LT<br />
4 E D I T O R I A L<br />
5 T H E M A<br />
<strong>PBG</strong>-<strong>Revision</strong>: Abbau von Hürden bei<br />
energetischen Gebäudesanierungen<br />
von <strong>Carmen</strong> <strong>Walker</strong> <strong>Späh</strong><br />
I N F O R M A T I O N E N<br />
16 Aus dem Bundesgericht<br />
von Adrian Mattle<br />
34 Aus dem Kanton<br />
von Mathias Rosskopf<br />
42 D A S D E T A I L<br />
<strong>Revision</strong> des Immobiliarsachenrechts<br />
Maja Saputelli<br />
49 N E U E R S C H E I N U N G E N<br />
<strong>PBG</strong><br />
Z U R C H E R Z E I T S C H R I F T F U R<br />
O F F E N T L I C H E S B A U R E C H T<br />
2 / 2 0 1 2<br />
a k t u e l l
4<br />
E D I T O R I A L<br />
Sehr geehrte Damen und Herren<br />
Am 26. März 2012 hat der Zürcher Kantonsrat wesentliche<br />
Änderungen im Zürcher Planungs- und Baugesetz beschlossen.<br />
Sie sollen dazu beitragen, dass die energetische<br />
Sanierung von Gebäudehüllen und das Aufstellen von Anlagen<br />
zur Nutzung von Sonnenenergie im Kanton Zürich<br />
inskünftig deutlich einfacher werden. Das ist ein erfreulicher<br />
Entscheid, der nicht unkommentiert bleiben soll. Der<br />
Hauptbeitrag ist daher diesen neuen Bestimmungen gewidmet,<br />
auch weil bereits jetzt das Interesse und das Informationsbedürfnis<br />
an der <strong>Revision</strong> gross ist.<br />
Weiter hat das Obergericht des Kantons Zürich einen<br />
interessanten Entscheid zur Staatshaftung gefällt: Bei der<br />
Haftung von öffentlichen Beamten oder Angestellten handelt<br />
es sich bekanntlich um öffentlich-rechtliche Ansprüche.<br />
Zuständig für die Regelung des Verfahrens ist<br />
der Kanton. Das kantonale Haftungsgesetz bestimmt in § 19<br />
Abs. 1 lit. a, dass Forderungen aus der Staatshaftung durch<br />
die Zivilgerichte beurteilt werden. Abweichende Verfahrensregelungen<br />
bleiben aber möglich. Damit ist die neue<br />
eidgenössische Zivilprozessordnung grundsätzlich auch<br />
auf das Staatshaftungsverfahren anwendbar; die Klage<br />
wird aber wegen § 23 HG direkt beim Gericht anhängig gemacht<br />
und das Schlichtungsverfahren ist wie bis anhin nicht<br />
mehr zu durchlaufen. Auch diese Neuerung ist gerade für<br />
die öffentliche Hand, aber auch für Private, die sich mit diesen<br />
Haftungsfragen rund ums Baubewilligungsverfahren beschäftigen,<br />
von grosser Wichtigkeit.<br />
Ihre<br />
<strong>Carmen</strong> <strong>Walker</strong> <strong>Späh</strong>
T H E M A 5<br />
<strong>PBG</strong>-<strong>Revision</strong>: Abbau von<br />
Hürden bei energetischen<br />
Gebäudesanierungen<br />
<strong>Carmen</strong><br />
<strong>Walker</strong> <strong>Späh</strong><br />
I. Energetisches Sanieren wird einfacher<br />
Drei wesentliche Änderungen im Planungs- und Baugesetz<br />
des Kantons Zürich (<strong>PBG</strong>; LS 700.1) tragen dazu bei,<br />
dass die energetische Sanierung von Gebäudehüllen neu<br />
deutlich einfacher wird. Dies ist notwendig, denn der Gebäudebereich<br />
beansprucht rund 45 % des gesamtschweizerischen<br />
Energieverbrauchs und bis zu 70 % der Energie<br />
könnte mit Gebäudesanierungen gespart werden.<br />
Der Kantonsrat des Kantons Zürich hat den Änderungen<br />
des Gesetzes am 26. März 2012 mit 133 JA, 1 NEIN und<br />
1 Enthaltung ungewöhnlich deutlich zugestimmt. Dieser Entscheid<br />
zeigt, dass baurechtliche Erleichterungen bei<br />
Gebäudesanierungen im Kanton Zürich einem grossen<br />
Bedürfnis entsprechen, welches auch politisch breit abgestützt<br />
ist. Das ist bemerkenswert, hat der Regierungsrat<br />
«Drei wesentliche<br />
Änderungen im<br />
Planungs- und<br />
Baugesetz des<br />
Kantons Zürich<br />
tragen dazu bei,<br />
dass die energetische<br />
Sanierung<br />
von Gebäudehüllen<br />
neu deutlich<br />
einfacher wird.»
6<br />
T H E M A<br />
doch die zu diesem Zweck lancierte kantonale Volksinitiative<br />
der FDP ursprünglich noch abgelehnt 1 .<br />
«Baubewilligungen<br />
erfolgen allesamt<br />
im vereinfachten<br />
und beschleunigten<br />
Anzeigeverfahren,<br />
d.h. ohne Publikation<br />
und Aussteckung,<br />
ausgenommen<br />
davon<br />
sind inventarisierte<br />
oder formell<br />
geschützte Objekte<br />
des Natur- und<br />
Heimatschutzes.»<br />
«Die Nutzung der<br />
Sonnenenergie<br />
auf Dach- oder<br />
Fassadenflächen<br />
ist neu in allen<br />
Zonen möglich.»<br />
Vereinfacht wird insbesondere das Verfahren für energetische<br />
Gebäudesanierungen. Baubewilligungen erfolgen<br />
allesamt im vereinfachten und beschleunigten Anzeigeverfahren,<br />
d.h. ohne Publikation und Aussteckung;<br />
ausgenommen davon sind inventarisierte oder formell geschützte<br />
Objekte des Natur- und Heimatschutzes (§§ 203 ff.<br />
<strong>PBG</strong>) und Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen.<br />
Die Nutzung der Sonnenenergie auf Dach- oder Fassadenflächen<br />
ist neu in allen Zonen möglich, also auch in<br />
Kernzonen, wobei hier auf die einzelnen Objekte des Natur-<br />
und Heimatschutzes besonders Rücksicht genommen<br />
werden muss. Als dritte wichtige Änderung dürfen nachträglich<br />
angebrachte Aussenwärmedämmungen an bestehenden<br />
Gebäuden bis zu 35 cm Dicke aufweisen, unbesehen<br />
von rechtlichen Abstandsvorschriften, Längen- und<br />
Höhenmassen. Bei Neubauten darf die Gebäude- und<br />
Firsthöhe bei Dämmschichten von mehr als 20 cm um<br />
maximal 25 cm überschritten werden.<br />
Nachfolgend wird kurz auf die Entstehung der <strong>PBG</strong>-<br />
<strong>Revision</strong> eingegangen, um danach die einzelnen neuen<br />
Bestimmungen zu erläutern und – soweit möglich – Hinweise
T H E M A 7<br />
für die Praxis zu geben. Zum Schluss erfolgt eine Würdigung<br />
der Gesetzesänderungen.<br />
II. Geschichte der <strong>Revision</strong><br />
Zu Beginn des Jahres 2009 wurde beim Zürcher Kantonsrat<br />
ein Postulat eingereicht, welches die Befreiung der energetischen<br />
Gebäudesanierungen von der Baubewilligungspflicht<br />
verlangte.<br />
Das Postulat wurde nicht überwiesen und damit nicht umgesetzt<br />
mit der Begründung, dass bei Veränderungen der<br />
Gebäudehülle Grenzabstands- und Eingliederungsfragen<br />
im Vordergrund stünden und eine Bewilligung deshalb<br />
notwendig sei 2 . Damit wurde insbesondere der Schutz des<br />
Nachbarn höher gewertet als die Notwendigkeit von energetischen<br />
Sanierungsmassnahmen.<br />
Die FDP.Die Liberalen Kanton Zürich hat darauf eine<br />
kantonale Volksinitiative lanciert und am 12. April 2010<br />
eingereicht. Die Initiative war als allgemeine Anregung<br />
formuliert und enthielt jene Forderungen, welche heute<br />
mit der <strong>Revision</strong> umgesetzt wurden. Vereinfachung und Beschleunigung<br />
des Bewilligungsverfahrens, Unter- bzw.<br />
Überschreitung der gesetzlichen Abstands- und Höhenvorschriften,<br />
Nutzung von Sonnenenergie in allen Bauzonen.<br />
«Im Jahre 2009<br />
wurde insbesondere<br />
der Schutz<br />
des Nachbarn<br />
noch höher gewertet<br />
als die Notwendigkeit<br />
von energetischen<br />
Sanierungsmassnahmen.»<br />
Der Regierungsrat, welcher die gesetzlichen Änderungen<br />
wiederum mit Beschluss vom 7. Juli 2010 ablehnen wollte,<br />
wurde am 10. Januar 2011 auf Antrag der zuständigen<br />
Kommission für Planung und Bau (KPB) vom Kantonsrat<br />
verpflichtet, eine sogenannte Umsetzungsvorlage auszuarbeiten.<br />
Diese fiel jedoch mit Blick auf die konkrete Anwendung<br />
als zu kompliziert aus und berücksichtigte zudem<br />
nicht alle Forderungen der Initiative 3 . Die zuständige ständige<br />
Kommission erarbeitete deshalb eine abgeänderte<br />
Fassung, welche vom Kantonsrat schliesslich bewilligt<br />
wurde und der auch die Zürcher Regierung zustimmte 4 .
8<br />
T H E M A<br />
III. Die Änderungen im Detail<br />
A. Solaranlagen<br />
«Während die<br />
Anlagen in Kernzonen<br />
in einigen<br />
Zürcher Gemeinden<br />
aus grundsätzlichen<br />
Überlegungen<br />
nicht<br />
erlaubt waren,<br />
wurden sie in anderen<br />
Zonen oft<br />
wegen des Siedlungs-<br />
und Landschaftsbildes,<br />
wegen<br />
Quartiererhaltungsgründen,<br />
Blendwirkung<br />
oder aus anderen<br />
Gründen<br />
nicht bewilligt.»<br />
Damit sichergestellt wird, dass Solaranlagen ihren Beitrag<br />
als erneuerbare Energieträger erfüllen können, ist eine einheitliche<br />
Regelung notwendig. Bis anhin waren Solaranlagen<br />
auf Dächern in Bauzonen gemäss § 1 lit. k der Bauverfahrensverordnung<br />
(BVV; LS 700.6) von der Bewilligungspflicht<br />
befreit, wenn sie die Fläche von 35 m 2 nicht überschritten<br />
und die Dachfläche nicht um mehr als 10 cm (neu<br />
20 cm) überragten. Ausgenommen davon waren Solaranlagen<br />
in Kernzonen sowie Anlagen im Geltungsbereich<br />
von Orts- und Denkmalschutz. Diese und alle grösseren<br />
Solaranlagen hatten damit das Anzeigeverfahren (§ 14<br />
lit. k BVV) oder gar das ordentliche Baubewilligungsverfahren<br />
(§ 15 Abs. 1 BVV) zu durchlaufen. Während die Anlagen<br />
in Kernzonen in einigen Zürcher Gemeinden aus<br />
grundsätzlichen Überlegungen nicht erlaubt waren, wurden<br />
sie in anderen Zonen oft wegen des Siedlungs- und<br />
Landschaftsbildes, wegen Quartiererhaltungsgründen,<br />
Blendwirkung oder aus anderen Gründen nicht bewilligt.<br />
Dem gültigen Gestaltungsartikel wird nun ein vierter Absatz<br />
mit folgendem Wortlaut angehängt:<br />
«Der Gesetzgeber<br />
nimmt eine neue<br />
Wertung vor, welche<br />
das öffentliche<br />
Interesse des Energiesparens<br />
gegenüber<br />
rein ästhetischen<br />
Belangen<br />
inskünftig stärker<br />
als bisher gewichtet.»<br />
B. Gestaltung<br />
§ 238 <strong>PBG</strong><br />
Abs. 1–3 unverändert<br />
Abs. 4<br />
Sorgfältig in Dach- und Fassadenfläche integrierte Solaranlagen<br />
werden bewilligt, sofern nicht überwiegende<br />
öffentliche Interessen entgegenstehen.<br />
Damit nimmt der Gesetzgeber eine neue Wertung vor, welche<br />
das öffentliche Interesse des Energiesparens gegenüber<br />
rein ästhetischen Belangen inskünftig stärker als<br />
bisher gewichtet. Überwiegende öffentliche Interessen,
T H E M A 9<br />
welche Solaranlagen – trotz neuer Wertung – doch noch verhindern<br />
können, sind beispielsweise Schutzobjekte, nicht<br />
aber die Interessen des Siedlungs- und Landschaftsbildes<br />
oder des Ortsbildes generell, da Solaranlagen neu in allen<br />
Zonen – Kernzonen eingeschlossen – grundsätzlich erlaubt<br />
sind. Auch nachbarliche Interessen können eine Solaranlage<br />
nicht mehr verhindern, denn erwähnt werden im<br />
neuen Absatz 4 von der zuständigen Komission gewollt<br />
nur die überwiegenden öffentlichen Interessen, was überwiegende<br />
nachbarliche Interessen explizit ausschliesst.<br />
Hier anzufügen bleibt natürlich, dass das zivilrechtliche<br />
Nachbarrecht jedoch nach wie vor die Möglichkeiten bietet,<br />
gegen übermässige Einwirkungen vorzugehen.<br />
«Das zivilrechtliche<br />
Nachbarrecht<br />
bietet jedoch nach<br />
wie vor die Möglichkeiten,<br />
gegen<br />
übermässige Einwirkungen<br />
vorzugehen.»<br />
Der Regierungsrat hatte in seiner Umsetzungsvorlage vom<br />
24. August 2011 noch keine zusätzliche Bestimmung zu<br />
Gunsten von Solaranlagen vorgesehen. Seiner Meinung nach<br />
hätten solche Anlagen gemäss Art. 18a des Raumplanungsgesetzes<br />
(RPG; SR 700) bereits damals bewilligt werden<br />
müssen, sofern keine Kultur- und Naturdenkmäler von kantonaler<br />
oder nationaler Bedeutung beeinträchtigt würden<br />
5 , womit Solaranlagen in allen Bauzonen erlaubt seien.<br />
Diese Auslegung übersah jedoch, dass Art. 18a RPG nur in<br />
der Bau- und Landwirtschaftszone, nicht aber in Schutzzonen<br />
wie bspw. der Kernzone gilt.<br />
Der neue Absatz 4 der Gestaltungsvorschrift stellt damit<br />
sicher, dass Solaranlagen neu grundsätzlich in allen Zonen<br />
gebaut und nicht durch nachbarliche Rekurse verhindert<br />
werden können. Sobald einzelne Objekte des Natur- und<br />
Heimatschutzes betroffen sind, ist jedoch immer noch<br />
eine einzelfallweise Güterabwägung erforderlich. Dabei<br />
wird der Schutzumfang und damit die Veränderungsmöglichkeit<br />
dem Anliegen des Energiesparens gegenüberzustellen<br />
und werden diese öffentlichen Interessen gegeneinander<br />
abzuwägen sein. Zudem ist bei inventarisierten Objekten<br />
und bei formell geschützten Objekten sowie bei Anlagen und<br />
Bauten ausserhalb der Bauzonen das ordentliche Baubewilligungsverfahren<br />
anwendbar, denn gemäss § 338a<br />
Abs. 2 <strong>PBG</strong> haben Verbände ein Rekursrecht, womit das Vor-<br />
«Der neue Absatz<br />
4 der Gestaltungsvorschrift<br />
stellt damit sicher,<br />
dass Solaranlagen<br />
grundsätzlich in<br />
allen Zonen gebaut<br />
und nicht<br />
durch nachbarliche<br />
Rekurse verhindert<br />
werden<br />
können.»
10<br />
T H E M A<br />
haben publiziert und ausgesteckt werden muss. Andernfalls<br />
wäre die Wahrnehmung des Rekursrechts nicht möglich.<br />
B. Aussenwärmedämmung<br />
«Der neue § 253a<br />
umschreibt in einfacher<br />
und deutlicher<br />
Weise, dass<br />
Aussenwärmedämmungen<br />
mit<br />
bis zu 35 cm Dicke<br />
angebracht werden<br />
können.»<br />
«Damit eine<br />
gute Wärmedämmung<br />
auch bei<br />
Neubauten nicht<br />
zu Nutzungseinbussen<br />
führt, werden<br />
die Paragraphen<br />
256 <strong>PBG</strong><br />
(Überbauungsziffer)<br />
und 257 <strong>PBG</strong><br />
(Freiflächenziffer)<br />
um einen Absatz<br />
erweitert.»<br />
Nachträgliche Fassaden- und Dachisolationen sollen bei<br />
allen bestehenden Gebäuden möglich sein. Der neue<br />
§ 253a umschreibt in einfacher und deutlicher Weise, dass<br />
Aussenwärmedämmungen mit bis zu 35 cm Dicke angebracht<br />
werden können. Bestehende Abstandsvorschriften,<br />
Längen- und Höhenmasse werden dabei nicht beachtet<br />
bzw. dürfen unter- oder überschritten werden (Abs. 1).<br />
Bei der Berechnung der Nutzungsziffern ist eine nachträglich<br />
angebrachte Aussenwärmedämmung unbeachtlich<br />
(Abs. 2). Damit eine gute Wärmedämmung auch bei Neubauten<br />
nicht zu Nutzungseinbussen führt, werden die<br />
Paragraphen 256 <strong>PBG</strong> (Überbauungsziffer) und 257 <strong>PBG</strong><br />
(Freiflächenziffer) um einen Absatz erweitert. Für die Ausnützungsziffer<br />
fallen die Aussenwandquerschnitte schon<br />
heute ausser Ansatz (§ 255 Abs.1 <strong>PBG</strong>), bei der Baumassenziffer<br />
ist gemäss § 12 Abs. 3 der Allgemeinen Bauverordnung<br />
(ABV; LS 700.2) die Konstruktionsstärke von Fassade und<br />
Dach nur bis zu 35 cm zu rechnen, wenn sie aufgrund der<br />
Wärmedämmung dieses Mass übersteigt. Damit erübrigen<br />
sich für diese beiden Arten der Nutzungszifferberechnung<br />
zusätzliche Regelungen. Nachträglich angebrachte Aussenwärmedämmungen<br />
führen zudem nicht zu einer nachbarlichen<br />
Verschlechterung (§ 253a Abs. 3 <strong>PBG</strong>).<br />
Bei bestehenden oder neu zu vereinbarenden Näherbaurechten<br />
wird die Baubehörde auch in Zukunft prüfen müssen,<br />
ob weiterhin einwandfreie wohnhygienische und feuerpolizeiliche<br />
Verhältnisse vorliegen (§ 270 Abs. 3 <strong>PBG</strong>). Kann<br />
dies bejaht werden, so steht dem Vorhaben aus öffentlichrechtlicher<br />
Sicht nichts entgegen; die zivilrechtlichen<br />
Aspekte sind auch weiterhin auf diesem Weg zu klären.
T H E M A<br />
11<br />
Aussenwärmedämmung<br />
§ 253a <strong>PBG</strong><br />
Abs. 1<br />
An bestehenden Gebäuden dürfen Aussenwärmedämmungen<br />
bis zu 35 cm Dicke unbesehen rechtlicher Abstandsvorschriften,<br />
Längenmasse und Höhenmasse angebracht werden.<br />
Entgegenstehende überwiegende öffentliche Interessen<br />
bleiben vorbehalten.<br />
Abs. 2<br />
Bei der Berechnung der Baumassen-, Überbauungs- und<br />
Freiflächenziffer ist eine nachträglich angebrachte Aussenwärmedämmung<br />
unbeachtlich.<br />
Abs. 3<br />
Soweit mit einer nachträglich angebrachten Aussenwärmedämmung<br />
die Abstandsvorschriften unterschritten<br />
worden sind, wird dies bei der rechtlichen Beurteilung<br />
einer Baute oder Anlage auf dem Nachbargrundstück<br />
nicht berücksichtigt.<br />
II. Überbauungsziffer<br />
§ 256 <strong>PBG</strong><br />
Abs. 1 und 2 unverändert<br />
Abs. 3<br />
Wird die Konstruktionsstärke der Fassade aufgrund der<br />
Wärmedämmung grösser als 35 cm, ist sie nur bis zu diesem<br />
Mass zu berücksichtigen.<br />
III. Freiflächenziffer<br />
§ 257 <strong>PBG</strong><br />
Abs. 1 bis 3 unverändert<br />
Abs. 4<br />
Wird die Konstruktionsstärke der Fassade aufgrund der<br />
Wärmedämmung grösser als 35 cm, ist sie nur bis zu diesem<br />
Mass zu berücksichtigen.<br />
Ebenso wurden die Bestimmungen über die Gebäudehöhe<br />
sowie die Firsthöhe ergänzt, wobei diese beiden Masse um<br />
maximal 25 cm überschritten werden dürfen.
12<br />
T H E M A<br />
III. Messweise<br />
§ 280 <strong>PBG</strong><br />
Abs. 1 und 2 unverändert<br />
Abs. 3<br />
Wird die Konstruktionsstärke der Wärmedämmung<br />
grösser als 20 cm, so darf die zulässige Gebäudehöhe<br />
im entsprechenden Umfang, jedoch höchstens um 25 cm<br />
überschritten werden.<br />
B. Firsthöhe<br />
§ 281 <strong>PBG</strong><br />
Abs. 1 und 2 unverändert<br />
Abs. 3<br />
Wird die Konstruktionsstärke der Wärmedämmung<br />
grösser als 20 cm, so darf die zulässige Firsthöhe im<br />
entsprechenden Umfang, jedoch höchstens um 25 cm<br />
überschritten werden.<br />
«Der Nachbar<br />
wird ausdrücklich<br />
nicht schlechter<br />
gestellt, wenn eine<br />
nachträglich angebrachte<br />
Aussenwärmedämmung<br />
die Abstandsvorschriften<br />
unterschreitet.»<br />
Von grosser Bedeutung und für die effiziente Umsetzung von<br />
Gebäudesanierungsmassnahmen unumgänglich ist der<br />
zweite Satz des neuen § 253a Abs. 1 <strong>PBG</strong>: Entgegenstehende<br />
überwiegende öffentliche Interessen bleiben vorbehalten.<br />
Damit sind – wie bei der Anbringung von Solaranlagen –<br />
nachbarliche Interessen bei energetischen Sanierungen nicht<br />
mehr relevant. Entgegenstehende überwiegende öffentliche<br />
Interessen können der Natur- und Heimatschutz darstellen,<br />
in wohl seltenen Fällen hier auch die Belange der<br />
Feuerpolizei, der Wohnhygiene oder der Verkehrssicherheit.<br />
Korrekterweise wird aber in Absatz 3 des neuen<br />
§ 253a <strong>PBG</strong> der Nachbar ausdrücklich nicht schlechter gestellt,<br />
wenn eine nachträglich angebrachte Aussenwärmedämmung<br />
die Abstandsvorschriften unterschreitet. Das<br />
heisst, er muss keinen entsprechend grösseren Abstand auf<br />
seiner Seite einhalten.<br />
Diese einfach anwendbare Regelung bei Aussenwärmedämmungen<br />
bedurfte einiger gesetzgeberischer Arbeit, denn<br />
der ursprüngliche Gesetzesvorschlag des Regierungsrates
T H E M A<br />
13<br />
machte eine komplizierte Unterscheidung von Gebäuden<br />
die vor bzw. nach dem 1. Januar 1987 erstellt worden<br />
waren. Zudem hätten im Falle eines Rekurses auch überwiegende<br />
private Interessen geltend gemacht werden können<br />
6 . Die Komplexität des Gesetzestextes und die damit<br />
verbundenen Auslegungsstreitigkeiten sowie die Nachbarrekurse<br />
hätten eine effiziente und einfache Bewilligungspraxis<br />
für energetische Gebäudesanierungen – das<br />
erklärte Ziel der <strong>PBG</strong>-<strong>Revision</strong> – zunichte gemacht. Damit<br />
wäre das Anliegen letztlich gar nicht wirklich umgesetzt<br />
worden. Der Verzicht auf den Bezug zum Erstellungsdatum<br />
des Gebäudes erschien auch deshalb als sinnvoll,<br />
da die Wärmedämmung bei Neubauten ohnehin vorgeschrieben<br />
ist. Die Gefahr von Missbräuchen durch ein etappenweises<br />
Vorgehen schien daher gering.<br />
C. Verfahren<br />
Künftig können alle energetischen Sanierungen von bestehenden<br />
Gebäudehüllen im Anzeigeverfahren erledigt werden.<br />
Dies stellt der neue § 325a <strong>PBG</strong> sicher.<br />
Energetische Sanierungen<br />
§ 325a <strong>PBG</strong><br />
Energetische Sanierungen der Gebäudehüllen werden im<br />
Anzeigeverfahren beurteilt.<br />
«Die Komplexität<br />
des Gesetzestextes<br />
und die damit verbundenen<br />
Auslegungsstreitigkeiten<br />
sowie die<br />
Nachbarrekurse<br />
hätten eine effiziente<br />
und einfache<br />
Bewilligungspraxis<br />
für energetische<br />
Gebäudesanierungen<br />
– das<br />
erklärte Ziel der<br />
<strong>PBG</strong>-<strong>Revision</strong> – zunichte<br />
gemacht.»<br />
«Künftig können<br />
alle energetischen<br />
Sanierungen von<br />
bestehenden Gebäudehüllen<br />
im<br />
Anzeigeverfahren<br />
erledigt werden.»<br />
Davon ausgenommen sind jene Sanierungsmassnahmen,<br />
welche überhaupt keiner Bewilligung bedürfen.<br />
Das Rekursrecht der Verbände wird nach Auffassung der<br />
Unterzeichnenden mit der amtlichen Publikation des Vorhabens<br />
gewahrt. Eine Aussteckung ist jedoch nicht erforderlich;<br />
dies, weil bei energetischen Sanierungen der<br />
Gebäudehüllen explizit nur überwiegende öffentliche Interessen<br />
tangiert werden und sich die Verbände an den<br />
amtlichen Publikationen orientieren. Wo Natur- und Heimatschutzobjekte<br />
betroffen sind, aber auch wenn sich das
14<br />
T H E M A<br />
Gebäude ausserhalb der Bauzone befindet, wird die Baubehörde<br />
bei energetischen Gebäudesanierungen deshalb<br />
innert Frist die schriftliche Anordnung treffen müssen,<br />
dass dieses Bauvorhaben nicht innert 30 Tagen als bewilligt<br />
gelten kann (vgl. auch § 13 BVV). Selbstverständlich<br />
kommt auch bei energetischen Sanierungen, welche im<br />
Zusammenhang mit anderen bewilligungspflichtigen Umbauten<br />
oder Nutzungsänderungen vorgenommen werden,<br />
das ordentliche Verfahren zur Anwendung.<br />
«Das Bewilligungsverfahren<br />
verkürzt sich<br />
von zwei bis vier<br />
Monaten auf 30<br />
Tage und Ausschreibung<br />
und<br />
Aussteckung entfallen.<br />
Für Bauwillige,<br />
aber auch<br />
die Bewilligungsbehörden,<br />
stellt<br />
diese Bestimmung<br />
eine immense Vereinfachung<br />
und<br />
Beschleunigung<br />
dar.»<br />
«Die <strong>Revision</strong> ist<br />
zu begrüssen,<br />
bringt sie doch<br />
eine deutliche Verfahrensvereinfachung<br />
und die<br />
gewünschte Liberalisierung<br />
von<br />
energetischen Sanierungen<br />
im Gebäudebereich.»<br />
Der Regierungsrat erachtete eine Vereinfachung und Beschleunigung<br />
des Bewilligungsverfahrens als nicht notwendig<br />
und verwies in seinem Bericht zur Volksinitiative auf die<br />
Möglichkeit zur bewilligungsfreien Installation von kleinen<br />
Solaranlagen (§ 1 lit. k BVV) 7 . Anlässlich des Umsetzungsvorschlags<br />
schlug der Regierungsrat dann aber vor, alle energetischen<br />
Gebäudesanierungen in der Regel dem Anzeigeverfahren<br />
zu unterwerfen. Das Bewilligungsverfahren<br />
verkürzt sich damit von zwei bis vier Monaten auf 30 Tage<br />
und Ausschreibung und Aussteckung entfallen. Für Bauwillige,<br />
aber auch die Bewilligungsbehörden, stellt diese<br />
Bestimmung eine immense Vereinfachung und Beschleunigung<br />
dar.<br />
IV. Würdigung<br />
Die genannten Bestimmungen des Planungs- und Baugesetzes<br />
wurden vom Kantonsrat überdeutlich beschlossen.<br />
Das Referendum wurde nicht erhoben. Ursprünglich wurden<br />
die Änderungen vom Regierungsrat abgelehnt und der<br />
danach vom Regierungsrat erarbeitete Gesetzesvorschlag<br />
bedurfte einiger Anstrengungen aller Beteiligten, um die nun<br />
angenommene Gesetzesrevision zu ermöglichen. Die <strong>Revision</strong><br />
ist zu begrüssen, bringt sie doch eine deutliche Verfahrensvereinfachung<br />
und die gewünschte Erleichterung<br />
von energetischen Sanierungen im Gebäudebereich.<br />
Die Gesetzesrevision wird die heute sehr verschieden gehandhabte<br />
Bewilligungspraxis insbesondere zu Solaranla-
T H E M A<br />
15<br />
gen neu vereinheitlichen und so gleichzeitig für eine transparente<br />
Praxis im ganzen Kantonsgebiet sorgen. Das ist zu<br />
begrüssen. Damit nimmt auch die Planbarkeit von Kosten<br />
und Zeit für energetische Gebäudesanierungen durch die<br />
Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sowie<br />
den Ausschluss von Nachbarrekursen massiv zu.<br />
Die Vorlage kann ohne vorangestellte Umsetzung in der Bauverfahrensverordnung<br />
(BVV) in Kraft gesetzt werden. Im geltenden<br />
§ 13 Abs. 1 BVV wird erwähnt, dass Bauvorhaben von<br />
untergeordneter Bedeutung, durch welche keine zum Rekurs<br />
berechtigten Interessen Dritter berührt werden, im Anzeigeverfahren<br />
behandelt werden. Ebenso steht im § 14<br />
lit. k BVV, dass Solaranlagen im Anzeigeverfahren behandelt<br />
werden. Die Interessen Dritter werden somit durch das<br />
Gesetz selber definiert.<br />
«Es kann damit<br />
gerechnet<br />
werden, dass die<br />
<strong>Revision</strong> vom Regierungsrat<br />
noch<br />
dieses Jahr, voraussichtlich<br />
im<br />
Herbst, in Kraft<br />
gesetzt wird.»<br />
Es kann damit gerechnet werden, dass die <strong>Revision</strong> vom Regierungsrat<br />
noch dieses Jahr, voraussichtlich im Herbst,<br />
in Kraft gesetzt wird.<br />
1 Antrag des Regierungsrates vom 7. Juli 2010, Nr. 4713 Umweltschutz statt<br />
Vorschriften (kantonale Volksinitiative).<br />
2 Stellungnahme des Regierungsrates vom 31. März 2009, Nr. 58/2009 Gebäudesanierungsprogramm<br />
2009.<br />
3 Antrag des Regierungsrates vom 24. August 2011, Nr. 4713b Umweltschutz<br />
statt Vorschriften (kantonale Volksinitiative).<br />
4 Antrag der Kommission für Planung und Bau vom 8. November 2011, Nr. 4713c<br />
Umweltschutz statt Vorschriften (kantonale Volksinitiative).<br />
5 Antrag des Regierungsrates vom 24. August 2011, Nr. 4713b Umweltschutz<br />
statt Vorschriften (kantonale Volksinitiative).<br />
6 Antrag des Regierungsrates vom 24. August 2011, Nr. 4713b Umweltschutz<br />
statt Vorschriften (kantonale Volksinitiative).<br />
7 Antrag des Regierungsrates vom 7. Juli 2010, Nr. 4713 Umweltschutz statt<br />
Vorschriften (kantonale Volksinitiative).<br />
<strong>Carmen</strong><br />
<strong>Walker</strong> <strong>Späh</strong>,<br />
Rechtsanwältin,<br />
Mitglied der vorberatenden<br />
ständigen<br />
kantonsrätlichen<br />
Kommission für<br />
Planung und Bau<br />
(KPB), Zürich