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den“ Kapital andererseits, des lichten Reiches an­ und selbständiger Kraft­ und Vitalmenschen,<br />

denen ihr aufrechter Gang zum Weg ins Desaster wird. 32 Und auch werden muß: Ihr Anstand<br />

hilft ihnen nicht, sie werden gerade dafür bestraft.<br />

Geistrevolution gegen dekadenten Lebensstil begreift sich als Therapie des Übels, das<br />

sie selber ist, und führt die Miserezwanglos auf weltweite Verschwörung zurück, deren Langzeitagenten<br />

unter und in uns sind. Wie der seelische Volkssturm der 2oer Jahre, begreift der<br />

therapeutische Okkultismus der Gegenwart die Gesellschaft als gigantisches Psychodrom, ihre<br />

Krise konsequent als simple Hochrechnung der je individuellen Schwäche zur wahren Liebe zu<br />

allgemeiner Impotenz. Bhagwans Liebesrevolution empfiehlt sich als probates Aphrodisiakum:<br />

„Es ist eine Revolution im wahren Sinne des Wortes. Kein Gedanke daran, die Gesellschaft<br />

oder die Welt zu verändern – denn es gibt überhaupt keine Gesellschaft. Es gibt nur Individuen.<br />

Gesellschaft ist eine Illusion. In Wahrheit geht es um eine Revolution in Leben des einzelnen.<br />

Denn das Individuum ist substantiell und real; die Gesellschaft ist lediglich ein Bezugsgeflecht.“<br />

33 An die Stelle der „Weisen von Zion“ ist die westliche Rationalität getreten. Nicht erst<br />

mit dem Christus­Mord, sondern bei Aristoteles beginnt die Katastrophe, die Descartes und<br />

Marx dann vollenden – Bhagwan resümiert: „Der Verstand hat euch in das Chaos, in das Elend<br />

gebracht, das ihr seid.“ 34 Daß der Liebe auf Kommando das prompte Versagen folgt, daß die<br />

therapeutische Gruppe, die Liebe als das Zwangsgebot der Selbsterhaltung einem jeden ohne<br />

Ansehen der Person zuteilt, auch noch die Liebe, deren Grundgesetz doch zumindest freie<br />

Wahl ist, liquidiert, gehört zur objektiven Dialektik der Liebesrevolution. Unter den lebenden<br />

Leichnamen ist es unvorstellbar, jemand sei tatsächlich nicht liebenswert und wirklich der Widerling,<br />

der sich nicht selbst zu erfahren, sondern gefälligst zu ändern hätte. Der Liebeskommunismus<br />

verdoppelt die negative Gleichheit aller vor Ökonomie und Staat zur Gleichschaltung<br />

des Gefühls.<br />

Im therapeutischen Polizeistaat wird die Trennung von Arbeit und Leben auf eine<br />

Weise aufgehoben, die sich die neu­linken Urheber dieser Utopie nicht haben träumen lassen:<br />

Das Leben wird mit der Arbeit totalitär identifiziert und geht restlos, „ganzheitlich“ in ihr auf.<br />

„Betroffenheit“, „Revolutionierung des Alltags“, „Politik in erster Person“ – auf ihre Weise<br />

zieht Bhagwans Geistrevolution die wirkliche Bilanzsumme der neuen sozialen Bewegungen<br />

nach 1968. In der Geistrevolution erfüllt sich die „Dialektik des antiautoritären Bewußtseins“<br />

der Studentenbewegung, wie sie Hans­Jürgen Krahl analysiert hat: „Der losgelassene Emanzipationsegoismus<br />

will auf die Mühsal und Qual des politischen Kampfes verzichten und gleichwohl<br />

das Reich der Freiheit hic et nunc für sich empirisch usurpieren ... Die kleinbürgerlichen<br />

Dispositionen des antiautoritären Bewußtseins behandeln das Reich der Freiheit als privates<br />

Kleineigentum (dem entsprach die Ideologie der Freiräume), orientiert an der Vorstellung vom<br />

Besitzrecht der ersten Landnahme... Kleinbürgerliche Bewußtseinseinstellungen ließen die<br />

Freiheit zu einer dezisionistischen Eigentumskategorie verkommen.“ 35<br />

Die Vorwegnahme des Kommunismus in den zwischenmenschlichen Beziehungen<br />

hat sich zum Individualanarchismus des „Hier und Jetzt“ radikalisiert, der in der Liebesrevolution<br />

seine Praxis und in Bhagwan seinen ideellen Gesamttheoretiker findet. Befreiung rentiert<br />

sich als Kleingewerbe. Es kommt heraus, was in der Attacke aufs „Leistungsprinzip“ schon angelegt<br />

war: Gesellschaft gilt als Ausdruck eines geistigen Prinzips, als reine Materialisierung<br />

der protestantischen Ethik, als Psychotop. Die Geistrevolution begreift Kapitalismus als puren<br />

Glaubensinhalt, den die Menschen aus ihrer Seele in die Wirklichkeit projiziert haben, und betreibt<br />

seine Subversion durch therapeutische Gehirnwäsche. „Sage nein zu allem ... Suche ein<br />

neues Verhältnis zu deiner Freundin, liebe anders ... Beginne ... für dich selbst, hier und jetzt<br />

mit der Revolution“ 36 – der antiautoritäre Appell Daniel Cohn­Bendits kündigte, vom Resultat<br />

32 Vgl. Herbert Marcuse, Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung, in: ders.,<br />

Kultur und Gesellschaft l, Frankfurt 1965<br />

33 Rajneesh Times v. 28.9. 1984<br />

34 BSR, Das Buch der Geheimnisse, a. a. O., S. 100<br />

35 Hans­Jürgen Krahl, Konstitution und Klassenkampf. Zur historischen Dialektik von bürgerlicher Emanzipation<br />

und proletarischer Revolution, Frankfurt 1971, S. 306 f. Vgl. auch Hans G Helms, Fetisch Revolution,<br />

Darmstadt und Neuwied 1973.<br />

36 Cohn­Bendit, Linksradikalismus – Gewaltkur gegen die Alters­Krankheit des Kommunismus, Reinbek<br />

bei Hamburg 1968, S. 273

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