finden Sie den Pressespiegel im PDF-Format - Michael Ostendorf
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Messer zückt, ruf ich die Bullen!" Der Kameramann hält Abstand zur Rangelei, die<br />
Schüler haben sich entfernt.<br />
Für das ZDF gilt, was bereits in einer Pressemitteilung des Senders zu lesen war:<br />
"Die Untersuchung des Rohmaterials beweist, dass Gewaltszenen nicht inszeniert<br />
wur<strong>den</strong>. Der Kameramann macht keine Anstalten, sich <strong>den</strong> Jugendlichen zu nähern<br />
oder das in der Dunkelheit statt<strong>fin<strong>den</strong></strong>de Geschehen zu beleuchten." Es habe<br />
keinerlei Regieanweisungen gegeben, die nahelegen wür<strong>den</strong>, dass es sich um eine<br />
Inszenierung handle. Der Schulleiter der Gesamtschule Mümmelmannsberg, der<br />
ebenfalls in dem Bericht zu Wort kommt, widerspricht nach wie vor und glaubt seinen<br />
Schülern.<br />
Wem kann man also glauben? Den Jugendlichen und dem Schulleiter Klaus<br />
Reinsch, der sich hinter seine Schüler stellt, oder der Journalistin und dem<br />
Kameramann? Die Analyse der Szenen ist glaubwürdig, ebenso die Aussagen der<br />
Reporterin. Dass der Schulleiter seinen Schülern vertraut und sich vor sie stellt, mag<br />
auch damit zu tun haben, dass er durch <strong>den</strong> Tenor des Beitrags skeptisch gewor<strong>den</strong><br />
ist.<br />
Was kann man aus dem Debakel des ZDF-Drehs lernen? Dass es nicht ausreicht,<br />
einem Stadtteil <strong>den</strong> Stempel vom Gewaltbezirk aufzudrücken, nur weil das in Zeiten<br />
von Rütli gerade passt. Dass es in Mümmelmannsberg Probleme gibt, bestreitet<br />
niemand. Aber dass Gewalt, dass Messer und Schläge tatsächlich zum Alltag der<br />
Schüler gehören, heißt das noch nicht.<br />
Die Reporterin erklärte in der Sendung: "Die Schüler haben sicherlich nichts gespielt,<br />
was sie nicht tagtäglich erleben." Wenn aber Journalisten mit dem festen Vorsatz<br />
antreten, Krawall zu bebildern, kann das schnell dazu führen, dass Jugendliche diese<br />
Rolle dankbar annehmen. Es ist gut vorstellbar, dass die Schüler vor <strong>den</strong> Kameras<br />
ein bisschen Show machen wollten, die schließlich eine Eigendynamik entwickelte -<br />
so dass am Ende ein Teil gespielt war, ein Teil authentisch.<br />
Berichterstattung über Gewalt in Jugendszenen ist grundsätzlich schwierig, weil<br />
Authentizität kaum zu überprüfen ist. Jugendliche wachsen <strong>im</strong>mer auch in einer Welt<br />
der Computerspiele, Actionfilme, Musikvideos auf - die aggressive Geste gehört zu<br />
ihrem kulturellen Code.<br />
Das muss auch das ZDF anerkennen. Manche Formulierungen in dem Beitrag seien<br />
überspitzt gewesen, hieß es in dem Beitrag. Außerdem habe man nicht detailliert<br />
genug recherchiert. "Wir wollen uns jetzt mehr Zeit für solche Reportagen nehmen",<br />
sagte Chefredakteur Nikolaus Brender.<br />
Das Image des Hamburger Stadttteils Mümmelmannsberg hat sich <strong>den</strong>noch<br />
verschlechtert. Ein Abteilungsleiter einer Gesamtschule <strong>im</strong> benachbarten Stadtteil<br />
Horn hatte einem Vater empfohlen, sein Kind auf eine Schule nach<br />
Mümmelmannberg zu schicken. Der aber sagte: "Nach der Sendung nicht mehr - da<br />
kommt mein Kind nicht hin."<br />
SPIEGEL ONLINE - 13. April 2006, 12:25