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Mümmelmannsberg<br />

<strong>Pressespiegel</strong><br />

zum<br />

ZDF.reporter Bericht<br />

vom 29.3.2006<br />

und dessen Folgen<br />

Ev.-Luth. Gemeindezentrum Mümmelmannsberg


Mümmelmannsberg: Das ZDF zieht<br />

Konsequenzen<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/15/553472.html<br />

Von Jens Meyer-Wellmann<br />

Mit einer in der Medienlandschaft seltenen Offenheit hat das ZDF in der Sendung<br />

"ZDF.reporter" Selbstkritik geübt und Fehler in dem Beitrag über Mümmelmannsberg<br />

vom 29. März eingeräumt. Darin war eine angebliche Jugend-"Gang" gezeigt und als<br />

extrem gewalttätig dargestellt wor<strong>den</strong>. Das Abendblatt hatte über zahlreiche Fehler in<br />

dem Beitrag berichtet. Der Leiter der Gesamtschule Mümmelmannsberg, Klaus<br />

Reinsch, und Jugendliche hatten <strong>im</strong> Abendblatt <strong>den</strong> Vorwurf erhoben, Szenen seien<br />

gegen Geld inszeniert wor<strong>den</strong>. Dadurch war eine bundesweite Diskussion ausgelöst<br />

wor<strong>den</strong>. In dem neuen Bericht räumten das ZDF und sein Chefredakteur Nikolaus<br />

Brender ein:<br />

- Der Text des Beitrags wurde dramatisiert und entsprach teilweise nicht der<br />

Wirklichkeit. Das ZDF erklärte, man habe <strong>den</strong> Text der Autorin "zugespitzt".<br />

- Der Junge, der als Opfer auftrat und dem angeblich ein Arm gebrochen wurde,<br />

sagte, er habe alles erfun<strong>den</strong>, weil er von der Gruppe dazu aufgefordert wor<strong>den</strong> sei:<br />

"Die brauchten einen." Das ZDF räumt ein, die Aussagen nicht geprüft zu haben. Die<br />

Eltern hatten dem Abendblatt schriftlich versichert, ihr Sohn habe keinen Armbruch<br />

erlitten.<br />

- "Wir haben <strong>im</strong> Detail zu wenig recherchiert", sagte Brender. "Vielleicht haben wir<br />

die Lage in Mümmelmannsberg zu wenig verstan<strong>den</strong>. Die Redaktion hat vom<br />

Schreibtisch aus Formulierungen gewählt, die der Sache nicht gerecht gewor<strong>den</strong><br />

sind."<br />

- Das ZDF hat nicht geprüft, ob Einverständniserklärungen der Eltern der "Gangster"<br />

echt sind.<br />

- Das ZDF schließt nicht aus, daß Jugendliche dem Team etwas vorgespielt haben<br />

könnten.<br />

- Die Chefin der Produktionsfirma Lonamedia, Nicola Graef, räumte ein, daß 200<br />

Euro an <strong>den</strong> Anführer der "Gang" gezahlt wor<strong>den</strong> seien. Dieser habe das Geld unter<br />

acht Jungen verteilen sollen, damit jeder 25 Euro bekomme. Weitere 100 Euro habe<br />

ein anderer Junge bekommen. Dies sei falsch gewesen.<br />

Den Vorwurf, Gewalt sei inszeniert wor<strong>den</strong>, wiesen Brender und Reporterin Barbara<br />

Bessler zurück. Die Sichtung des Rohmaterials und die Kameraführung ließen keine<br />

Regieanweisungen erkennen. Schulleiter Reinsch blieb bei <strong>den</strong> Vorwürfen. Ihm und<br />

einem Lehrer sei in mehreren Gesprächen von <strong>den</strong> Jungen versichert wor<strong>den</strong>, daß<br />

Gewalt inszeniert wor<strong>den</strong> sei.<br />

ZDF-Chef Brender sagte, der Fall habe dem "Image des ZDF und dem öffentlichrechtlichen<br />

Anliegen geschadet" - und kündigte Konsequenzen an:<br />

- "Wir müssen uns für solche Beiträge mehr Zeit nehmen."<br />

- Es müsse "sensibler und sorgfältiger" gearbeitet wer<strong>den</strong>.


- Weil Journalisten aus einer anderen Schicht kämen, verstün<strong>den</strong> sie nicht <strong>im</strong>mer,<br />

was in Stadtteilen wie Mümmelmannsberg passiere. <strong>Sie</strong> müßten sich "wirklich damit<br />

beschäftigen".<br />

An einem Hochhaus in Mümmelmannsberg wurde derweil ein mehr als zehn Meter<br />

hohes Plakat entrollt. Darauf dankt der Stadtteil seiner Gesamtschule.<br />

erschienen am 15. April 2006<br />

Umstrittene ZDF-Reportage - "Ich kann nichts<br />

machen, Digger!"<br />

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,411216,00.html<br />

Von Anna Re<strong>im</strong>ann<br />

Das ZDF machte die Entstehung seiner umstrittenen Reportage über<br />

Jugendgewalt in Mümmelmannsberg in einer eigenen Sendung zum Thema.<br />

Die Analyse des Filmmaterials legt nahe: Eine Inszenierung von Gewaltszenen<br />

fand nicht statt. Einen Stempel hat man dem Stadtteil <strong>den</strong>noch aufgedrückt.<br />

Am Ende der gestrigen Sendung stan<strong>den</strong> zwei Fragen: Wurde die Reporterin, die<br />

letzte Woche für das ZDF in Mümmelmannsberg drehte, Opfer der Schauspielkünste<br />

der Jugendlichen? Und: Was lösen Kameras bei Jugendlichen aus?<br />

Rückblick: Es ist eine Woche her, dass eine Sendung des ZDF-Magazins "Reporter"<br />

vom 29. März für Aufregung gesorgt hatte. Angeblich war <strong>den</strong> Schülern Geld dafür<br />

gezahlt wor<strong>den</strong>, dass sie sich vor laufender Kamera prügelten und sogar Messer<br />

zückten. Ein Lehrer hatte die Sendung gesehen, seine Schüler am nächsten Tag auf<br />

ihr Verhalten angesprochen und die Antwort bekommen: Die Fernsehteams haben<br />

uns zu Schlägereien aufgefordert. Um <strong>den</strong> Vorwurf auszuräumen, recherchierte das<br />

ZDF die Geschichte des eigenen Drehs.<br />

Gestern, 21 Uhr: Wie zwei Angeklagte sitzen die bei<strong>den</strong> jungen Frauen, Nikola<br />

Graef und Barbara Bessler von der Produktionsfirma, die <strong>den</strong> Beitrag produzierte, vor<br />

der Kamera des ZDF. "Ja, es ist Geld gezahlt wor<strong>den</strong>." Ein Jugendlicher habe 200<br />

Euro dafür bekommen, dass er die Reporter "in die Szene" eingeführt habe und dass<br />

man ihn einige Tage lang begleiten konnte. Ein anderer, "ein eher positives Beispiel",<br />

habe 100 Euro erhalten. Aber nein, sie habe <strong>den</strong> Jugendlichen nicht aufgefordert<br />

zuzuschlagen, <strong>im</strong> Gegenteil. Als die Situation gekippt sei, habe sie versucht zu<br />

deeskalieren.<br />

Um die Aussagen der Reporterin zu überprüfen, analysiert das ZDF daraufhin eine<br />

bisher unveröffentlichte Szene: Unklar zu sehen sind eine Gruppe Jugendlicher, <strong>im</strong><br />

Hintergrund eine beleuchtete Turnhalle. Es kommt zu Schubsereien, Rangeleien.<br />

Einer der Jugendlichen sagt: "Ich kann nichts machen, Digger, wegen der Scheiß-<br />

Kamera".<br />

Kurze Zeit später am selben Ort: Reporterin Barbara Bessler ist am Rande zu sehen.<br />

Die Jugendlichen haben sich entfernt. Man hört, wie Bessler ruft: "Wenn ihr das


Messer zückt, ruf ich die Bullen!" Der Kameramann hält Abstand zur Rangelei, die<br />

Schüler haben sich entfernt.<br />

Für das ZDF gilt, was bereits in einer Pressemitteilung des Senders zu lesen war:<br />

"Die Untersuchung des Rohmaterials beweist, dass Gewaltszenen nicht inszeniert<br />

wur<strong>den</strong>. Der Kameramann macht keine Anstalten, sich <strong>den</strong> Jugendlichen zu nähern<br />

oder das in der Dunkelheit statt<strong>fin<strong>den</strong></strong>de Geschehen zu beleuchten." Es habe<br />

keinerlei Regieanweisungen gegeben, die nahelegen wür<strong>den</strong>, dass es sich um eine<br />

Inszenierung handle. Der Schulleiter der Gesamtschule Mümmelmannsberg, der<br />

ebenfalls in dem Bericht zu Wort kommt, widerspricht nach wie vor und glaubt seinen<br />

Schülern.<br />

Wem kann man also glauben? Den Jugendlichen und dem Schulleiter Klaus<br />

Reinsch, der sich hinter seine Schüler stellt, oder der Journalistin und dem<br />

Kameramann? Die Analyse der Szenen ist glaubwürdig, ebenso die Aussagen der<br />

Reporterin. Dass der Schulleiter seinen Schülern vertraut und sich vor sie stellt, mag<br />

auch damit zu tun haben, dass er durch <strong>den</strong> Tenor des Beitrags skeptisch gewor<strong>den</strong><br />

ist.<br />

Was kann man aus dem Debakel des ZDF-Drehs lernen? Dass es nicht ausreicht,<br />

einem Stadtteil <strong>den</strong> Stempel vom Gewaltbezirk aufzudrücken, nur weil das in Zeiten<br />

von Rütli gerade passt. Dass es in Mümmelmannsberg Probleme gibt, bestreitet<br />

niemand. Aber dass Gewalt, dass Messer und Schläge tatsächlich zum Alltag der<br />

Schüler gehören, heißt das noch nicht.<br />

Die Reporterin erklärte in der Sendung: "Die Schüler haben sicherlich nichts gespielt,<br />

was sie nicht tagtäglich erleben." Wenn aber Journalisten mit dem festen Vorsatz<br />

antreten, Krawall zu bebildern, kann das schnell dazu führen, dass Jugendliche diese<br />

Rolle dankbar annehmen. Es ist gut vorstellbar, dass die Schüler vor <strong>den</strong> Kameras<br />

ein bisschen Show machen wollten, die schließlich eine Eigendynamik entwickelte -<br />

so dass am Ende ein Teil gespielt war, ein Teil authentisch.<br />

Berichterstattung über Gewalt in Jugendszenen ist grundsätzlich schwierig, weil<br />

Authentizität kaum zu überprüfen ist. Jugendliche wachsen <strong>im</strong>mer auch in einer Welt<br />

der Computerspiele, Actionfilme, Musikvideos auf - die aggressive Geste gehört zu<br />

ihrem kulturellen Code.<br />

Das muss auch das ZDF anerkennen. Manche Formulierungen in dem Beitrag seien<br />

überspitzt gewesen, hieß es in dem Beitrag. Außerdem habe man nicht detailliert<br />

genug recherchiert. "Wir wollen uns jetzt mehr Zeit für solche Reportagen nehmen",<br />

sagte Chefredakteur Nikolaus Brender.<br />

Das Image des Hamburger Stadttteils Mümmelmannsberg hat sich <strong>den</strong>noch<br />

verschlechtert. Ein Abteilungsleiter einer Gesamtschule <strong>im</strong> benachbarten Stadtteil<br />

Horn hatte einem Vater empfohlen, sein Kind auf eine Schule nach<br />

Mümmelmannberg zu schicken. Der aber sagte: "Nach der Sendung nicht mehr - da<br />

kommt mein Kind nicht hin."<br />

SPIEGEL ONLINE - 13. April 2006, 12:25


Mümmelmannsberg: ZDF räumt weitere Fehler<br />

ein<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/13/553106.html<br />

ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hat weitere Fehler bei der<br />

Berichterstattung der "ZDF.reporter" über Mümmelmannsberg am 29. März<br />

eingeräumt.<br />

"Ein Jugendlicher, der sich als Opfer gewaltsamer Übergriffe bezeichnet hatte, sagt<br />

jetzt: ,Es war gelogen.' Andere Jugendliche hätten ihn zu der Aussage aufgefordert",<br />

heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung Brenders. "Wir haben nicht<br />

hinreichend darauf gedrungen, die Aussagen der Jugendlichen auf ihre<br />

Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen", sagt Redaktionsleiter Norbert Lehmann. Auch<br />

hätten Einverständniserklärungen der Eltern zu <strong>den</strong> Dreharbeiten auf ihre Echtheit<br />

überprüft wer<strong>den</strong> müssen, so Lehmann. Das ist also offenbar nicht geschehen. Ob<br />

die Einverständniserklärungen möglicherweise gefälscht wur<strong>den</strong> und die<br />

Jugendlichen also ohne Einwilligung der Eltern als mitleidlose Gangster gezeigt<br />

wur<strong>den</strong>, konnte das ZDF am Mittwoch noch nicht mitteilen. Der Hamburger<br />

Schulleiter Klaus Reinsch blieb auch in dem neuen Beitrag des ZDF, <strong>den</strong> der Sender<br />

Mittwoch ausstrahlen wollte, bei seiner Auffassung, die Reporterin habe die<br />

Jugendlichen zu inszenierten Aktionen vor der Kamera aufgefordert. Das ZDF<br />

bestreitet dies. Die Sichtung des Rohmaterials "beweist" nach Ansicht Brenders, daß<br />

Gewaltszenen nicht inszeniert wor<strong>den</strong> seien. Das Abendblatt hatte die Vorwürfe des<br />

Schulleiters und der betroffenen Schüler in der vergangenen Woche öffentlich<br />

gemacht. Das ZDF hatte daraufhin eingeräumt, daß 300 Euro<br />

"Aufwandsentschädigungen" gezahlt wor<strong>den</strong> seien und dies als "schweren Fehler"<br />

bezeichnet.<br />

Am Mittwoch protestierten rund 50 Jugendliche in der City gegen <strong>den</strong> TV-Bericht und<br />

gegen Berichte einer Boulevardzeitung, die ihnen und ihrem Stadtteil geschadet<br />

hätten.<br />

jel, jmw, kab 13.4.2006<br />

JUGENDGEWALT IM TV - ZDF-Chefredakteur<br />

räumt Fehler ein<br />

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,411167,00.html<br />

Fehler ja, Inszenierung nein: ZDF-Chefredakteur Brender gibt zu, dass ein von<br />

dem Sender in Auftrag gegebener Bericht über Jugendgewalt an einer Schule<br />

textlich "zugespitzt" wurde. Gewaltszenen seien aber nicht nachgestellt<br />

wor<strong>den</strong>.<br />

Mainz - Nach Kritik an einem ZDF-Beitrag über Gewalt in einem Hamburger<br />

Problemviertel hat Chefredakteur Nikolaus Brender Fehler der betreuen<strong>den</strong><br />

Redaktion eingeräumt. Es seien aber keine Gewaltszenen inszeniert wor<strong>den</strong>, hieß es


in einer heute veröffentlichten Erklärung des Mainzer Senders. Dies beweise die<br />

Untersuchung des Rohmaterials für <strong>den</strong> "ZDF.reporter"-Beitrag.<br />

In dem Beitrag, <strong>den</strong> nach ZDF-Angaben eine freie Produktionsfirma für das ZDF<br />

erstellt hatte, ging es um Jugendliche <strong>im</strong> Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg. In<br />

der vergangenen Woche war bekannt gewor<strong>den</strong>, dass 300 Euro an einen beteiligen<br />

Jugendlichen und eine Familie gezahlt wur<strong>den</strong>, wovon der Sender nach eigenen<br />

Angaben nichts wusste. Das Geld sei als Entschädigung dafür geflossen, dass der<br />

Informant an insgesamt acht Tagen zur Verfügung gestan<strong>den</strong> habe. In<br />

Zeitungsberichten hatten sich Lehrer beklagt, dass ihre Schüler falsch dargestellt und<br />

instrumentalisiert wor<strong>den</strong> seien. Ein Schüler erklärte nach Angaben einer Zeitung, sie<br />

seien "richtig gekauft" wor<strong>den</strong> und hätten so tun sollen, als prügelten sie sich.<br />

Das ZDF kündigte an, in einer heute um 21 Uhr ausgestrahlten Ausgabe von<br />

"ZDF.reporter" werde eine bisher nicht gesendete Szene gezeigt, die belege, dass<br />

Gewaltszenen nicht inszeniert wor<strong>den</strong> seien. Als eine Rangelei zu eskalieren droht,<br />

gehe die Reporterin dazwischen und kündige an, die Polizei zu rufen, falls die<br />

Jugendlichen nicht aufhören. Der Kameramann mache keine Anstalten, sich <strong>den</strong><br />

Jugendlichen zu nähern oder das in der Dunkelheit statt<strong>fin<strong>den</strong></strong>de Geschehen zu<br />

beleuchten.<br />

Brender räumte aber ein, dass die betreuende Redaktion an einigen Stellen <strong>den</strong> Text<br />

der Autorin verändert und zugespitzt habe. "Das sind handwerkliche Fehler, die nicht<br />

passieren dürfen, weil dadurch einige Zusammenhänge nicht exakt dargestellt<br />

wur<strong>den</strong>." So sei etwa eine Gruppe Jugendlicher, anders als dargestellt, nicht<br />

"untergetaucht".<br />

Der Hamburger Schulleiter Klaus Reinsch bleibt der Mitteilung zufolge aber auch in<br />

dem neuen Beitrag bei seiner Auffassung, die Reporterin habe die Jugendlichen zu<br />

inszenierten Aktionen vor der Kamera aufgefordert. Ein Jugendlicher, der sich als<br />

Opfer gewaltsamer Übergriffe bezeichnet hat, sagt nun: "Es war gelogen." Andere<br />

Jugendliche hätten ihn zu der Aussage aufgefordert.<br />

Auch die Redaktion räumte Versäumnisse ein: "Wir haben nicht hinreichend darauf<br />

gedrungen, die Aussagen der Jugendlichen auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu<br />

überprüfen", sagte Redaktionsleiter Norbert Lehmann. Auch hätten<br />

Einverständniserklärungen der Eltern zu <strong>den</strong> Dreharbeiten auf ihre Echtheit überprüft<br />

wer<strong>den</strong> müssen.<br />

Keine Inszenierung von Gewaltszenen bei<br />

ZDF.reporter<br />

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/10/0,1872,3923850,00.html<br />

Presseerklärung von ZDF-Chefredakteur Brender<br />

dan/ap 12.42006<br />

Die Untersuchung des Rohmaterials für <strong>den</strong> ZDF.reporter-Filmbeitrag über<br />

Jugendliche <strong>im</strong> Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg beweist, dass


Gewaltszenen nicht inszeniert wur<strong>den</strong>. In der aktuellen Ausgabe des Magazins wird<br />

eine bisher nicht gesendet Szene gezeigt, die das belegt.<br />

Als eine Rangelei zu eskalieren droht, geht die Reporterin dazwischen und kündigt<br />

an, die Polizei zu rufen, falls die Jugendlichen nicht aufhören. Der Kameramann<br />

macht keine Anstalten, sich <strong>den</strong> Jugendlichen zu nähern oder das in der Dunkelheit<br />

statt<strong>fin<strong>den</strong></strong>de Geschehen zu beleuchten.<br />

ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hat nach intensiven Prüfungen und<br />

Gesprächen mit <strong>den</strong> Beteiligten aber auch Fehler der Redaktion festgestellt.<br />

Brender: "Die betreuende Redaktion hat an einigen Stellen <strong>den</strong> Text der Autorin<br />

verändert und zugespitzt. Das sind handwerkliche Fehler, die nicht passieren dürfen,<br />

weil dadurch einige Zusammenhänge nicht exakt dargestellt wur<strong>den</strong>. So ist zum<br />

Beispiel eine Gruppe Jugendlicher, anders als dargestellt, nicht 'untergetaucht'".<br />

Insgesamt aber sei der Beitrag dadurch nicht beeinträchtigt wor<strong>den</strong>.<br />

Der Hamburger Schulleiter Klaus Reinsch bleibt auch in dem neuen Beitrag bei<br />

seiner Auffassung, die Reporterin habe die Jugendlichen zu inszenierten Aktionen<br />

vor der Kamera aufgefordert.<br />

Ein Jugendlicher, der sich als Opfer gewaltsamer Übergriffe bezeichnet hatte, sagt<br />

jetzt: "Es war gelogen". Andere Jugendliche hätten ihn zu der Aussage aufgefordert.<br />

Die Redaktion räumt Versäumnisse ein: "Wir haben nicht hinreichend darauf<br />

gedrungen, die Aussagen der Jugendlichen auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu<br />

überprüfen", sagt Redaktionsleiter Norbert Lehmann. Auch hätten<br />

Einverständniserklärungen der Eltern zu <strong>den</strong> Dreharbeiten auf ihre Echtheit überprüft<br />

wer<strong>den</strong> müssen.<br />

ZDF in eigener Sache<br />

Interview mit Christian Haase<br />

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/5/0,1872,3923493,00.html<br />

Das ungeschnittene Rohmaterial der Dreharbeiten<br />

Während der Dreharbeiten <strong>im</strong> Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg sprach die<br />

Reporterin auch mit Christian Haase, dem Ex-Polizisten und Leiter des<br />

internationalen Fußballclubs SC Europa. Mit am Tisch saßen der Jugendliche Urgor<br />

und Melih Sentürk vom Internationalen Elternverein. Im Folgen<strong>den</strong> dokumentieren<br />

wir das ganze Interview <strong>im</strong> Video und in einer schriftlichen Fassung.<br />

Reporterin: Was sind nach Ihrer Einschätzung hier <strong>im</strong> Stadtteil die größten<br />

Probleme? Ich weiß, <strong>Sie</strong> waren ja auch Polizist und kennen sich schon sehr gut aus.<br />

Was sind so Ihre Erfahrungen?<br />

Christian Haase: Meine Erfahrung ist, dass sich die Gruppen, diese Kinder, sage ich<br />

mal, so ab 14 aufwärts, sich so zusammenschließen zu irgendeiner Gruppe, wie sie<br />

sich auch <strong>im</strong>mer sch<strong>im</strong>pfen, und sind eigentlich nur auf Gewalt aus. Treffen sich<br />

dann mit anderen aus Bergedorf oder wo die so herkommen, und dann ist das Spiel


nur eben halt Gewalt. Was anderes haben die nicht drauf, und das sind auch alles<br />

solche Kinder, die nicht in <strong>den</strong> Vereinen sind, die gar nichts mehr haben, die wirklich<br />

nur rumhängen, die Eltern nicht wissen, was die Kinder so treiben und das hat uns<br />

<strong>im</strong>mer Sorgen gemacht und macht uns auch weiterhin Sorgen hier <strong>im</strong> Stadtteil. Mal<br />

peitscht das wieder hoch, mal geht es ein bisschen runter, <strong>im</strong> Moment, sage ich mal,<br />

ist diesbezüglich ein bisschen Ruhe <strong>im</strong> Stadtteil. Na ja, man beobachtet das eben.<br />

Reporterin: Hat sich Gewalt hier verändert, ist vielleicht auch ein lockerer Umgang<br />

mit Messern oder irgendwie ...<br />

Haase: Ja, das ist eindeutig festzustellen, dass das mit Messern und kleinen Waffen<br />

wie auch <strong>im</strong>mer lockerer gehandhabt wird, weil eben sie wissen, die Bestrafung ist<br />

sehr milde hier in Deutschland, was ich auch <strong>im</strong>mer gehasst habe, das ist also doch<br />

steigend gegenüber sagen wir mal zehn Jahren. Aber es ist nicht so<br />

besorgniserregend, wie das <strong>im</strong>mer in der Presse oder für unseren Stadtteil<br />

dargestellt wird, also Mümmelmannsberg. Ich wohne hier auch schon über 20 Jahre,<br />

und von daher kann ich nie sagen, dass das so was von schl<strong>im</strong>m ist, wie das <strong>im</strong>mer<br />

in der Presse dargestellt wird. Und ich habe auch jedem <strong>im</strong>mer gesagt, ob das<br />

Politiker ist oder ob das von einer anderen Institution ist, ich kann das beurteilen.<br />

Reporterin: Gerade aus Ihrer Erfahrung - was muss sich <strong>den</strong>n ändern, wo muss da<br />

angesetzt wer<strong>den</strong>?<br />

Haase: Angesetzt wer<strong>den</strong> muss da, dass kann man ja wohl von heute auf morgen<br />

nicht ändern, das ist einfach die Wohnstruktur, das sind klasse Wohnungen hier und<br />

vor zehn Jahren, sag ich mal, sind die letzten "Guten" ausgezogen, weil sie gesagt<br />

haben, "da will ich nichts mehr mit zu tun haben". Und was ist nachgekommen?<br />

Leute, die auch eine Wohnung suchen, wohl wahr, aber natürlich nicht so hier rein<br />

passen vom Klientel, also sprich: Die Ausländerquote ist hier zu hoch gewor<strong>den</strong> und<br />

die müsste man <strong>im</strong> Laufe, so wie man das hochgefahren hat, auch wieder<br />

runterfahren. Dann würde auch ein bisschen mehr Ruhe eintreten.<br />

Reporterin: Haben <strong>Sie</strong>, auch aus Ihrer Erfahrung, glauben <strong>Sie</strong>, dass die Polizei das<br />

<strong>im</strong> Griff hat, sind die präsent genug oder ist das ...<br />

Haase: Ja, das kann ich schon sagen, gerade weil hier auch <strong>im</strong> Drogenbereich ja<br />

auch viel abläuft, die Polizei hat eigentlich alles <strong>im</strong> Griff, mehr als die ganzen<br />

Jugendlichen <strong>im</strong>mer <strong>den</strong>ken, die da drin sind, die meinen ja, sie können alles<br />

machen, die sind so auf dem Zettel, aber für die Polizei lohnt sich nicht, einen kleinen<br />

Eingriff zu machen, zum Beispiel, wenn einer zu seinem eigenen Verbrauch<br />

irgendwo was kauft, das ist für uns uninteressant, sie wollen an <strong>den</strong> Größeren ran,<br />

und das dauert <strong>im</strong>mer seine Zeit, das ist so, und dann insgesamt, und das kennen<br />

wir ja aus der Presse, ist die Bestrafung, wenn mal einer tatsächlich hoch angesiedelt<br />

erwischt wird, ich sage mal, für meine Begriffe ist die Bestrafung, obwohl sie ja<br />

gegeben ist, die Gesetze sind ja da, die Polizei arbeitet, schreibt, macht, die<br />

Staatsanwaltschaft greift nicht ein.<br />

Urgor: Ganz kurz, <strong>Sie</strong> haben ja gesagt, dass die Leute, die Jugendlichen alle hier<br />

Drogen verkaufen ...<br />

Haase: Nicht alle, aber viele ...


Urgor: Viele, was meinen <strong>Sie</strong>, warum sie <strong>den</strong>n Drogen verkaufen ...?<br />

Haase: Ja, weil das schnelles Geld bringt, dafür brauchen die nicht arbeiten ...<br />

Urgor: Nein, nicht schnelles Geld, okay, das bringt zwar schnelles Geld, aber wenn<br />

jemand einen normalen Arbeitsplatz hier <strong>fin<strong>den</strong></strong> würde, würde er doch lieber arbeiten<br />

gehen ...<br />

Haase: Das ist natürlich die andere Konsequenz, das ist natürlich klar, man kann<br />

nicht nur <strong>im</strong>mer die Jugendlichen damit abstrafen, dass sie hier was vertickern,<br />

sondern weil sie eben halt auch nicht die Möglichkeit haben, einen vernünftigen<br />

Arbeitsplatz zu <strong>fin<strong>den</strong></strong>. Denn wer das hat, der hat wenig Lust dazu.<br />

Reporterin: Dann auch noch mal Urgor, bei Dir ist es jetzt anders gelaufen, aber<br />

kannst Du bißchen sozusagen aus dem Nähkästchen plaudern, Du hast jetzt eine<br />

Arbeitsstelle, bist eine Ausnahme oder wie schätzt Du das ein? Du bist einer der<br />

wenigen, die jetzt eine Ausbildung machen ...<br />

Urgor: Nein, ich kenne viele, die Ausbildungsplätze haben, ich weiß nicht ...<br />

Haase: Du kennst aber auch viele, die keine haben ...<br />

Urgor: Ja, ich kenne auch viele, die dealen und das verkaufen und so weiter, aber,<br />

weiß nicht, ja die meisten verkaufen, ja das ist richtig ...<br />

Reporterin: Was bedeutet das für Dein Leben, dass Du jetzt die Ausbildung machst<br />

...<br />

Urgor: Habe ich Schwein gehabt, Glück gehabt, dass ich <strong>den</strong> Platz bekommen habe.<br />

Ich <strong>den</strong>ke, wenn ich <strong>den</strong> Platz nicht bekommen würde, nicht direkt Drogen, aber<br />

dann würde ich auch irgendwas, womit ich mein Geld mache, ich will ja nicht die<br />

ganze Zeit auf meine Eltern angewiesen sein.<br />

Reporterin: Wird hier, Du weißt das von einigen Kollegen, dass die eher<br />

Schwarzarbeit oder ein bisschen kleinkr<strong>im</strong>inell da tätig sind, schreckt da tatsächlich<br />

eine Bestrafung nicht ab, oder dass sie irgendwann älter wer<strong>den</strong> und dann nicht<br />

mehr unter Jugendstrafgesetz fallen? Schreckt das nicht ab, redet Ihr darüber?<br />

Urgor: In Mümmelmannsberg ist ... (längeres Statement Urgor ...) ... Leute<br />

einstellen, damit sich das hier bessert und nicht <strong>im</strong>mer von auswärts <strong>im</strong>mer die<br />

Guten, <strong>im</strong>mer die Guten. <strong>Sie</strong> müssen mal <strong>den</strong> Schlechten auch mal eine Chance<br />

geben, damit die sich ändern können, wenn man ihnen keine Chance gibt, dann<br />

bleiben sie <strong>im</strong>mer schlecht.<br />

Reporterin: Was sagen <strong>Sie</strong>?<br />

Haase: Der Grundgedanke ist richtig, da hat er Recht, da kann ich ihm nur<br />

beipflichten, und ja, ob das dann sich jemals mal so ändert, das wissen wir, wie die<br />

Politik ist, jetzt ist CDU da, die Polizeipräsenz soll doch wieder neu gekürzt wer<strong>den</strong>,<br />

da lache ich mich tot darüber, das ist eine Frechheit. Und ich sage mal, genau das ist


gerade das, woran wir arbeiten müssen, dass eben da ein bisschen gegengesteuert<br />

wird, aber es passiert da leider zu wenig.<br />

Urgor: Die re<strong>den</strong>, die re<strong>den</strong> und nichts passiert, nach 'ner Zeit hat man auch keinen<br />

Bock mehr zu re<strong>den</strong> ...<br />

Reporterin: Wie sehen <strong>Sie</strong> <strong>den</strong>n die Entwicklung in fünf bis zehn Jahren circa, wenn<br />

da vielleicht von der politischen Seite, wenn da nicht wirklich Signale gesetzt wer<strong>den</strong><br />

oder vielleicht auch die Basisarbeit, die hier ja ein paar Leute zum Glück machen,<br />

aber das ist ja doch nur der berühmte Tropfen ...<br />

Haase: Ich <strong>den</strong>ke schon, dass die Polizei viel auf Präsenz-Arbeit macht und auch<br />

über Gewalt redet in <strong>den</strong> Schulen, in <strong>den</strong> Klassen, <strong>den</strong>n das ist ja das Wichtige, das<br />

der <strong>im</strong>mer weiß, wenn er mit 14 Jahren eine Straftat begangen hat, dass das <strong>im</strong><br />

Polizeiregister festgehalten ist. Er ist notiert. Und jeder, der notiert ist, der wird dann<br />

wieder mal erwischt, wieder kriegt er einen Zähler und wir gucken da nur rein und<br />

sagen, Mensch schon zehn Mal hat er hier 'ne Kleinigkeit gehabt, also dann ist man<br />

schon misstrauisch. Es muss vorher noch ein bisschen stärker aufgeklärt wer<strong>den</strong>,<br />

was das bedeutet, eine Straftat zu begehen mit 14, das ist schon was. Es passiert<br />

zwar nichts, deswegen ist das ja so, es passiert zwar nichts, aber in <strong>den</strong> Papieren ist<br />

er notiert und jeder Chef, der irgendwann mal sagt, ich stelle jeman<strong>den</strong> ein, was wird<br />

er einstellen, er wird doch einen nehmen, der noch nicht notiert ist. Und das<br />

verkennen die Jugendlichen, da müsste ein bisschen mehr nachgeholfen wer<strong>den</strong>.<br />

Aber das tut die Polizei, ich weiß das, weil mein Sohn auch bei der Polizei ist. Und<br />

auch in der Richtung unterrichtet wird über Gewaltprävention. Das wird hier schon<br />

gemacht und es kommt auch einigermaßen an, aber irgendwo ist auch bei der Polizei<br />

die Grenze, man sieht es ja, man will da ja noch reduzieren und das ist völlig<br />

verkehrt. Es müssen vielleicht hier mehr in <strong>den</strong> Stadtteilen noch reingearbeitet<br />

wer<strong>den</strong>, mag sein, aber ich kenne hier die drei Kollegen, die hier arbeiten <strong>im</strong><br />

Stadtteil, als bürgernahe Beamten, die wirklich ihren Job gut machen und mit <strong>den</strong>en<br />

man auch re<strong>den</strong> kann, das sind also gute Leute, aber wie gesagt, das Personal ist da<br />

auch zu dünn.<br />

Reporterin: Was passiert <strong>den</strong>n, wenn die Jugendlichen sich selbst überlassen<br />

wer<strong>den</strong>, was wird das für eine Entwicklung annehmen?<br />

Haase: Also ich habe ja nicht so das beste Gefühl, dass das hier wesentlich besser<br />

wird, weil einfach die Möglichkeiten nicht gegeben sind hier, die wer<strong>den</strong> einfach nicht<br />

gefördert, der junge Mann hat das ja schon <strong>im</strong>mer eigentlich dargestellt, hier ist zu<br />

wenig Leben für die Jungs, was hier fehlt, ist ja alles, <strong>im</strong> Grunde genommen, man<br />

muss <strong>im</strong>mer nach Billstedt, um da ein bisschen, ja ...<br />

Melih Sentürk: Außer dem Haus der Jugend gibt es eine Möglichkeit, zum Beispiel<br />

Raummöglichkeiten und so - gibt's nicht ...<br />

Haase: Nein, das ist also ein ganz, ganz wesentlicher Teilpunkt hier, man kann hier<br />

überhaupt keine Fete feiern, die einzige Fete, die gefeiert wer<strong>den</strong> kann, ist hier<br />

manchmal, und da haben wir auch schon Probleme, weil dann or<strong>den</strong>tlich<br />

reingehauen wird, aber ringsrum ist ja nicht so viel Einwohner. Das ist der größte<br />

Klops hier in diesem Stadtteil, dass es nicht eine Möglichkeit gibt, wo Jugendliche<br />

mal abfeiern können. Gibt's nicht.


12.4.2006<br />

Interview mit Ronald Rebacz<br />

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/21/0,1872,3923477,00.html<br />

Das ungeschnittene Rohmaterial der Dreharbeiten<br />

Während der Dreharbeiten <strong>im</strong> Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg sprach die<br />

Reporterin auch mit Ronald Rebacz, dem Leiter des "Hauses der Jugend". Im<br />

Folgen<strong>den</strong> dokumentieren wir das ganze Interview <strong>im</strong> Video und in einer schriftlichen<br />

Fassung.<br />

Reporterin: Wir hatten darüber gesprochen, wie wichtig es ist, hier ein Haus der<br />

Jugend zu haben. Wieweit schafft man es wirklich, gerade die Jungs auf andere<br />

Gedanken zu bringen?<br />

Ronald Rebacz: Wie man das schafft? Wir haben viele Möglichkeiten, viele<br />

Angebote, <strong>im</strong> Freizeitbereich, und da sind auch viele Jugendliche interessiert,<br />

andererseits machen wir auch viele Angebote <strong>im</strong> Schulbereich, Nachhilfebereich, ...<br />

wie man später erwerbstätig wird.<br />

(Das Interview wird an dieser Stelle kurz unterbrochen, Herr Rebacz wechselt <strong>den</strong><br />

Standort)<br />

Reporterin: Was können <strong>Sie</strong> <strong>im</strong> Haus der Jugend tun, um <strong>den</strong> Jugendlichen eine<br />

Lebensperspektive zu bieten, gerade zu Problemgeschichten, Bewerbungen, Schule<br />

et cetera?<br />

Rebacz: Ja, so grundsätzlich bieten wir eine sehr schöne Atmosphäre, in der man<br />

sich aufhalten kann, andererseits bieten wir auch Schularbeitenhilfe an und machen<br />

Bewerbungstraining sowie Bewerbungen schreiben, Lebensläufe schreiben, da<br />

bieten wir Hilfen an ...<br />

Reporterin: Jetzt noch mal ganz kurz, wie sieht es in der Realität aus? Haben die<br />

jugendlichen Erfolgserlebnisse? Wahrscheinlich eher nicht, oder?<br />

Rebacz: Im Schulbereich sehen wir eher schon, dass sie auch Erfolgserlebnisse<br />

haben, es liegt dann eben an <strong>den</strong> Schulabschlüssen, die dann positiver wer<strong>den</strong>, in<br />

anderen Bereichen, <strong>im</strong> sozialen miteinander umgehen, was ja auch sehr wichtig ist,<br />

sehen wir auch Erfolge.<br />

Reporterin: Ganz konkret, wie sieht das hier inzwischen aus? Ich weiß, die<br />

Jugendlichen dürfen nicht mit Messern hereinkommen? Wie ist überhaupt Ihre Art<br />

und Weise, hier eine Autorität einzuführen?<br />

Rebacz: Wir haben Hausregeln, die jeder genau kennt, und alle müssen sich dran<br />

halten. Wenn es mal Unst<strong>im</strong>migkeiten gibt, Konflikte kommen auch <strong>im</strong>mer wieder<br />

vor, bieten wir auch Lösungsmöglichkeiten an, das heißt: Wie kann man, auch wenn<br />

man unterschiedlicher Meinung ist, aufeinander zugehen.


Reporterin: Jetzt aber noch mal ganz konkret, es gibt <strong>im</strong>mer wieder Stress, auch vor<br />

der Tür, ich <strong>den</strong>ke hier <strong>im</strong> Haus nicht, weil das haben <strong>Sie</strong> <strong>im</strong> Griff, wie gehen <strong>Sie</strong><br />

damit um, dass vielleicht ein gewisses Aggressionspotential nicht mehr da ist?<br />

Rebacz: Nicht mehr da ist, es entsteht hier ja nicht ... wir können nur Lösungsmittel<br />

anbieten, sie zu lösen ... das wird <strong>im</strong>mer wieder sein, weil unterschiedliche<br />

Interessenlagen vorliegen, und draußen regiert das Gesetz der Straße, und da<br />

entsteht halt so etwas <strong>im</strong>mer wieder. Das wer<strong>den</strong> wir nicht verhindern können, wir<br />

können nur Hilfen angeben, wie man anders damit umgeht. Wenn das dann<br />

angenommen wird. Das tun natürlich nicht alle.<br />

Reporterin: Was sind die Probleme wirklich ganz konkret, mit <strong>den</strong>en <strong>Sie</strong> wirklich<br />

tagtäglich zu tun haben?<br />

Rebacz: Probleme in diesem Stadtteil, der wird ja von so 30 verschie<strong>den</strong>en<br />

Nationalitäten bevölkert, das <strong>den</strong>ke ich, das Sprachproblem, also sich eben auch in<br />

der deutschen Sprache einigermaßen bewegen zu können, das ruft dann natürlich<br />

auch ein besseres Verständnis hervor, und die Schulleistungen wer<strong>den</strong> dadurch<br />

natürlich auch besser.<br />

Reporterin: Aber was sind, wie gesagt, konkret hier die Probleme? Wie kann man<br />

das auffangen, oder wo sind sie? Wo muss man da ansetzen? Be<strong>im</strong> Thema<br />

Aggressivität/Kr<strong>im</strong>ianalität?<br />

Rebacz: Ja, das sind junge Leute, die sind nicht so ausgewogen wie wir<br />

Erwachsenen ... und einige sind aggressiv ... und woher die dann jeweils kommt,<br />

müssen vielleicht Fachleute beantworten ... das möchte ich hier so für alle gültig nicht<br />

sagen! Wir können nur anbieten, wie man, wenn man Probleme hat und<br />

Aggressionen hat, wie man die bewältigen kann, miteinander ... nicht als<br />

Einzelperson ... bloß, das muss dann eben auch angenommen wer<strong>den</strong>. Aber wie es<br />

entsteht, da gibt es ja viele Theorien für, die auch durchaus unterschiedlich sind.<br />

Reporterin: Was ist ihr Eindruck, wie hat sich das in <strong>den</strong> letzten Jahren entwickelt?<br />

In welche Richtung wird es gehen, gerade mit dem Problem Aggression auf der<br />

Straße und auch <strong>im</strong>mer wieder kr<strong>im</strong>inelles Handeln?<br />

Rebacz: Ich <strong>den</strong>ke, Aggressionen können weniger wer<strong>den</strong>, wenn genügend<br />

Chancen, Chancen innerhalb dieser Gesellschaft, wenn sie zum Beispiel<br />

Erfolgserlebnisse in der Schule hatten, dass sie dann auch die Möglichkeit irgendwo<br />

ins Berufsleben einzusteigen, mit wirklich auch guten Perspektiven, und dann, <strong>den</strong>ke<br />

ich, wenn sie für sich eine Zukunft sehen, ist auch der Weg geebnet, dass sie sich<br />

anders verhalten.<br />

Reporterin: Die Realität ist ja leider, wenn ich <strong>Sie</strong> kurz unterbrechen darf, ja nur<br />

leider, die meisten haben ja wohl nicht das Gefühl, dass sie eine Perspektive haben,<br />

als auch <strong>im</strong>mer wieder erleben, dass sie abgelehnt wer<strong>den</strong> bei Bewerbungen et<br />

cetera.<br />

Rebacz: Das ist leider so, es gibt viele Jugendliche, die Hunderte von Bewerbungen<br />

geschrieben haben, bloß da sind wir als Einrichtung nicht gefragt, sondern ich würde<br />

eher sagen, die Arbeitsgeber dieser Stadt, in diesem Fall Hamburg, ja vielleicht


soziales Engagement zu zeigen, Lehrstellen zu schaffen, Arbeitsplätze, wie auch<br />

<strong>im</strong>mer …<br />

Reporterin: Was passiert, wenn man die Jugendlichen in der Situation alleine lässt?<br />

Wie wird sich das auswirken?<br />

Rebacz: Ja, da würde ich sagen, wenn Perspektivlosigkeiten entsteht, …<br />

(Das Interview wird an dieser Stelle unterbrochen, um eine neue Kassette<br />

einzulegen)<br />

Reporterin: Was passiert eigentlich, wenn man Jugendliche alleine lässt, was sind<br />

hier die Probleme und wie entwickelt sich das?<br />

Rebacz: Das würde dann eher in eine negative Richtung eher gehen. Dann auch 24<br />

Stun<strong>den</strong> mit ihren Problemen alleine gelassen, bis auch die Kinder und<br />

Jugendeinrichtungen so wie wir, ...dann so auf sie eingehen können, ja das kann<br />

langfristig nicht zu etwas Gutem führen.<br />

Reporterin: Haben die Jugendlichen falsche Vorbilder?<br />

Rebarcz: Nee, nicht unbedingt, sie haben durchaus auch positive Vorbilder,<br />

entsprechend auch, wenn es ihnen jeweils gut geht, und sie auch ihre Ziele verfolgen<br />

können.<br />

Reporterin: Es gibt aber nichts desto trotz, - sie reagieren etwas ausweichend, aber<br />

<strong>Sie</strong> wissen schon, worauf ich hinaus möchte ... weil das Gespräch hatten wir ja<br />

vorgestern geführt, dass es wirklich ein Problem gibt, hier in Mümmelmannsberg<br />

oder in Stadtteilen, wo einfach viele sozial benachteiligt sind, gesellschaftlich und<br />

sich dann anderweitig austoben, in ihrer Aggression rauslassen ...<br />

Rebacz: Wenn viele gleichermaßen negativ benachteiligt sind, und sich auch<br />

zusammen <strong>fin<strong>den</strong></strong>, dann kann sich natürlich auch langfristig Frust entwickeln. Das ist<br />

richtig.<br />

Reporterin: Wie kann man dagegen angehen? Oder gibt es da keine Chance für <strong>Sie</strong><br />

als Einrichtung?<br />

Rebacz: In Bezug auf Frust bieten wir Sport in verschie<strong>den</strong>er Form an, wo sich<br />

insbesondere männliche Jugendliche, auch weibliche, da austoben können, das ist<br />

dann so eine Art von Ventil, das ist kurzfristig erst einmal gut, langfristig hilft es nicht<br />

<strong>im</strong>mer.<br />

Reporterin: Wie groß ist das Problem der Cliquen- und Gangbildung, die dann<br />

untereinander Stress machen, auch mit anderen Stadtteilen?<br />

Rebacz: Die Jugendlichen haben <strong>im</strong>mer eine I<strong>den</strong>tität zu ihrem Stadtteil, und wenn<br />

dann aus anderen Stadtteilen jemand kommt, dann fühlen sich angegriffen und<br />

erklären sich solidarisch, und dann wird eben gemeinsam dieser Stadtteil verteidigt.<br />

Das ist so eine Entwicklung in der Jugendszene, die in ganz Deutschland oder auch<br />

in ganz Europa ist.


Reporterin: Was versuchen <strong>Sie</strong> dann <strong>den</strong> Jugendlichen zu sagen,<br />

dagegenzuhalten? Auch vielleicht, dass die Waffen aus dem Spiel bleiben?<br />

Rebacz: Was versuchen wir? Wir versuchen natürlich, <strong>im</strong>mer zu propagieren, dass<br />

Gewalt keine Lösung ist, damit haben wir zugegebenermaßen nicht <strong>im</strong>mer Erfolg. Es<br />

ist aber auch so, dass man uns freiwillig besucht, und wir sind auch nicht <strong>im</strong>mer und<br />

überall. So. Wenn das in unseren Bereich mit hereinkommt, nehmen wir auch<br />

Einfluss ... aber so weit reicht unser Arm dann auch nicht, dass wir alle Probleme<br />

lösen können. Und weil auch viel hier <strong>im</strong> Stadtteil und in anderen Stadtteilen abspielt.<br />

Reporterin: Was machen <strong>Sie</strong>, wenn Jugendliche mit Messern oder anderen Waffen<br />

hereinkommen?<br />

Rebacz: Dann bitten wir sie, hinauszugehen, oder eben auch ihre Waffen<br />

abzunehmen, die hier nicht erlaubt sind.<br />

Reporterin: <strong>Sie</strong> kassieren sie ein?<br />

Rebacz: Ja.<br />

Reporterin: Gibt es viele davon?<br />

Rebacz: Nein, in letzter Zeit eigentlich <strong>im</strong>mer weniger, weil sie dann wissen, dass<br />

sie's dann loswer<strong>den</strong>. Und ... wenn sie unter 18 sind, geben wir es auch nicht zurück,<br />

und sagen dann, die Eltern können's abholen. Was sie ja meistens nicht tun, also<br />

bringen sie ihre Waffen lieber nicht mit.<br />

Reporterin: Gibt es auch Jugendliche, die Angst haben hier hereinzukommen, weil<br />

sie meinen, sie treffen auf Leute, die sie eigentlich nicht treffen wollen?<br />

Rebacz: Das war früher mal so, aber wie <strong>Sie</strong> ja sehen, wenn <strong>Sie</strong> sich hier<br />

umschauen, hier sind auch Mädchen, und wir haben eine Atmosphäre geschaffen,<br />

die es eigentlich jedem diesen Stadtteils erlaubt, sich hier angstfrei wohl zu fühlen.<br />

Und ich glaube, das sieht man auch, dass sich hier alle wohlfühlen. Und daran haben<br />

wir sehr lange gearbeitet, und das ist jetzt so, und deswegen kann eigentlich auch<br />

jeder kommen.<br />

Reporterin: Kann man aber schon unter dem Strich sagen, dass hier das alles<br />

funktioniert, auch Integration, doch leider das auf der Straße häufig auch aus dem<br />

Ruder läuft?<br />

Rebacz: Ja, aber wir haben auch mit dem Gesetz nur einen begrenzten Einfluss, und<br />

wir sind nur wenige, und wir sind in dieser Einrichtung, hier ist es geregelt, das aber<br />

haben wir hinbekommen, aber wir können ja nicht <strong>den</strong> ganzen Stadtteil oder die<br />

ganze Stadt therapieren. Das geht ja nicht, wie soll man das <strong>den</strong>n tun? Also da sind<br />

wir wohl auch überfordert.<br />

Reporterin: Ich werde jetzt auch gar nicht in die Richtung gehen, dass es zuwenig<br />

Einrichtungen wie diese gibt, weil ich dazu weiß, dazu wer<strong>den</strong> <strong>Sie</strong> sich hier nicht<br />

äußern, aber wenn <strong>Sie</strong> vielleicht in zwei, drei, vier Sätzen noch einmal die Situation<br />

dieses Stadtteils zusammenfassen:


Rebacz: Die Situation und Probleme dieses Stadtteils sind, dass leider sehr viel<br />

Jugendliche, wo sie Schulabschlüsse haben, sogar auch Abi, Schwierigkeiten haben,<br />

hinterher in das Arbeitsleben, <strong>den</strong> Arbeitsprozess einzusteigen. Dadurch entstehen<br />

die Probleme, nicht vielleicht sofort, aber umso länger das dauert, umso mehr macht<br />

sich Frust breit, und wenn das dann auch noch viele sind, weil es in diesem Stadtteil<br />

halt so ist, treffen sich Gemeinsamkeiten, und das wird dann halt ein negativer Film,<br />

in irgendeine Richtung. So. Letztlich können wir das auch nicht aufhalten.<br />

Reporterin: Das heißt es, es wird zunehmend Kr<strong>im</strong>inalität geben, weil es keine<br />

andere Chance gibt?<br />

Rebacz: Wenn es dann überhaupt keine Alternativen gibt, gibt es ja einige, die dann<br />

schwach wer<strong>den</strong>, und sich langsam kr<strong>im</strong>inalisieren, die Möglichkeiten bestehen die<br />

ganze Zeit, das ist ja ein Prozess, die <strong>im</strong> Inneren eines Menschen stattfindet, wir<br />

versuchen schon dagegen anzusteuern, aber da wird sich jeder so seinen Weg<br />

selber wählen, <strong>den</strong>n auch wenn wir da sind, dadurch kann jemand keinen Job<br />

bekommen, in die Gesellschaft einzusteigen.<br />

Reporterin: Haben die Jugendlichen dann vielleicht die falschen Vorbilder, nach<br />

dem Motto, der fährt ja einen Ferrari, hat noch nie gearbeitet, der ist cool?<br />

Rebacz: Es ist natürlich gerade, wenn man jung ist, ein gewisser Reiz, schnell Erfolg<br />

zu haben, schnell Geld zu bekommen, und Beispiele gibt's ja hier auf der Straße. So.<br />

Wir versuchen dagegen zu steuern, einige hören darauf, einige eben nicht.<br />

Reporterin: Emp<strong>fin<strong>den</strong></strong> <strong>Sie</strong> auch manchmal eine gewisse Ohnmacht auch?<br />

Rebacz: Ja, gegenüber diesen Dingen sind wir natürlich ohnmächtig, <strong>den</strong>n wir<br />

können nicht das schnelle Geld und <strong>den</strong> großen Erfolg und das Gute da stehen, das<br />

können wir alles nicht bieten. Wir zeigen eigentlich eher <strong>den</strong> beschwerlichen Weg,<br />

Schularbeiten machen, lernen, lernen, lernen, ... und versuchen, einen guten Job zu<br />

<strong>fin<strong>den</strong></strong>, und einfach ein vernünftiges Leben zu führen. Und das machen eben halt<br />

nicht alle.<br />

Reporterin: Alles klar, Dankeschön. (Interview beendet) 12.4.2006<br />

Jugendgewalt: ZDF-Intendant Schächter greift<br />

ein<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/11/552303.html#Szene_1<br />

Von Jens Meyer-Wellmann<br />

Im Fall der gezahlten "Aufwandsentschädigungen" an Jugendliche in<br />

Mümmelmannsberg für einen Beitrag von "ZDF.reporter" hat sich nun auch ZDF-<br />

Intendant Markus Schächter zu Wort gemeldet. In einem Schreiben an die Mitglieder<br />

von Fernseh- und Verwaltungsrat, das dem Abendblatt vorliegt, bezeichnet<br />

Schächter die Zahlung von insgesamt 300 Euro durch die Produktionsfirma<br />

LonaMedia als "schweren Fehler". Dem ZDF sei davon nichts bekannt gewesen.


Zahlungen an Personen, die in dokumentarischen Beiträgen selber aufträten, seien<br />

mit journalistischen Grundsätzen nicht vereinbar. "Zum anderen dürfen an<br />

Jugendliche ohnehin keine Geldzahlungen geleistet wer<strong>den</strong>." Zugleich betont<br />

Schächter, daß die Produktionsfirma bekannt und angesehen sei. Nach Auskunft der<br />

Firma sei das Geld gezahlt wor<strong>den</strong>, da einer der Jugendlichen der Reporterin<br />

mehrere Tage zur Verfügung gestan<strong>den</strong> und Kontakte hergestellt habe. "Der Betrag<br />

wurde also explizit nicht für Aktionen vor der Kamera bezahlt", so Schächter.<br />

In der Reportage gezeigte Schüler hatten dagegen gegenüber ihrem Schulleiter und<br />

dem Abendblatt gesagt, sie seien zu best<strong>im</strong>mten Szenen und Aussagen angehalten<br />

wor<strong>den</strong>. Damit steht nun Aussage gegen Aussage.<br />

Offenbar n<strong>im</strong>mt Schächter <strong>den</strong> noch ungeklärten Fall zum Anlaß, die Arbeit mit freien<br />

Produ-zenten insgesamt zu über<strong>den</strong>ken. "Über die Zusammenarbeit mit<br />

Produktionsfirmen wer<strong>den</strong> wir in nächster Zeit noch einmal beraten", schreibt der<br />

Intendant.<br />

Und weiter: "Ich werde dieses Thema auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung<br />

des Programmausschusses Chefredaktion setzen lassen. Seien <strong>Sie</strong> sicher, daß ich<br />

die Sache ernst nehme, da sie schon jetzt dem Ruf des ZDF geschadet hat."<br />

erschienen am 11. April 2006<br />

Stellungnahme der Redaktion: Dreharbeiten <strong>im</strong><br />

"Mümmelmannsberg"<br />

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/18/0,1872,3922482,00.html<br />

Wegen der Reportage über <strong>den</strong> Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg sind<br />

schwere Vorwürfe gegen ZDF.reporter erhoben wor<strong>den</strong>. Die Redaktion bezieht dazu<br />

<strong>im</strong> Folgen<strong>den</strong> Stellung.<br />

"Bei der kritisierten Reportage handelte es sich um eine Auftragsproduktion der<br />

Hamburger Produktionsfirma "Lonamedia" für die Sendung ZDF.reporter.<br />

Die Produktionsfirma hat 200 Euro an einen jugendlichen Informanten gezahlt, der<br />

an insgesamt vier Tagen für Vorortrecherchen zur Verfügung stand. Die Familie<br />

eines weiteren Jugendlichen, die in ihrer Wohnung für Dreharbeiten zur Verfügung<br />

stand, erhielt eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 100 Euro.<br />

Von Geldzahlungen an Jugendliche war der Redaktion "ZDF.reporter" nichts<br />

bekannt. Solche Zahlungen entsprechen nicht <strong>den</strong> journalistischen Grundsätzen des<br />

ZDF; darauf wird das ZDF auch alle Produktionsfirmen, mit <strong>den</strong>en es<br />

zusammenarbeitet, noch einmal ausdrücklich hinweisen. Auch die Produktionsfirma<br />

Lonamedia betrachtet diese Zahlungen <strong>im</strong> Nachhinein als einen Fehler.<br />

Die Reporterin hat die Jugendlichen nicht zu Gewalttaten an<strong>im</strong>iert; vielmehr hat sie in<br />

kritischen Situationen mäßigend auf sie eingewirkt. Das belegt das Original-<br />

Drehmaterial, das dem ZDF vorliegt. Wo der Verdacht bestand, die Jugendlichen<br />

wür<strong>den</strong> sich vor der Kamera aufspielen, stellte der Text eine kritische Distanz her -


Zitat: 'Demonstrativ kokettieren die Jugendlichen vor unserer Kamera mit der<br />

Gewalt'."<br />

Offener Brief des Kollegiums der<br />

Gesamtschule<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/10/552019.html?prx=1<br />

10.04.2006<br />

Wir, das Kollegium der Gesamtschule Mümmelmannsberg, sind empört darüber, wie<br />

die Würde unserer SchülerInnen und ihrer Eltern und der gesamte Stadtteil<br />

Mümmelmannsberg in <strong>den</strong> Schmutz gezogen wer<strong>den</strong>. Die Berichte . . . stellen die<br />

multikulturelle Mischung in diesem Stadtteil einseitig als gefährlich und kr<strong>im</strong>inell dar.<br />

Wir, die seit vielen Jahren hier arbeiten und z. T. auch leben, sehen diese Probleme<br />

durchaus, vor allem aber sehen wir die andere Seite . . . von Mümmelmannsberg.<br />

Hier leben sozial benachteiligte Menschen und Migranten unterschiedlichster<br />

Herkunft . . . Dieses Zusammenleben verschie<strong>den</strong>ster Kulturen funktioniert nicht<br />

<strong>im</strong>mer ohne Probleme. Langeweile oder Resignation über die schlechten Aussichten<br />

auf Ausbildungs- und Arbeitsplätze erzeugen Konflikte unter Jugendlichen . . .<br />

Gleichzeitig jedoch ist diese multikulturelle Mischung auch eine Chance, voneinander<br />

zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Sicherlich gibt es<br />

Auseinandersetzungen zwischen SchülerInnen, sicherlich gibt es Machogehabe<br />

gegen Lehrerinnen. Dies ist jedoch nicht durchgängiges Erscheinungsbild, da die<br />

KollegInnen der Gesamtschule in Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> Stadtteilinitiativen einen<br />

engagierten und zum Teil aufreiben<strong>den</strong> Kampf dagegen führen . . .<br />

Unser Bildungszentrum arbeitet seit vielen Jahren gemeinsam mit Eltern und<br />

zahlreichen Stadtteilinitiativen . . . daran, <strong>den</strong> zweifellos vorhan<strong>den</strong>en Problemen zu<br />

begegnen. Über Hamburgs Grenzen hinaus gelten wir als Vorbild für einen<br />

erfolgreichen Ganztagsschulbetrieb und leisten mit vielen Programmen, z. B. dem<br />

schuleigenen Beratungsdienst, enger Zusammenarbeit mit Rebus,<br />

Konfliktbearbeitung <strong>im</strong> Klassenrat, der Streitschlichterausbildung für SchülerInnen,<br />

der Freizeiterziehung <strong>im</strong> Neigungsbereich, dem Schulsportverein mit Kletter-, Kanuund<br />

Skiprojekten und vielem mehr einen wichtigen Beitrag . . . Für viele Jugendliche<br />

ist gerade die Schule ein sicherer Ort. <strong>Sie</strong> bekommen hier nicht nur Bildung<br />

angeboten, sondern können auch ihre Freizeit aktiv gestalten . . .<br />

Unser Ziel ist es, gemeinsam junge Menschen zu einem friedlichen Miteinander und<br />

der Akzeptanz verschie<strong>den</strong>er Kulturen zu erziehen und natürlich auch, ihnen durch<br />

Bildung . . . eine Chance auf Ausbildung und Arbeitsplätze zu verschaffen. Gäste aus<br />

Hamburg und aller Welt haben uns begeistert bestätigt, daß dies an unserer Schule<br />

täglich geschieht. (Manche) Berichterstattung . . . behindern unsere Arbeit jedoch<br />

enorm! <strong>Sie</strong> schüren Vorurteile, und jene Jugendliche, die <strong>im</strong> Sommer unsere Schule<br />

mit dem Abschluß verlassen wer<strong>den</strong>, müssen vermutlich mit großer Ablehnung in<br />

Personalabteilungen rechnen. Wer will schon Azubis aus einem verrufenen Stadtteil<br />

wie Mümmelmannsberg einstellen, ganz egal, wie fähig sie sein mögen?! Dazu<br />

kommt, daß die SchülerInnen sich durch diese Berichte stigmatisiert fühlen . . . Das<br />

Leben in diesem Stadtteil ist nicht <strong>im</strong>mer einfach - aber es wird durch


gesellschaftliche Vorurteile und einseitige Medienberichte nicht leichter, sondern <strong>im</strong><br />

Gegenteil sehr erschwert!<br />

Wir . . . fordern die Vertreter des seriösen Journalismus auf, in vorurteilsfreier und<br />

sachlicher Weise über das (Schul-)Leben in unserem Stadtteil zu berichten und so<br />

ihren Beitrag zur Unterstützung sinnvoller Aufbauarbeit in Erziehung und Bildung zu<br />

leisten.<br />

Das Kollegium der Gesamtschule Mümmelmannsberg<br />

Jugendgewalt: ZDF will Vorwürfe in Sendung<br />

aufgreifen<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/10/552020.html?prx=1<br />

Von Jens Meyer-Wellmann<br />

Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) hat dem Schulleiter der<br />

Gesamtschule Mümmelmannsberg, Klaus Reinsch, in einem Telefonat ihre volle<br />

Unterstützung in der Auseinandersetzung mit dem ZDF zugesagt. ZDF-<br />

Chefredakteur Nikolaus Brender kündigte unterdessen an, die massiven Vorwürfe<br />

von Jugendlichen gegen die vom ZDF beauftragte Produktionsfirma Lonamedia<br />

wür<strong>den</strong> in der nächsten Sendung von "ZDF.reporter" aufgegriffen.<br />

"ZDF.reporter" hatte am 29. März einen Beitrag über Mümmelmannsberg gezeigt, bei<br />

dem es um eine angeblich extrem gewalttätige "Gang" namens "Mümmler" ging.<br />

Nach der Ausstrahlung hatte der Leiter der Mümmelmannsberger Gesamtschule<br />

schwere Vorwürfe gegen das ZDF erhoben. Ihm gegenüber hätten die Schüler<br />

erklärt, sie hätten Geld für ihr Mitwirken bekommen und Gewaltszenen und<br />

Aussagen auf Wunsch der Reporterin inszeniert. Der Schulleiter forderte eine<br />

Gegendarstellung von ZDF-Intendant Markus Schächter.<br />

Das ZDF hatte die Jugendlichen in Gewaltszenen gezeigt und umfassend zu Wort<br />

kommen lassen: "Hier wird gekifft, gedealt, mißbraucht, alles (. . .) Gewissen? Er ist<br />

Kanake, er hat kein Gewissen." Fazit der Reporterin: "Mitleid kennen sie nicht." Der<br />

Vater eines Jungen, dem laut ZDF von der "Gang" ein Arm gebrochen wurde,<br />

erklärte, sein Sohn habe nie einen gebrochenen Arm gehabt. Laut der Zeitung "Welt"<br />

kennt die Polizei keine "Gang", die sich "Mümmler" nennt.<br />

Das ZDF und die Produktionsfirma räumten ein, daß 300 Euro<br />

"Aufwandsentschädigung" an die Jugendlichen und die Familie eines Jugendlichen<br />

gezahlt wor<strong>den</strong> seien. ZDF-Chef Brender rügte dies als Verstoß gegen<br />

journalistische Grundsätze. Zugleich weisen ZDF und Lonamedia <strong>den</strong> Vorwurf der<br />

Inszenierung energisch zurück. Im Gegenteil hätte die Reporterin eine Eskalation<br />

verhindert. So steht Aussage gegen Aussage - die der Jugendlichen, die das ZDF ja<br />

selbst als glaubwürdig dargestellt hat, gegen die der Produktionsfirma. Das<br />

gesendete Material war laut Firma bei Ausstrahlung bereits einige Monate alt.


Das Kollegium der Gesamtschule Mümmelmannsberg hat die Berichte des ZDF und<br />

einer Zeitung in einem offenen Brief kritisiert. Das Abendblatt veröffentlicht das<br />

Schreiben, das von allen Lehrern der Schule unterschrieben wurde, leicht gekürzt .<br />

Für das Zweite verprügelt<br />

http://www.welt.de/data/2006/04/07/870722.html<br />

erschienen am 10. April 2006<br />

Vorwürfe gegen "zdf.Reporter": Hamburger Schüler sollen für Krawalle bezahlt<br />

wor<strong>den</strong> sein<br />

von Jörn Lauterbach<br />

Hamburg - Mümmelmannsberg hat es nicht leicht. Allein schon der Name, dann noch<br />

die Randlage ganz <strong>im</strong> Osten Hamburgs. Wer es freundlich mit dem Stadtteil meint,<br />

sagt "Rabbit Hill", aber häufiger ist vom "Problemviertel" zu hören und zu lesen, für<br />

Sozialreportagen jeglicher Couleur jederzeit geeignet. Kürzlich war wieder einmal ein<br />

Fernsehteam da, Auftrag: Ein Film über Gewalt an Schulen. Es wurde schnell fündig.<br />

Messer blitzen <strong>im</strong> Kameralicht, Schüler raufen sich, treten auf einen am Bo<strong>den</strong><br />

liegen<strong>den</strong> Jugendlichen ein. Botschaft: Die Rütli-Schule ist überall.<br />

Aber hätten diese Schüler sich auch so verhalten, wenn sie dafür nicht von dem<br />

freien Produktionsteam, das <strong>im</strong> Auftrag des Magazins "zdf.reporter" unterwegs war,<br />

bezahlt wor<strong>den</strong> wären? Viel Geld ist nicht geflossen, das ZDF spricht in einer<br />

offiziellen Mitteilung von insgesamt 300 Euro, davon seien 100 Euro an eine Familie<br />

gegangen, die ihre Wohnung zur Verfügung gestellt hatte, <strong>den</strong> Rest steckte offenbar<br />

einer der Schüler ein. Dem "Hamburger Abendblatt" sagte einer der Protagonisten:<br />

"Die haben uns richtig gekauft. Erst haben sie gesagt, sie wollten viel Positives über<br />

<strong>den</strong> Stadtteil sagen, dann wollten sie Action sehen. Wir sollten so tun, als wür<strong>den</strong> wir<br />

uns prügeln und Drogen kaufen. Ich habe das so gemacht, wie die das haben<br />

wollten." In Mümmelmannsberg sind 200 Euro eben doch sehr viel Geld.<br />

Als der Filmbeitrag, der von einer brutalen Gang namens "Die Mümmler" handelt, am<br />

29. März <strong>im</strong> ZDF ausgestrahlt wurde, trauten viele der Beteiligten ihren Augen kaum.<br />

"Die Gewalt ist oft spontan und unkontrolliert", sagt die Reporterst<strong>im</strong>me. Wären die<br />

Journalisten nicht bei einer Gewaltszene eingeschritten, wäre sogar noch alles viel<br />

schl<strong>im</strong>mer gekommen, heißt es sinngemäß weiter. Und: "Demonstrativ kokettieren<br />

die Jugendlichen vor unserer Kamera mit der Gewalt".<br />

Da ist wohl einiges dran. Nicht nur die "Mümmler" - ein Name, der sich eher nach<br />

Kleingartenkolonie als nach bösem Ban<strong>den</strong>krieg anhört - sind Polizei (ein<br />

Revierbeamter: "Nie gehört, absoluter Quatsch") und Lehrerschaft ebenso unbekannt<br />

wie <strong>den</strong> Schülern. Ein Mathelehrer der Gesamtschule Mümmelmannsberg sah <strong>den</strong><br />

Beitrag und fragte am nächsten Tag seine Schüler, die ihm prompt von <strong>den</strong><br />

Zahlungen erzählten. Auf seine Nachfrage be<strong>im</strong> ZDF bot ihm der Sender an,<br />

demnächst doch auch einmal etwas Positives über die Schule sen<strong>den</strong> zu können.<br />

Schulleiter Klaus Reinsch schrieb daraufhin einen Beschwerdebrief an ZDF-<br />

Intendant Markus Schächter. Der Sprecher der Schulbehörde, Alexander Luckow,


hält <strong>den</strong> Vorgang "für schwer vereinbar mit öffentlich-rechtlichem Fernsehen." Im<br />

übrigen zeige das Ganze, daß die Diskussion über Gewalt an Schulen "einen Grad<br />

der Hysterie erreicht hat, der dem Problem absolut nicht gerecht wird."<br />

Nicht unbedingt Hysterie, aber doch Anspannung war gestern auch in der ZDF-<br />

Pressestelle zu spüren. In einer schriftlichen Erklärung betonte Norbert Lehmann<br />

ZDF-Programmbereichsleiter "reporter/reportage", daß es sich bei dem Geldfluß um<br />

eine "Aufwandsentschädigung" gehandelt habe. Der Informant hätte der Reporterin<br />

an acht Tagen zur Verfügung gestan<strong>den</strong> und ihr Kontakte zu anderen Jugendlichen<br />

verschafft. "Die Reporterin der Produktionsfirma hat bei <strong>den</strong> Dreharbeiten darauf<br />

geachtet, daß die Jugendlichen nicht durch die Kamera zu gewalttätigen Aktionen<br />

an<strong>im</strong>iert wur<strong>den</strong>", heißt es weiter. <strong>Sie</strong> sei eingeschritten, als eine ernsthafte<br />

Schlägerei auszubrechen drohte - das sei auch filmisch belegbar. Der Redaktion sei<br />

von <strong>den</strong> Zahlungen "<strong>im</strong> Vorfeld" allerdings nichts bekannt gewesen.<br />

ZDF-Sprecher Peter Bogenschütz verwies darauf, daß Zahlungen dieser Art be<strong>im</strong><br />

ZDF nicht erlaubt seien und festangestellte Redakteure so auch nicht gehandelt<br />

hätten. Hätte man <strong>im</strong> Vorfeld gewußt, daß die Jugendlichen Geld bekommen haben,<br />

wäre der Film wohl nicht ausgestrahlt wor<strong>den</strong>. Ob es entsprechende Weisungen<br />

auch an freie Produktionsfirmen gegeben hat, konnte Bogenschütz nicht sagen. Die<br />

Redaktion von "zdf.reporter" reagierte je<strong>den</strong>falls schnell und nahm <strong>den</strong> Beitrag von<br />

ihrer Internetseite. Ob es Konsequenzen für die Produktionsfirma geben wird, wollte<br />

das ZDF zunächst nicht sagen.<br />

Gestellte Szenen in vermeintlich authentischen Filmbeiträgen gab es in der jüngeren<br />

Fernsehgeschichte <strong>im</strong>mer wieder. Zu trauriger Berühmtheit brachte es dabei der<br />

Journalist <strong>Michael</strong> Born, der mehr als 20 gefälschte Stücke an die ARD, vor allem<br />

aber an "Stern TV" verkaufte. Auch deutsche Printprodukte fielen <strong>im</strong>mer wieder auf<br />

Fälschungen herein, Autor Tom Kummer gelang es etwa, mit gefälschten Star-<br />

Interviews diverse Zeitschriften und Zeitungen zu hintergehen.<br />

Artikel erschienen am Fr, 7. April 2006<br />

Die netten Schüler von Mümmelmannsberg<br />

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,410166,00.html<br />

Von Brenda Strohmaier<br />

An der Hamburger Gesamtschule Mümmelmannsberg sollen Zustände wie <strong>im</strong><br />

schl<strong>im</strong>msten Neukölln herrschen. Diesen Eindruck erweckten zumindest ein<br />

Beitrag <strong>im</strong> ZDF und ein Artikel in der "Bild"-Zeitung. Die Schüler und Lehrer<br />

sind allerdings ganz anderer Ansicht.<br />

Hamburg - "Fünf Euro, sonst sagen wir nichts", erklärt der <strong>Sie</strong>btklässler Deniz vor<br />

seiner Schule, einem orangenen <strong>Sie</strong>bziger-Jahre-Kasten. Dann lacht er und sagt:


"War nur ein Witz". Solche Scherze wer<strong>den</strong> derzeit viele gemacht an der<br />

Gesamtschule Mümmelmannsberg. Schließlich sollen an der Schule ein paar Neuntund<br />

Zehntklässer von einem Fernsehteam Geld bekommen haben, um für einen<br />

Beitrag des ZDF-Magazins "Reporter" Gewaltszenen nachzustellen, wie das<br />

"Hamburger Abendblatt" heute berichtete.<br />

"Das st<strong>im</strong>mt", sagen die Mitschüler, sind sich allerdings nicht einig über die Summe,<br />

die die Darsteller bekommen haben sollen. Von 250 Euro und 360 Euro ist die Rede.<br />

Der Sender verwehrt sich gegen die Vorwürfe, Gewaltszenen gekauft zu haben.<br />

Allerdings räumte ein Sprecher ein, dass die für <strong>den</strong> Beitrag engagierte<br />

Produktionsfirma "Aufwandsentschädigungen" in Höhe von 300 Euro an die Schüler<br />

gezahlt habe.<br />

In dem Beitrag, der am Mittwoch vergangener Woche ausgestrahlt wurde, war laut<br />

"Abendblatt" zu sehen, wie Jugendliche scheinbar zufällig aufeinander losgehen und<br />

das ganze Viertel in Schrecken versetzen.<br />

Wie auch <strong>im</strong>mer es gewesen sein mag, in jedem Fall hat sich das ZDF mit dem<br />

Bericht viele junge Menschen zum Feind gemacht. "Das ist doch eine Schweinerei",<br />

sagt Deniz und klingt gar nicht mehr lustig. "Das ist hier eine sehr gute Schule."<br />

Dutzende Mitschüler, die eilig hinzugekommen sind, pflichten ihm bei, um <strong>den</strong> Ruf<br />

ihrer Schule zu verteidigen. "Die Beste Hamburgs", <strong>fin<strong>den</strong></strong> einige gar. <strong>Sie</strong> schwärmen<br />

vom tollen Verhältnis mit <strong>den</strong> Lehrern, von der guten Kantine, vom Billardtisch <strong>im</strong><br />

sogenannten "Freiraum". Und sie erzählen stolz von der Schülerin, die <strong>im</strong><br />

vergangenen Jahr ein Abi mit 1,0 hingelegt hat.<br />

Die Schüler haben allen Grund, ihre Schule zu verteidigen. Denn heute<br />

veröffentlichte die "Bild"-Zeitung zu allem Überfluss noch einen Artikel über die<br />

Schule mit der Überschrift "Auch hier Terror gegen Lehrer?". Darin geht es um einen<br />

anonymen, auf dem Briefpapier der Schule verfassten Brief. Er listet einige Fälle auf,<br />

bei <strong>den</strong>en Lehrer und Schüler aneinander geraten sein sollen. Lehrer wür<strong>den</strong> als<br />

"Schwuchtel, Schwanzlutscher, Hurensohn" besch<strong>im</strong>pft, heißt es. Außerdem fragt<br />

der unbekannte Autor: "Was soll an guten Leistungen herauskommen, wenn Schulen<br />

zu 70 Prozent (wie bei uns) Migrantenkinder aufnehmen müssen, die zum großen<br />

Teil der deutschen Sprache nicht mächtig sind...".<br />

Direktor wehrt sich gegen Vergleich mit Rütli-<br />

Schule<br />

Schulleiter Klaus Reinsch vermutet, dass ein frustrierter Lehrer <strong>den</strong> Brief geschrieben<br />

habe. Fragt man ihn nach dem Wahrheitsgehalt des Briefes, so streitet er gar nicht<br />

ab, dass an <strong>den</strong> Vorfällen etwas dran ist. "Wir haben 1150 Schüler. Da gibt es<br />

natürlich auch Disziplinprobleme. Aber wir haben heute eine Lehrerkonferenz<br />

abgehalten, da konnte keiner von solchen Besch<strong>im</strong>pfungen berichten", sagt Reinsch.<br />

Auf keinen Fall sei seine Schule vergleichbar mit der Neuköllner Hauptschule, die die<br />

Berliner Schulverwaltung um Hilfe anrief. "Wir führen hier ein Drittel der Schüler zum<br />

Abitur."<br />

In der Tat machen die Hamburger Gesamtschüler einen gänzlich anderen Eindruck<br />

als jene inzwischen bundesweit berühmten Rütli-Schüler, die Journalisten in der


vergangenen Woche mit Steinwürfen empfingen. Während man in Berlin an solchen<br />

Problemschulen fast ausschließlich gebrochenes Deutsch hört, re<strong>den</strong> viele der<br />

Gesamtschüler in Mümmelmannsberg akzentfreies Hochdeutsch, egal ob ihre Eltern<br />

aus Afghanistan, Polen oder Ghana stammen.<br />

Einhellig versichern ein paar Oberschülerinnen, dass das als Problemviertel<br />

verschrieene Mümmelmannsberg "garantiert kein Getto" sei. Zwar gebe es Jungs,<br />

die partout auf "coole Gang" machen wollten, Angst habe vor ihnen aber niemand.<br />

"Und Drogen gibt es bei uns an der Schule garantiert nicht", beschwören sie. Wie<br />

viele ihrer Mitschüler machen sie sich allerdings wegen ihrer Zukunft große Sorgen.<br />

"Wenn man sich für einen Praktikumsplatz bewirbt, will einen kaum einer", versichern<br />

sie. Und: Das werde durch Beiträge wie jene in "Bild" oder <strong>im</strong> ZDF auch nicht besser.<br />

Auch Schulleiter Reinsch fürchtet nun um <strong>den</strong> Ruf der Schule. "Da bleibt doch <strong>im</strong>mer<br />

etwas hängen", sagt er. Da kann er noch so sehr darauf verweisen, dass die<br />

"Süddeutsche Zeitung" seine Schule einst wegen der besonderen<br />

Streitschlichterkultur als Gegenmodell zum Gutenberg Gymnasium in Erfurt lobte.<br />

Immerhin stärkt die Hamburger Schulbehörde dem Rektor <strong>den</strong> Rücken: "Wir<br />

glauben, dass das eine sehr gute Schule ist", sagt der Sprecher der Schulbehörde<br />

Alexander Luckow zu SPIEGEL ONLINE, "auch wenn die Medien sie Richtung<br />

Berliner Hauptschule inszenieren." Vorgehen werde man gegen die Berichte<br />

allerdings nicht. "Es gibt ja Pressefreiheit. So etwas entlarvt sich doch selbst."<br />

Be<strong>im</strong> ZDF zumindest will man nach Worten des Programmbereichsleiters Norbert<br />

Lehmann Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen: Demnächst wür<strong>den</strong> Vertreter aller<br />

externen Produktionsfirmen, die für <strong>den</strong> Sender arbeiteten, nach Mainz eingela<strong>den</strong>.<br />

Bei dem Treffen sollten diese dann ausdrücklich auf journalistische Standards, die <strong>im</strong><br />

Sender üblich seien, hingewiesen wer<strong>den</strong>. Die Zusammenarbeit mit der Firma des<br />

beanstandeten Beitrages würde aber nicht beendet. "Auch wenn man einen Fehler<br />

gemacht hat, sollte man die Möglichkeit haben, daraus zu lernen."<br />

Die Vorwürfe will man <strong>den</strong>noch so nicht stehen lassen. Es habe keine inszenierten<br />

Prügelszenen in dem Beitrag gegeben, sagte Lehmann <strong>im</strong> Gespräch mit SPIEGEL<br />

ONLINE. Geld sei schon gar nicht dafür bezahlt wor<strong>den</strong>. Die Produktionsfirma, die<br />

<strong>den</strong> Film gedreht habe, habe lediglich zwei Jugendlichen 200 und 100 Euro gezahlt,<br />

damit sie das TV-Team in dem Stadtviertel herumführten und bei der Recherche<br />

helfen. Die Redaktion von "ZDF.reporter" habe von der Zahlung an <strong>den</strong> Jugendlichen<br />

nichts gewusst. Andernfalls hätte sie sie unterbun<strong>den</strong>. "Das machen wir bei<br />

Jugendlichen grundsätzlich nicht."<br />

SPIEGEL ONLINE - 06. April 2006, 19:49<br />

Umstrittene Schulreportage: DJV kritisiert<br />

Honorar-Praxis, ZDF dementiert<br />

URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,410336,00.html<br />

Hat ein Fernsehteam <strong>im</strong> Auftrag des ZDF Schüler für die Inszenierung von<br />

Gewaltszenen bezahlt? Fest steht, dass Informations-Honorare geflossen sind.


Senderaufsicht und Deutscher Journalisten Verband reagierten heute mit scharfer<br />

Kritik, das ZDF dementierte.<br />

Hamburg - Hamburg - Dass Mitarbeiter von TV-Produktionsfirmen Jugendlichen Geld<br />

für die Darstellung von Gewaltszenen vor der Kamera geboten haben sollen, ist für<br />

<strong>den</strong> DJV-Vorsitzen<strong>den</strong> <strong>Michael</strong> Konken indiskutabel. Solche Praktiken seien "weder<br />

mit dem journalistischen Ethos noch mit <strong>den</strong> Grundregeln des journalistischen<br />

Arbeitens vereinbar", so Konken. "Die Aufgaben der Journalisten sind klar: <strong>Sie</strong> bil<strong>den</strong><br />

die Realität ab, sie inszenieren sie nicht."<br />

ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hatte zuvor Regelverstöße bei der Produktion<br />

eines Beitrags über Jugendgewalt <strong>im</strong> Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg<br />

zugegeben. "Es entspricht nicht <strong>den</strong> Grundsätzen des ZDF, Jugendlichen bei der<br />

Produktion von Beiträgen Geld zu zahlen", erklärte Brender dem "Hamburger<br />

Abendblatt". "Und es entspricht auch nicht journalistischen Grundsätzen allgemein."<br />

Heute allerdings wies der Sender die Vorwürfe entschie<strong>den</strong> zurück. Nach<br />

übereinst<strong>im</strong>mender Beurteilung von ARD und ZDF sei die Produktionsgesellschaft<br />

LonaMedia, die <strong>den</strong> Beitrag gedreht hatte, eine "hochseriöse Firma", so Brender. Die<br />

Firma habe zwar <strong>den</strong> Fehler begangen, einem Jugendlichen 200 Euro dafür zu<br />

zahlen, dass er die Autorin eines Beitrags der Reihe "ZDF.reporter" einige Tage lang<br />

<strong>im</strong> Stadtteil Mümmelmannsberg herumgeführt habe. Dies sei jedoch die<br />

Gegenleistung für inszenierte Szenen gewesen. "Alles, was auf dem Bildschirm zu<br />

sehen war, ist authentisch."<br />

Die Produktionsfirma sei wegen der Geldzahlungen gerügt wor<strong>den</strong>, erklärte Brender<br />

außerdem. Auch werde das ZDF die Produktionsfirmen noch einmal auf die<br />

journalistischen Grundsätze hinweisen.<br />

DJV-Chef Konken zufolge riskieren derartige Honorarpraktiken die Glaubwürdigkeit<br />

der Medien insgesamt. "Wenn sich die Zuschauer nicht auf die Authentizität der<br />

Berichterstattung verlassen können, nehmen sie die wichtige gesellschaftliche<br />

Problematik der Jugendgewalt nicht mehr ernst."<br />

Auch der Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Staatsminister Hermann Winkler,<br />

reagierte mit scharfer Kritik. Winkler, der zurzeit für <strong>den</strong> Freistaat Sachsen die<br />

Rechtsaufsicht über das ZDF wahrn<strong>im</strong>mt, forderte eine umfassende Aufklärung der<br />

Vorwürfe. "Das ZDF als öffentlich-rechtlicher Sender hat einen besonderen Anspruch<br />

an qualitativ hochwertige Berichterstattung", so Winkler in einer Presseerklärung.<br />

"Hierzu gehört auch die Verpflichtung, nur seriös erstellte Beiträge zu sen<strong>den</strong>."<br />

SPIEGEL ONLINE - 07. April 2006<br />

Schulleiter will Gegendarstellung vom ZDF<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/07/551188.html?prx=1<br />

Der Sprecher der Hamburger Bildungsbehörde, Alexander Luckow, sagte, der<br />

Vorwurf, daß sich "Jugendliche gegen Geld für das ZDF als Vorstadt-Gangster<br />

inszeniert haben", müsse eingehend geprüft wer<strong>den</strong>. Die Bezahlung werfe die Frage


nach der Seriosität der Berichterstattung des ZDF auf. Zugleich zeige der Vorfall<br />

"<strong>den</strong> Grad an Hysterie, der bei dem Thema erreicht ist".<br />

Der Leiter der Gesamtschule Mümmelmannsberg, Klaus Reinsch, hat in einem Brief<br />

an <strong>den</strong> ZDF-Intendanten Markus Schächter seine Empörung zum Ausdruck<br />

gebracht. Der Bericht von ZDF.reporter sei "ten<strong>den</strong>ziös und einseitig", schreibt<br />

Reinsch. "Was allerdings viel schwerer wiegt für einen öffentlich-rechtlichen Sender,<br />

ist, daß Jugendliche, zum großen Teil Schüler unserer Schule, instrumentalisiert und<br />

durch finanzielle Anreize zur Darstellung gezielter Gewaltaktionen angehalten<br />

wur<strong>den</strong>. Die Jugendlichen zu Straftaten wie Schlägereien, Bedrohung mit Waffen<br />

und Dealen mit Drogen anzuhalten, kommt der öffentlichen Aufforderung zu<br />

Straftaten <strong>im</strong> Sinne des Paragraphen 111 des Strafgesetzbuches gleich." Das ZDF<br />

habe <strong>den</strong> Ruf der Schule und des Stadtteils geschädigt. "Ihr Beitrag verstößt gegen<br />

die öffentliche Moral", so der Schulleiter. "Ich erwarte, daß <strong>Sie</strong> unverzüglich eine<br />

Gegendarstellung in Ihrer Sendung ausstrahlen. Ich werde mir vorbehalten, <strong>den</strong><br />

Presserat einzuschalten."<br />

jel, jmw erschienen am 7. April 2006<br />

NDR: Für solche Beiträge wür<strong>den</strong> wir nie etwas<br />

zahlen<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/07/551190.html<br />

Von MAIKE SCHILLER<br />

Interview mit Andreas Cichowicz, Chefredakteur des NDR-Fernsehens, u. a.<br />

verantwortlich für "Zapp" und "Panorama".<br />

ABENDBLATT: Ist es be<strong>im</strong> NDR üblich, Honorare oder Aufwandsentschädigungen<br />

zu bezahlen?<br />

ANDREAS CICHOWICZ: Nein. Wenn wir uns einen Experten ins Studio la<strong>den</strong>,<br />

kommt es gelegentlich vor, daß wir ein Honorar zahlen oder Reisekosten<br />

übernehmen. Wenn jemand Verdienstausfall hat, weil wir einen Tag mit ihm drehen<br />

wollen, zahlen wir auch manchmal eine kleine Entschädigung. Oder wenn wir in<br />

Privatwohnungen drehen, dort Strom und Wasser nutzen und die Hausfrau uns<br />

vielleicht auch noch Kaffee macht, zahlen wir vielleicht 50 bis 80 Euro. Wir zahlen<br />

grundsätzlich nichts für irgendwelche Inszenierungen. Und eine Schule ist<br />

öffentliches Gelände, es ist nicht üblich, da etwas zu bezahlen. Für Beiträge, wie<br />

<strong>den</strong>, um <strong>den</strong> es hier geht, wür<strong>den</strong> wir nie etwas zahlen. Das macht man nicht.<br />

Übrigens gibt es derlei Material reichlich "in echt". "Panorama" hat ausführlich über<br />

solche Fälle berichtet. Ohne Bezahlung.<br />

ABENDBLATT: Gibt es dafür in der ARD eindeutige Richtlinien?<br />

CICHOWICZ: Wir haben - neben <strong>den</strong> ARD-Leitlinien - klare Verständigungen über<br />

berufsethische Standards. Im NDR-Volontariat beispielsweise gibt es sogar einen<br />

Ethik-Kursus. Das Bewußtsein ist sehr geschärft.


ABENDBLATT: Wie stellen <strong>Sie</strong> sicher, daß diese Vorgaben eingehalten wer<strong>den</strong>?<br />

CICHOWICZ: Wir sind stolz auf unsere sehr gute Eigenrecherche, darauf legen wir<br />

großen Wert. Bei "Panorama" oder "Zapp" sind Fälle wie dieser deshalb gar nicht<br />

<strong>den</strong>kbar. Solche Geschichte erarbeiten unsere Redakteure selbst. Es gibt Fälle, wo<br />

uns zusätzliches Material angeboten wird, da fragen wir nach, wie die<br />

Produktionsbedingungen waren. Angelogen wer<strong>den</strong> kann man natürlich <strong>im</strong>mer, aber<br />

wir sind da doch sehr sensibel. Es gab Material über Tierquälerei, das wir abgelehnt<br />

haben, weil nicht klar war, wie es entstan<strong>den</strong> ist.<br />

ABENDBLATT: Wie bewerten <strong>Sie</strong> <strong>den</strong> vorliegen<strong>den</strong> Fall?<br />

CICHOWICZ: An sich arbeiten die Kollegen be<strong>im</strong> ZDF nach <strong>den</strong> gleichen Standards<br />

wie wir. Aber ich kenne die Details in diesem Fall zuwenig und möchte mir deshalb<br />

kein Urteil erlauben. Schön ist es je<strong>den</strong>falls nicht, wenn die Geschichte sich so<br />

ereignet hat. Allein schon deshalb, weil es nun vermutlich andere Jugendliche gibt,<br />

die da einen Markt wittern könnten. Genau das darf nicht passieren.<br />

Lehrer klagt anonym über Gewalt<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/07/551204.html<br />

erschienen am 7. April 2006<br />

Auch wenn die Gesamtschule Mümmelmannsberg bei weitem nicht mit der auf<br />

traurige Weise in die Schlagzeilen geratenen Rütli-Schule in Berlin zu<br />

vergleichen ist: Probleme, zum Teil drastische, gibt es auch hier.<br />

Ein offener, anonymer Brief, der dem Abendblatt vorliegt und offenbar von einem<br />

Lehrer oder einer Lehrerin stammt, listet beängstigende Vorfälle auf.<br />

An der Schule, so schreibt der Autor des auf Schulbriefpapier verfaßten Briefes,<br />

wür<strong>den</strong> Lehrkräfte mit Gegenstän<strong>den</strong> beworfen, beleidigt und bedroht. Die Schüler,<br />

"sie heißen Ali, Fat<strong>im</strong>a, Cem, Massi, Mehmet, Serkan, Burhan, Mohammad oder<br />

Igor" seien, so heißt es, "auch in der Lage, ähnliche Zustände wie in Berlin zu<br />

realisieren." Weiter schreibt der Verfasser: "Unsere Schülerschaft kommt selten<br />

pünktlich, teilweise 30 Minuten zu spät, wenn sie überhaupt kommt. Damit fangen<br />

zum Beispiel die morgendlichen Unterrichtsstörungen an, <strong>den</strong>n die Schüler reißen<br />

die Klassentüren auf, setzen sich nicht etwa ruhig hin, sondern begrüßen johlend ihre<br />

Mitschüler."<br />

Alarmiert durch <strong>den</strong> Brief, haben Abendblatt-Reporter am Mittwoch morgen Schüler<br />

gezählt, die in <strong>den</strong> Haupteingang der Gesamtschule gingen: Zwischen 7.30 und 7.45<br />

Uhr betraten 80 Schüler die Eingangshalle, zwischen 7.45 und 8 Uhr kamen 351<br />

Schüler, von 8 bis 8.15 Uhr waren es 13, von 8.15 bis 8.30 Uhr neun Schüler. Der<br />

Unterricht beginnt um 8 Uhr.<br />

Doch der Autor des Briefes nennt auch konkrete Vorfälle. Es ist in der Schule zu<br />

Gewalttaten gekommen. So zertrümmerte offenbar <strong>im</strong> Februar 2006 ein Zehntkläßler<br />

einem anderen Schüler das Nasenbein. Die Tat soll gefilmt wor<strong>den</strong> sein, der Täter


wollte die Szene ins Internet stellen. Dazu Schulleiter Klaus Reinsch: "Der<br />

betreffende Schüler ist von der Schule geflogen. Er hatte vorher Streit mit dem<br />

anderen Jungen. Der soll ihm auch Pfefferspray in die Augen gesprüht haben."<br />

Im November 2005 hatte laut dem offenen Brief eine Rund-SMS unter Schülern für<br />

Aufregung an der Schule gesorgt. Schüler verschickten Warnungen, nicht in die<br />

Schule zu gehen, schon gar nicht in <strong>den</strong> Unterricht von Herrn L. Dort werde etwas<br />

passieren. Mehr als 50 Prozent der Schülerschaft habe daraufhin die Schule<br />

verlassen, sei auch nicht zurückgekehrt. Nach Auskunft des betreffen<strong>den</strong> Lehrers ist<br />

die Sache "inzwischen geklärt".<br />

Der Verfasser des Briefes berichtet von weiteren Vorfällen: So sei es vorgekommen,<br />

daß Lehrerautos zerkratzt, Autoreifen zerstochen wur<strong>den</strong>. Sprüche wie: "Ich weiß,<br />

wo du wohnst" und: "Ich weiß, wo dein Auto steht" seien an der Tagesordnung,<br />

Besch<strong>im</strong>pfungen wie: "Schwuchtel, Schwanzlutscher, Hurensohn, Nutte" oder "Hure"<br />

für Lehrer, bzw. Lehrerinnen gängig. Und: Besonders als Frau, so schreibt der Brief-<br />

Autor, bzw. die Autorin, sei es schwierig, derartige Beleidigungen zum<br />

Konferenzthema unter <strong>den</strong> Kollegen zu machen. Man habe <strong>im</strong>mer das dumme<br />

Gefühl, versagt zu haben.<br />

jel, jmw erschienen am 7. April 2006<br />

"Das hier ist nicht die Bronx"<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/07/551203.html<br />

Mümmelmannsberg: Eine ganze Schule diskutiert<br />

Die Szene hatte etwas von einer Belagerung: Gleich mehrere Kamerateams filmten<br />

gestern morgen die blau-orange Gesamtschule Mümmelmannsberg (GSM) von<br />

außen. Reporter befragten Jungen und Mädchen, die auf dem Weg in das Gebäude<br />

waren. In Zeitungsberichten und <strong>im</strong> ZDF waren Schule und Stadtteil als Hort von<br />

Gewalt und Kr<strong>im</strong>inalität dargestellt wor<strong>den</strong>. Das Abendblatt hatte über <strong>den</strong><br />

umstrittenen ZDF-Beitrag berichtet - und enthüllt, daß einige Szenen bestellt und<br />

bezahlt wur<strong>den</strong>. Medien aus der ganzen Bundesrepublik griffen <strong>den</strong> Fall auf. Bei<br />

Schulleiter Klaus Reinsch stand das Telefon nicht still - in der Schule wollte der<br />

Rektor deshalb gestern keine Journalisten haben. Das Abendblatt konnte <strong>den</strong>noch<br />

mit Schülern und Lehrern sprechen.<br />

"Das hier ist nicht Harlem oder die Bronx. Wir gehen ganz normal nach der Schule<br />

nach Hause - essen, machen Sport. Natürlich passiert auch mal was, aber das tut es<br />

woanders auch", sagte ein Neuntkläßler <strong>im</strong> Vorbeigehen. Und eine Türkin, vielleicht<br />

15 oder 16 Jahre alt, sch<strong>im</strong>pft: "Mit solchen Berichten verschlechtert ihr unsere<br />

Chancen, nach der Schule einen vernünftigen Job zu kriegen. Was soll das?"<br />

Gemeint ist vor allem die ZDF-Reportage, die am 29. März ausgestrahlt wor<strong>den</strong> war<br />

und Mümmelmannsberg als extrem gefährlichen Stadtteil gezeigt hatte. "Ich habe<br />

einen Hals gekriegt, daß ich soetwas von einem öffentlich-rechtlichen Sender serviert


ekomme", sagt Mathelehrer Volker Krane. "Es stört mich, wenn mir solche<br />

gestellten Szenen untergejubelt wer<strong>den</strong>."<br />

Die gleichen Jungs, die in dem Beitrag als unberechenbare Gangster dargestellt<br />

wur<strong>den</strong>, saßen am nächsten Morgen in seinem Unterricht. "Ich glaube nicht, daß die<br />

während des Drehens überhaupt begriffen haben, worum es dabei ging." Gerade<br />

diejenigen, die in der Reportage eine wichtige Rolle gespielt hätten , hätten sich<br />

zuletzt sehr gewissenhaft auf ihre Prüfungen vorbereitet.<br />

"Natürlich spielt bei <strong>den</strong> Jugendlichen auch Imponiergehabe eine Rolle. Aber es ist<br />

schlicht falsch zu behaupten, das wären Kleinkr<strong>im</strong>inelle", sagt Krane. Und zum<br />

Thema Gewalt an der GSM: "Ich habe noch nie Angst gehabt, hierher zu kommen.<br />

Die Atmosphäre ist angenehm. Schüler grüßen und halten einem die Tür auf. Das<br />

paßt nicht zu dem schlechten Ruf, <strong>den</strong> der Stadtteil nun einmal hat."<br />

Journalistische Grundsätze ignoriert<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/07/551187.html<br />

Von JENS MEYER-WELLMANN<br />

kab erschienen am 7. April 2006<br />

ABENDBLATT: Herr Brender, das ZDF hat einen Film über Jugendgewalt gezeigt, für<br />

<strong>den</strong> Jugendlichen Geld gezahlt wurde. Ist das bei Ihnen üblich?<br />

NIKOLAUS BRENDER: Nein. Be<strong>im</strong> ZDF wird kein Geld an Jugendliche gezahlt. Das<br />

widerspricht unseren Grundsätzen. Es widerspricht auch journalistischen<br />

Grundsätzen allgemein.<br />

ABENDBLATT: Gilt das auch für engagierte Produktionsfirmen?<br />

BRENDER: Ja. Deswegen bedauere ich auch, daß die Produktionsfirma LonaMedia,<br />

die <strong>den</strong> Beitrag gemacht hat, Geld gezahlt hat. Damit hat sie dem ZDF geschadet,<br />

sich selbst, <strong>den</strong> Jugendlichen geschadet, dem wichtigen Thema und letztlich auch<br />

<strong>den</strong> Medien insgesamt geschadet. Wenn man mit <strong>den</strong> Jugendlichen Pizza essen<br />

gegangen wäre - okay. Aber Geldzahlungen sind absolut tabu.<br />

ABENDBLATT: Die Jugendlichen sagen, sie seien von der Reporterin zu best<strong>im</strong>mten<br />

Aussagen und zur Gewalt angehalten wor<strong>den</strong>. Nach ihrer Darstellung war der ZDF-<br />

Film weitgehend gestellt.<br />

BRENDER: Das wird von LonaMedia bestritten. Aber wir wer<strong>den</strong> das prüfen.<br />

LonaMedia ist eine seriöse Produktionsfirma, mit der das ZDF bisher sehr gut<br />

zusammengearbeitet hat. Wir haben die Firma gerügt. Sollte sich herausstellen, daß<br />

etwas an diesen Vorwürfen dran ist, müssen wir uns weitere Konsequenzen<br />

vorbehalten.<br />

ABENDBLATT: Überprüfen <strong>Sie</strong> eigentlich die Seriosität gelieferter Fremdbeiträge?


BRENDER: Ja. Wir haben auch hier einen Redakteur die Daten des Beitrags<br />

überprüfen lassen. Die st<strong>im</strong>mten.<br />

ABENDBLATT: Ihr Moderator hat <strong>den</strong> Beitrag angekündigt als Bericht der "ZDF-<br />

Reporterin Barbara Bessler". Dabei handelte es sich um das Produkt einer<br />

Fremdfirma. Ist das korrekt?<br />

BRENDER: Ganz korrekt hätte es heißen müssen: "berichtet <strong>im</strong> Auftrag des ZDF".<br />

ABENDBLATT: Welche Konsequenzen zieht das ZDF aus dem Fall?<br />

BRENDER: Wir wer<strong>den</strong> allen Produktionsfirmen, die für uns arbeiten, verdeutlichen,<br />

daß sie sich an journalistische Grundsätze zu halten haben.<br />

erschienen am 7. April 2006<br />

Schüler für Gewaltszenen bezahlt? ZDF räumt<br />

Fehler ein<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/07/551193.html<br />

Hamburg: Jugendliche berichten <strong>im</strong> Abendblatt. Chefredakteur bedauert<br />

Honorar an Jugendliche. Vorfall kommt vor Fernsehrat.<br />

Von Jan-Eric Lindner<br />

Hamburg - Das ZDF hat Fehler bei der Berichterstattung über <strong>den</strong> Hamburger<br />

Stadtteil Mümmelmannsberg eingeräumt. "Ich bedauere, daß die Produktionsfirma<br />

<strong>den</strong> Jugendlichen, die in dem Beitrag zu sehen waren, Geld gezahlt hat", sagte<br />

ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender zum gestrigen Abendblatt-Bericht. "Das<br />

widerspricht <strong>den</strong> Grundsätzen des ZDF - und journalistischen Grundsätzen<br />

insgesamt." Brender kündigte an, das ZDF werde alle Produktionsfirmen noch<br />

einmal intensiv auf diese Grundsätze hinweisen.<br />

Hintergrund: Jugendliche, die in einem Beitrag des Magazins "ZDF.reporter" am 29.<br />

März als extrem aggressive "Gang" dargestellt wur<strong>den</strong>, hatten für ihre Teilnahme 300<br />

Euro bekommen. Dem Abendblatt sagten sie, sie seien von der für das ZDF tätigen<br />

Reporterin zu best<strong>im</strong>mten Aussagen und zu Gewaltszenen angehalten wor<strong>den</strong>.<br />

Gestern hat sich das Abendblatt mit einigen der Jugendlichen <strong>den</strong> Film angesehen.<br />

Zwei in dem Beitrag als Feinde dargestellte junge Männer stellten sich dabei als gute<br />

Kumpel heraus. <strong>Sie</strong> hätten best<strong>im</strong>mte Szenen erst ohne Kamera geübt. Die<br />

Reporterin habe <strong>im</strong>mer gesagt "Mach mal mehr." Nicola Graef, Chefin der<br />

Produktionsfirma LonaMedia, deren Reporterin <strong>den</strong> Film drehte, bestritt, daß die<br />

Jugendlichen zu Gewalt oder zu best<strong>im</strong>mten Aussagen angehalten wor<strong>den</strong> seien.<br />

ZDF und Produktionsfirma räumten aber ein, daß eine "Aufwandsentschädigung" an<br />

die Jugendlichen und die Familie eines jungen Mannes gezahlt wor<strong>den</strong> sei.<br />

Der Vorgang wird nun auch <strong>den</strong> ZDF-Fernsehrat beschäftigen. Jan Henne De Dijn,<br />

Geschäftsführer der Hamburg Media School und Mitglied des Fernsehrates, sagte:


"Der Vorfall wird definitv <strong>im</strong> Fernsehrat zur Sprache gebracht." Es sei "extrem<br />

be<strong>den</strong>klich", wenn Journalisten in einer ohnedies angespannten Lage auf solche<br />

Weise arbeiteten. Im übrigen seien 300 Euro für Jugendliche als<br />

"Aufwandsentschädigung" eine völlig überhöhte Summe. Gerade das zunehmende<br />

"Outsourcing" - die Beauftragung von Fremdfirmen für Produktionen - berge<br />

Gefahren für die Qualität.<br />

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Olaf Scholz, ebenfalls Mitglied <strong>im</strong> Fernsehrat,<br />

sagte: "Die Vorwürfe sind so schwerwiegend, daß eine Stellungnahme des ZDF-<br />

Intendanten notwendig ist." Der Hamburger CDU-Medienpolitiker Roland Heintze<br />

forderte: "Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dürfen keine Beiträge gezeigt wer<strong>den</strong>,<br />

die nicht seriös zustande gekommen sind." Es zeige sich, daß es nicht gut sei, bei<br />

solchen Dokumentationen auf Fremdanbieter zurückzugreifen. Auch der GAL-<br />

Medienpolitiker Farid Müller verlangte: "Gerade das ZDF als öffentlich-rechtlicher<br />

Sender muß an der Aufklärung ein besonderes Interesse haben."<br />

erschienen am 7. April 2006<br />

Vier angebliche Gewaltschüler erklären, wie sie<br />

die umstrittenen TV-Szenen gespielt haben<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/07/551189.html<br />

Mümmelmannsberg: ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender bedauert, daß die<br />

Produktionsfirma Geld gezahlt hat. Schulleiter Klaus Reinsch beschwert sich<br />

be<strong>im</strong> Intendanten.. Merkwürdig: In der Fernsehreportage wer<strong>den</strong> ein Täter und<br />

ein angeblich mißhandeltes Opfer gezeigt. In Wirklichkeit sind sie Freunde.<br />

Von Jan-Eric Lindner<br />

In der ZDF-Reportage spielen sie Täter und Opfer - Ak<strong>im</strong>* (15), der Anführer der<br />

Jugendbande, und Anthony (15), der über Monate von der Gang tyrannisiert wird,<br />

der nur anonym aussagen will, aus Angst, wieder geschlagen zu wer<strong>den</strong>. Die Lippe<br />

hätten die gewalttätigen Jugendlichen ihm aufgeschlagen, das Auge blau, und der<br />

Arm sei ihm gebrochen wor<strong>den</strong>, sagt Anthony in dem Filmbeitrag. Im richtigen Leben<br />

sind Anthony und Ak<strong>im</strong> Freunde, besuchen gemeinsam die Schule, verbringen die<br />

Freizeit miteinander. Das bestätigt auch ihr Lehrer.<br />

Gesamtschule Mümmelmannsberg gestern morgen: Seite an Seite sitzen die bei<strong>den</strong><br />

15jährigen und ihre Freunde Tarik (17) und Habib (16) vor einer Leinwand, sehen<br />

sich die Reportage noch einmal an. Auch Tarik und Habib haben ihre Rollen gespielt.<br />

Szene für Szene schildern sie dem Abendblatt, wie es dazu kam.<br />

Beispiel: Ein Opfer packt aus. "Ich wollte zum Haus der Jugend, als Ak<strong>im</strong> zu mir kam<br />

und sagte: ,Spiel doch mal das Opfer fürs Fernsehen.' Die Reporterin hat dann<br />

gefragt: ,Kannst du das?' Wir haben einmal ohne Kamera geübt. Danach hat die<br />

Frau <strong>im</strong>mer gesagt: ,Mach mal mehr'." Im Film ist es schließlich so, daß Anthony erst<br />

eine geplatzte Lippe und ein blaues Augen anführt und sich dann nach einer kurzen<br />

Pause auch noch an einen gebrochenen Arm erinnert. Der angebliche Anführer der<br />

Gang, die ihn so brutal mißhandelt haben soll, steht nach eigenen Angaben derweil


mit <strong>den</strong> anderen Jungs hinter der Kamera und kann sich das Lachen kaum<br />

verbeißen. "Die Frau hat <strong>im</strong>mer wieder gesagt, wir sollen nicht so laut sein, man darf<br />

das Lachen nicht hören", sagt Ak<strong>im</strong>.<br />

Beispiel: Gewalt untereinander.<br />

"Die Reporterin hat ihren eigenen kleinen Actionfilm gedreht. Die war hinterhältig, hat<br />

Regisseur gespielt", sagt Tarik. "Wir sollten mal ein bißchen Action machen." Daß die<br />

Situation außer Kontrolle geraten sei, als einer ein Messer zog und nur die<br />

Anwesenheit des Kamerateams Schl<strong>im</strong>meres verhindert habe, wie es <strong>im</strong> Bericht<br />

heißt, bestreiten die vier Jugendlichen entschie<strong>den</strong>. Die Version des ZDF st<strong>im</strong>me<br />

nicht. Die Sache mit dem Messer sei Teil der Action gewesen, niemand sei bedroht<br />

wor<strong>den</strong>. "Die Reporter haben uns doch aufgefordert, ein bißchen mehr zu machen",<br />

sagt Tarik.<br />

Beispiel: Ban<strong>den</strong>schlägerei<br />

Laut Beitrag verabre<strong>den</strong> sich die Jungs übers Internet zu einer Schlägerei mit einer<br />

frem<strong>den</strong> Gang. "Die Antworten auf dem Bildschirm hat jemand geschrieben, der <strong>im</strong><br />

Internet-Café zwei Plätze neben uns saß", sagt Ak<strong>im</strong>. Dann wird gezeigt, wie die<br />

Jugendlichen in einem U-Bahn-Tunnel verschwin<strong>den</strong>. Angeblich zu einer<br />

verabredeten Schlägerei in einem anderen Stadtteil. Dazu sagt eine Sprecherin:<br />

"Unser Fernsehteam bleibt zurück. Wir wollen diese geplante Gewalt nicht zeigen."<br />

Die jungen Männer in der Schule lachen höhnisch. "Wir sind durch <strong>den</strong> Tunnel zum<br />

Kiosk gegangen", sagt Ak<strong>im</strong>.<br />

Und dann sind er und seine Freunde schon wieder entrüstet, als das Jugendzentrum<br />

gezeigt wird. Im Fernsehen sagt die Sprecherin: "Erst Tage später können wir wieder<br />

mit <strong>den</strong> Jungs sprechen. Für uns waren sie abgetaucht." "Das st<strong>im</strong>mt doch nicht. Die<br />

Szene <strong>im</strong> Jugendzentrum ist doch am gleichen Tag gedreht wor<strong>den</strong>", sagt einer<br />

Jugendlichen.<br />

Ganz einig sind sie sich nicht, aber daß sie nicht tagelang abgetaucht waren,<br />

erinnern sie genau. Und sie erinnern noch etwas. "Die Frau hat ganz klar gesagt: ,Ich<br />

brauche einen Drogenkauf <strong>im</strong> Kasten, eine Schlägerei, ein Opfer und wie ihr euch<br />

auf <strong>den</strong> Weg zu einem Ban<strong>den</strong>krieg macht'", sagt Ak<strong>im</strong>.<br />

Die vier Jugendlichen sind sauer, fühlen sich mißbraucht. Natürlich seien sie keine<br />

Engel, sagen sie selbst. Doch so, wie es in dem Beitrag dargestellt wurde, seien<br />

weder sie noch der Stadtteil Mümmelmannsberg. <strong>Sie</strong> ärgern sich, daß sie<br />

mitgemacht haben. "Das war Sch . . . Wir haben unseren Ruf beschädigt. Vielleicht<br />

sind wir mitschuld, wenn Jugendliche aus dem Stadtteil künftig noch schwerer eine<br />

Lehrstelle oder einen Praktikumsplatz kriegen", sagt Anthony selbstkritisch.<br />

Und Tarik sagt: "Natürlich passiert hier auch mal was. Aber Gewalt ist nicht die erste<br />

Lösung, wenn etwas nicht klappt. Wir wur<strong>den</strong> ganz schön verarscht. Wir haben uns<br />

verkauft. Nachdem ich das gesehen habe, hätte ich mir selbst ins Gesicht spucken<br />

können. Dabei haben wir soviel Positives erzählt. Aber wahrscheinlich haben wir zu<br />

sehr daran gedacht, daß wir ins Fernsehen kommen."


Wütend ist auch sein Kumpel Habib: "Ich habe <strong>den</strong>en erzählt, daß ich mein Abi<br />

machen und Rapper wer<strong>den</strong> will. Die haben mich dabei sogar gefilmt, nur gezeigt<br />

wor<strong>den</strong> ist davon nichts. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, daß die Frau unehrlich<br />

ist. Die hat alle guten Sachen weggelassen und bei <strong>den</strong> schlechten <strong>im</strong>mer<br />

übertrieben."<br />

Und Ak<strong>im</strong>?"Das war der größte Fehler meines Lebens. Ich bereue, daß ich <strong>den</strong> Film<br />

gemacht habe. An <strong>den</strong> Tagen habe ich nicht überlegt, welche Konsequenzen das<br />

haben könnte. Bei mir hat nur das Geld geklingelt - an die Folgen oder Nachteile<br />

habe ich nicht gedacht."<br />

(*alle Namen von der Redaktion geändert) erschienen am 7. April 2006<br />

Eine Schule kämpft um ihren Ruf<br />

http://www.mopo.de/2006/20060407/hamburg/panorama/eine_schule_kaempft_um_i<br />

hren_ruf.html<br />

Empörung über anonymen Brandbrief »Wie kann ein Lehrer nur so feige sein?«<br />

SANDRA SCHÄFER<br />

Wie eine Bombe schlug die Nachricht gestern an der Gesamtschule<br />

Mümmelmannsberg (Billstedt) ein. Aufgeregte und wütende Schüler liefen durchs<br />

Gebäude, an Unterricht war nicht zu <strong>den</strong>ken. In einem anonymen Brief an die "Bild-<br />

Zeitung" hatte ein Lehrer seine Schule als gewalttätig angeprangert. Die Schüler<br />

hätten keinen Respekt, bedrohten und besch<strong>im</strong>pften die Lehrer und prügelten sich.<br />

"Bei uns gibt es kein bisschen mehr Gewalt als an anderen Schulen", ärgern sich die<br />

Schüler. Jetzt wollen sie einen großen Solidaritätsmarsch für ihre Schule<br />

organisieren.<br />

Mümmelmannsberg ist kein beliebtes Quartier. Zu weit <strong>im</strong> Osten, zu viele<br />

Sozialhilfeempfänger und Ausländer. Auf dem Schulhof patrouillieren zwei Polizisten.<br />

Doch die Streife ist nicht hier, um Lehrer zu schützen: "Wir zeigen überall <strong>im</strong> Quartier<br />

Präsenz, weil viele Autos aufgebrochen wer<strong>den</strong>."<br />

Wer mit seinen Vorurteilen <strong>im</strong> Gepäck die riesige Schule (1100 Schüler) betritt, ist<br />

überrascht. Alles ist picobello sauber, keine Spur von Graffiti. Überall auf <strong>den</strong> Fluren<br />

stehen Schülergruppen und diskutieren. "Wir lassen uns unsere Schule nicht durch<br />

so haltlose Vorwürfe kaputtre<strong>den</strong>", sch<strong>im</strong>pft Natalja (18). "Wie kann ein Lehrer so<br />

feige sein und solche Unterstellungen anonym an eine Zeitung geben, statt sich in<br />

der Schule Hilfe zu holen?", das versteht ihre Freundin Farnaz (18) nicht.<br />

Auch Schulleiter Klaus Reinsch ist entsetzt. "Hier wurde heillos übertrieben." So<br />

wurde ein Streit zwischen einem Lehrer und einem Schüler um eine Abiturarbeit<br />

gleich zur "Tätlichkeit" stilisiert. Zweiter Vorfall: Nachdem unter Schülern ein Gerücht<br />

die Runde gemacht hatte, jemand liefe mit einer Waffe durchs Haus, hatte Reinsch<br />

das Gewaltpräventionsteam eingeschaltet. Ergebnis der Recherche: Es handelte sich<br />

nur um ein Gerücht. "Natürlich gibt es auch bei uns Gewalt, aber dann reagieren wir<br />

sofort, und zwar hart", betont der Schulleiter. So etwa <strong>im</strong> Fall Ali. Ein rechtsradikaler


Jugendlicher hatte ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Ali schlug zu und brach<br />

dem Kontrahenten das Nasenbein. Reinsch: "Es wurde Strafanzeige gestellt, der<br />

Junge ist nicht mehr an der Schule."<br />

"Bei uns muss kein Lehrer Angst haben; es wer<strong>den</strong> weder Scheiben eingeschlagen<br />

noch Reifen zerstochen", sagt Lehrer Norbert Steffen. Klar sei aber auch, dass die<br />

Probleme aus dem Stadtteil auch in die Schule getragen wür<strong>den</strong>. "Deshalb haben wir<br />

ganz viele Kooperationen, es gibt Streitschlichter und drei Sozialpädagogen." Und<br />

die Schüler fühlen sich wohl, verbringen ihre freie Zeit in diesem Schonraum inmitten<br />

des Viertels. Dennoch: Die Gewalt ist präsent. So bekam Schüler T<strong>im</strong>o (15) gestern<br />

auf dem Weg nach Hause von zwei älteren Jungs aus heiterem H<strong>im</strong>mel eine<br />

verpasst. Die Täter gehen nicht auf die Gesamtschule.<br />

"Bei uns gibt es keine Gruppenbildungen nach Nationalität", so Bahman (17). "Die<br />

Schlagzeilen machen es <strong>den</strong> Schülern noch schwerer, ihren Weg zu gehen", sagt<br />

Lehrer Andreas Knoche. Das fürchtet auch Kemal (17): "Da kann dein Zeugnis noch<br />

so gut sein, mit dem Stempel Mümmelmannsberg bekommst du keine Stelle."<br />

Info: MÜMMELMANNSBERG<br />

Die <strong>Sie</strong>dlung Mümmelmannsberg gehört zum Stadtteil Billstedt und hat 20000<br />

Einwohner. Der Anteil an Sozialhilfeempfängern und Ausländern ist höher als <strong>im</strong><br />

Hamburger Durchschnitt. Vor allem allein Erziehende leben hier und viele junge<br />

Menschen ohne Schulabschluss und Ausbildung.<br />

Die Gesamtschule Mümmelmannsberg ist eine der ältesten Ganztagsschulen. Keine<br />

andere Schule der Stadt ist so gut ausgestattet von Bücherhalle über Labors bis hin<br />

zum Kanuklub.<br />

Zitat:<br />

»Bei Gewalt unter Schülern reagieren wir sofort, und zwar hart«<br />

Klaus Reinsch, Schulleiter<br />

Leserbriefe <strong>im</strong> Abendblatt<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/08/551627.html<br />

Brieffach 2110, 20350 Hamburg; E-Mail: briefe@abendblatt.de<br />

Gerne unterrichtet<br />

(MOPO vom 07.04.2006 / SEITE 12-13)<br />

"Vier angebliche Gewaltschüler erklären, wie sie die umstrittenen TV-Szenen gespielt<br />

haben", HA, 7. April<br />

Fast 30 Jahre unterrichtete ich an der Gesamtschule Mümmelmannsberg. Dies war<br />

für mich eine Zeit, die ich gerne an dieser Schule unterrichtet habe. Nicht ein<br />

einziges Mal wurde ich von Schülern bedroht - weder verbal noch körperlich. Der


Schulalltag war und ist nicht von Gewalt geprägt. Besonders auswärtige Besucher<br />

berichten <strong>im</strong>mer wieder von der wahrnehmbaren guten Atmosphäre. Hier liegt allen<br />

an der Schule tätigen Personen, dem nicht-pädagogischen Personal, <strong>den</strong><br />

Lehrerinnen und Lehrern und der Schulleitung eines am Herzen: das Wohl der<br />

Schülerinnen und Schüler.<br />

Demokratie<br />

Andreja Ivanic, per E-Mail<br />

Erst kürzlich haben wir anläßlich einiger Veröffentlichungen von Karikaturen eine<br />

große Diskussion über Pressefreiheit gehabt. Die Freiheit der<br />

Presseberichterstattung ist neben der Unabhängigkeit der Justiz und freien und<br />

gehe<strong>im</strong>en Wahlen eine der unabdinglichen Fundamente unserer demokratischen<br />

Gesellschaft. Wer die Berichterstattung manipuliert und fälscht, begeht eines der<br />

schl<strong>im</strong>msten Verbrechen gegen unsere Demokratie.<br />

Sensationslüstern<br />

Prof. Rolf Nagel, per E-Mail<br />

Gut, daß das Abendblatt das Thema aufgegriffen hat. Mir - obwohl ich<br />

Mümmelmannsberg nicht näher kenne - kam der Beitrag sofort sensationslüstern und<br />

gestellt vor. So habe ich noch von keinem Lehrer gehört, daß er Angst hat, in<br />

Mümmelmannsberg zu arbeiten. Natürlich ist das dort kein einfaches Pflaster. Wie<br />

sollte es auch - bei einem extrem hohen Anteil von Migranten und Menschen, die z.<br />

T. seit drei Generationen von der Sozialhilfe leben. Einige Schüler kommen zu spät<br />

zur Schule, weil sie zuerst ihre kleinen Geschwister versorgen, <strong>den</strong>n dazu sind die<br />

Eltern oft nicht mehr in der Lage. Trotzdem schaffen in jedem Jahr Jugendliche das<br />

Abitur.<br />

Empörung<br />

"Gewaltbilder gegen Geld? Schule entsetzt", HA, 6. April<br />

Gudrun-Schulze-Struck, per E-Mail<br />

Mit Empörung und Abscheu habe ich <strong>den</strong> Bericht gelesen. Das ZDF hat mit seiner<br />

Sendung <strong>den</strong> Jugendlichen klargemacht, daß sie mit Gewaltszenen, die zur Zeit en<br />

vogue sind, in die Medien kommen können.<br />

Kritisch bleiben<br />

Inge Neppert, Hamburg<br />

Ich bin ziemlich entsetzt. Wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender auf diese Weise<br />

seine Beiträge produziert, kann man sich nicht einmal mehr auf die Medien der<br />

öffentlich-rechtlichen Sender verlassen. Ich bitte <strong>Sie</strong>, auch weiterhin Ihren Kollegen<br />

kritisch gegenüberzustehen, damit der Journalismus nicht zur Märchenerzählerei<br />

verkommt.


Jens Decker, per E-Mail<br />

erschienen am 8. April 2006<br />

Mümmelmannsberg - wie lebt es sich da?<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/08/551628.html<br />

Von Karsten Broockmann<br />

"Es paßt wohl in die Landschaft, <strong>den</strong> schlechten Ruf solcher Gebiete<br />

aufrechtzuerhalten. Bei Mümmelmannsberg ist das aber völlig ungerechtfertigt", sagt<br />

der Ex-Polizist und Fußballtrainer Christian Haase (64). Seit 25 Jahren lebt er "auf<br />

dem Berg", wie er sagt. Die meisten Jugendlichen kennt der Pensionär persönlich.<br />

Und über <strong>den</strong> Leiter der Gesamtschule Mümmelmannsberg, Klaus Reinsch, an<br />

dessen Schule die Lehrer nach Aussage eines anonymen Briefeschreibers vor der<br />

Gewalt der Schüler längst kapituliert haben sollen, sagt er: "Das ist ein harter Hund,<br />

der hat seine Schule <strong>im</strong> Griff. Hier wer<strong>den</strong> mit falscher Berichterstattung Vorurteile<br />

geschürt."<br />

Die Trabantensiedlung aus <strong>den</strong> 70er Jahren mit ihren 19 000 Bewohnern ist wieder<br />

einmal in die Schlagzeilen geraten, Ban<strong>den</strong> von Jugendlichen sollen die Straßen, die<br />

nach berühmten Malern wie Klee und Pechstein benannt sind, unsicher machen. Die<br />

Bewohner sind entsetzt.<br />

Regiert hier die Gewalt? "Ich weiß, daß hier Autos aufgebrochen wur<strong>den</strong>. Und es soll<br />

auch gedealt wer<strong>den</strong>", sagt Annedore Weise. <strong>Sie</strong> kommt seit Jahren mehrere Male<br />

pro Woche in <strong>den</strong> Stadtteil <strong>im</strong> Osten Hamburgs, um eine Freundin zu besuchen.<br />

"Abends an der U-Bahn-Station ist es schon beängstigend. Da stehen dann ganze<br />

Gruppen Jugendlicher", sagt sie. "Aber angemacht oder angegriffen wor<strong>den</strong> bin ich<br />

noch nie. So, wie Mümmelmannsberg <strong>im</strong> Fernsehen dargestellt wird, ist es nicht."<br />

Das bestätigt auch Günter Lau. "Der schlechte Ruf ist absolut ungerechtfertigt." Seit<br />

30 Jahren lebt der 64jährige hier. "Ich habe in all <strong>den</strong> Jahren nicht eine<br />

Gewalttätigkeit miterlebt oder eine negative Erfahrung gemacht."<br />

"Kr<strong>im</strong>inalität <strong>im</strong> großen Stil läuft hier nicht", sagt der ehemalige Bürgernahe Beamte<br />

Haase. "Wir haben <strong>im</strong> gesamten Viertel vielleicht zehn Vielfachtäter unter <strong>den</strong><br />

Jugendlichen. Und organisierte Ban<strong>den</strong> gibt es gar nicht." Man könne abends ohne<br />

Angst auf die Straße gehen, sagt der Ex-Polizist, räumt aber ein, daß es, "wie<br />

überall", passieren könne, daß ein Jugendlicher von anderen "auf die Mütze" kriege.<br />

"Aber die meisten von <strong>den</strong> Jungs geben nur <strong>den</strong> Macho. Wenn man die am Kragen<br />

packt und ihnen ins Gewissen redet, sind die harmlos", so Christian Haase, der<br />

<strong>den</strong>noch dafür plädiert, daß Jugendliche auch bei kleineren Vergehen sofort und<br />

härter als bisher bestraft wer<strong>den</strong>.<br />

Doch nicht alle Bewohner des Stadtteils teilen seine Meinung. "Ich gehe abends nicht<br />

allein auf die Straße", sagt die junge Mutter Claudia Kretzmer (27). "Ich habe ein


komisches Gefühl. Hier sind viele Ausländer. Als Deutscher hast du hier doch gar<br />

nichts mehr zu sagen." Ein Opfer von Gewalt sei sie aber noch nie gewor<strong>den</strong>.<br />

"Hier auf dem Berg muß man damit leben, daß der Ausländeranteil höher ist", sagt<br />

Christian Haase, für <strong>den</strong> feststeht, daß noch mehr getan wer<strong>den</strong> muß.<br />

"Hauptversager sind für mich die Eltern, die nicht dafür sorgen, daß die<br />

Ausländerkinder richtig Deutsch lernen. Aber auch die Deutschen machen Fehler.<br />

Die <strong>den</strong>ken, wenn sie die Schnauze halten, ist die Integration gelungen. So<br />

funktioniert das aber nicht."<br />

Weiter Wirbel um ZDF-Reportage<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/08/551630.html<br />

erschienen am 8. April 2006<br />

Gewalt: Auch Leiter von Haus der Jugend fühlt sich nicht richtig<br />

wiedergegeben. Chefredakteure distanzieren sich von Geldzahlungen für<br />

Aussagen vor laufender Kamera.<br />

Von Jens Meyer-Wellmann<br />

ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hat nach <strong>den</strong> Vorwürfen von Jugendlichen aus<br />

Mümmelmannsberg gegen ein für das ZDF arbeitendes Team eine genaue Prüfung<br />

der Sachlage angekündigt. "Ich werde mich jetzt mit der Produktionsfirma LonaMedia<br />

zusammensetzen und die Vorwürfe Stück für Stück besprechen", sagte Brender dem<br />

Abendblatt am Freitag. "Das wer<strong>den</strong> wir zusammen mit allen Beteiligten machen,<br />

auch mit <strong>den</strong> Autoren und der Produzentin." Der ZDF-Intendant Markus Schächter<br />

werde dem Leiter der Gesamtschule Mümmelmannsberg, Klaus Reinsch, einen Brief<br />

schreiben, sobald es eine Klärung des Sachverhalts gebe. Reinsch hatte dem ZDF in<br />

einem Schreiben vorgeworfen, die Jugendlichen gegen Geldzahlungen zu<br />

Gewaltdarstellungen an<strong>im</strong>iert zu haben. Er hatte eine Gegendarstellung gefordert<br />

und sich die Einschaltung des Presserates vorbehalten.<br />

Hintergrund: Jugendliche, die in einem Beitrag der ZDF-Sendung "ZDF.reporter" als<br />

extrem gewalttätig dargestellt wer<strong>den</strong>, hatten gegenüber Lehrern der Gesamtschule<br />

Mümmelmannsberg gesagt, die Szenen des Beitrags seien auf Anweisung der<br />

Reporterin zustande gekommen. Diese Aussagen hatten sie mit zusätzlichen Details<br />

gegenüber dem Abendblatt bestätigt.<br />

ZDF und LonaMedia hatten die Zahlung von 300 Euro eingeräumt - dementieren<br />

aber, daß die Jugendlichen zu Gewaltszenen angehalten wor<strong>den</strong> seien. ZDF-Chef<br />

Brender hatte die Produktionsfirma LonaMedia für die Geldzahlungen an die<br />

Jugendlichen gerügt. Solche Zahlungen widersprächen <strong>den</strong> Leitlinien des ZDF und<br />

journalistischen Grundsätzen, hatte Brender gesagt. Zugleich betonte er am Freitag<br />

aber erneut, daß LonaMedia bei ARD und ZDF als hochseriöse Firma gelte. Die<br />

Produzentin des Beitrags, Nicola Graef, bewertet die Zahlung unterdessen selbst als<br />

Fehler - weist die Vorwürfe der Inszenierung aber zurück.


Auch der in dem Beitrag gezeigte Leiter des Hauses der Jugend, Ronald Rebacz, hat<br />

<strong>den</strong> ZDF-Beitrag kritisiert. Er sei "unter Vorspiegelung falscher Tatsachen" interviewt<br />

wor<strong>den</strong>. "Die haben gesagt, sie wollten zeigen, was wir für die Jungs tun. Ich habe<br />

lange mit ihnen geredet. Und dann haben die einen Satz von mir aus dem<br />

Zusammenhang gerissen gebracht, der in ihre Gewaltgeschichte paßte. Ich arbeite<br />

mit dem Fernsehen erst mal nicht mehr zusammen."<br />

Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), <strong>Michael</strong> Konken, hat<br />

sich unterdessen gegen die Zahlung von sogenannten Infohonoraren bei Beiträgen<br />

über Gewalt an Schulen ausgesprochen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, sei die<br />

Produktion "weder mit dem journalistischen Ethos noch mit <strong>den</strong> Grundregeln des<br />

journalistischen Arbeitens vereinbar".<br />

Kai Gniffke, Erster Chefredakteur von "ARD-aktuell", sagte der Agentur epd: Sollte es<br />

solche Zahlungen geben, halte er sie für <strong>den</strong> "größten anzunehmen<strong>den</strong> Unfall in<br />

bezug auf die Glaubwürdigkeit der betreffen<strong>den</strong> Journalisten". Peter Kloeppel, Chef<br />

von "RTL Aktuell", sagte, er lehne inszenierte Fernsehbilder in Nachrichtenbeiträgen<br />

grundsätzlich ab. n-tv-Chefredakteur Markus Föderl sagte, er verurteile<br />

Geldzahlungen für Aussagen und Handlungen vor der Kamera.<br />

LonaMedia weist Vorwürfe zurück<br />

http://www.abendblatt.de/daten/2006/04/08/551629.html<br />

erschienen am 8. April 2006<br />

Aus Fairnessgrün<strong>den</strong> drucken wir hier eine Erklärung der Produktionsfirma<br />

LonaMedia:<br />

"Zu keinem Zeitpunkt wurde <strong>den</strong> gefilmten Jugendlichen Geld geboten, um sich vor<br />

der Kamera gewaltsam zu verhalten, zu keinem Zeitpunkt wur<strong>den</strong> die Jugendlichen<br />

angestiftet, Gewalt zu spielen oder sich anders zu verhalten, als sie das sonst auch<br />

tun. Die 200 Euro waren als Geste der gemeinsamen Zusammenarbeit und als<br />

Dankeschön für die Informationen gedacht. Das Geld sollte innerhalb der Gruppe<br />

von acht Jugendlichen aufgeteilt wer<strong>den</strong>, was aber - ohne unsere Kenntnis - nicht<br />

passiert ist. Im Nachhinein räumen wir ein, daß es besser gewesen wäre, die<br />

Jugendlichen auf eine Pizza einzula<strong>den</strong>, und sind von der Reaktion schockiert und<br />

klug gewor<strong>den</strong>.<br />

Innerhalb des Beitrages wird sehr differenziert deutlich gemacht, daß in<br />

Mümmelmannsberg eine gewaltbereite Atmosphäre herrscht, in der es aber auch<br />

positive Beispiele von Jugendlichen gibt, die es dank des Engagements von<br />

Anwohnern (multinationaler Elternverein, Haus der Jugend, Fußballverein) schaffen,<br />

eine Perspektive beruflicher Natur zu erwirken. Der Beitrag zeigt aber auch Opfer,<br />

die unter der Gewaltbereitschaft lei<strong>den</strong>. U. a. wurde ein Jugendlicher gezeigt, der<br />

unter <strong>den</strong> Repressalien massiv lei<strong>den</strong> mußte, was bis zu einem gebrochenen Arm<br />

führte. Einer der Gangmitglieder gibt das in dem Beitrag unumwun<strong>den</strong> zu.<br />

Der gleiche mißhandelte Jugendliche streitet <strong>im</strong> Nachhinein diesen Sachverhalt ab -<br />

welche Ängste und Nöte ihn dazu gebracht haben, liegt auf der Hand. Ein weiterer


Jugendlicher der Gruppe wartet auf sein Strafverfahren, weil er einen Mitschüler mit<br />

einem Ast brutal geschlagen hat. Aussagen von Lehrern, dem Leiter des Hauses der<br />

Jugend und anderer erwachsener Opfer des Stadtteiles belegen, daß diese<br />

Gewaltbereitschaft existiert. Die Autorin ist, als die Situation zu eskalieren drohte,<br />

dazwischen gegangen und hat eine Prügelei mit <strong>den</strong> Worten unterbun<strong>den</strong>, sie würde<br />

die Polizei holen. Weiterhin wur<strong>den</strong> Szenen, die ebenfalls nicht gestellt waren, nicht<br />

ausgestrahlt, um die journalistische Plattform für die Jugendlichen nicht dominieren<br />

zu lassen. Die Jugendlichen führten die Autorin an einen Ort, <strong>den</strong> sie zu Zwecken der<br />

Drangsalierung anderer Jugendlicher nutzen. LonaMedia ist als ein seriös und<br />

sorgfältig arbeitendes Produktionsunternehmen bekannt. Wir arbeiten ausschließlich<br />

für die Öffentlichen-Rechtlichen Sender. Vorwürfe dieser Art sind bisher nicht<br />

vorgekommen."<br />

Zu der Behauptung, einem <strong>im</strong> ZDF-Beitrag gezeigten Jungen sei von einer<br />

Gang in Mümmelmannsberg ein Arm gebrochen wor<strong>den</strong>: Dem Abendblatt liegt<br />

eine Erklärung des Vaters dieses Jungen vor: "Mein Sohn hatte nie einen<br />

gebrochenen Arm."<br />

erschienen am 8. April 2006

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