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amnesty international - Dan Richter

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Republik Moldau: Folter und Misshandlungen im Polizeigewahrsam „Es ist einfach normal“<br />

Einige Stunden lang wurde er geschlagen, aber er<br />

weigerte sich weiter, die geforderte Aussage abzugeben.<br />

A.B.s Schwester war zu dem Haftzentrum gekommen<br />

um herauszufinden, was mit ihm geschehen<br />

sei – ihr wurde gedroht, dass sie ihren Arbeitsplatz<br />

verlieren werde. <strong>Dan</strong>n wurde ein Treffen mit<br />

A.B. arrangiert, bei dem sie ihn überzeugen sollte,<br />

die Aussage abzugeben.<br />

Nach seiner erneuten Weigerung wurde A.B.<br />

nach §195 (2) des Strafgesetzbuches wegen Diebstahls<br />

angeklagt. Nach der Misshandlung besorgten<br />

die Polizeibeamten einen staatlich bezahlten Anwalt<br />

für A.B. A.B. zufolge machte der Anwalt nicht<br />

einmal Notizen, als er von den Schlägen erzählte,<br />

die er soeben hatte erleiden müssen, ebenso nahm<br />

er nicht zur Kenntnis, dass sein Mandant stark blutete.<br />

Der Anwalt forderte A.B. auf, ihm US $150 zu<br />

übergeben, und ging fort.<br />

A.B. zufolge hatte die Polizei zunächst diese<br />

Geldübergabe dokumentiert, aber angeblich habe<br />

der Anwalt die Polizisten aufgefordert, diesen Bericht<br />

zu vernichten – jetzt gibt es keinen Bericht<br />

von der Geldübergabe.<br />

Nach der Misshandlung wurde A.B. in den Zellentrakt<br />

des Gebäudes gebracht.<br />

Zunächst lehnte es der zuständige Beamte der<br />

Abteilung gegen das organisierte Verbrechen ab,<br />

den Inhaftierten zu übernehmen, weil er so schwer<br />

verwundet sei. Nach einem Telefonat mit einem höheren<br />

Offizier wurde A.B. doch in dem Zellentrakt<br />

untergebracht.<br />

Die anderen Inhaftierten waren über den Zustand<br />

von A.B. schockiert und ermutigten ihn, um<br />

medizinische Hilfe zu bitten. A.B.’s Zellenältester<br />

warnte ihn, dass man ihn mit so offensichtlichen<br />

Verletzungen nicht entlassen werde. Am 26. Februar<br />

schaute sich ein sehr unerfahrener Sanitäter das<br />

verletzte Ohr an und meinte, dass er nichts tun könne.<br />

Am 27. Februar wurde eine Ambulanz gerufen<br />

und der Notarzt sagte, dass er in dem Haftzentrum<br />

keine Operation durchführen könne und A.B. in ein<br />

Krankenhaus gebracht werden müsse. Die Polizeibeamten,<br />

die ihn geschlagen hatten, behaupteten,<br />

dass man ihn mangels Transportmöglichkeiten<br />

nicht in ein öffentliches Krankenhaus verlegen<br />

könne und brachten ihn ins Krankenhaus des Innenministeriums.<br />

Dort wurde sein Ohr verbunden,<br />

aber nicht behandelt. Dies wurde auch nicht dokumentiert.<br />

Am 28. Februar wurde A.B. einem Untersuchungsrichter<br />

vorgeführt, der eine 10-tägige Haftstrafe<br />

anordnete.<br />

Am selben Tag engagierte A.B.’s Schwester einen<br />

Anwalt, der Revision gegen die Haftstrafe einlegte<br />

und eine Untersuchung der Misshandlungs-Vorwürfe<br />

forderte, weiterhin drang er auf eine medizinische<br />

Behandlung.<br />

Auf Betreiben des Anwalts fand am 6. März (9<br />

Tage nach den Schlägen) eine gerichtsmedizinische<br />

Untersuchung statt, in deren Ergebnis Quetschungen<br />

an A.B.’s Brustkorb, Beinen und Gesicht festgestellt<br />

wurden, und dass die Verletzungen an seiner<br />

Ohrmuschel von einer „traumatischen Einwirkung<br />

schwerer Gegenstände mit einer begrenzten<br />

Fläche zur Kraftübertragung“ herrühren. Es wurde<br />

konstatiert, dass die Verletzungen durch die von A.<br />

B. beschriebenen Schläge erlitten wurden. Der Experte<br />

weigerte sich jedoch, die Verletzung genauer<br />

zu untersuchen, weil es die hygienischen Verhältnisse<br />

in seinem Büro nicht erlaubten, den Patienten<br />

zu entkleiden.<br />

Am 7. März, 6. April, 5. Mai und am 5. Juni verhängte<br />

ein Untersuchungsrichter weitere 30-tägige<br />

Verlängerungen der Haft. A.B.s Anwalt legte gegen<br />

diese Entscheidungen Revision ein, aber seine Einsprüche<br />

wurden vom Revisionsgericht nicht behandelt.<br />

A.B. wurde bis zum 17. Juli in Haft gehalten,<br />

dann wurde er gegen Kaution freigelassen.<br />

Jedes Mal, wenn A.B. einem Untersuchungsrichter<br />

vorgeführt wurde, stellte dieser die Verletzungen<br />

fest und ordnete eine medizinische Behandlung<br />

an, aber weder die Freilassung noch eine Untersuchung<br />

der behaupteten Misshandlung.<br />

Die Forderungen nach Behandlung wurden<br />

ignoriert. Der Anwalt brachte den Fall der Misshandlung<br />

am 28. Februar sowie am 9. und 13. März<br />

2006 vor den Staatsanwalt, dieser weigerte sich jedoch,<br />

Anklage gegen die Polizeibeamten zu erheben.<br />

Gegen diese Entscheidungen legte A.B.s Anwalt<br />

am 21. April, 26. Juli und 9. November Einspruch<br />

ein. In einer Entscheidung vom 9. November<br />

missbilligte ein Untersuchungsrichter die Weigerung<br />

des Staatsanwaltes und entschied, dass es<br />

„triftige Gründe“ gebe, von „einer Misshandlung<br />

der inhaftierten Person gemäß § 328 (2) des Strafgesetzbuches“<br />

durch Polizeibeamte zu sprechen. Als<br />

der Staatsanwalt entschieden habe, kein Verfahren<br />

zu eröffnen, habe er die „unbestreitbaren Beweise“<br />

unberücksichtigt gelassen, „die sich im Verlauf des<br />

Strafverfahrens angesammelt hatten“.<br />

Daraufhin protestierte der Staatsanwalt gegen<br />

diese Entscheidung und bis heute gibt es keine Aktivitäten<br />

seitens der Behörden in diesem Fall.<br />

<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> schrieb zu diesem Fall am<br />

18. April 2007 an den Generalstaatsanwalt, erhielt<br />

aber bis jetzt keine Antwort.<br />

<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> – Kogruppe Weißrussland – Ukraine – Republik Moldau · Rundbrief 16 / 2007 37

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