amnesty international - Dan Richter
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Ukraine<br />
ai-Koordinationsgruppe – Stefanie Beckmann<br />
Die Gewalt stoppt nicht vor dem eigenen Haus<br />
Die Ukraine ist ein Land der Gegensätze: auf der<br />
einen Seite zogen in diesem Jahr erstaunlich viele<br />
Frauen in den Wahlkampf und wird mit Julia Timoschenko<br />
auch eine Frau an der Spitze der Regierung<br />
stehen, auf der anderen Seite ist die Lage der<br />
Frauen in diesem Land immer noch von großer<br />
Schutzlosigkeit geprägt.<br />
Im Jahr 2006 veröffentlichte <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong><br />
einen Bericht zu häuslicher Gewalt in der Ukraine<br />
um der Basis Material für eine Kampagne zum<br />
Thema der Gewalt gegen Frauen bereitzustellen.<br />
Die dem Bericht angehängte Aktionsanleitung<br />
sieht unter anderem Solidarität mit den Frauenorganisationen<br />
vor Ort vor. Ganz in diesem Sinne besuchten<br />
wir im September 2007 mit dem »Ukrainian<br />
Women’s Fund« und dem »Kiewer Städtischen<br />
Zentrum der Arbeit mit Frauen« zwei Akteure – eine<br />
nichtstaatliche und eine staatliche Organisation.<br />
Der »Ukrainian Women’s Fund« schien der ideale<br />
Gesprächspartner für uns zu sein, da er das Netzwerk<br />
der ukrainischen Frauenorganisationen in den<br />
Regionen betreut. Leider kam es nur zu einem Informationsaustausch,<br />
da man auf die Pressekonferenz<br />
von Julia Timoschenko eilte, denn es war Ende<br />
September und die heißeste Zeit der Parlamentswahlen<br />
in der Ukraine. Das Gespräch mit der Kiewer<br />
städtischen Struktur gestaltete sich dafür intensiver:<br />
auf die gesetzliche Lage hin angesprochen,<br />
bestätigten die Experten der Organisation die<br />
Information aus dem Bericht von ai, dass es nach<br />
wie vor den Begriff des „Opferverhaltens“ in der<br />
Strafgesetzgebung gibt, dessen Anwendung dazu<br />
führt, dass Männer, die Frauen Gewalt antun, unter<br />
Umständen mit milderen Strafen rechnen können,<br />
wenn gezeigt werden konnte, dass die Frauen<br />
gleichsam Gewalt produzierten.<br />
Um für die Sache der Menschenrechte aktiv zu<br />
werden, gab es außer den Wahlen mit ihren interessanten<br />
Einflüssen auf die ukrainische Frauenbewegung<br />
auch die zahlreichen Möglichkeiten der Begegnung,<br />
die die <strong>international</strong>e Partnerschaftskonferenz<br />
„Das europäische Haus gemeinsam gestalten“<br />
in Kiew Ende September bot. Auf der Konferenz<br />
kamen sowohl ukrainisch-deutsche als auch<br />
belarussisch-deutsche Initiativen – meist mit sozialem<br />
Arbeitsschwerpunkt – zusammen. Zu zwei<br />
Frauenorganisationen aus Belarus, das ja, was die<br />
Rechte der Frauen betrifft, in einer ähnlichen Lage<br />
wie die Ukraine ist, wurde der Kontakt aufgenommen.<br />
Auch hier merkte man nach einer gewissen<br />
Zeit, dass selbst unter den Vorkämpferinnen für die<br />
Frauenrechte die Emanzipation dort ihre Grenzen<br />
hat, wo die Frau etwas von ihrem Nimbus der verehrten<br />
Schönen verliert und die Einkaufstüten allein<br />
tragen muss.<br />
Mit den Teilnehmern der Tagung führten wir auch<br />
die Aktion »Faces for Amnesty« der Initiatoren von<br />
belarus-actions (sind auf der gleichnamigen Internetseite<br />
zu finden: www.belarus-actions.org) durch<br />
und erklärten allen Mitmachenden die genauen<br />
Hintergründe zu den gewaltlosen Gefangenen<br />
Smizer Daschkewitsch und Aljaksandr Kasulin, für<br />
deren Freilassung sie mit ihrer Teilnahme eintraten.<br />
Zuflucht vor häuslicher Gewalt bietet das Zentrum<br />
in einer Art Frauenhaus, das jedoch einerseits nur<br />
sehr wenige Plätze bietet und andererseits in einer<br />
akuten Notsituation nicht unbedingt erreichbar<br />
schien. Die katholische Kirche leistet hier anscheinend<br />
in den Westgebieten der Ukraine eine weitaus<br />
bedeutendere Hilfe. Auch sie setzt wie die Notunterkunft<br />
innerhalb des Kiewer Zentrums der Arbeit<br />
mit Frauen den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die<br />
(Wieder)Zusammenführung der Familien.<br />
30 <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> – Kogruppe Weißrussland – Ukraine – Republik Moldau · Rundbrief 16 / 2007