amnesty international - Dan Richter
amnesty international - Dan Richter
amnesty international - Dan Richter
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ukraine: Häusliche Gewalt – Die Opfer werden beschuldigt<br />
– Die Adressen der Zentren für soziale und psychologische<br />
Unterstützung sind auf der Website<br />
des Ministeriums veröffentlicht. Dies kann Opfer<br />
häuslicher Gewalt in Gefahr bringen, da Täter<br />
ihre Opfer leicht ausfindig machen können.<br />
– Frauen müssen in der Stadt / dem Stadtbezirk registriert<br />
sein, in dem sich das Zentrum befindet.<br />
Um zugelassen zu werden, muss die Registrierung<br />
nachgewiesen werden.<br />
Diese starren Zugangsbedingungen führen dazu,<br />
dass die staatlichen Einrichtungen oft ungenutzt<br />
bleiben. An Orten ohne ein solches Zentrum versuchen<br />
Sozialarbeiter und die lokalen Behörden, was<br />
ihnen möglich ist, um Frauen in Krisensituationen<br />
zu helfen.<br />
Der Direktor der lokalen Verwaltung für Jugend<br />
und Familie in Dnepropetrowsk erklärte <strong>amnesty</strong><br />
<strong>international</strong>, es gäbe mit dem Gesundheitsministerium<br />
die Absprache, dass den Frauen ein Bett in<br />
einem Krankenhaus angeboten werden kann.<br />
Internationale Standards fordern auch, dass Regierungen<br />
finanzielle Unterstützung für Opfer häuslicher<br />
Gewalt bieten. Die Einrichtung der oben genannten<br />
Zentren wurde durch das Ministerium finanziert,<br />
doch werden die laufenden Kosten dann<br />
den Kommunalverwaltungen überlassen. Dies kann<br />
problematisch sein, da einige Kommunalverwaltungen<br />
nur über sehr begrenzte Finanzmittel verfügen.<br />
Das Zentrum in Dnepropetrowsk blieb im letzten<br />
Jahr aufgrund von fehlenden Finanzen der<br />
Kommunalverwaltung geschlossen.<br />
Es gibt auch einige von NGOs betriebene Zufluchtsorte,<br />
die speziell auf Frauen, die Opfer häuslicher<br />
Gewalt geworden sind, ausgerichtet sind. In<br />
Kiew gibt es eine Einrichtung, die von einer Frauenorganisation<br />
betrieben und aus dem Budget der<br />
Stadt finanziert wird. Der Standort dieser Einrichtung<br />
wird gemäß den <strong>international</strong>en Standards<br />
vertraulich gehandelt, doch geschieht es nur in Ausnahmefällen,<br />
dass Frauen, die nicht in Kiew registriert<br />
sind, dort aufgenommen werden. <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong><br />
wurde weiterhin von Frauenhäusern in<br />
Charkiw und Odessa berichtet. Der Bürgermeister<br />
von Kiew versprach in einer live ausgestrahlten<br />
Fernsehsendung im Oktober 2006 die Einrichtung<br />
fünf weiterer Zufluchtsorte für Opfer häuslicher<br />
Gewalt.<br />
Viele Frauen verlassen eine durch Gewalt bestimmte<br />
Beziehung zeitweilig, indem sie zum Beispiel<br />
bei Verwandten oder Freunden Unterschlupf<br />
finden, die wenigsten aber gehen für immer. Meistens<br />
ist es das Fehlen praktikabler Alternativen,<br />
das sie davon abhält.<br />
Da Frauen häufig nicht über ein ausreichendes<br />
Einkommen verfügen, um Wohnraum zu mieten<br />
oder zu kaufen, können sie nirgendwo hin, wenn sie<br />
nicht bei Freunden oder Verwandten dauerhaft unterkommen<br />
können.<br />
Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen<br />
zum Recht auf angemessenes Wohnen als Teil<br />
des Rechts auf angemessenen Lebensstandard und<br />
des Rechts auf Nichtdiskriminierung stellte in seinem<br />
dem UN-Menschenrechtsausschuss im Februar<br />
2005 vorgelegten Bericht Frauen und angemessenes<br />
Wohnen fest, dass „Frauen, die von häuslicher<br />
Gewalt betroffen sind, schon an sich unter<br />
einer nicht angemessenen Wohnsituation leiden, da<br />
sie in ihrem Zuhause Gewalt erleben. Viele Frauen<br />
können dem Klima der Gewalt nicht entkommen,<br />
weil sie weder alternative Wohnmöglichkeiten noch<br />
die entsprechenden finanziellen Mittel haben.“<br />
Er rief die Regierungen auf „sicherzustellen,<br />
dass Frauen zeitlich begrenzt Zugang zu angemessenen<br />
Zufluchtsorten haben und bei der Suche nach<br />
angemessenem langfristigem Wohnraum Unterstützung<br />
erfahren, um zu verhindern, dass sie in<br />
Ermangelung angemessenen Wohnraums im gewaltgeprägten<br />
Umfeld bleiben müssen.“ Außerdem<br />
forderte er die Regierungen auf, „im Wohnrecht<br />
Regelungen einzuführen, die häusliche Gewalt verhindern,<br />
und in die Gesetzgebung zur häuslichen<br />
Gewalt eine Regelung aufzunehmen, die den<br />
Schutz des Rechts von Frauen auf angemessenen<br />
Wohnraum garantiert“.<br />
Eine für die NGO »Rosrada« in Kiew arbeitende<br />
Psychologin berichtete <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> vom<br />
Fall einer Frau, die vor den Augen ihrer beiden<br />
Söhne von ihrem Ehemann vergewaltigt wurde. Sie<br />
konnte es sich nicht leisten wegzuziehen und lebte<br />
zwei Jahre lang bei Freunden; als diese jedoch<br />
schließlich ihre Wohnung verkauften, sah sie sich<br />
gezwungen, in die Wohnung und zu ihrem Ehemann<br />
zurückzukehren, wo sie erneut Opfer von<br />
Gewalt wurde. Eine andere Frau, Larissa, lebt weiterhin<br />
mit ihrem Ehemann trotz der Tatsache, dass<br />
er sie in der Vergangenheit geschlagen hat. Sie berichtete<br />
einer Mitarbeiterin von <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong>,<br />
dass die Anwesenheit zweier erwachsener<br />
Männer, ihres Sohnes und ihres Schwiegersohnes,<br />
ein „positiver Kontrollfaktor“ wäre.<br />
Im Wohnrecht gibt es eine Bestimmung (Art.<br />
116), die es möglich macht, jemanden aufgrund von<br />
unsozialem Verhalten aus kommunalen Wohnungen<br />
zu verweisen. Opfer häuslicher Gewalt haben<br />
von diesem Recht Gebrauch gemacht, um die Täter<br />
zum Auszug zu zwingen. Jedoch wohnen immer<br />
mehr Ukrainer in privatem Wohnraum, was die<br />
Anwendung dieses Artikels unmöglich macht.<br />
<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> – Kogruppe Weißrussland – Ukraine – Republik Moldau · Rundbrief 16 / 2007 27