31.10.2013 Aufrufe

amnesty international - Dan Richter

amnesty international - Dan Richter

amnesty international - Dan Richter

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ukraine: Häusliche Gewalt – Die Opfer werden beschuldigt<br />

Es gibt jedoch keinerlei spezifische Beschreibung<br />

solcher Einrichtungen und Dienste und keine<br />

Antwort auf die Frage, wie solche Dienste landesweit<br />

finanziert werden sollen. Die Abteilung Öffentliche<br />

Sicherheit informierte einen Vertreter von<br />

<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> im September 2006, dass die<br />

Schutzbestimmungen nur effektiv sind, wenn die<br />

Paare getrennt leben, und dass sie kein effektives<br />

Mittel sind, wenn ein Paar zusammenlebt, da es<br />

keine Vorkehrungen für eine getrennte Unterbringung<br />

der Täter gibt.<br />

Ein Polizist in Winnyzja gab an, dass bis zum<br />

September 2006 56 Schutzverfügungen erlassen<br />

wurden, und dass es keine Fälle gab, in denen ein<br />

Täter gegen die Auflagen verstoßen hätte. Das Ministerium<br />

für Familie, Jugend und Sport hat kürzlich<br />

verschiedene Dienste aufgebaut, einschließlich<br />

Zentren für soziale und psychologische Unterstützung<br />

junger Menschen und Familien. Doch diese<br />

Zentren richten sich an Familien, nicht an Frauen.<br />

Sie erfüllen nicht den <strong>international</strong>en Standard für<br />

Frauenhäuser. (s.u. Mangel an Frauenhäusern)<br />

Hindernisse für die Justiz<br />

Wie Frauen in anderen Ländern auch machen Frauen<br />

in der Ukraine, die Opfer häuslicher Gewalt geworden<br />

sind, selten den ersten Schritt, sich an die<br />

Polizei zu wenden, aber für eine strafrechtliche<br />

Verfolgung bedarf es der Anzeige durch das Opfer.<br />

Duldung von Gewalt, Angst vor Racheakten des<br />

gewalttätigen Partners, eigene Schuldgefühle,<br />

Angst davor, die eigene Familie in Verruf zu bringen,<br />

niedriges Selbstwertgefühl und materielle Abhängigkeit<br />

sind einige der Gründe dafür, dass<br />

Frauen nicht zur Polizei gehen. Aber sogar wenn<br />

Opfer häuslicher Gewalt den wichtigen Schritt unternehmen,<br />

häusliche Gewalt bei der Polizei anzuzeigen,<br />

und versuchen, die Gewalttäter strafrechtlich<br />

zu verfolgen, werden ihnen viele Steine in den<br />

Weg gelegt. In manchen Fällen halten unangemessene<br />

Strafen Frauen davon ab, Anzeige zu erstatten,<br />

in anderen Fällen empfinden die Frauen die Reaktion<br />

der Polizisten als unangemessen oder sind die<br />

Polizisten korrumpierbar.<br />

Häusliche Gewalt wird nicht als eigenständige<br />

Straftat angesehen und wird nach einer Reihe von<br />

Artikeln des Strafgesetzbuchs verfolgt, die sich auf<br />

leichte oder schwere Körperverletzung, Schläge,<br />

Misshandlung und Morddrohungen beziehen. Die<br />

üblicherweise herangezogenen Artikel sind Art.<br />

121 (vorsätzliche schwere Körperverletzung), Art.<br />

125 (vorsätzliche leichte Körperverletzung) und<br />

Art. 127 (Misshandlung).<br />

Die verhängten Strafen variieren von Geldstrafen<br />

bis zu Haftstrafen von bis zu zwei Jahren, und in<br />

außergewöhnlichen Fällen sind auch längere Haftstrafen<br />

möglich. In vielen Fällen hängt die Strafe<br />

vom Schweregrad der Verletzungen ab.<br />

Mit dem Gesetz zur Prävention häuslicher Gewalt<br />

wurde das Verwaltungsgesetzbuch um einen<br />

neuen Artikel ergänzt (Art. 173/2), der es möglich<br />

macht, für eine Straftat, die zuhause begangen<br />

wurde, eine Geldstrafe oder eine 15-tägige Haftstrafe<br />

zu verhängen.<br />

Die Praxis, für häusliche Gewalt Geldstrafen zu<br />

verhängen, schreckt Frauen davon ab, Gewalttätigkeit<br />

anzuzeigen, weil das Geld in aller Regel vom<br />

Haushaltsgeld abgezogen werden muss, wovon neben<br />

dem Gewalttäter auch die anderen Familienmitglieder<br />

betroffen sind. Eine für die NGO »Westukrainische<br />

Perspektiven« in Lwiw tätige Rechtsberaterin<br />

informierte <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong>, dass<br />

von zwanzig <strong>Richter</strong>n, die an einer von der NGO<br />

organisierten Fortbildung teilnahmen, 19 angaben,<br />

sie würden für häusliche Gewalt immer eine Geldstrafe<br />

verhängen, und nur eine <strong>Richter</strong>in gab an,<br />

dass sie immer eine 15tägige Haftstrafe verhängen<br />

würde.<br />

„Der Polizeichef hatte Anweisung gegeben, mich<br />

nicht reinzulassen. Offensichtlich hatte mein<br />

Mann ihn bestochen und er ließ mich einfach nicht<br />

in die Polizeistelle. Ich bin da hingegangen und<br />

man sagte mir, es gäbe die Anweisung, mich nicht<br />

reinzulassen.” Shanna, Winnyzja, September 2006<br />

In allen Schichten der ukrainischen Gesellschaft<br />

floriert die Korruption. Transparency International<br />

setzt die Ukraine in ihrem Korruptionswahrnehmungsindex<br />

für 2005 auf Rang 107 von 158.<br />

Der stellvertretende Innenminister gab im Oktober<br />

an, dass Beamte in den ersten neun Monaten<br />

des Jahres 2006 Bestechungsgelder in Höhe von<br />

9,3 Mio. Griwna (60 Mio. Euro) angenommen hätten<br />

. Die Tatsache, dass es innerhalb des Innenministeriums<br />

Korruption in hohem Maße gegeben hat,<br />

hat der Innenminister Juri Luzenko eingeräumt, als<br />

er seinen Posten im Februar 2005 antrat und eine<br />

Antikorruptionskampagne begann.<br />

Der Länderbericht zur Ukraine des amerikanischen<br />

Außenministeriums bezeichnet Korruption<br />

in der Justiz als ernstes Problem und legt dar, dass<br />

„Verdächtige Gerichtsbeamte oft mit dem Ziel bestachen,<br />

dass die Anklage fallengelassen würde,<br />

bevor es zu einer Gerichtsverhandlung käme, oder<br />

aber, um das Strafmaß herabzusetzen.”<br />

http://tribuna.com.ua/news/2006/10/12/60260/<br />

<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> – Kogruppe Weißrussland – Ukraine – Republik Moldau · Rundbrief 16 / 2007 25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!