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amnesty international - Dan Richter

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Ukraine: Häusliche Gewalt – Die Opfer werden beschuldigt<br />

Die <strong>international</strong>e Menschenrechtsgesetzgebung<br />

und die Menschenrechtsstandards machen unmissverständlich<br />

deutlich, dass Gewalt gegen Frauen<br />

eine unverzeihliche Menschenrechtsverletzung<br />

darstellt.<br />

Das Ausmaß der häuslichen Gewalt<br />

Es gibt keine Statistiken über die Zahl der Frauen,<br />

die Gewalt durch ihren Partner erfahren, aber es<br />

gibt viele Hinweise darauf, dass das Problem sehr<br />

weit verbreitet ist.<br />

Laut Statistik der Abteilung Öffentliche Sicherheit<br />

im Innenministerium über die Einhaltung des<br />

Gesetzes zur Prävention häuslicher Gewalt hat es in<br />

den ersten fünf Monaten des Jahres 2005 83.150<br />

Fälle von Gewalt in der Familie gegeben. Diese Statistik<br />

unterscheidet nicht nach Geschlecht, aber laut<br />

Angaben der Abteilung Öffentliche Sicherheit sind<br />

90 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt Frauen.<br />

Dem Innenministerium zufolge waren die meisten<br />

Opfer von 1008 registrierten Mordfällen und<br />

402 Fällen von Totschlag zu Hause in den ersten<br />

neun Monaten des Jahres 2006 Frauen.<br />

Ein Polizist informierte <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong><br />

darüber, dass im Winnyzja-Gebiet täglich 40 bis 45<br />

Anrufe wegen Fällen von häuslicher Gewalt kommen,<br />

und dass es 2006 neun Mordfälle in Familien<br />

gab.<br />

Diese Zahlen spiegeln nur die Fälle von häuslicher<br />

Gewalt wider, die der Polizei bekannt wurden.<br />

Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass viel mehr<br />

Opfer von häuslicher Gewalt sich nicht an die Polizei<br />

und noch nicht einmal an ihnen nahe stehende<br />

Angehörigen wenden.<br />

Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen<br />

(NGOs) und Polizeibeamte, die von <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong><br />

im September 2006 befragt wurden, meinen,<br />

dass zwischen 50 und 70 Prozent aller ukrainischen<br />

Frauen schon häuslicher Gewalt ausgesetzt<br />

waren. Eine landesweite Umfrage im Jahre 2001<br />

unter 6000 Ukrainerinnen im Alter zwischen 12<br />

und 30 Jahren durch Winrock International führte<br />

zu dem Ergebnis, dass 33 Prozent der ukrainischen<br />

Frauen verbalen oder sittlichen Übergriffen, zumeist<br />

von Seiten ihrer Ehemänner, Freunde oder<br />

Nachbarn, ausgesetzt waren. Von den befragten<br />

Frauen waren 11 bis 12 Prozent sexuell missbraucht<br />

worden, und fünf Prozent waren körperlicher Gewalt,<br />

zumeist von Seiten ihrer Ehemänner, ausgesetzt.<br />

<br />

Zentrum für soziales Monitoring und Ukrainisches Institut<br />

für Sozialforschung: Frauenhandel als soziales Problem<br />

der ukrainischen Gesellschaft – Resümee. Kiew 2001<br />

www.winrock.org/leadership/files/SocialMonitoring.pdf.<br />

Ein Arzt der Notaufnahme des Städtischen Krankenhauses<br />

Nr. 2 in Winnyzja teilte <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong><br />

mit, dass im Durchschnitt zehn Frauen pro<br />

Jahr angäben, ihre Verletzungen seien eine Folge<br />

häuslicher Gewalt. Es gäbe sehr viel mehr Frauen<br />

mit Spuren von Schlägen, aber die Ärzte der Intensivstation<br />

äußerten gegenüber <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong>,<br />

dass es ihre Aufgabe sei, die Frauen zu behandeln,<br />

nicht jedoch herauszufinden, wie ihnen die<br />

Verletzungen beigefügt wurden. Eine Frau wurde<br />

mit Schnittwunden eingeliefert und erklärte, sie<br />

habe Kartoffeln geschält, was die Ärzte wunderte,<br />

weil es mitten in der Nacht war.<br />

Gewalt gegen Frauen durch Familienmitglieder<br />

reicht von der wirtschaftlichen Bevormundung, der<br />

Anwendung verbaler und psychologischer Gewalt<br />

bis hin zu Schlägen, sexueller Gewalt oder gar<br />

Mord.<br />

Larissa beschrieb, wie ihr Ehemann ihr Gewalt<br />

antat, um ihre Kinder einzuschüchtern. Er drückte<br />

ihren Kopf in der Badewanne unter Wasser und<br />

drohte damit, sie zu ertränken, wenn ihre Tochter<br />

keine Hausaufgaben machen würde.<br />

Shanna litt 13 Jahre lang unter der Gewalt ihres<br />

Ehemannes. Er demütigte oder schlug sie, brachte<br />

danach jedoch Blumen mit und bat sie um Verzeihung.<br />

Einmal kam er ins Badezimmer, als sie sich<br />

gerade wusch, und urinierte auf sie.<br />

Sozialarbeiter in Kiew beschrieben den Fall einer<br />

Frau, die stellvertretende Direktorin einer<br />

Schule war, zu Hause aber unter psychologischer<br />

Gewalt von Seiten ihres Mannes litt. Er ließ es<br />

nicht zu, dass sie mit ihm aß oder auf dem Sofa saß.<br />

Auch Männer können Opfer von häuslicher Gewalt<br />

werden. <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> hat Kenntnis<br />

von einem Mann, den die Gewalt seiner Frau dazu<br />

brachte, zusammen mit den Kindern sein Zuhause<br />

zu verlassen, und der in Folge wohnungslos war.<br />

„Das Leben hier in diesem Land ist hart für uns.<br />

Sie (die Männer) haben es schwer, und darum trinken<br />

sie.“ Larissa, Winnyzja, September 2006<br />

Laut World Mental Health survey (einer Studie zu<br />

mentalen Störungen) der WHO, die von 2001 bis<br />

2003 in 14 Ländern durchgeführt wurde, sind die<br />

Hauptrisikofaktoren für von Männern ausgehende<br />

Gewalt in Beziehungen in der Ukraine Erfahrungen<br />

mit Gewalt in der eigenen Familie, Verhaltensprobleme<br />

(spontane Wutausbrüche (Intermittent<br />

Explosive Disorder)) und Alkoholmissbrauch.<br />

Larissas Ehemann schlug sie, wenn er betrunken<br />

war, und später fand sie zufällig heraus, dass er in<br />

22 <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> – Kogruppe Weißrussland – Ukraine – Republik Moldau · Rundbrief 16 / 2007

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