amnesty international - Dan Richter
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<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> – Internationales Sekretariat<br />
Ukraine: Häusliche Gewalt – Die Opfer werden beschuldigt<br />
AI Index: EUR 49/014/2006<br />
Einführung<br />
In diesem Kurzbericht zeigt <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong>,<br />
dass – trotz der eingeleiteten Maßnahmen der ukrainischen<br />
Regierung zur Bekämpfung der häuslichen<br />
Gewalt – das Problem immer noch weit verbreitet<br />
ist. Dazu gehört, dass Frauen, die Opfer<br />
häuslicher Gewalt geworden sind, keinen ausreichenden<br />
Schutz oder Zugang zur Justiz bekommen.<br />
Die Ukraine erfüllt ihre aus der <strong>international</strong>en<br />
Menschenrechtsgesetzgebung erwachsenden Verpflichtungen<br />
nicht, sich mit gebührender Sorgfalt<br />
für die Sicherung der Rechte von Frauen auf<br />
Gleichheit, Leben, Freiheit und Sicherheit sowie<br />
darauf, frei von Diskriminierung, Folter und grausamer,<br />
unmenschlicher und erniedrigender Behandlung<br />
zu leben, einzusetzen.<br />
<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> formuliert acht Empfehlungen,<br />
die der Regierung helfen sollen, ihre Verpflichtungen<br />
entsprechend der <strong>international</strong>en<br />
Menschenrechtsgesetzgebung einzuhalten.<br />
In der Ukraine handeln häusliche Gewalttäter mit<br />
der Aussicht auf Straffreiheit. Das Gesetz zur Prävention<br />
häuslicher Gewalt garantiert den Opfern<br />
keinen angemessenen Schutz und hält am Mythos<br />
fest, dass Frauen an der gegen sie verübten Gewalt<br />
selbst schuld seien.<br />
Oft unternimmt die Polizei nichts, wenn Frauen<br />
Fälle von häuslicher Gewalt anzeigen, und oft reagiert<br />
sie unangemessen. Frauen, die Täter vor Gericht<br />
zu bringen versuchen, werden auf Schritt und<br />
Tritt durch Korruption behindert und müssen erleben,<br />
dass unangemessene Strafen verhängt werden.<br />
Das <strong>international</strong>e Gesetz verpflichtet die Ukraine,<br />
Zufluchtsorte einzurichten und andere Formen der<br />
Unterstützung für Opfer häuslicher Gewalt bereitzustellen.<br />
Das Ministerium für Familie, Jugend und<br />
Sport hat ein Netzwerk von Zentren aufgebaut, die<br />
juristische und psychologische Beratung sowie Zuflucht<br />
für junge Menschen bis zum Alter von 35<br />
Jahren und für Familien bieten. Diese sind jedoch<br />
nicht auf Frauen ausgerichtet und bieten deshalb<br />
nicht den Schutz und die Hilfe, die für Opfer häuslicher<br />
Gewalt nötig wären.<br />
Die Überwindung geschlechtsbezogener Stereotypen<br />
ist einer der effektivsten Wege, die häusliche<br />
Gewalt zu bekämpfen. Während der Recherche für<br />
diesen Kurzbericht fand <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> Belege<br />
für weitverbreitete soziale Verhaltensmuster,<br />
die Frauen diskriminieren. Es bleibt zu hoffen, dass<br />
das neue Gesetz über die Gleichberechtigung von<br />
Frauen und Männern effektiv umgesetzt wird.<br />
<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> ist der Überzeugung,<br />
• dass für die Schaffung eines Systems, das<br />
Frauen Schutz bietet und die Ausrottung häuslicher<br />
Gewalt anstrebt, ein starker politischer<br />
Wille nötig ist und dass die Behörden entschiedene<br />
Maßnahmen ergreifen müssen.<br />
• Es müssen Frauen kurzfristige Zufluchtsorte<br />
und langfristige Wohnmöglichkeiten und effektive,<br />
speziell auf sie zugeschnittene Hilfsdienste<br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
• Polizeibeamte müssen dahingehend ausgebildet<br />
werden, dass sie Verständnis für die psychologischen<br />
Folgen von häuslicher Gewalt aufbringen.<br />
• Das Gesetz zur Prävention häuslicher Gewalt<br />
muss geändert werden und die im Strafgesetzbuch<br />
sowie im Verwaltungsgesetzbuch vorgesehenen<br />
Strafen bedürfen der Überarbeitung.<br />
• Die Regierung muss öffentliche Kampagnen<br />
durchführen, um die Öffentlichkeit über häusliche<br />
Gewalt zu informieren und die Stigmatisierung<br />
der Opfer zu überwinden.<br />
<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> behauptet nicht, dass Gewalt<br />
gegen Frauen ein spezifisch ukrainisches Problem<br />
sei oder dass sie dort mehr verbreitet sei als in anderen<br />
Ländern. <strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> hat in vielen<br />
Berichten – so z.B. in Europa über Albanien, Frankreich,<br />
Georgien, Großbritannien, Russland,<br />
Schweden, Spanien, die Türkei und Weißrussland –<br />
dokumentiert, dass Frauen Opfer von Gewalt von<br />
Seiten ihrer Partner sind, unabhängig davon, wo<br />
oder in welchen sozialen Verhältnissen sie leben.<br />
In vielen Fällen wird Gewalt als normale Erscheinung<br />
in einer Beziehung zwischen Mann und<br />
Frau angesehen, oder sie wird mit Argumenten wie<br />
Eifersucht, Ehre oder Tradition gerechtfertigt. <strong>amnesty</strong><br />
<strong>international</strong> ist der Überzeugung, dass keiner<br />
dieser Gründe wie auch keinerlei anderes Motiv<br />
Gewalt gegen Frauen jemals rechtfertigen kann.<br />
<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> – Kogruppe Weißrussland – Ukraine – Republik Moldau · Rundbrief 16 / 2007 21