amnesty international - Dan Richter
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Ukraine: Eilaktion<br />
Eilaktion<br />
UA-Nr: UA-264/2007 · AI-Index: EUR 50/005/2007<br />
Datum: 16.10.2007<br />
Ukraine / Belarus: Drohende Abschiebung / Folter /<br />
Drohende Todesstrafe<br />
Igor Koktisch, 27-jähriger Staatsbürger von Belarus<br />
Dem weißrussischen Staatsbürger Igor Koktisch [englische Transkription: Igor Koktysh] droht die Auslieferung<br />
durch die ukrainischen Behörden an Belarus (Weißrussland), wo er in Gefahr wäre, misshandelt<br />
oder gefoltert zu werden, um ihn zum Geständnis eines Mordes zu zwingen. Zudem droht ihm ein unfaires<br />
Gerichtsverfahren, in dem er zum Tode verurteilt werden könnte.<br />
Dem Rockmusiker Igor Koktisch wurde vorgeworfen, im Januar 2001 im weißrussischen Baranowizi<br />
[Baranovici] den Familienangehörigen eines engen Freundes ermordet zu haben. Vor seiner Festnahme<br />
hatte er sich für Jugendliche in Baranowizi, die drogenabhängig waren und andere soziale Probleme hatten,<br />
eingesetzt. Er war mit der örtlichen Polizei in Konflikt geraten, weil er Rockfestivals organisiert<br />
hatte. Als er eine katholische Jugendorganisation gründen wollte, baten ihn die Polizisten, diese nicht<br />
registrieren zu lassen. Weil er sich von seinem Vorhaben aber nicht abbringen ließ, drohte ihm die Polizei<br />
damit, einen Grund für seine Festnahme zu finden.<br />
Im Januar 2001 wurde ein Verwandter eines guten Freundes von Igor Koktisch ermordet. Der Rockmusiker<br />
wurde daraufhin festgenommen und des Mordes beschuldigt. Während der einjährigen Untersuchungshaft<br />
soll er in Polizeigewahrsam geschlagen, misshandelt und gefoltert worden sein. So sperrte<br />
man ihn dem Vernehmen nach unbekleidet in eine eiskalte Zelle und verweigerte ihm die erforderlichen<br />
Medikamente zur Behandlung seines Asthmas, um ihn so zu zwingen, den Mord zu gestehen. Am 7. Dezember<br />
2001 befand ihn das Bezirksgericht von Brest für nicht schuldig, und das Oberste Gericht von<br />
Belarus bestätigte am 1. Februar 2002 dieses Urteil. Der Generalstaatsanwalt legte jedoch am 11. April<br />
2002 Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein, und der Fall wurde an das Gericht zu einem Wiederaufnahmeverfahren<br />
verwiesen. Igor Koktisch verließ Belarus im Oktober 2003 und zog in die Ukraine.<br />
Am 25. Juni 2007 nahm die ukrainische Polizei den Musiker fest, um ihn an Belarus auszuliefern. Auf der<br />
Grundlage von Paragraph 139, Absatz 2, des Strafgesetzbuchs von Belarus steht er wegen „Mordes unter<br />
erschwerenden Umständen“ unter Anklage, ein Straftatbestand, der mit der Todesstrafe geahndet wird.<br />
HINTERGRUNDINFORMATIONEN<br />
Entsprechend ihren Verpflichtungen als Mitglied des Europarats hat die Ukraine die Todesstrafe abgeschafft<br />
und das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende<br />
Behandlung oder Strafe ratifiziert, welches festschreibt, dass ein Vertragsstaat eine Person nicht in<br />
einen anderen Staat ausweisen, abschieben oder an diesen ausliefern darf, „wenn stichhaltige Gründe für<br />
die Annahme bestehen, dass sie dort Gefahr liefe, gefoltert zu werden“.<br />
In Belarus wird die Todesstrafe nach wie vor angewendet. Allerdings liegen keine Angaben über die Anzahl<br />
der Hinrichtungen vor. Todesurteile werden durch Erschießung vollstreckt. Die Familienangehörigen<br />
der Verurteilten erhalten jedoch weder Informationen über das Datum der Hinrichtung noch über den Bestattungsort.<br />
<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> hat wiederholt kritisiert, dass Gerichtsverfahren in Belarus nicht den<br />
<strong>international</strong>en Standards für faire Prozesse entsprechen und die Justizbehörden nicht unabhängig sind.<br />
<strong>amnesty</strong> <strong>international</strong> – Kogruppe Weißrussland – Ukraine – Republik Moldau · Rundbrief 16 / 2007 19