Pressedokumentation Fall Lucy T - Reform 91
Pressedokumentation Fall Lucy T - Reform 91
Pressedokumentation Fall Lucy T - Reform 91
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?<br />
Massnahmenvollzug Arxhof<br />
Musste das sein?<br />
Tötungsdelikt an Lucie Trezzini<br />
Dokumentation <strong>Reform</strong> <strong>91</strong><br />
1
Nach 24 Stunden:<br />
Aktivitäten der <strong>Reform</strong> <strong>91</strong><br />
2
15. März 2009, NZZ am Sonntag<br />
Kritik an der Aargauer Justiz<br />
Kritik an der Aargauer Justiz<br />
Justiz Fachleute bemängeln veraltete Strukturen und Vorgehen im <strong>Fall</strong> «Lucie»<br />
Die Aargauer Regierung betont, die Behörden hätten im <strong>Fall</strong> «Lucie» korrekt<br />
gehandelt. Die wichtigste Frage aber bleibt: Bemerkte man den «Absturz» des<br />
späteren Täters rechtzeitig?<br />
Lukas Häuptli<br />
Als der Aargauer Regierungsrat Kurt Wernli am Donnerstag zum <strong>Fall</strong> «Lucie»<br />
Stellung nahm, machte er das, was Kommunikationsberater heute in Krisenfällen<br />
empfehlen: Wernli verteidigte «aufgrund der bisherigen Erkenntnisse» das<br />
Vorgehen der Verantwortlichen aus Justizvollzug und Bewährungshilfe, stellte<br />
eine unabhängige Untersuchung in Aussicht und verhängte ab Freitag eine<br />
Informationssperre über den <strong>Fall</strong>.<br />
Lediglich in groben Zügen schilderte Wernli am Donnerstag denn auch die<br />
Zeit zwischen dem 25. August 2008, als der spätere Täter D. H. aus dem<br />
Massnahmenzentrum Arxhof im Kanton Basel-Landschaft entlassen wurde, und<br />
dem 4. März 2009, als der 25-Jährige im aargauischen Rieden die 16-jährige<br />
Lucie Trezzini aus dem Kanton Freiburg tötete. Die Abteilung Strafrecht aus<br />
Wernlis Departement hatte D. H. bei seiner Entlassung unter anderem zur Auflage<br />
gemacht, dass er während dreier Jahre keinen Alkohol und keine illegalen Drogen<br />
konsumieren dürfe und dass er sich zur Kontrolle regelmässigen Urinproben<br />
unterziehen müsse. Darauf trat die Abteilung den <strong>Fall</strong> wie üblich an den privaten<br />
Verein Bewährungshilfe Aargau ab.<br />
Enge Begleitung?<br />
Es schien, als wolle Wernli die enge Begleitung und vorbildliche Betreuung von D.<br />
H. betonen, als er am Donnerstag von «99 Kontakten, das heisst persönlichen oder<br />
telefonischen Gesprächen», zwischen der verantwortlichen Bewährungshelferin und<br />
dem späteren Täter sprach. Heute steht fest, dass es nicht «99 Kontakte» waren,<br />
sondern «99 Einträge im Klienten-Journal über D. H.», wie Otto Moser, Leiter der<br />
Bewährungshilfe, erklärt. Wie viele Kontakte es zwischen der Bewährungshelferin<br />
und D. H. tatsächlich gab, will mittlerweile niemand mehr sagen. Es herrscht<br />
Informationssperre.<br />
Vor allem aber ist unklar, wann die Bewährungshilfe und damit die Abteilung<br />
Strafrecht in Wernlis Departement merken konnte, dass D. H. wieder<br />
Alkohol und Drogen konsumierte. Immerhin stand im Entlassungsbericht<br />
3
des Massnahmenzentrums Arxhof über den 25-Jährigen, dass «ein grosses<br />
Rückfallrisiko zum Drogen- und Alkoholkonsum und damit ein grosses Rückfallrisiko<br />
zu gewalttätigem Verhalten besteht». Dieses Risiko bestehe, so der Bericht, vor<br />
allem bei einer Destabilisierung der Arbeits-, Wohn- und Beziehungsverhältnisse.<br />
Bei D. H. habe sich bereits im Dezember 2008 «ein Absturz» abgezeichnet, sagen<br />
Personen aus dem Umfeld des 25-Jährigen. Von da an habe er wieder regelmässig<br />
weiche und harte Drogen konsumiert und bei seinem Hausarzt vermutlich auch<br />
keine Urinproben mehr abgegeben. Offenbar zeichneten sich damals auch bereits<br />
grosse Geldprobleme und ebenso grosse Probleme mit seiner Freundin ab.<br />
Die Bewährungshilfe berichtete aber erst zwei Monate später, am 25. Februar 2009,<br />
in einem Schreiben an die Abteilung Strafrecht von Unregelmässigkeiten. D. H.<br />
habe eben seine Stelle als Koch verloren und habe angegeben, wieder Drogen zu<br />
konsumieren, heisst es im Schreiben. Trotzdem stellte die Bewährungshilfe dem<br />
Mann «gute Chancen auf eine Stabilisierung» in Aussicht – falls er sich einem<br />
Drogenentzug unterziehe.<br />
«Hie und da zu spät»<br />
Am nächsten Tag ordnete die Abteilung Strafrecht einen stationären Entzug<br />
an. Weitere fünf Tage später vereinbarten D. H. und die Bewährungshelferin<br />
einen Termin bei der Klinik für Suchtmedizin in Neuenhof (AG). D. H. erschien<br />
eine Dreiviertelstunde zu spät zum Termin, die Bewährungshelferin war nach<br />
einer halben Stunde wieder gegangen. Klinikleiter Maurizio Reppucci: «Die<br />
Bewährungshelferin sagte uns, D. H. komme hie und da zu spät – und manchmal<br />
auch gar nicht.» Vor allem aber sei die Klinik über den <strong>Fall</strong> nicht informiert worden.<br />
«Die Bewährungshelferin signalisierte uns keine Dringlichkeit für eine sofortige<br />
Aufnahme des Manns», sagt Reppucci. Die Klinik vereinbarte mit D. H. darauf<br />
einen neuen Termin, und zwar für den 10. März. Am 4. März tötete D. H. in seiner<br />
Wohnung Lucie Trezzini.<br />
Was die Arbeit der Bewährungshelferin von D. H., einer ausgebildeten<br />
Sozialpädagogin, nicht erleichterte: Sie hatte und hat laut ihrem Chef rund<br />
40 weitere Bewährungsfälle zu betreuen. Und die Frau verfügt über keine<br />
Entscheidungsbefugnisse. Diese hat nur die örtlich und organisatorisch getrennte<br />
Abteilung für Strafrecht. Der Kanton Aargau ist der einzige Kanton, der die<br />
Bewährungshilfe an einen privaten Verein abgetreten hat. In fast allen anderen<br />
Kantonen ist sie Teil der Justizvollzugsbehörde.<br />
Mehrere Fachleute aus dem Justizvollzug kritisieren denn auch die Verhältnisse<br />
im Kanton Aargau – ohne dass die Kritisierenden ihren Namen in der Zeitung<br />
lesen wollen. Die Trennung von Justizvollzug und Bewährungshilfe rühre aus einer<br />
Zeit, als die Bewährungshilfe noch Freiwilligen übertragen worden sei, sagen sie.<br />
Heute aber erschwere die Trennung eine enge Zusammenarbeit zwischen den<br />
Verantwortlichen und verzögere Entscheidungen in Krisensituationen.<br />
4
Kritik an der Bewährungshilfe übt auch Peter Zimmermann, Präsident der<br />
Strafgefangenen- und Entlassenen-Organisation <strong>Reform</strong> <strong>91</strong>: «Im <strong>Fall</strong> D. H. hätte die<br />
Bewährungshilfe früher D. H.s Drogenrückfall und Geldprobleme bemerken müssen<br />
und entsprechend die Notbremse ziehen können.» Er wolle sich zur Qualität der<br />
Bewährungshilfe im Kanton Aargau nicht äussern, aber: «Im Kanton Zürich wäre so<br />
ein <strong>Fall</strong> kaum passiert.» Dort sei die Bewährungshilfe sehr professionell organisiert,<br />
in anderen Kantonen fühlt man sich in einem Jekami.»<br />
Der Täter D. H. Therapie statt Verwahrung<br />
Der Täter D. H. Therapie statt Verwahrung<br />
Der 25-jährige D. H., der am 4. März 2009 in seiner Wohnung in Rieden (AG) die<br />
16-jährige Lucie Trezzini getötet hat, war bei seiner Tat vorbestraft. Er hatte im Mai<br />
2003 eine Arbeitskollegin beinahe umgebracht. Unter dem Einfluss von Alkohol und<br />
Kokain fiel er die damals 27-jährige Frau bei einem abgelegenen Schützenhaus in<br />
Berikon (AG) an, schlug sie mit Fäusten und einem Schlagring und würgte sie.<br />
Im Februar 2004 kam ein psychiatrischer Gutachter der Klinik Köngisfelden (AG)<br />
zum Schluss, D. H. sei therapiefähig, solle mit einer Therapie behandelt und müsse<br />
nicht verwahrt werden. Mit dem Gutachten waren Staatsanwaltschaft, Verteidigung<br />
und Geschädigten-Vertretung einverstanden. Das Bezirksgericht Bremgarten<br />
verurteilte D. H. im Juni 2004 denn auch wegen versuchter Tötung und ordnete für<br />
den Angeklagten eine Massnahme an. Diese wurde von August 2004 bis August<br />
2008 durch das Massnahmenzentrum Arxhof in Niederdorf (BL) vollzogen. Das<br />
letzte Jahr vor der Entlassung verbrachte D. H. in Aussenstationen des Zentrums<br />
und damit faktisch in Freiheit. (luh.)<br />
5
Landrat<br />
Landeskanzlei<br />
Rathausstrasse 2<br />
4410 Liestal<br />
Frauenfeld, 10. März 2009<br />
Petition<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong> fordert eine unabhängige<br />
Untersuchungskommission im Arxhof/Niederdorf BL<br />
und fordert die Petitionskommision uns die aufgeführten<br />
Fragen zu beantworten.<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong> ist eine Selbsthilfeorganisation von und für<br />
Strafgefangene und Entlassene. Ein Verein nach Artikel<br />
60ff ZGB und wurde am 31. März 1990 in der Strafanstalt<br />
Lenzburg gegründet. Der Vereinssitz ist Frauenfeld. 1 Statuten<br />
Auf das fürchterliche Tötungsdelikt an L.T. im Umfeld von<br />
Baden, mutmasslicher Täter ein ehemaliger Bewohner vom<br />
Massnahmenzentrum Arxhof in Niederdorf/BL drängen sich<br />
für unsere Organisation einige Frage auf.<br />
Am 19. Februar 2009 hat der mutmassliche Täter seine Arbeit<br />
in einem Hotel in Baden verlassen. Am 27. Februar 2009<br />
erfolgte die fristlose Kündigung.<br />
Wann war die letzte Sitzung beim Bewährungsdienst/oder der<br />
zuständigen Person im Bereich der bedingten Entlassung?<br />
Zu welchem Zeitpunkt wurde die Bewährungsdienst über die<br />
fristlose Kündigung orientiert?<br />
Wurde der mutmassliche Täter nach der in Kraft gesetzten<br />
Änderung im Massnahmenrecht, damals Artikel 100 StGB<br />
jetzt Artikel 61 StGB begutachtet?<br />
Oder aber erfolgte die Entlassung einfach auf die<br />
Begutachtung aus dem Jahr 2004 durch die Forensik?<br />
Der Leiter vom Arxhof, Herr Renato Rossi erklärt gegenüber<br />
den Medien: „Unsere Prognose für ihn war sehr gut. Wir<br />
wissen aber, dass er weiter zu Gewaltexzessen neigt,<br />
sobald er Kokain genommen hat.»<br />
Wie kommt der Leiter vom Arxhof auf eine solche Aussage<br />
mit Blick ‚auf Kokain genommen’?<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong><br />
Zürcherstrasse 228<br />
CH-8501 Frauenfeld<br />
Tel: 052 722 10 30<br />
Präsident:<br />
Peter Zimmermann<br />
Aktuar:<br />
Benjamin Reinhard<br />
Kassier:<br />
Reto Moser<br />
Vorstandsmitglied:<br />
Daniel Huser<br />
Arbeitsgruppen:<br />
Theatergruppe KORN<br />
Zürcherstrasse 228<br />
CH-8500 Frauenfeld<br />
Tel.: 052 722 10 30<br />
SAS / Bern<br />
Selbsthilfegruppe<br />
Angehörige von<br />
Strafgefangenen<br />
Gabrielle Hirt<br />
Tel.: 079 455 64 49<br />
reform<strong>91</strong>@gmx.ch<br />
PC: 50 – 1103-4<br />
7
Wie oft musste der mutmassliche Täter wegen Kokain Missbrauch diszipliniert werden!<br />
Wie oft hat man den jungen Erwachsenen diszipliniert und zur ‚Beruhigung’ in<br />
Untersuchungsgefängnis Basel (Waaghof) eingewiesen?<br />
Aber auch mit der Aussage der Rückfallquote betreibt der Leiter vom Arxhof eine Kosmetik. Wir<br />
kennen einen <strong>Fall</strong> vom Arxhof, ein junger Erwachsener, der den Arxhof ‚verlassen’ hat und auf<br />
seiner Flucht mehrere Raubüberfälle ausführte. Der junge Mann ‚sitzt’ seit Monaten in einem<br />
Untersuchungsgefängnis.<br />
Wir kennen aber auch einige Bewohner im Arxhof, die beim kleinsten Verstoss gegen die<br />
Hausordnung nach Basel ins Untersuchungsgefängnis verlegt werden.<br />
Aus der angeblichen Gruppenarbeit im Arxhof hat <strong>Reform</strong> <strong>91</strong> auch Kenntnis, dass im Arxhof sehr<br />
oft auch mit Kollektivstrafen – ‚erzieherisch’ - gearbeitet wird. Das beinhaltet eine Verletzung der<br />
europäischen Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen.<br />
So schreibt eine Mutter an unsere angegliederte Selbsthilfegruppe von Angehörigen SAS unter<br />
anderem:<br />
„M. hatte während einem Monat eine ziemlich schwere Zeit im Arxhof, da er mit anderen Bewohner<br />
gekifft hatte. Die Sozialpädagogen glaubten, dass M. mehrere Male mitgekifft hatte, deshalb hackten<br />
sie die ganze Zeit auf ihm herum und setzten ihn massiv unter Druck. Der ganze Oktober durch hatten<br />
alle Bewohner vom Arxhof dann Ausgangsspeere um alle unter Druck zu setzen, damit sie mit der<br />
Wahrheit herausrücken.»<br />
Nach Ansicht der <strong>Reform</strong> <strong>91</strong> sind solche ‚therapeutische Massnahmen’ schon längstens überholt und<br />
gehören ins Museum.<br />
Es wäre falsch, wenn nur Verfahren von Polizei/Untersuchungsbehörden Abklärungen vornehmen,<br />
die Aufsichtsbehörde (die Legislative) so quasi sich so verhält: ‚Wir waschen unsere Hände<br />
in Unschuld’, wäre für den gesamten Strafvollzug destruktiv und würde den Strafvollzug/<br />
Massnahmenvollzug nochmals enorm verschärfen und dies insbesondere auf die Kosten der<br />
Steuerzahler.<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong> möchte mit dieser Bittschrift und Fragestellungen verhindern, dass die gleichen<br />
Mechanismen sich wiederholen, wie damals im <strong>Fall</strong> Erich Hauert 1993 und den darauf folgenden<br />
Monaten. Nicht nur die rein juristischen und forensischen Abklärungen sind jetzt von Nöten, auch<br />
die Aufklärungen innerhalb des Massnahmenzentrums Arxhof d.h. die Oberaufsicht über den Strafund<br />
Massnahmenvollzug muss einerseits die angebliche Therapien im Arxhof und insbesondere<br />
die Nachbetreuung eines Insassen aus einem Massnahmenzentrum für junge Erwachsene genau<br />
untersucht werden.<br />
Mit freundlichen Grüssen<br />
i.A. <strong>Reform</strong> <strong>91</strong><br />
Peter Zimmermann<br />
8
Pressemitteilung<br />
Frauenfeld, 11. März 2009<br />
Sehr geehrte Damen und Herren<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong>, eine Selbsthilfegruppe von Strafgefangenen und<br />
Entlassenen, ein Verein nach Artikel 60ff ZGB wurde am<br />
31. März 1990 in der Strafanstalt Lenzburg gegründet. Der<br />
Vereinssitz ist in Frauenfeld.<br />
Auch wir sind über das Tötungsdelikt LUCIE tief betroffen. Was<br />
nun in den Medien thematisiert wird, geht unserer Meinung nach<br />
an der Sache vorbei. Das Urteil gegen den damals 19-jährigen<br />
Daniel H., gefällt vom Bezirksgericht Baden im Juni 2004, war<br />
angemessen! Auch die psychiatrische Einschätzung war damals<br />
zutreffend.<br />
Wir erachten für unangebracht, wenn nun die «lebenslange<br />
Verwahrung» erneut thematisiert wird. Denn die Problematik<br />
liegt vielmehr in der bedingten Entlassung von Daniel H. aus<br />
dem Massnahmenzentrum Arxhof begründet.<br />
Artikel 62 2 StGB hält fest: «Bei der bedingten Entlassung aus<br />
einer Massnahme nach Artikel 59 beträgt die Probezeit ein bis<br />
fünf Jahre, bei der bedingten Entlassung aus einer Massnahme<br />
nach Artikel 60 und 61 ein bis drei Jahre.»<br />
Es ist offensichtlich, dass die Drogenprobleme von Daniel<br />
H. nur oberflächlich behandelt wurden. Die Leitung des<br />
Massnahmenzentrums Arxhof machte die zuständigen Aargauer<br />
Behörden darauf aufmerksam, dass der bedingt Entlassene eine<br />
Drogenberatung brauche. Arxhof Direktor Renato Rossi wird<br />
auch in den Medien zitiert: «Wir wussten, dass er auf Koks<br />
weiter zu Gewaltexzessen neigt.»<br />
Mindestens seit Ende Januar 2009 war offensichtlich, dass<br />
Daniel H. wieder harte Drogen gekauft und konsumiert hatte.<br />
Drei Monate hat Daniel H. seinen Mietzins für seine Wohnung<br />
nicht mehr bezahlt.<br />
Am 19. Februar 2009 ist der zur Bewährung Entlassene seiner<br />
Arbeit als Koch fern geblieben, und am 27. Februar erfolgte die<br />
fristlose Kündigung.<br />
Man kann «nachher» durchaus der Meinung sein, dass Daniel<br />
H. nicht hätte bedingt entlassen werden sollen. Fügt man jedoch<br />
alle Mosaik-Steine zusammen, die zu diesem fürchterlichen<br />
Tötungsdelikt führten, stehen andere Strafvollzugspraktiken in<br />
Mittelpunkt.<br />
Was für einen Stellenwert hat die Bewährungshilfe im<br />
Kanton Aargau?<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong><br />
Zürcherstrasse 228<br />
CH-8501 Frauenfeld<br />
Tel: 052 722 10 30<br />
Präsident:<br />
Peter Zimmermann<br />
Aktuar:<br />
Benjamin Reinhard<br />
Kassier:<br />
Reto Moser<br />
Vorstandsmitglied:<br />
Daniel Huser<br />
Arbeitsgruppen:<br />
Theatergruppe KORN<br />
Zürcherstrasse 228<br />
CH-8500 Frauenfeld<br />
Tel.: 052 722 10 30<br />
SAS / Bern<br />
Selbsthilfegruppe<br />
Angehörige von<br />
Strafgefangenen<br />
Gabrielle Hirt<br />
Tel.: 079 455 64 49<br />
reform<strong>91</strong>@gmx.ch<br />
PC: 50 – 1103-4<br />
9
• Hat die Justizdirektion des Kantons Aargau in der Verfügung zur bedingten<br />
Entlassung Urinproben (in der Drogenberatungsstelle oder einem Arzt)<br />
angeordnet?<br />
• Wie oft musste sich der Entlassene bei der Bewährungsstelle zu einem Gespräch<br />
melden? Wurden diese Gespräche eingehalten?<br />
• Hat der Bewährungsdienst mit dem Arbeitgeber koordiniert? Wusste der<br />
Bewährungsdienst von der fristlosen Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis?<br />
• Wurde die Justizdirektion des Kantons Aargau über den unguten Verlauf der<br />
bedingten Entlassung orientiert?<br />
Wenn ja – warum und weshalb hat man nicht Artikel 95 StGB (Gemeinsame<br />
Bestimmungen) angewendet:<br />
3 «<br />
Entzieht sich der Verurteilte der Bewährungshilfe oder missachtet er die Weisungen<br />
oder sind die Bewährungshilfe oder die Weisungen nicht durchführbar oder nicht<br />
mehr erforderlich, so erstattet die zuständige Behörde dem Gericht oder den<br />
Srtrafvollzugsbehörden Bericht.»<br />
Und:<br />
5<br />
Das Gericht kann in den Fällen nach Absatz 3 die bedingte Entlassung oder die<br />
Rückversetzung in den Straf- oder Massnahmenvollzug anordnen, wenn ernsthaft zu<br />
erwarten ist, dass der Verurteilte neu Straftaten begeht.<br />
Damit versuchen wir zu belegen, dass in diesem <strong>Fall</strong> in erster Linie die fragwürdige<br />
Bewährungshilfe und die noch fragwürdigere Praxis in der Aargauer Justiz beleuchtet<br />
werden muss.<br />
Die damalige Verurteilung von Daniel H. wurde im Massnahmenvollzug Arxhof nur<br />
teilweise vollzogen. Zu der Massnahme gehört auch die exakt vorgeschriebene<br />
Nachbetreuung. Dieses Element wurde offensichtlich vergessen oder sogar vernachlässigt.<br />
In diesem <strong>Fall</strong> kann es nicht um die Frage der nachträglichen Verwahrung gehen,<br />
sondern darum, wie die Nachbehandlung aus dem Massnahmenvollzug in der Praxis<br />
effizient umgesetzt wird. Eine professionelle Nachbetreuung/Therapie mit entsprechender<br />
Supervision gehören zur Rückfallprophylaxe!<br />
Mit freundlichen Grüssen<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong><br />
Peter Zimmermann<br />
10
Frauenfeld 15. März 2009<br />
Resolution<br />
Sehr geehrte Damen und Herren<br />
Einleitung<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong> ist eine Selbsthilfeorganisation von Strafgefangenen<br />
und Entlassenen, ein Verein nach Artikel 60ff ZGB mit Sitz in<br />
Frauenfeld. Unsere Organisation wurde am 31. März 1990 in der<br />
Strafanstalt Lenzburg gegründet. Beilage: Statuten.<br />
Forderung:<br />
Nach dem fürchterlichen Tötungsdelikt von Lucie Trezzini durch<br />
Daniel Hofmann fordern wir eine sofortige Reorganisation in<br />
der Bewährungshilfe im Kanton Aargau.<br />
Die praktizierte ‚Bewährungshilfe’ im Kanton Aargau ist – wie<br />
die letzten Erkenntnisse aufzeigen – in der Nachbetreuung von<br />
bedingt entlassenen Gewaltverbrechern schlicht und einfach<br />
überfordert.<br />
Begründung:<br />
Bei einer gekonnten Nachbetreuung von D.H. hätte wahrscheinlich<br />
das Tötungsdelikt an der 16jährigen Lucie verhindert werden<br />
können. Es ist bereits ersichtlich, dass D.H. bereits im Dezember<br />
2008 einen Absturz in die Drogen und Alkohol machte. Drei<br />
Monate stand D.H. im Rückstand mit der Wohnungsmiete. Am<br />
19. Februar 2009 blieb er von der Arbeit als Koch fern und am<br />
29. Februar hat ihm der Arbeitgeber die fristlose Kündigung<br />
geschrieben. Das Mitglied des Vereins Bewährungshilfe<br />
orientierte die zuständige Justizdirektion aber erst am 25. Februar<br />
2009 über den Drogenkonsum. Die ‚Warnung’ der Leitung aus<br />
dem Massnahmenzentrum Arxhof bei der Entlassung von Daniel<br />
H.: „Bei Drogenkonsum (Koks) könne D.H. gefährlich werden» hat<br />
man im Verein zur Bewährungshilfe des Kantons Aargau’ nicht<br />
gelesen oder einfach sehr naiv übergangen!<br />
Eine Einweisung in eine Suchtklinik wegen einer Verspätung<br />
zum Termin zwischen Klinkleitung und D.H. (der Suchtkranke hat<br />
angeblich den Standort der Klinik nicht gefunden….), wurde um<br />
eine Woche verschoben.<br />
Spätestens hier hätte die Bewährungshilfe – einen sofortigen<br />
FFE einleiten müssen. Damit wäre das sechzehnjährige Mädchen<br />
noch am Leben!<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong><br />
Zürcherstrasse 228<br />
CH-8501 Frauenfeld<br />
Tel: 052 722 10 30<br />
Präsident:<br />
Peter Zimmermann<br />
Aktuar:<br />
Benjamin Reinhard<br />
Kassier:<br />
Reto Moser<br />
Vorstandsmitglied:<br />
Daniel Huser<br />
Arbeitsgruppen:<br />
Theatergruppe KORN<br />
Zürcherstrasse 228<br />
CH-8500 Frauenfeld<br />
Tel.: 052 722 10 30<br />
SAS / Bern<br />
Selbsthilfegruppe<br />
Angehörige von<br />
Strafgefangenen<br />
Gabrielle Hirt<br />
Tel.: 079 455 64 49<br />
reform<strong>91</strong>@gmx.ch<br />
PC: 50 – 1103-4<br />
11
Wenn nun der Justizdirektor an der Pressekonferenz vom 12. März seine ‚Direktion’<br />
verteidigte und eine unabhängige Untersuchung in Aussicht stellte und darauf eine<br />
Informationssperre verhängte – so können wir die Reaktion von Herrn Regierungsrat Wernli,<br />
durchaus politisch aus seiner Sicht einordnen.<br />
Wir von der <strong>Reform</strong> <strong>91</strong> fordern aus prophylaktischen Massnahme eine ‚sofortige<br />
Reorganisation’ der Bewährungshilfe, (wir machen auf das Modell im Kanton Zürich<br />
aufmerksam), und wollen damit erreichen, dass sämtliche aus dem Straf- und<br />
Massnahmenvollzug entlassenen Gewaltdelinquenten aus dem Kanton Aargau, durch die<br />
zuständige Justizdirektion – und nicht durch einen sehr fragwürdigen Verein - erfasst und<br />
überprüft werden. Ein <strong>Fall</strong> Lucie Trezzini darf sich nicht wiederholen.<br />
Die Legislative und somit die Oberaufsicht über den Straf- und Massnahmenvollzug ist jetzt<br />
gefordert!<br />
Mit freundlichen Grüssen<br />
Benjamin Reinhard Gabrielle Hirt Peter Zimmermann<br />
Aktuar SAS-Leiterin Präsident<br />
VERTRAUEN IST GUT<br />
KONTROLLE IST BESSER<br />
(Karl Marx)<br />
12
Gesamt Bundesrat<br />
Bundeskanzlei<br />
3001 Bern<br />
Frauenfeld, 17. März 2009<br />
Petition<br />
Gestützt auf Artikel 33 BV<br />
Sehr geehrter Herr Präsident<br />
Sehr geehrte Damen uns Herren<br />
Einleitung<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong> ist eine Selbsthilfeorganisation von Strafgefangenen<br />
und Entlassenen, ein Verein nach Artikel 60ff ZGB. Unsere<br />
Organisation wurde am 31. März 1990 in der Strafanstalt<br />
Lenzburg gegründet und hat eine Mitgliederzahl von 136<br />
Personen. 2/3 der Mitglieder sind in Untersuchungshaft oder im<br />
Straf- oder Massnahmenvollzug<br />
Forderung/Bitte<br />
Nach der Einsetzung der neuen Bestimmungen im Strafrecht im<br />
Jahr 2007 kommen in der Praxis einige Lücken zum Vorschein.<br />
Wir bitten den Bundesrat – den Kantonen eine Frist – für die<br />
neuen Bestimmungen anzuordnen.<br />
Insbesondere zielen wir auf Artikel 61 StGB. (Massnahme<br />
für junge Erwachsene) Mit Blick auf Artikel 62a 3 kann die<br />
zuständige Behörde eine ‚sofortige’ Rückversetzung lediglich<br />
beim zuständigen Gericht beantragen. Die Strafvollzugsorgane<br />
müssen die Möglichkeit haben, in ‚Notfällen’ sofort reagieren zu<br />
können. Hier braucht es eine dringende Gesetzesänderung!<br />
Begründung<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong> braucht kaum mehr auf die Lücken der Aargauer Justiz<br />
mit dem angeschlossenen ‚Verein für Bewährungshilfe’ im <strong>Fall</strong><br />
D.H. aufmerksam zu machen.<br />
• Es ist unter anderem unverständlich, dass der junge<br />
Erwachsene D.H. vor der Entlassung nicht durch einen<br />
‚neutralen Forensiker’ begutachtet wurde?<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong><br />
Zürcherstrasse 228<br />
CH-8501 Frauenfeld<br />
Tel: 052 722 10 30<br />
Präsident:<br />
Peter Zimmermann<br />
Aktuar:<br />
Benjamin Reinhard<br />
Kassier:<br />
Reto Moser<br />
Vorstandsmitglied:<br />
Daniel Huser<br />
Arbeitsgruppen:<br />
Theatergruppe KORN<br />
Zürcherstrasse 228<br />
CH-8500 Frauenfeld<br />
Tel.: 052 722 10 30<br />
SAS / Bern<br />
Selbsthilfegruppe<br />
Angehörige von<br />
Strafgefangenen<br />
Gabrielle Hirt<br />
Tel.: 079 455 64 49<br />
reform<strong>91</strong>@gmx.ch<br />
PC: 50 – 1103-4<br />
13
• Der Gesetzgeber hat die Problematik der gegenwärtigen Insassen einer<br />
Institution für junge Erwachsene zuwenig durchdacht. Wenn ein Anstaltdirektor<br />
in den Entlassungspapieren festhält, der zu Entlassene ‚könne beim Konsum<br />
von harten Drogen wieder rückfällig werden’ – so sind dies Alarmzeichen sonder<br />
gleichen signalisiert. D.h. bei der bedingten Entlassung aus der Massnahme von<br />
D.H. wäre vorerst eine Einweisung in ein sog. anerkanntes Wohnheim notwendig<br />
gewesen.<br />
Das Wohn- Externat vom Arxhof genügte nicht – und wird von<br />
Organisation als reine Kosmetik beurteilt.<br />
unserer<br />
• In Artikel 93 StGB 1 kann man nachlesen:<br />
‚Mit der Bewährungshilfe sollen die betreuten Personen vor Rückfälligkeit<br />
bewahrt und sozial integriert werden. Die für die Bewährungshilfe zuständige<br />
Behörde leistet und vermittelt die hierfür erforderliche Sozial- und Hilfeleistung.’<br />
Das sind ja sehr schöne Gesetzestexte!<br />
Durch die zwingende Entlassung von D.H. hat man aber nicht nur der kantonalen<br />
Justiz, sondern auch der Bevölkerung so quasi ein ‚faules juristisches Ei’ gelegt.<br />
• Fasst man nun alle Mosaik-Steine zusammen, scheint es für unsere Organisation<br />
‚zwingend’, dass der Bund sehr schnell die Oberaufsicht über den schweizerischen<br />
Strafvollzug insbesondere bei der bedingten Entlassung übernimmt.<br />
Die Praxis hat sich in den letzten Jahren im Vollzug durch die<br />
Konkordatsbestimmungen recht gut eingependelt. In der Nachbetreuung<br />
– eben in der so genannten bedingten Entlassung besteht aber nach wie vor ein<br />
föderalistisches Durcheinander.<br />
Hier drängt sich nach Ansicht der <strong>Reform</strong> <strong>91</strong> eine Oberaufsicht des Bundes<br />
geradezu auf.<br />
Schon 1942 bei der Einsetzung des Strafgesetzbuches hat man den Kantonen<br />
eine 10jährige Frist für die Umsetzung eingeräumt.<br />
• Wenn der Leiter der Bewährungshilfe gegenüber den Medien erklärt: „Die Justiz<br />
sei eine reine Baustelle’ so rufen wir jetzt einfach den Polier auf die Baustelle.<br />
Mit freundlichen Grüssen<br />
<strong>Reform</strong> <strong>91</strong><br />
Gabrielle Hirt<br />
Leiterin SAS<br />
Peter Zimmermann<br />
Präsident<br />
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X-tausend Menschen trauterten um Lucie<br />
Das hätte verhindert werden<br />
können!<br />
!<br />
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Gefährlich ist‘s, denn Leu zu wecken,<br />
verderblich ist des Tigers Zahn;<br />
Jedoch der Schrecklichste der Schrecken,<br />
das ist der Mensch in seinem Wahn.<br />
(Schiller Gedicht , das Lied der Glocke)<br />
Grafik Gabrielle Hirt<br />
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