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Ein Energiebündel auf Kufen

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<strong>Ein</strong> <strong>Energiebündel</strong><br />

<strong>auf</strong> <strong>Kufen</strong><br />

corinne kürschner gehört zur nationalen spitze im eiskunstl<strong>auf</strong>en.<br />

die herisauerin trainiert täglich mehrere<br />

stunden und besucht die kantonsschule in trogen. die<br />

teilnahme an olympischen spielen nennt sie selbstbewusst<br />

als realistisches ziel.<br />

In der Hocke oder in <strong>auf</strong>rechter<br />

Haltung und schwindelerregend<br />

schnell dreht sich Corinne Kürschner<br />

um ihre eigene Achse. Ihre<br />

Schlittschuhe kratzen enge Spiralen<br />

ins Eis des Herisauer Sportzentrums.<br />

Die Pirouetten, welche der<br />

Trainer von der Sportlerin verlangt,<br />

tragen Namen wie Steinpilz-,<br />

Iglowstein- oder Bugs-Bunny-Pirouette.<br />

Als Nächstes läuft die 16-<br />

Jährige die <strong>Ein</strong>gangspassage ihrer<br />

Kür, nimmt kurz die Korrekturen<br />

des Trainers entgegen und versucht<br />

diese, in einem zweiten<br />

Durchgang umzusetzen.<br />

«Ich war schon immer ein <strong>Energiebündel</strong>»,<br />

sagt Corinne Kürschner.<br />

Viereinhalbjährig war sie, als sie<br />

<strong>auf</strong> der Eisbahn in Glarus erstmals<br />

Eiskunstläufern zusah und sich<br />

mit den Worten «Mami, das will<br />

ich auch machen», für diesen Sport<br />

entschied. Sie sei fasziniert gewesen,<br />

welch elegante und schwungvolle<br />

Bewegungen und Figuren <strong>auf</strong><br />

so dünnen <strong>Kufen</strong> gel<strong>auf</strong>en werden<br />

können, erinnert sie sich. Privatlehrer<br />

Urs Streule entdeckte ihr Talent,<br />

und so ging Corinne statt in<br />

den Kindergarten ins Training, wo<br />

sie spielerisch eine schöne L<strong>auf</strong>technik<br />

lernte. «Ich bin ein Typ,<br />

der sehr schnell Bewegungen nachmachen<br />

kann. Zudem habe ich die<br />

Fähigkeit, Emotionen mit meiner<br />

Körpersprache zu vermitteln», beschreibt<br />

Corinne Kürschner ihr<br />

Talent. Vor bald sechs Jahren zogen<br />

die Kürschners von Glarus<br />

nach Herisau, seither wird die Eiskunstläuferin<br />

von Jochen Iglowstein<br />

betreut. Er ist seit 32 Jahren<br />

Trainer beim Eisl<strong>auf</strong>verein Herisau<br />

und Umgebung. Sein Schützling<br />

habe grosses Potenzial, sei talentiert,<br />

willig und fleissig. Er sagt:<br />

«Corinne ist eine komplette Läuferin<br />

mit starken Sprüngen, viel Ausdruck<br />

und schönen Pirouetten.»<br />

2006 war für Corinne Kürschners<br />

sportliche Karriere ein wegweisendes<br />

Jahr. Im Januar gewann sie an<br />

den nationalen Titelkämpfen der<br />

Junioren die Bronzemedaille und<br />

im April absolvierte sie den Goldtest.<br />

Letzteres berechtigt sie zum<br />

Wechsel zur Elite, wobei sie noch<br />

zwei Jahre bei den Junioren l<strong>auf</strong>en<br />

dürfte. «Corinne hat das Zeug,<br />

sich bei der Elite in den ersten vier<br />

Rängen zu platzieren», sagt Trainer<br />

Jochen Iglowstein. Dies kann<br />

die Herisauerin allerdings erst in<br />

einem Jahr unter Beweis stellen.<br />

«Ganz oder gar nicht», lautet nämlich<br />

ihr Motto. Sie hätte nur einen<br />

Viertel ihrer Leistung abrufen<br />

können, deshalb habe sie Anfang<br />

Dezember schweren Herzens <strong>auf</strong><br />

ihren ersten Start bei einer Elite-<br />

SM verzichtet. <strong>Ein</strong>e Entzündung<br />

im Fuss hinderte sie daran, Sprünge<br />

– ihr Markenzeichen – zu absolvieren.<br />

«An der Schweizer Meisterschaft<br />

nur mitzuzotteln, wäre<br />

nicht in Frage gekommen», sagt<br />

Corinne Kürschner, «denn ich bin<br />

eine leidenschaftliche Springerin.»<br />

Rittberger, Axel, Flip und<br />

Lutz beherrscht sie mit doppelter<br />

Drehung, den Salchow und den<br />

Touloup springt sie sogar dreifach.<br />

Doch vorerst muss sie sich im Training<br />

<strong>auf</strong>grund ihrer Entzündung<br />

<strong>auf</strong> Schrittfolgen und Pirouetten<br />

beschränken. Um wieder schmerzfrei<br />

l<strong>auf</strong>en zu können, liess sie sich<br />

von einem Orthopäden einen Aufbau<br />

für die Sohlen ihrer Schlittschuhe<br />

fertigen.<br />

Normalerweise sei sie ein Wettkampftyp,<br />

immer voll <strong>auf</strong> Draht<br />

und mit einer positiven Anspannung.<br />

Zur Vorbereitung höre sie<br />

ihre Musik und lasse vor dem in-


Fotos: Daniel Ammann<br />

Corinne Kürschner<br />

wirbelt bei<br />

ihren Pirouetten<br />

übers Eis.


neren Auge ihr Programm abl<strong>auf</strong>en,<br />

und auch das Schminken sei<br />

ein wichtiger Akt: «Dann wird mir<br />

die Wettkampfsituation bewusst<br />

und ich kann meine Konzentration<br />

sammeln.» Manchmal l<strong>auf</strong>e<br />

sie zu sehr <strong>auf</strong> Sicherheit, kritisiert<br />

sie sich selbst. Wenn sie ein gutes<br />

Gefühl <strong>auf</strong> dem Eis habe, könne<br />

sie sich hingegen steigern. <strong>Ein</strong> Eiskunstl<strong>auf</strong>-Wettkampf<br />

setzt sich<br />

aus dem Kurzprogramm und der<br />

Kür zusammen. Jochen Iglowstein<br />

erstellt das technische Rohgerüst<br />

ihrer Programme. Beim Feinschliff<br />

helfen die Mutter, sie ist eine ehemalige<br />

Balletttänzerin, sowie ein<br />

Choreograf mit. «Die Kür muss ein<br />

Teil von mir werden», sagt die<br />

Sportlerin. Im Training wiederhole<br />

sie den Abl<strong>auf</strong> deshalb unzählige<br />

Male. Dies fördere gleichzeitig<br />

ihre Kondition, dauert die Kür zur<br />

irischen Musik «Lord of the Dance»<br />

doch gut vier Minuten. Das Kurzprogramm<br />

besteht aus neun vorgeschriebenen<br />

Elementen, die in<br />

knapp drei Minuten gezeigt werden<br />

müssen. Hier hat sich die Herisauerin<br />

für die Flamenco-Musik<br />

«Zorro» entschieden. Bewusst<br />

wählte sie kontrastreiche Stilrichtungen,<br />

wobei sie in beiden Wettkampfteilen<br />

ihre Leidenschaft fürs<br />

Tanzen ausleben kann. Die Kostüme<br />

– ein roter Rock fürs Kurzprogramm<br />

und ein schwarzer Anzug<br />

für die Kür – hat Corinne Kürschner<br />

selbst entworfen und dann<br />

schneidern lassen.<br />

Seit dem vergangenen Sommer besucht<br />

sie die Kantonsschule in Trogen.<br />

Als Mitglied der Sportschule<br />

Appenzellerland geniesst sie Unterstützung,<br />

die sich beispielsweise<br />

in einer flexiblen Stundenplangestaltung<br />

zeigt. Da sie täglich<br />

zwei bis drei Stunden in Herisau<br />

trainiert, ist die junge Sportlerin<br />

<strong>auf</strong> die Transportdienste ihrer<br />

Mutter angewiesen. Der Aufwand<br />

sei mit dem Schulwechsel grösser<br />

Das Bewegungstalent<br />

hat die<br />

Fähigkeit, Emotionen<br />

mit ihrer<br />

Körpersprache zu<br />

vermitteln.<br />

geworden. Zeit für Hobbys bleibt<br />

der 16-Jährigen kaum. Sie lese<br />

sehr gerne, höre Musik und spiele<br />

mit ihrer Ratte «Sanshu». Es brauche<br />

viel <strong>Ein</strong>satz, um Schule, Haus<strong>auf</strong>gaben<br />

und Training unter einen<br />

Hut zu bringen.<br />

Corinne Kürschner hat klare Ziele<br />

vor Augen und sagt selbstbewusst:<br />

«Im Eiskunstl<strong>auf</strong> liegt meine Zukunft.»<br />

Sie hofft dar<strong>auf</strong>, an grossen<br />

Wettkämpfen teilnehmen zu<br />

können und könnte sich auch<br />

vorstellen, später Trainerin zu<br />

werden. Die Schweizer Meisterschaften<br />

2006 hat sie zwar verpasst,<br />

doch in der zweiten Saisonhälfte<br />

will sie bei diversen Wettkämpfen<br />

«voll <strong>auf</strong> Angriff fahren».<br />

Auch längerfristig hat sich die Herisauerin<br />

einiges vorgenommen:<br />

«In vier Jahren an den Olympischen<br />

Spielen in Vancouver mitzul<strong>auf</strong>en,<br />

ist mein Traum und ein<br />

realistisches Ziel, das zu erreichen<br />

mit viel Arbeit verbunden ist.» mc

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