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Bionomie der Insekten niederrheinischer Sandbiotope, № 1 - 2007 ...

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Ameisenlöwen (Insecta: Myrmeleontidae)<br />

<strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong> - Teil 1<br />

Mitteilungen aus dem Entomologischen Verein Krefeld , Vol. 2 (<strong>2007</strong>)<br />

ISSN 1865-9365<br />

12 - <strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong> <strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong> - 1


<strong>Bionomie</strong>* <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong> - Teil 1<br />

Ameisenlöwen (Insecta: Myrmeleontidae)<br />

Martin Sorg & Heinz Schwan<br />

Mitteilungen aus dem Entomologischen Verein Krefeld, Vol. 2 (<strong>2007</strong>)<br />

Zitiervorschlag:<br />

Sorg, M. & H. Schwan (<strong>2007</strong>): <strong>Bionomie</strong>* <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>,<br />

Teil 1: Ameisenlöwen (Insecta: Myrmeleontidae).- Mitteilungen aus dem Entomologischen<br />

Verein Krefeld, <strong>2007</strong>(2): 1-12.<br />

Herausgeber:<br />

Entomologischer Verein Krefeld e.V., gegründet 1905<br />

c/o Entomologische Sammlungen Krefeld; Marktstraße 159; 47798 Krefeld<br />

URL: http://www.entomologica.de<br />

eMail: post@entomologica.de<br />

© <strong>2007</strong> UWM, Verlag für Unterrichts- und Wissenschaftsmedien, Krefeld.<br />

Text und Abbildungen dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb<br />

<strong>der</strong> engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages<br />

unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />

und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

ISSN 1865-9365<br />

Abbildungsnachweis:<br />

Alle Fotografien Entomologischer Verein Krefeld, M. Sorg.<br />

Titelbild:<br />

Sandbiotop am Nie<strong>der</strong>rhein, Larve eines Ameisenlöwen.<br />

Rückseite: Sand-Segge (Carex arenaria) nach Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé: Flora von<br />

Deutschland, Österreich und <strong>der</strong> Schweiz 1885, Gera, Germany.<br />

Die Herausgabe dieser Broschüre wurde geför<strong>der</strong>t durch die Nordrhein-Westfalen-Stiftung<br />

Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege.<br />

2 - <strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong><br />

*1 <strong>Bionomie</strong>: Wissenschaft von den<br />

Gesetzen des Lebens, von griechisch<br />

bios „Leben“ und nomos „Gesetz“.<br />

• Projektion von Filmmaterial o<strong>der</strong> „live“ - Projektionen aus Beobachtungsgefäßen.<br />

• Studien zur Fanggrubenanlage und Bewegungsabläufen.<br />

• Sandwurftechniken, Beutefang und „Abfallbeseitigung“.<br />

• Anpassungen an das Mikroklima <strong>der</strong> „heißen“ <strong>Sandbiotope</strong>.<br />

• Sinnesleistungen und speziell angepasste Sinnesorgane.<br />

• Funktionen im Lebensraum, Stellung in Nahrungsnetzen und Wechselbeziehungen<br />

mit an<strong>der</strong>en Arten.<br />

Die Bildungsangebote für Schulen erfolgen in Anpassung an die jeweiligen Lehrpläne <strong>der</strong><br />

Jahrgänge für die Sekundarstufen I und II.<br />

5. Literatur<br />

Gepp, J. & H. Hölzel (1996): Ameisenlöwen und Ameisenjungfern - Myrmeleonidae.-<br />

Neue Brehm-Bücherei. Bd 589. Westarp-Wiss., Magdeburg.<br />

Mansell, M. W. (1999): Evolution and success of antlions (Neuropterida: Neuroptera,<br />

Myrmeleontidae).- Stapfia, Linz 60: 49-58.<br />

Miller, R.B. & L. A. Stange (1985): Description of the antlion larva Navasoleon boliviana<br />

Banks with biological notes (Neuroptera; Myrmeleontidae).- Neuroptera International,<br />

3: 119-126.<br />

Mansell, M.W. (1988): The pitfall trap of the Australian ant-lion Callistoleon illustris<br />

(Gerstaecker) (Neuroptera: Myrmeleontidae): an evolutionary advance.- Australian<br />

Journal of Zoology. 36: 351-356.<br />

Kevan D. K. McE. (1991) : Antlion ante Linné: Μυρμηκολεων to Myrmeleon (Insecta:<br />

Neuroptera: Myrmeleonidae). In: Current Research in Neuropterology. Proceedings of the<br />

Fourth International Symposium on Neuropterology. Bagnères-de-Luchon Fra 1991. eds.<br />

M. Canard, H. Aspöck, and M. W. Mansell. SACCO, Toulouse Fra 1992, 203-232.<br />

Kontaktadresse<br />

Fragen zum Thema, Besuch und Ausleihe <strong>der</strong> Ausstellung, Durchführung von Seminaren,<br />

Exkursionen, Unterricht und Unterrichtsbegleitung.<br />

Entomologischer Verein Krefeld e.V.<br />

c/o Entomologische Sammlungen<br />

Marktstraße 159; 47798 Krefeld<br />

eMail: post@entomologica.de<br />

Tel.: 02845 1694; 0172 8013056<br />

<strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong> - 11


ehandelt und einfach wie<strong>der</strong> aus dem<br />

Fangtrichter geschleu<strong>der</strong>t.<br />

Ameisenlöwen durchlaufen einen Entwicklungszyklus<br />

mit drei weitgehend<br />

gleichartigen Larvenstadien. Für die gesamte<br />

Entwicklung benötigen die mitteleuropäischen<br />

Arten wie die bei uns<br />

heimische Gemeine Ameisenjungfer (Myrmeleon<br />

formicarius) und die Gefleckte<br />

Ameisenjungfer (Euroleon nostras) meist<br />

zwei Jahre.<br />

Der Ameisenlöwe überwintert in <strong>der</strong> Regel<br />

zweimal und verpuppt sich dann im Frühling<br />

im Sand in einem Gespinstkokon, <strong>der</strong><br />

aussen mit feinen Sandkörnchen beklebt<br />

ist. Noch im gleichen Frühjahr öffnet die<br />

Puppe mit ihren Mundwerkzeugen den<br />

Kokon, schiebt sich mit dem Vor<strong>der</strong>körper<br />

heraus und das Insekt, die Ameisenjungfer,<br />

kann ausschlüpfen.<br />

4. Fortbildung<br />

Im Rahmen unseres Fortbildungsangebotes<br />

können die Dateils zum Verhalten, dem<br />

Körperbau, <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Anpassungen<br />

<strong>der</strong> Ameisenlöwen sowohl im Freiland, als<br />

auch im Seminarraum „erlebt“ werden.<br />

Aktionen in den angebotenen Kursen beinhalten:<br />

• Beobachtungen im Freiland und Arbeitsraum.<br />

• Einsatz von Lupen, Stereomikroskopen<br />

und Mikroskopen.<br />

• Formen und Funktionen nachvollziehen.<br />

• Fähigkeiten und Leistungen <strong>der</strong> Arten<br />

durch Experimente verstehen.<br />

• Hilfsmittel zur Erstellung von Zeichnungen.<br />

Abb. 11 - Geflügelte Ameisenjungfern - das Fortpflanzungsstadium<br />

<strong>der</strong> Ameisenlöwen.<br />

10 - <strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung 3<br />

2. <strong>Sandbiotope</strong> am Nie<strong>der</strong>rhein 5<br />

3. Biologie <strong>der</strong> Ameisenlöwen 6<br />

4. Fortbildung 10<br />

5. Literatur 11<br />

1. Einleitung<br />

Der Entomologische Verein Krefeld möchte mit<br />

einer kleinen Serie von Broschüren auf die interessanten<br />

<strong>Insekten</strong>arten <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>rheinischen Silikatmagerrasen,<br />

Sandheiden und ähnlicher Biotoptypen<br />

aufmerksam machen. Die hierzu vermittelten<br />

Informationen sollen in allgemein verständlicher<br />

Form ausgewählte Gruppen <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> auch als<br />

Thema für Fortbildungsveranstaltungen<br />

darstellen. Zu den Einzelthemen bietet<br />

<strong>der</strong> Entomologische Verein Krefeld<br />

Lehrveranstaltungen, Exkursionen und<br />

weiteres Schulungsmaterial, insbeson<strong>der</strong>e<br />

für Bildungsträger in <strong>der</strong> Region<br />

Nie<strong>der</strong>rhein an.<br />

Eine Anzahl von Arten <strong>der</strong> <strong>Sandbiotope</strong><br />

sind in beson<strong>der</strong>em Maße geeignet,<br />

spezielle Anpassungen und Verhaltensweisen<br />

<strong>der</strong> Arten auch selbst zu beobachten.<br />

Dies kann bei einer Exkursion<br />

schon am Wegrand entsprechend geeigneter<br />

Gebiete erfolgen.<br />

Abb. 1 - Oben: Silbergras (Corynephorus<br />

canescens) als Charakterart <strong>der</strong> Silikatmagerrasen<br />

mit tiefer Verwurzelung im trockenen<br />

Sandboden.<br />

Unten: Sandweg am Waldrand zwischen<br />

angrenzenden Flugsanddünen, Heidekraut<br />

(Calluna vulgaris), Offensandflecken und<br />

einer von vielen <strong>Insekten</strong>arten <strong>der</strong> <strong>Sandbiotope</strong><br />

besiedelten Wegsohle.<br />

<strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong> - 3


Die lückige Vegetation entlang solcher „Sandwege“ erleichtert das Erkennen <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong><br />

und gestattet bei den Teilen <strong>der</strong> für die Öffentlichkeit zugänglichen Wege auch einen Besuch<br />

in Naturschutzgebieten. Über unser Angebot zu Exkursionsführungen, Begleitung<br />

o<strong>der</strong> Durchführung von Unterrichtsveranstaltungen für Schulen und an<strong>der</strong>e Bildungsträger<br />

erhalten sie Auskunft über die genannten Kontaktadressen.<br />

Für die Unterstützung <strong>der</strong> Herstellung <strong>der</strong> ersten Serie dieser Broschüren und auch <strong>der</strong><br />

Anschaffung mancher Untersuchungsgeräte bedanken wir uns bei <strong>der</strong> Nordrhein-Westfalen-Stiftung<br />

Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege. Die Broschüren können zum Herstellungspreis<br />

von Bildungsträgern angefor<strong>der</strong>t werden. Darüber hinaus sind sie online als<br />

druckfähige PDF-Dateien verfügbar. Die Serie wird auf ehrenamtlicher Basis von Mitglie<strong>der</strong>n<br />

des Vereins fortlaufend aktualisiert und ergänzt. Sie wird künftig als „Print-on-Demand“<br />

sowie in angepasstem Layout als E-Book mit den ergänzend möglichen, medientypischen<br />

Eigenschaften <strong>der</strong> PDF-Dateien (Portable Document Format) verfügbar sein.<br />

2. <strong>Sandbiotope</strong> am Nie<strong>der</strong>rhein<br />

Lebensräume auf Sandböden gehören<br />

zu den faszinierendsten Biotopen.<br />

Viele Tiere und Pflanzen, die<br />

sich an diesen Biotoptyp angepasst<br />

haben, können Hungerperioden<br />

und Wasserarmut mit beson<strong>der</strong>en<br />

Techniken überdauern. Viele zeigen<br />

auch raffinierte Methoden im Beutefang,<br />

<strong>der</strong> Tarnung, Energieersparnis<br />

und dem Umgang mit dem Sand als<br />

Medium für das Überleben. Es sind<br />

die kargen Bedingungen auf und im<br />

nährstoffarmen, im Sommer heißen<br />

Sand, die diese Anpassungen im<br />

Laufe <strong>der</strong> Evolution hervorgebracht<br />

haben. Die Beschäftigung mit den<br />

Arten <strong>der</strong> <strong>Sandbiotope</strong> eröffnet uns<br />

einen Einblick in eine Welt mit beson<strong>der</strong>s<br />

interessanten Arten.<br />

Offene <strong>Sandbiotope</strong> mit ihren ureigenen<br />

Artenspektren werden immer<br />

seltener. In den letzten Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

sind sie um mehr als 90%<br />

ihrer ursprünglichen Ausdehnung<br />

geschrumpft. Dieser Rückgang hat<br />

schon sehr viele <strong>der</strong> typischen Arten<br />

<strong>der</strong> <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>der</strong> Silikatmagerrasen<br />

und Sandheiden auf die Roten<br />

Listen <strong>der</strong> bestandsgefährdeten Arten<br />

gedrängt.<br />

Abb. 2 - Übergänge zu lichten Waldbiotopen, offene<br />

Sandflächen und Silikatmagerrasen, Sandheide und<br />

nährstoffarme Heideweiher. In dieser Konstellation artenreiche<br />

Lebensgemeinschaften <strong>der</strong> hier lebenden, speziell<br />

angepaßten Arten.<br />

4 - <strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong><br />

sten Gegenstände von etwa dem 10-fachen seiner Körpermasse „beför<strong>der</strong>t“ werden.<br />

Der „Lateralwurf “ von etwa <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Trichterwand seitwärts nach außen<br />

funktioniert noch Fremdkörpern von <strong>der</strong> 5-8-fachen Masse <strong>der</strong> Ameisenlöwen.<br />

• Mit dem „Tangentialwurf “ aus halber Höhe über den Körper kann „nur“ noch ein<br />

Fremkörper von etwa <strong>der</strong> 5-fachen Masse <strong>der</strong> Larven geschleu<strong>der</strong>t werden.<br />

Die Ameisenlöwen sind als Lauerjäger<br />

darauf angewiesen, eine<br />

sich nähernde Beute auch wahrzunehmen,<br />

wenn sich diese dem<br />

Fangtrichter nähert. Mit ihren<br />

Sinneshärchen (Rezeptoren) auf<br />

den Borstenhöckern des mittleren<br />

und hinteren Brustabschnittes<br />

registrieren sie die Beuteinsekten<br />

schon aus einer Entfernung<br />

von 5-8cm. Handelt es sich um<br />

größere Tieren, die eine Gefahr<br />

für den Ameisenlöwen darstellen<br />

könnten, gräbt er sich sofort in<br />

tiefere Sandschichten ein.<br />

Gelangt jedoch ein Beuteinsekt<br />

„passen<strong>der</strong> Größe“ in den Trichter,<br />

wird sein Weiterrutschen<br />

durch gezielte und auch nicht<br />

ausgerichtete Sandwürfe geför<strong>der</strong>t.<br />

Ist ein Beuteinsekt an <strong>der</strong> Trichtermitte<br />

angekommen wird es<br />

mit den Kieferzangen gepackt<br />

und teilweise o<strong>der</strong> vollständig<br />

in den Sand hineingezogen. Die<br />

Spitzen <strong>der</strong> Kieferzangen stechen<br />

in die Ansatzstellen <strong>der</strong><br />

Körpersegmente <strong>der</strong> Beute, die<br />

über eine Injektion durch den<br />

Abb. 10 - Ameisenlöwe in historischer Darstellung, verän<strong>der</strong>t<br />

nach A. J. Roesel von Rosenhof, Nürnberg, Raspe,<br />

1746 - 1761.<br />

Giftkanal <strong>der</strong> Kieferzangen gelähmt wird. Der Verzehr <strong>der</strong> Beuteinsekten beginnt durch<br />

eine Einspritzung von Verdauungsenzymen wobei die Innereien <strong>der</strong> Beute zu einer aufsaugbaren<br />

Masse aufgelöst werden. Nach dem Aussaugen verbleibt von den Beuteinsekten<br />

nur noch die Chitinhülle, die dann aus dem Trichter hinausgeworfen wird.<br />

Ameisen sind nicht die einzigen Beutetiere <strong>der</strong> Ameisenlöwen, viele Arten von Glie<strong>der</strong>füßern<br />

können als Nahrung dienen. Zu groß dürfen sie allerdings nicht sein, auch nicht zu<br />

stark gepanzert und auch nicht so klein, das sie mit den Kiefernzangen nicht mehr richtig<br />

ergriffen werden können. Eine ganz wesentliche Eigenschaft müssen die Beutetiere allerdings<br />

besitzen, sie müssen sich bewegen - denn leblose Tiere werden wie ein Fremdkörper<br />

<strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong> - 9


Ameisenlöwen ca. 15 Minuten. Begonnen wird mit einem kreisförmigen Rückwärtsgraben<br />

und anschließenden Spiralen, wobei <strong>der</strong> entstandene Graben nach innen erweitert wird.<br />

Ständiges Aufwerfen des Sandes aus dem zentralen Bereich führt zu einem ersten Trichter,<br />

<strong>der</strong> noch eine Erhebung in <strong>der</strong> Mitte aufweist. Wenn <strong>der</strong> Ameisenlöwe mit seiner in Spiralen<br />

zur Mitte fortlaufenden Tätigkeit diese erreicht hat, beendet er seine Fortbewegung und<br />

wirft nur noch von <strong>der</strong> Mitte den nachrutschenden Sand aus dem Trichter in verschiedene<br />

Richtungen heraus.<br />

Der Trichter funktioniert als<br />

„Fanggrube“ gemäß <strong>der</strong> physikalischen<br />

Voraussetzungen des<br />

örtlichen Sandes. Die Steigung<br />

<strong>der</strong> Trichterwände und damit<br />

die maximal mögliche Steilheit<br />

entspricht dem Reibungswinkel<br />

des verwendeten „Baustoffes“ .<br />

An <strong>der</strong> Trichterwand liegende<br />

Fremdkörper, wie z.B. Reste von<br />

Beutetieren, pflanzliche Partikel<br />

etc. , bringen den maximal möglichen<br />

Neigungswinkel aus dem<br />

Gleichgewicht und verursachen<br />

ein Abrutschen des Sandes. Darüber<br />

hinaus bietet <strong>der</strong> Fangtrichter enorme mikroklimatische Vorteile durch den Schattenwurf<br />

auf die Mitte <strong>der</strong> Trichtergrube.<br />

Oft sind die Sandkörner nicht gleich groß. In solchen Fällen verursacht <strong>der</strong> Ameisenlöwe<br />

eine „Fraktionierung“ <strong>der</strong> Korngrößen. Aufgrund des Luftwi<strong>der</strong>standes werden feinere<br />

Körner nicht so weit fortgeschleu<strong>der</strong>t wie gröbere und daher in <strong>der</strong> Nähe des Trichters und<br />

vor allem an den Trichterwänden angereichert. Hierdurch entstehen auch in inhomogenen<br />

Sanden gut „funktionierende“, glatte und gleichmäßige Fangtrichter.<br />

Die Größe <strong>der</strong> Fangtrichter hängt von vielen Faktoren ab. Neben dem Larvenstadium - und<br />

damit <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Larven sind<br />

dies u.a. die Körnung <strong>der</strong> Sande,<br />

die Umgebungstemperatur, die<br />

Störungsintensität, Ernährungssituation<br />

und Populationsdichte.<br />

Der Ameisenlöwe verfügt über<br />

mehrere, verschiedene Wurftechniken,<br />

um Fremdstoffe verschiedener<br />

Masse aus seiner<br />

Trichteranlage zu entfernen.<br />

• Beim „Radialwurf “ wird von<br />

<strong>der</strong> Mitte des Trichters aus<br />

nach Hinten über den Körper<br />

geworfen. Hiermit können<br />

die größten bzw. schwer-<br />

Abb. 8 - Fraktionierung <strong>der</strong> Sandpartikel durch den Auswurf.<br />

(Verän<strong>der</strong>t nach Gepp & Hölzel 1996).<br />

Abb. 9 - Schattenzonen im Fangtrichter zu verschiedenen<br />

Tageszeiten. (Verän<strong>der</strong>t nach Gepp & Hölzel 1996).<br />

8 - <strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong><br />

Abb. 3 - Ohne die „Störungen“ durch Beweidung, Viehtritt o<strong>der</strong> Brand überdecken oft Becherflechten<br />

und Moospolster den Sandboden und verhin<strong>der</strong>n eine Besiedlung <strong>der</strong> auf offene Sandflächen<br />

angewiesenen <strong>Insekten</strong>.<br />

Heute gibt es viele Bemühungen, diesen negativen Trend aufzuhalten. Um aber einen effektiven<br />

Schutz zu gewährleisten, ist es notwendig zu wissen:<br />

• Welche Arten in welchen Teillebensräumen<br />

überhaupt vorkommen.<br />

• Wie ihre Anspruchsprofile aussehen.<br />

• In welcher Abhängigkeit sie untereinan<strong>der</strong><br />

stehen (Nahrungsnetze, Wechselbeziehungen<br />

etc.).<br />

• Welche Schlüsselarten die Grundlage für<br />

die Existenz an<strong>der</strong>er Arten o<strong>der</strong> Artengruppen<br />

gewährleisten.<br />

• Welche natürlichen wie künstlichen, dynamischen<br />

Vorgänge in den Ökosystemen<br />

von Bedeutung sind.<br />

Abb. 4 - Heute sind unsere „Flugsanddünen“ nicht<br />

mehr in Bewegung. Ein Auftreten von Offensandflächen<br />

durch „Störungen“ ist daher ein wichtiger<br />

Aspekt für die seltenen Spezialisten <strong>der</strong> Flugsanddünen.<br />

<strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong> - 5


Zu den beson<strong>der</strong>s auffälligen Arten<br />

<strong>der</strong> <strong>Sandbiotope</strong> zählen die Ameisenlöwen.<br />

Sie benötigen für ihren<br />

Fangtrichterbau den trockenen,<br />

lockeren Sand. Ihre Fangtrichter<br />

sind daher vor allem am Fuß von<br />

Böschungen und unter schützenden<br />

Wurzeln anzutreffen.<br />

3. Biologie <strong>der</strong> Ameisenlöwen<br />

Ameisenlöwen nennt man die Larven<br />

<strong>der</strong> Ameisenjungfern (Myrmeleontidae).<br />

Diese <strong>Insekten</strong>gruppe zählt zu <strong>der</strong><br />

Ordnung <strong>der</strong> Netzflügler. Der evolutionäre<br />

Erfolg <strong>der</strong> Ameisenlöwen<br />

beruht überwiegend auf <strong>der</strong><br />

Lebensweise <strong>der</strong> Larven, die hierdurch<br />

eine neue ökologische Nische<br />

erschlossen haben. Die beson<strong>der</strong>e<br />

Anpassung ist dabei <strong>der</strong> Beutefang<br />

mit selbst gegrabenen Trichtern im<br />

trockenen, lockeren Sandboden.<br />

Abb. 6 - Kopf eines Ameisenlöwen mit den großen<br />

Kiefernzangen für den Beutefang und Sandwurf.<br />

Abb. 5 - Trichter <strong>der</strong> Ameisenlöwen an geschützter Stelle<br />

im trockenen, lockeren Sandboden.<br />

6 - <strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong><br />

Die Ameisenlöwen waren aufgrund ihrer<br />

beson<strong>der</strong>s auffälligen Verhaltensmuster<br />

bereits lange vor <strong>der</strong> systematischen, entomologischen<br />

Forschung bekannt. Bei den<br />

Ameisenlöwen fallen sofort die großen,<br />

gebogenen Kieferzangen auf, die fast so<br />

lang sind wie <strong>der</strong> übrige Kopf. Sie tragen<br />

auf <strong>der</strong> Innenseite kräftige Zähne (Greifdornen)<br />

und außerdem zahlreiche Borsten.<br />

Diese Kieferzangen bestehen aus den<br />

Oberkiefern und den darunter, in einer<br />

Ausbuchtung <strong>der</strong> Oberkiefer liegenden,<br />

viel schmaleren Unterkiefern. Der Raum<br />

zwischen Ober- und Unterkiefer bildet<br />

einen Saugkanal, den einzigen Zugang zur<br />

Mundhöhle. Innerhalb <strong>der</strong> Unterkiefer<br />

verläuft ein Giftkanal, <strong>der</strong> an eine Giftdrüse<br />

im Kopf angeschlossen ist.<br />

Der Hinterleib dieser Larven besteht aus zehn Segmenten und trägt an den Seiten Borstenhöcker<br />

und Haare, am Körperende Stemmborsten. Das letzte Segment ist in <strong>der</strong> Regel in<br />

den Körper verlagert und als fingerförmiger Spinntubus ausstülpbar. Aus dem Spinntubus<br />

erfolgt die Abgabe einer Spinnseide zur Fertigung des Kokons.<br />

Die speziell entwickelten Beutefang-Werkzeuge waren die Grundlage für die Erweiterung<br />

des Artenspektrums potentieller<br />

Beutetiere und <strong>der</strong> Lebensweise<br />

als Lauerjäger. Die spezielle Ernährungsweise<br />

schließt das Eindringen<br />

von Sand ins Körperinnere aus.<br />

Neben dem Beutezugriff, <strong>der</strong> Giftinjektion<br />

und dem Aussaugen <strong>der</strong><br />

Beute erfüllen die Kieferzangen jedoch<br />

noch eine weitere Funktion -<br />

sie dienen als „Wurfschaufel“ für den<br />

Sandwurf beim Graben <strong>der</strong> Trichter<br />

und dem Fang <strong>der</strong> Beute.<br />

Nur wenige <strong>Insekten</strong>gruppen haben,<br />

wie die meisten Ameisenlöwen, eine<br />

<strong>der</strong>art extreme Anpassung an die<br />

Existenz in offenen, sonnenexponierten<br />

Sandflächen erfahren. Die<br />

Herstellung eines Trichters für den<br />

Abb. 7 - Ameisenlöwe beim Eingraben in den Sand.<br />

Beutefang setzt allerdings die Beherrschung<br />

mehrerer Bewegungsabläufe<br />

voraus:<br />

• Setzt man einen Ameisenlöwen auf den Sandboden, dann beginnt er sofort sich rückwärts<br />

bewegend in den Sand einzugraben. Der Schub <strong>der</strong> Rückwärtsbewegung erfolgt<br />

über das 2. und 3. Beinpaar und wird durch die Bewegung und Krümmung des Hinterleibes<br />

und seine nach vorn gerichteten Borsten unterstützt. Der Ameisenlöwe verschwindet<br />

so in wenigen Sekunden im Sand.<br />

• Sucht <strong>der</strong> Ameisenlöwe einen neuen Standort für seinen Trichterbau, so bewegt er sich<br />

rückwärts horizontal unter <strong>der</strong> Sandoberfläche. Ohne Abwärtskrümmung des Hinterleibes<br />

und durch Ausstrecken des dritten Beinpaares, Anheben des Hinterleibes und<br />

Strecken des zweiten Beinpaares schiebt sich <strong>der</strong> Ameisenlöwe durch den Sand. Hierbei<br />

entsteht eine typische Kriechspur, eine Furche mit bei<strong>der</strong>seits aufgehäuftem Sand.<br />

Mit diesem Bewegungsmuster kann <strong>der</strong> Ameisenlöwe - für seine Körpergröße - beachtliche<br />

Strecken, auch über 100m zurücklegen.<br />

• Beson<strong>der</strong>s aufsehenerregend ist die Wurftätigkeit dieser <strong>Insekten</strong>larven. Die Wurfbewegung<br />

erfolgt durch ruckartiges Zurückwerfen des Kopfes mit den Kieferzangen. Dies<br />

kann in verschiedenen Winkeln erfolgen und die so geworfenen Sandkörner werden bis<br />

zu 30cm durch die Luft geschleu<strong>der</strong>t.<br />

Der Trichterbau ist ein komplexes Verhaltensmuster, für seine Konstruktion benötigen die<br />

<strong>Bionomie</strong> <strong>der</strong> <strong>Insekten</strong> nie<strong>der</strong>rheinischer <strong>Sandbiotope</strong>, <strong>№</strong> 1 - <strong>2007</strong> - 7

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