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Investitionsstandort Niederlande – Juristische und ... - Loyens & Loeff

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<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

<strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> serie


<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> - <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong><br />

Steuerliche Aspekte<br />

Redakteur<br />

Tom Claassens<br />

Ausgabe 2011<br />

<strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> Serie


© <strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> N.V. 2011<br />

Auf den Inhalt dieses Buches sollte sich nicht verlassen werden <strong>und</strong> auf Basis des Inhalts<br />

dieses Buches sollten keine Entscheidungen getroffen werden. <strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> N.V. <strong>und</strong><br />

jegliche Person, die an der Erstellung dieses Buches beteiligt war, sind nicht haftbar für die<br />

Ergebnisse oder jegliche Handlungen, die auf Basis der Informationen aus diesem Buch<br />

vorgenommen werden, inklusive Irrtümer <strong>und</strong> Unterlassungen.<br />

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buchs darf ohne vorherige schriftliche Erlaubnis<br />

von <strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> N.V. reproduziert, in einem Datenabfragesystem gespeichert oder<br />

in irgendeiner Form oder auf irgendeine Art <strong>und</strong> Weise elektronisch, maschinell, durch<br />

Fotokopien, Aufzeichnungen oder anderweitig veröffentlicht werden.


Einleitung<br />

Zweck dieses Hefts ist es, ausländischen Investoren <strong>und</strong> ihren Beratern gr<strong>und</strong>legende<br />

Kenntnisse über die wichtigsten Aspekte des niederländischen Wirtschaftsrechts zu<br />

vermitteln <strong>und</strong> ihnen die Kommunikation mit ihren Rechtsanwälten in den <strong>Niederlande</strong>n zu<br />

erleichtern. Selbstverständlich kann dieses Dokument nicht das gesamte niederländische<br />

Wirtschaftsrecht erklären. Die hierin enthaltenen Angaben sind vereinfacht <strong>und</strong><br />

verallgemeinert.<br />

Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich Gesetze immer wieder ändern <strong>und</strong> dass dieses<br />

Heft das zur Zeit der Veröffentlichung geltende Gesetz darstellt. Bitte holen Sie im Einzelfall<br />

fachmännischen Rat ein. Die Rechtsanwälte von <strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> N.V. stehen hierfür gerne<br />

zur Verfügung <strong>und</strong> wir freuen uns auf eine Zusammenarbeit mit Ihnen.<br />

Zuletzt möchte ich mich bei den folgenden Personen für ihre Beiträge zu dieser<br />

Veröffentlichung bedanken: Jorn van Beckhoven, Jan Blommers, Tom Claassens<br />

(Redakteur), Marc Custers, Nico van Dijk, Irene Groenland, Pjotr van Heemskerk,<br />

Kitty Lieverse, Albertine Mazzola, Reink van der Spek, Wies Verstraaten,<br />

Jacobijn Voûte-Zevenbergen <strong>und</strong> Vincent Vroom. Ihre Sachkenntnis <strong>und</strong> Erfahrung sind in<br />

vielen Abschnitten dieses Dokuments zu erkennen.<br />

Maarten van der Weijden<br />

Geschäftsführender Partner <strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> N.V.


I N H A L T<br />

1. Rechtsformen 10<br />

1.1 Einführung 10<br />

1.2 Die wichtigsten Unterschiede zwischen der NV <strong>und</strong> der BV 10<br />

1.3 Gründung einer NV oder einer BV 11<br />

1.3.1 Gründer 11<br />

1.3.2 Gründungsverfahren 11<br />

1.3.3 Aktienregister 13<br />

1.3.4 Anmeldung 12<br />

1.3.5 Transaktionen vor der Gründung 13<br />

1.4 Satzung 14<br />

1.4.1 Allgemeines 14<br />

1.4.2 Name, Namenssuche 14<br />

1.4.3 Offizieller Sitz <strong>und</strong> eingetragene Adresse 14<br />

1.4.4 Geschäftszwecke 15<br />

1.4.5 Anteilskapital 15<br />

1.5 Anteile 16<br />

1.5.1 Anteilsarten 16<br />

1.5.2 Bezahlung von Anteilen 16<br />

1.5.3 Übertragung von Anteilen 17<br />

1.6 Unternehmensorgane 18<br />

1.6.1 Allgemeines 18<br />

1.6.2 Vorstand 18<br />

1.6.3 Aktionärshauptversammlung 20<br />

1.6.4 Aufsichtsrat 21<br />

1.6.5 Monistische Unternehmensführung 21<br />

1.7 Jahresabschlüsse 21<br />

1.8 Liquidierung 23<br />

1.8.1 Allgemeines 23<br />

1.8.2 Das Standardverfahren 23<br />

1.8.3 „Beschleunigte“ Liquidierung <strong>und</strong> „Turbo“-Liquidierung 25<br />

1.9 Niederländisches Personengesellschaftsrecht 26<br />

1.9.1 Allgemeine Merkmale 26<br />

1.9.2 Rechtliche Anforderungen 27<br />

1.9.3 Gründung <strong>und</strong> Führung einer niederländischen Personengesellschaft 27<br />

1.9.4 Kapital, Vermögen <strong>und</strong> Jahresabschluss einer niederländischen<br />

Personengesellschaft 28<br />

1.9.5 Änderungen am niederländischen Personengesellschaftsrecht 29<br />

4 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


2. Verschiedene Unternehmensfragen 31<br />

2.1 Einführung 31<br />

2.2 Haftung von Mitgliedern des Vorstands <strong>und</strong> Aufsichtsrats 31<br />

2.2.1 Allgemeines 31<br />

2.2.2 Interne Haftung, d. h. Haftung der Vorstände dem Unternehmen gegenüber 31<br />

2.2.3 Haftung bei Insolvenz (Drittes Missbrauchsgesetz) 32<br />

2.2.4 Irreführende Geschäftsabschlüsse, Jahres- <strong>und</strong> Zwischenabschlüsse 33<br />

2.2.5 Haftung für Steuerschulden, Rentenbeiträge <strong>und</strong> Pensionsfondsbeiträge<br />

(Zweites Missbrauchsgesetz) 33<br />

2.2.6 Delikthaftung 33<br />

2.2.7 Eintragung im Handelsregister <strong>und</strong> Bezahlung von Anteilen 34<br />

2.2.8 Haftung bei juristischer Person als Vorstand 34<br />

2.3 Haftung von Anteilsinhabern für die Schulden eines Unternehmens 34<br />

2.3.1 Allgemeines 34<br />

2.3.2 Hauptregel <strong>und</strong> Ausnahmen 34<br />

2.4 Ultra Vires 35<br />

2.4.1 Allgemeines 35<br />

2.4.2 Ultra Vires bei der Ausstellung von Sicherheiten 36<br />

2.5 403-Haftungserklärung 36<br />

3. Die wichtigsten Aufsichtsbehördlichen <strong>und</strong> Kartellbestimmungen 38<br />

3.1 Einführung 38<br />

3.2 Die wichtigsten aufsichtsbehördlichen Bestimmungen 38<br />

3.2.1 Bestimmungen über ausländische Investitionen 38<br />

3.2.2 Berichterstattungspflicht 38<br />

3.2.3 Sorgfaltspflicht in Bezug auf K<strong>und</strong>en 39<br />

3.2.4 Finanzaufsichtsgesetz 40<br />

3.2.5 Sonstige Bestimmungen <strong>und</strong> Vorschriften 41<br />

3.3 Nationale Kartellfragen 41<br />

3.3.1 Allgemeines 41<br />

3.3.2 Wettbewerbsvereinbarungen 42<br />

3.3.3 Wirtschaftliche Beherrschung 43<br />

3.3.4 Fusionskontrolle 43<br />

3.3.5 Vollstreckung 45<br />

4. Steuerfragen 46<br />

4.1 Einführung 46<br />

4.2 Persönliche Einkommenssteuer 46<br />

4.2.1 Allgemeines 46<br />

4.2.2 Feld 1: Steuerpflichtiges Einkommen aus Arbeit <strong>und</strong> Wohneigentum 47<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

5


4.2.3 Feld 2: Steuerpflichtiges Einkommen aus erheblicher Beteiligung 48<br />

4.2.4 Feld 3: Steuerpflichtiges Einkommen aus Sparanlagen <strong>und</strong> Investitionen 49<br />

4.3 Lohnsteuereinbehaltung 49<br />

4.3.1 Allgemeines 49<br />

4.3.2 Die 30 %-Regel 49<br />

4.4 Körperschaftssteuer 50<br />

4.4.1 Allgemeines 50<br />

4.4.2 Innovationsfeld 52<br />

4.4.3 Beteiligungsfreistellung 52<br />

4.4.4 Steuerliche Organschaft 53<br />

4.4.5 Fusionen 54<br />

4.4.6 Vorabklarstellungen durch die Steuerbehörden 54<br />

4.4.7 Anreizbestimmungen 54<br />

4.5 Quellensteuer 55<br />

4.5.1 Dividenden 55<br />

4.5.2 Zinsen <strong>und</strong> Lizenzgebühren 56<br />

4.6 Mehrwertsteuer 56<br />

4.6.1 Allgemeines 56<br />

4.6.2 Steuerpflichtige Personen 56<br />

4.6.3 Steuerbemessungsgr<strong>und</strong>lage 56<br />

4.6.4 Freistellungen 57<br />

4.6.5 Steuersätze 57<br />

4.6.6 MWSt. auf importierte Waren 57<br />

4.7 Importzölle 58<br />

4.7.1 Allgemeines 58<br />

4.8 Übertragungssteuer 58<br />

4.9 Internationale Aspekte der Besteuerung in den <strong>Niederlande</strong>n 69<br />

4.9.1 Vermeidung der Doppelbesteuerung 59<br />

4.9.2 Niederländische Steuerabkommen 60<br />

5. Arbeitsrecht 62<br />

5.1 Einführung 62<br />

5.2 Arbeitsvertrag 62<br />

5.2.1 Das Bestehen eines Arbeitsvertrags 62<br />

5.2.2 Anwendbares Recht 63<br />

5.2.3 Laufzeit <strong>und</strong> Arbeitszeit 64<br />

5.2.4 Probezeiten 64<br />

5.2.5 Konkurrenzverbot 65<br />

5.3 Lohn, Urlaub <strong>und</strong> andere Nebenleistungen 65<br />

5.3.1 Lohn <strong>und</strong> Urlaubsgeld 65<br />

6 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


5.3.2 Urlaub 66<br />

5.3.3 Gewinnbeteiligung <strong>und</strong> Aktienoptionspläne 67<br />

5.3.4 Krankengeld 67<br />

5.3.5 Andere Vergütung 68<br />

5.4 Aufenthaltsgenehmigung <strong>und</strong> Arbeitserlaubnis 68<br />

5.5 Tarifverträge 70<br />

5.6 Kündigung 71<br />

5.6.1 Kündung eines einzelnen Arbeitsvertrags 71<br />

5.6.2 Umstrukturierung 76<br />

5.6.3 Arbeitgebersteuer auf Frührentenzahlungen 76<br />

5.7 Mitbestimmung, Betriebsrat 76<br />

5.8 Diskriminierung 80<br />

5.8.1 Allgemeine Gleichbehandlung 80<br />

5.8.2 Geschlechtsdiskriminierung 80<br />

5.8.3 Sexuelle Belästigung 81<br />

5.8.4 Altersdiskriminierung 81<br />

5.8.5 Verpflichtung zur Beschäftigung von Behinderten 82<br />

5.9 Verschiedenes 82<br />

5.9.1 Streiks <strong>und</strong> Werksbesetzungen 82<br />

5.9.2 Gerichtssystem 83<br />

5.9.3 Beweislast 84<br />

6. Handelsagenturen, Vertriebspartnerschaften <strong>und</strong> Franchisen 85<br />

6.1 Einführung 85<br />

6.2 Handelsagentur 85<br />

6.2.1 Definition 85<br />

6.2.2 Allgemeines 85<br />

6.2.3 Kündigung 86<br />

6.2.4 Kartellgesetze 87<br />

6.3 Vertriebspartnerschaft 88<br />

6.3.1 Definition 88<br />

6.3.2 Allgemeines 88<br />

6.3.3 Kündigung 88<br />

6.3.4 Kartellgesetze 90<br />

6.4 Franchisen 91<br />

6.4.1 Definition 91<br />

6.4.2 Allgemeines 91<br />

6.4.3 Kartellgesetze 91<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

7


7. Rechte an geistigem Eigentum 92<br />

7.1 Einführung 92<br />

7.2 Patente 92<br />

7.2.1 Anmeldung 92<br />

7.2.2 Patentierbarkeit 92<br />

7.2.3 Dauer 93<br />

7.2.4 Übertragung, Lizenzierung 93<br />

7.2.5 Bestimmungen über Arbeitnehmer 93<br />

7.2.6 Europäische Patentkonvention 94<br />

7.2.7 Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens 94<br />

7.2.8 EG-Vertrag 94<br />

7.3 Marken 94<br />

7.3.1 Anmeldung 94<br />

7.3.2 Schutz für Modelle <strong>und</strong> Entwürfe 95<br />

7.3.3 Außerkraftsetzung <strong>und</strong> Ablauf 96<br />

7.3.4 Dauer 96<br />

7.3.5 Übertragung, Lizenzierung 96<br />

7.3.6 Kollektivmarken 97<br />

7.3.7 Gemeinschaftsmarken 97<br />

7.4 Urheberrecht 98<br />

7.4.1 Weder Eintragung noch formale Anforderungen 98<br />

7.4.2 Schutz für Modelle <strong>und</strong> Entwürfe 98<br />

7.4.3 Dauer 98<br />

7.4.4 Übertragung, Lizenzierung 99<br />

7.4.5 Bestimmungen über Arbeitnehmer 99<br />

7.4.6 Verschiedenes 99<br />

7.5 Schutz für Modelle <strong>und</strong> Entwürfe 99<br />

7.5.1 Anmeldung 99<br />

7.5.2 Schutz für Modelle <strong>und</strong> Entwürfe 100<br />

7.5.3 Außerkraftsetzung <strong>und</strong> Ablauf 100<br />

7.5.4 Dauer 101<br />

7.5.5 Übertragung, Lizenzierung 101<br />

7.5.6 Bestimmungen über Arbeitnehmer 101<br />

7.5.7 Urheberrecht 101<br />

7.5.8 Gemeinschaftsentwürfe 101<br />

7.6 Durchsetzung von Rechten an geistigem Eigentum 102<br />

8. Raumplanung <strong>und</strong> Umwelt 104<br />

8.1 Einführung 104<br />

8.1.1 Gesetzesrahmen 104<br />

8.1.2 EU-Gesetze 104<br />

8 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


8.1.3 Gesetzliche Trends 105<br />

8.1.4 PRTR-Bericht 105<br />

8.1.5 Bestimmte Umweltaspekte 105<br />

8.2 Umweltgenehmigungen <strong>und</strong> Bebauungspläne 106<br />

8.2.1 Allgemeines 106<br />

8.2.2 Umweltgenehmigungsverfahren 106<br />

8.2.3 Abwassergenehmigung 109<br />

8.2.4 Übertragbarkeit von Umweltgenehmigungen 109<br />

8.2.5 Umweltverträglichkeitsprüfung 109<br />

8.2.6 Vogel- <strong>und</strong> Lebensraumrichtlinie, Natura 2000-Gebiete 110<br />

8.2.7 Sonstige Schutzgebiete 110<br />

8.3 Boden- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wasserverschmutzung 110<br />

8.3.1 Allgemeines 110<br />

8.3.2 Schweregrad <strong>und</strong> Dringlichkeit 111<br />

8.3.3 Sanierungskosten 111<br />

8.4 Asbest 112<br />

9. Zahlungsunfähigkeit 113<br />

9.1 Einführung 113<br />

9.2 Arten von Insolvenzverfahren 113<br />

9.3 Eröffnung eines Insolvenzverfahrens 114<br />

9.3.1 Einführung 114<br />

9.3.2 Insolvenzverwalter 114<br />

9.4 Insolvenzverfahren 114<br />

9.5 Rechte von Gläubigern 115<br />

9.5.1 Einführung 115<br />

9.5.2 Gläubiger mit besicherten Forderungen 116<br />

9.5.3 Gläubiger mit Vorzugsrecht 117<br />

9.5.4 Gläubiger mit unbesicherten Forderungen 117<br />

9.5.5 Vermögensgläubiger 117<br />

9.6 Beendigung des Insolvenzverfahrens <strong>und</strong> Verteilung des Erlöses 117<br />

9.6.1 Einführung 117<br />

9.6.2 Einstellung 118<br />

9.6.3 Liquidierung 118<br />

9.6.4 Schließung 119<br />

9.6.5 Vergleich 119<br />

9.7 Zahlungsaufschub (Moratorium) 119<br />

9.8 Betrügerische Übertragung (Actio Pauliana) 121<br />

9.8.1 Betrügerische Übertragung während oder vor der Insolvenz 121<br />

9.8.2 Betrügerische Übertragung außerhalb von Insolvenzverfahren 122<br />

9.8.3 Die Insolvenzverordnung 123<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

9


1. Rechtsformen<br />

1.1 Einführung<br />

Eine Frage, die bei der Gründung eines Unternehmens in den <strong>Niederlande</strong>n beantwortet<br />

werden muss, ist welche Rechtsform die Firma haben soll. Es ist (z. B. aus Kostengründen)<br />

möglich, keine separate juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft<br />

zu gründen <strong>und</strong> stattdessen über eine Zweigniederlassung zu arbeiten. Die meisten<br />

ausländischen Investoren entscheiden sich jedoch für eine separate juristische Person oder<br />

eine Personengesellschaft. Zwar gibt es andere mögliche Rechtsformen für Unternehmen,<br />

die häufigsten sind jedoch:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

die öffentliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung (naamloze vennootschap oder<br />

‚NV‘) <strong>und</strong><br />

die private Gesellschaft mit beschränkter Haftung (besloten vennootschap met<br />

beperkte aansprakelijkheid oder ‚BV‘).<br />

Weil die NV <strong>und</strong> BV bei der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zur Anwendung kommen,<br />

werden wir uns hier vor allem mit diesen beiden Formen des holländischen Wirtschaftsrechts<br />

befassen. Dieses Heft behandelt nicht die gesetzlichen Bestimmungen im Zusammenhang<br />

mit einer bestimmten Art Großunternehmen mit zweistufigem Status (structuurvennootschap),<br />

d. h. einem Unternehmen, das in drei aufeinander folgenden Jahren die folgenden Kriterien<br />

erfüllt: (i) Es verfügt über Aktienkapital von mehr als einem bestimmten Betrag (derzeit<br />

16.000.000 €); (ii) es beschäftigt in den <strong>Niederlande</strong>n mehr als 100 Mitarbeiter; <strong>und</strong> (iii) es<br />

verfügt über einen Betriebsrat.<br />

Im Kapitel 1.9 weiter unten sind die wichtigsten Aspekte des Personengesellschaftsrechts<br />

kurz beschrieben.<br />

1.2 Die wichtigsten Unterschiede zwischen der NV <strong>und</strong> der BV<br />

Die Rechtsform der NV wird mehr für börsennotierte Unternehmen verwendet sowie für<br />

Unternehmen, die im Bank- oder Versicherungsgeschäft tätig sind, sie ist jedoch nicht auf<br />

diese Zwecke beschränkt. BVs sind meistens in privater Hand. Diese Rechtsform wird häufig<br />

für kleinere Unternehmen oder für Konzern-Holdings bzw. für finanzielle Zwecke verwendet.<br />

Aufgr<strong>und</strong> einer wichtigen Gesetzesänderung im Bezug auf die BV, die voraussichtlich im Laufe<br />

des Jahres 2011 in Kraft treten wird, werden sich die Unterschiede zwischen der NV <strong>und</strong> der<br />

10 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


BV, die bisher nur in Einzelheiten bestanden, maßgeblich vergrößern. Weil die Rechtsform<br />

der NV primär für Aktiengesellschaften mit vielen Anteilsinhabern bestimmt ist, unterliegt sie<br />

den europäischen Harmonisierungsvorschriften für Aktiengesellschaften. Deshalb können<br />

ihre Unternehmensstruktur <strong>und</strong> ihre Satzung nicht so flexibel an die Anforderungen von<br />

Anteilsinhabern angepasst werden wie die der BV. Bei der NV gelten bestimmte Regeln für<br />

die ordnungsgemäße Abhaltung von Hauptversammlungen als Körperschaft allgemein <strong>und</strong><br />

konkret in Bezug auf die Ausübung von Stimmrechten durch die Aktionäre. Darüber hinaus<br />

unterliegt die NV bestimmten Kapitalschutzregeln, wie z. B. Mindestkapitalvoraussetzungen<br />

<strong>und</strong> gewissen formalen Vorschriften für die Bezahlung von Aktien, den Aktienrückkauf,<br />

Finanzhilfe <strong>und</strong> die Auszahlung von Dividenden <strong>und</strong> Rücklagen. Nach den bald in Kraft<br />

tretenden neuen Gesetzen ist die BV ein flexibleres Instrument <strong>und</strong> unterliegt nur wenigen<br />

Regeln in Bezug auf den Kapitalerhalt <strong>und</strong> die Möglichkeit, Vereinbarungen zwischen den<br />

Anteilsinhabern im Gesellschaftsvertrag festzulegen. Bei der BV wird es zum Beispiel<br />

ausdrücklich erlaubt sein, im Gesellschaftsvertrag Pflichten von Anteilsinhabern festzuhalten,<br />

die über die Bezahlung von Anteilen hinausgehen. Weil die BV hauptsächlich ein Instrument<br />

für einen geschlossenen Aktionärskreis darstellt, kann sie nur Namensaktien ausgeben.<br />

Inhaberaktien sind nicht zulässig.<br />

Die steuerliche Behandlung eines Unternehmens hängt nicht ausschließlich davon ab, ob<br />

es sich um eine NV oder eine BV handelt.<br />

1.3 Gründung einer NV oder einer BV<br />

1.3.1 Gründer<br />

Die Gründer einer NV oder einer BV, bei denen es sich um eine oder mehrere natürliche<br />

<strong>und</strong>/oder juristische Personen handeln kann, können jede Staatszugehörigkeit haben <strong>und</strong><br />

an jedem Ort ansässig sein. Die Gründer können durch eine schriftliche Vollmacht bei der<br />

Gründung vertreten sein. Die Gründer können aber müssen nicht die ersten Aktionäre des<br />

Unternehmens sein. In diesem Kapitel werden die ersten Aktionäre als „Gründer“ bezeichnet,<br />

um sie von den Aktionären im Allgemeinen zu unterscheiden.<br />

1.3.2 Gründungsverfahren<br />

Ein Unternehmen wird durch Ausfertigung eines notariellen Körperschaftsvertrags (akte van<br />

oprichting) durch einen Notar (notaris) gegründet. Dieser Körperschaftsvertrag beinhaltet<br />

die Satzung (statuten). Nach der Gründung kann die Satzung nur durch eine notarielle<br />

Änderungsurk<strong>und</strong>e geändert werden.<br />

Wahrscheinlich wird ab dem 1. Juli 2011 zur Gründung einer NV oder BV oder zur Änderung<br />

der Satzung keine vorherige Genehmigung durch das Justizministerium in Form einer<br />

Zustimmungserklärung (verklaring van geen bezwaar) mehr notwendig sein.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

11


Bei der Gründung einer NV muss zum Gründungszeitpunkt zusätzlich ein Kontoauszug<br />

zum Beleg der Zahlung der Mindestkapitaleinlage (bei Barzahlung) oder eine Beschreibung<br />

des Beitrags <strong>und</strong> eine Wirtschaftsprüfungsbescheinigung einer derartigen Zahlung (bei<br />

Sachleistung) vorgelegt werden (siehe Abschnitt 1.5.2). Das Mindestkapital einer NV beträgt<br />

45.000,00 €, während für die BV zurzeit ein Mindestkapital von 18.000,00 € vorgeschrieben<br />

ist. Nach den neuen Gesetzen zur BV wird dieser Betrag auf 1 Eurocent reduziert. Wenn<br />

die Zahlung für Anteile an einer BV als Sachleistung erfolgen soll, ist eine Beschreibung<br />

der beigesteuerten Vermögenswerte <strong>und</strong> eine Bestätigung durch einen Wirtschaftsprüfer<br />

erforderlich. Nach den neuen Gesetzen über BVs wird eine derartige Bestätigung durch<br />

einen Wirtschaftsprüfer nicht mehr erforderlich sein.<br />

Der Körperschaftsvertrag kann ausgefertigt werden, sobald dem Notar alle erforderlichen<br />

Dokumente vorliegen.<br />

Der Körperschaftsvertrag muss in niederländischer Sprache verfasst sein <strong>und</strong> etabliert<br />

das Unternehmen als separate juristische Person. Es ist jedoch zu beachten, dass<br />

Vorstandsmitglieder nach Unterzeichnung des Körperschaftsvertrags <strong>und</strong> vor Eintragung<br />

im Handelsregister der Handelskammer (siehe Absatz 1.3.4 unten) für alle Handlungen<br />

im Namen des Unternehmens persönlich haften. Es ist daher dringend zu empfehlen,<br />

von Handlungen im Namen des Unternehmens abzusehen, bevor ein Auszug aus dem<br />

Handelsregister als Beweis für die Eintragung des Unternehmens im Handelsregister vorliegt.<br />

1.3.3 Aktienregister<br />

Wenn das Unternehmen Namensaktien verwendet, was bei der BV immer der Fall ist <strong>und</strong><br />

bei der NV der Fall sein kann, muss das Unternehmen ein Aktienregister führen.<br />

Bei der Unternehmensgründung fertigt ein Notar ein Aktienregister an. Das Aktienregister<br />

sollte vom Vorstand (bestuur) in der Geschäftsstelle des Unternehmens geführt werden.<br />

Es muss die Namen <strong>und</strong> Adressen aller Aktionäre, die Art <strong>und</strong> Anzahl der von diesen<br />

jeweils gehaltenen Aktien, die Stückelung <strong>und</strong> das Ausgabedatum der Aktien, den für jede<br />

Aktie eingezahlten Betrag sowie Pfandrechte <strong>und</strong> andere Belastungen enthalten. Bei allen<br />

Änderungen an den oben genannten Informationen muss das Register aktualisiert werden.<br />

Alle Einträge <strong>und</strong> Änderungen müssen durch den Vorstand oder im Namen des Vorstands<br />

gegengezeichnet werden.<br />

1.3.4 Anmeldung<br />

Spätestens acht Tage nach der Gründung müssen bestimmte Informationen über das<br />

Unternehmen im Handelsregister der Handelskammer des Bezirks, in dem sich die Adresse<br />

des Firmensitzes (d. h. der Hauptgeschäftssitz) befindet, eingetragen werden. Beglaubigte<br />

Kopien des Körperschaftsvertrags <strong>und</strong> des Kontoauszugs sowie der Wirtschaftsprüfungs<br />

12 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


escheinigung(en) müssen hinterlegt werden. Während des Zeitraums von der Gründung<br />

bis zur ordnungsgemäßen Eintragung im Handelsregister der Handelskammer sind die<br />

Vorstandsmitglieder neben dem Unternehmen gesamtschuldnerisch für alle rechtlichen<br />

Handlungen im Namen des Unternehmens haftbar. Dementsprechend ist es empfehlenswert,<br />

die Eintragung sobald wie möglich nach Abschluss der Gründung vornehmen zu lassen.<br />

Unternehmen sind verpflichtet, Informationen über ihre Vorstände, Aufsichtsräte <strong>und</strong> ggf.<br />

bevollmächtigten Vertreter einzureichen. Im Falle der letzteren müssen diese Informationen<br />

auch den Umfang ihrer Vollmacht beinhalten. Wenn alle ausgegebenen <strong>und</strong> im Umlauf<br />

befindlichen Aktien des Unternehmens von einer einzigen natürlichen oder juristischen<br />

Person gehalten werden, müssen außerdem bestimmte Informationen über diesen<br />

Alleingesellschafter eingetragen werden.<br />

Die Einreichung muss auch eine Schätzung der vom Unternehmen im Zusammenhang<br />

mit der Gründung zu tragenden Kosten (Kapitalsteuern, Notar- <strong>und</strong> Beratergebühren usw.)<br />

beinhalten. Für Zweigstellen gelten separate Registrierungsvorschriften.<br />

1.3.5 Transaktionen vor der Gründung<br />

Niederländische Unternehmen können vor der Gründung vertragliche Vereinbarungen<br />

eingehen, vorausgesetzt, dass das Unternehmen sich in der Gründung befindet <strong>und</strong> als<br />

derzeit in Gründung befindliches Unternehmen (in oprichting oder ‚i.o.‘) bezeichnet wird.<br />

Während dieser Phase wird der Name <strong>und</strong> Status des Unternehmens wie folgt angegeben:<br />

‚__ N.V. i.o.‘ oder ‚__ B.V. i.o.‘<br />

Nach niederländischem bürgerlichem Recht können Personen, die sich als vertragsberechtigt<br />

für das Unternehmen ausgeben, Verträge im Namen des Unternehmens i.o. unterzeichnen<br />

<strong>und</strong> Drittparteien können sich hierauf verlassen, sofern die nachstehenden Bedingungen<br />

erfüllt sind. Alle Personen, die rechtliche Handlungen im Namen des Unternehmens i.o.<br />

vollziehen, haften gesamtschuldnerisch für die betreffende Handlung, bis diese vom<br />

Unternehmen ratifiziert ist, sofern in der entsprechenden Vollmacht nichts Gegenteiliges<br />

festgelegt ist. Diese Ratifizierung kann in den Körperschaftsvertrag aufgenommen oder<br />

durch einen Vorstandsbeschluss nach der Gründung vollzogen (oder auch durch Handeln<br />

konkludent) werden.<br />

Auch im Falle von ratifizierten Handlungen bleiben die Personen, die im Namen des<br />

Unternehmens i.o. gehandelt haben, gesamtschuldnerisch haftbar für die Verluste von<br />

Dritten, wenn ihnen bekannt war, oder ihnen nach billigem Ermessen hätte bekannt sein<br />

müssen, dass das Unternehmen seinen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Wenn<br />

das Unternehmen binnen einem Jahr nach Gründung zwangsliquidiert wird, wird dieses<br />

Wissen vorausgesetzt. Außerdem berührt diese Nichtfreistellung von der Haftung nicht die<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

13


Haftung der Vorstände des Unternehmens für die Ratifizierung von Transaktionen, die das<br />

Unternehmen nicht ausüben konnte.<br />

1.4 Satzung<br />

1.4.1 Allgemeines<br />

Die Satzung enthält die Bestimmungen, denen das Unternehmen nach der Gründung<br />

unterliegt. Die wichtigsten Erwägung bei der Anfertigung der Satzung sind die folgenden:<br />

1.4.2 Name, Namenssuche<br />

Der voraussichtliche Name oder Handelsname des Unternehmens sollte sich ausreichend von<br />

bereits bestehenden eingetragenen <strong>und</strong> nicht eingetragenen Handelsnamen unterscheiden<br />

<strong>und</strong> in der Öffentlichkeit keinen Anlass zur Verwechslung geben.<br />

Um zu gewährleisten, dass der voraussichtliche Name keine bestehenden Namensrechte<br />

verletzt bzw. mit bestehenden Namen im Konflikt steht, sollte eine Namenssuche im<br />

Handelsregister der Handelskammer durchgeführt werden. Gegen Zahlung einer geringen<br />

Gebühr können gleichzeitig drei verschiedene Namen bei der Handelskammer eingereicht<br />

werden. Auf Anfrage kann gleichzeitig eine Untersuchung über die mögliche Verletzung von<br />

beim Benelux-Markenamt eingetragenen Marken eingeleitet werden (siehe Abschnitt 7.3<br />

weiter unten). Auf Antrag kann der Handelsname auch als Marke beim Benelux-Markenamt<br />

eingetragen werden.<br />

Der Name des Unternehmens muss unverwechselbar <strong>und</strong> darf nicht zu allgemein sein.<br />

Die Kennzeichnung „NV“ bzw. „BV“ muss entweder am Anfang oder Ende des Namens<br />

hinzugesetzt werden.<br />

1.4.3 Offizieller Sitz <strong>und</strong> eingetragene Adresse<br />

Der offizielle Firmensitz ist die Stadt in den <strong>Niederlande</strong>n, die in der Satzung als solcher<br />

angegeben ist. Neben dem offiziellen Firmensitz muss für das Unternehmen zur Eintragung<br />

im Handelsregister der Handelskammer eine Geschäftsstellenadresse angegeben werden.<br />

Diese Geschäftsstellenadresse kann sich an jedem Ort innerhalb oder außerhalb der<br />

<strong>Niederlande</strong> befinden. Für steuerliche <strong>und</strong> andere Zwecke ist es u. U. von Vorteil, eine<br />

Geschäftsstellenadresse in den <strong>Niederlande</strong>n zu benutzen. Wenn eine entsprechende<br />

Geschäftsstelle (noch) nicht verfügbar ist, kann das Unternehmen seinen Sitz bei einem<br />

„Treuhandunternehmen“ haben, das auf die Bereitstellung von Leistungen zur Führung <strong>und</strong><br />

Verwaltung von Unternehmen spezialisiert ist.<br />

14 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


1.4.4 Geschäftszwecke<br />

Die Geschäftszweckklausel der Satzung enthält eine allgemeine Beschreibung der<br />

voraussichtlichen Geschäftstätigkeiten des Unternehmens. Seine Tätigkeiten sind auf die<br />

in der Geschäftszweckklausel genannten Tätigkeiten beschränkt.<br />

1.4.5 Anteilskapital<br />

Der Nennwert der Anteile sowohl an einer NV als auch einer BV muss in Euro angegeben<br />

werden. Nach den neuen Gesetzen über die BV werden auch andere Währungen zulässig<br />

sein. Das niederländische Unternehmensrecht unterscheidet zwischen drei Kapitalarten:<br />

(i) das zur Ausgabe berechtigte Aktienkapital, ein Maximalbetrag zur Aktienausgabe, der<br />

nur durch eine Änderung der Satzung überschritten werden kann; (ii) das ausgegebene<br />

Kapital, d. h. der ausgegebene Betrag des zur Ausgabe berechtigten Aktienkapitals, das den<br />

Gesamtnennwert der im Umlauf befindlichen Anteile wiedergibt; (iii) die Kapitaleinlage, d. h.<br />

der Betrag des ausgegebenen Kapitals, für den das Unternehmen eine Zahlung erhalten<br />

hat. Zurzeit muss das zur Ausgabe berechtige Aktienkapital sowohl bei der NV als auch der<br />

BV in der Satzung definiert sein. Nach den neuen Gesetzen über BVs wird dies bei der BV<br />

nicht mehr der Fall sein.<br />

Im Prinzip muss jeder Anteil bei der Ausgabe vollständig bezahlt werden. Nach der neuen<br />

Gesetzgebung über die BV kann die Satzung einer BV eine Übereinkunft des Unternehmens<br />

<strong>und</strong> seiner Anteilsinhaber beinhalten, dass der Nennwert einer ausgegebenen Namensaktie<br />

zu einem späteren, vom Vorstand zu bestimmenden Zeitpunkt gezahlt werden kann. Bei<br />

einer NV ist ein solcher Zahlungsaufschub nur bis zu 75 % des Nominalwerts möglich. Das<br />

gleiche gilt für die BV nach jetzigem BV-Recht.<br />

Der Gesamtnennwert des ausgegebenen Kapitals <strong>und</strong> der Kapitaleinlage einer NV muss<br />

(mindestens) 45.000 € bei der NV oder (zurzeit) 18.000 € bei der BV betragen (wie oben in<br />

Abschnitt 1.3.2 bereits erörtert, wird dieser Betrag nach der neuen Gesetzgebung für BVs<br />

auf 1 Eurocent reduziert). Des Weiteren darf das Verhältnis des zur Ausgabe berechtigten<br />

Aktienkapitals zum ausgegebenen Aktienkapital bei einer NV nicht mehr als 5 zu 1<br />

betragen. Die Bezahlung von Aktien kann in bar oder als Sachleistung erfolgen. Für den<br />

Verschuldungsgrad bestehen keine rechtlichen Obergrenzen. Nach der neuen Gesetzgebung<br />

über BVs wird in Bezug auf die BV keine Mindestkapitalanforderung mehr bestehen. Ebenso<br />

wird kein vorgeschriebenes Verhältnis zwischen dem zur Ausgabe berechtigten Kapital (wenn<br />

dieses überhaupt definiert ist) <strong>und</strong> dem ausgegebenen Kapital gelten.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

15


1.5 Anteile<br />

1.5.1 Anteilsarten<br />

Die Kapitalanteile einer BV können nur als Namensaktien ausgegeben werden, während<br />

bei einer NV Namens- oder Inhaberaktien möglich sind. Bei Namensaktien sollten die<br />

Aktienanteile im Aktienregister des Unternehmens eingetragen <strong>und</strong> auf dem aktuellen Stand<br />

gehalten werden.<br />

In der Satzung können verschiedene Anteilsklassen <strong>und</strong> -arten definiert sein: (i) Stammaktien,<br />

die in der Regel allen Aktionären gleiche Rechte einräumen (obwohl auch Stammaktien<br />

wieder in unterschiedliche Klassen mit unterschiedlichen Unternehmensrechten unterteilt<br />

werden können, z. B. besondere Rücklagen, Stimmrechte <strong>und</strong> separate Rücknamerechte);<br />

(ii) Vorzugsaktien, die im Vergleich zu anderen Aktienarten in Bezug auf die Ausschüttung<br />

von Dividenden <strong>und</strong> Zahlungen bei Liquidierung des Unternehmens bevorzugt behandelt<br />

werden (Vorzugsaktien können kumulative oder nicht kumulative Bezugsrechte vorsehen);<br />

<strong>und</strong> (iii) Prioritätsaktien, die den Inhabern bestimmte Rechte einräumen, z. B. das Recht zu<br />

verbindlichen Empfehlungen bei der Ernennung von Vorständen bzw. Aufsichtsräten.<br />

Nach der jetzigen Gesetzgebung dürfen NVs <strong>und</strong> BVs keine Anteile ohne Stimmrechte<br />

ausgeben. Dies ändert sich nach der neuen Gesetzgebung für BVs, weil hier der BV gestattet<br />

wird, Anteile ohne Stimmrechte auszugeben. NVs dürfen auch weiterhin keine Anteile ohne<br />

Stimmrechte ausgeben. Ein ähnliches Ergebnis ist jedoch durch die Ausgabe von Aktien<br />

an eine Verwaltungsstiftung (Stichting Administratiekantoor) zu erzielen, die wiederum<br />

Hinterlegungsscheine ausgibt, welche die wirtschaftlichen Rechte der entsprechenden Aktien<br />

darstellen. Ebenso kann keine BV nach dem neuen Gesetz Anteile ohne Gewinnbeteiligung<br />

ausgeben (was zurzeit nicht zulässig ist). NVs dürfen auch weiterhin keine Anteile ohne<br />

Gewinnbeteiligung ausgeben.<br />

1.5.2 Bezahlung von Anteilen<br />

Anteile an einem Unternehmen sind gegen Barzahlung <strong>und</strong>/oder Sachleistung zu erstehen.<br />

Dabei gelten die folgenden Vorgaben:<br />

Barzahlung<br />

Wenn die Zahlung für die bei der Gründung einer NV oder BV ausgegebenen Anteile in bar<br />

erfolgt, müssen die Geldmittel auf ein Bankkonto im Namen des Unternehmens bei einer<br />

Bank in den <strong>Niederlande</strong>n oder der EU eingezahlt werden, vorausgesetzt, dass diese Bank<br />

unter staatlicher Kontrolle steht. Eine Unternehmensgründung kann erst erfolgen, wenn dem<br />

Notar, der den Körperschaftsvertrag ausfertigt, ein Kontoauszug über die entsprechende<br />

Zahlung vorgelegt wurde. Aus dem Kontoauszug muss hervorgehen, dass ein bestimmter<br />

Betrag (der bei der Gründung <strong>und</strong> Ausgabe von Anteilskapital eingelegt werden muss):<br />

16 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


(i) dem Unternehmen sofort bei der Gründung zur Verfügung stehen wird; oder (ii) an<br />

einem Datum vor der Gründung aber nicht mehr als fünf Monate vor der Gründung auf ein<br />

separates Bankkonto für das Unternehmen eingezahlt wurde, das dem Unternehmen nach<br />

der Unternehmensgründung ausschließlich zur Verfügung stehen wird, vorausgesetzt, dass<br />

das Unternehmen diese Zahlungen im Körperschaftsvertrag ausdrücklich annimmt. Wenn der<br />

in (ii) weiter oben erwähnte Auszug verwendet wird, können die im Namen des Unternehmens<br />

<strong>und</strong> für das Unternehmen eingezahlten Geldmittel vor der Gründung des Unternehmens<br />

ganz oder teilweise abgehoben werden. Nach dem neuen Gesetz über BVs gelten diese<br />

Vorschriften für die Bezahlung von Anteilen an einer BV nicht mehr.<br />

Sachleistung<br />

Wenn die Zahlung für ausgestellte Anteile bei der Gründung als Sachleistung erfolgt, muss<br />

eine Beschreibung des Betrags verfasst <strong>und</strong> von den Gründern unterzeichnet werden. Die<br />

Beschreibung muss eine Erklärung aller Gründer über den Wert der Sachleistung sowie die zu<br />

Gr<strong>und</strong>e gelegten Bewertungsmethoden beinhalten <strong>und</strong> darf nicht mehr als fünf Monate vor der<br />

Gründung ausgestellt werden. Im Falle einer BV muss die Beschreibung zur Einsicht durch<br />

die Anteilsinhaber in der Geschäftsstelle des Unternehmens verfügbar gemacht werden. Bei<br />

einer NV muss die Beschreibung dem Körperschaftsvertrag beiliegen.<br />

Zurzeit gilt sowohl bei NVs als auch BVs eine weitere Voraussetzung: Es ist eine<br />

Wirtschaftsprüfungsbescheinigung erforderlich, die bestätigt, dass der Wert der in<br />

der Beschreibung genannten Sachleistung mindestens so hoch ist wie der für die<br />

ausgegebenen Anteile zu zahlende Betrag. Die Wirtschaftsprüfungsbescheinigung muss<br />

dem Körperschaftsvertrag beiliegen. Nach den neuen Gesetzen über BVs wird eine derartige<br />

Bescheinigung durch einen Wirtschaftsprüfer bei der BV nicht mehr erforderlich sein.<br />

Aktienkapital, das den Gesamtnennwert übersteigt, kann durch Zahlung eines Aktienzuschlags<br />

(Agio) auf die ausgegebenen Aktien bereitgestellt werden.<br />

1.5.3 Übertragung von Anteilen<br />

Zurzeit sind nur die Anteile an einer NV frei übertragbar. Die Satzung kann jedoch<br />

Einschränkungen für die Übertragung von Namensaktien am Kapital des Unternehmens<br />

vorsehen (was häufig der Fall ist).<br />

BV-Anteile sind zurzeit nicht frei übertragbar: Die Satzung muss eine Klausel zur<br />

Übertragungsbeschränkung beinhalten, die entweder (i) den Mitanteilsinhabern im Falle<br />

einer Anteilsübertragung ein Vorkaufsrecht einräumt (Angebotssystem) oder (ii) vorsieht, dass<br />

die Übertragung von Anteilen eine vorherige Zustimmung der Aktionärshauptversammlung<br />

erfordert (Zustimmungssystem).<br />

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<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

17


Nach dem neuen Gesetz über die BV werden die Anteile an einer BV genau wie die einer<br />

NV frei übertragbar, wobei es jedoch weiterhin möglich (aber nicht mehr vorgeschrieben) ist,<br />

bestimmte Klauseln über die Einschränkung der Übertragung von Anteilen in die Satzung<br />

aufzunehmen.<br />

Übertragungseinschränkungsklauseln in der Satzung haben in der Regel die Form<br />

eines Vorkaufsrechts für die anderen Anteilsinhaber oder eines Genehmigungsrechts.<br />

Vorkaufsrecht: Im Falle einer erwogenen Anteilsübertragung müssen die Anteile zuerst den<br />

anderen Anteilsinhabern angeboten werden. Genehmigungsrecht: Die Hauptversammlung<br />

der Aktionäre, der Vorstand oder ein anderes Organ des Unternehmens muss der möglichen<br />

Übertragung der Anteile zustimmen. Die Satzung kann auch eine Kombination der beiden<br />

Übertragungseinschränkungen vorsehen.<br />

Die Übertragung von Namensaktien am Kapital einer NV (vorausgesetzt, dass die Aktien der<br />

betreffenden NV nicht an einer offiziellen Börse notiert sind) <strong>und</strong> am Kapital einer BV erfordert<br />

die Unterzeichnung einer notariellen Übertragungsurk<strong>und</strong>e zwischen der übertragenden<br />

Partei <strong>und</strong> dem Empfänger. Wenn das Unternehmen nicht selbst an der notariellen<br />

Übertragungsurk<strong>und</strong>e beteiligt ist, können die Rechte aus den betreffenden Anteilen erst<br />

ausgeübt werden, nachdem das Unternehmen die Übertragung der Anteile anerkannt hat<br />

oder wenn die notarielle Übertragungsurk<strong>und</strong>e dem Unternehmen vom Gerichtsdiener<br />

(deurwaarder) rechtskräftig zugestellt wurde.<br />

Für die Übertragung von Namensaktien am Kapital einer NV, die an einer offiziellen Börse<br />

notiert ist, <strong>und</strong> für die Übertragung von Inhaberaktien am Kapital einer NV gelten andere<br />

Vorschriften.<br />

1.6 Unternehmensorgane<br />

1.6.1 Allgemeines<br />

Nach niederländischem Unternehmensrecht müssen niederländische Unternehmen<br />

mindestens zwei Unternehmensorgane besitzen, (i) den Vorstand (bestuur), der aus den<br />

Vorstandsmitgliedern (bestuurders) besteht, <strong>und</strong> (ii) die Aktionärshauptversammlung<br />

(algemene vergadering van aandeelhouders). Niederländische Unternehmen haben u. U.<br />

auch einen Aufsichtsrat (raad van commissarissen), dieser ist für die meisten niederländischen<br />

Unternehmen jedoch nicht vorgeschrieben.<br />

1.6.2 Vorstand<br />

Der Vorstand ist das geschäftsführende Organ des Unternehmens. Dem entsprechend ist er<br />

für das Tagesgeschäft des Unternehmens zuständig. Seine Mitglieder sind mit dem Board of<br />

Directors eines US-amerikanischen oder britischen Unternehmens vergleichbar.<br />

18 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Die Vorstandsmitglieder oder Vorstände werden von der Aktionärshauptversammlung<br />

bestellt <strong>und</strong> entlassen (außer den ersten Mitgliedern des Vorstands, die von den Gründern<br />

ernannt werden <strong>und</strong> im Körperschaftsvertrag aufgeführt sind). Es ist möglich, anderen<br />

Unternehmensorganen außer der Aktionärshauptversammlung oder Dritten das Recht<br />

zur verbindlichen Nominierung zur Ernennung eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder<br />

zu erteilen. Die Aktionärshauptversammlung kann jedoch mit einer Zweidrittelmehrheit<br />

der abgegebenen Stimmen für Aktien, die mehr als die Hälfte des zu diesem Zeitpunkt<br />

ausgegebenen Aktienkapitals des Unternehmens darstellen, eine derartige Nominierung<br />

jederzeit außer Kraft setzen. Nach dem neuen Gesetz über BVs kann bei der BV das Recht<br />

zur Ernennung von Vorständen auch der Versammlung von Inhabern einer bestimmten<br />

Anteilsklasse erteilt werden, vorausgesetzt, dass alle stimmberechtigten Anteilsinhaber das<br />

Recht zur Teilnahme am Entscheidungsfindungsprozess für mindestens einen Vorstand<br />

haben.<br />

Der Vorstand kann aus nur einem Vorstandsmitglied bestehen. Es gibt keine Vorschriften<br />

über die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz von Vorständen. Auch juristische Personen<br />

können als Vorstände fungieren. Eine örtliche Verwaltungsgesellschaft kann mit der Führung<br />

des Unternehmens beauftragt werden.<br />

Nach niederländischem Unternehmensrecht ist der Vorstand berechtigt, das Unternehmen<br />

Dritten gegenüber zu vertreten <strong>und</strong> vertraglich zu verpflichten. Ebenso ist jedes<br />

Vorstandsmitglied einzeln berechtigt, das Unternehmen zu vertreten. Wenn der Vorstand<br />

aus zwei oder mehr Mitgliedern besteht, die jeweils berechtigt sind, das Unternehmen zu<br />

vertreten, so kann in der Satzung eine Kollektivprokura z. B. für zwei Vorstände festgelegt<br />

werden oder die Satzung kann bestimmen, dass nur ein bestimmter Vorstand, beispielsweise<br />

der Vorstandsvorsitzende, das Unternehmen einzeln vertreten kann. Solche Bestimmungen<br />

gelten nach der Veröffentlichung bei der Handelskammer Dritten gegenüber.<br />

Einschränkungen in der Satzung, z. B. um zu bestimmen, dass bestimmte Entscheidungen<br />

des Vorstands der Genehmigung durch ein anderes Unternehmensorgan bedürfen, sind<br />

i. d. R. nur intern gültig <strong>und</strong> nicht für Dritte verpflichtend. In der Satzung können bestimmte<br />

Beschlüsse festgelegt werden, die eine vorherige Genehmigung der Hauptversammlung<br />

oder des Aufsichtsrats erfordern, oder die Satzung kann vorschreiben, dass das betreffende<br />

Unternehmensorgan diese durch einen separaten Beschluss definieren kann.<br />

Eine interne Einschränkung der Befugnisse der Vorstände zur Vertretung des Unternehmens<br />

kann auch durch die Vorgabe zustande kommen, dass der Vorstand die Anweisungen der<br />

Aktionärshauptversammlung oder eines anderen Unternehmensorgans befolgen muss.<br />

Aufgr<strong>und</strong> seiner Treuepflicht kann der Vorstand jedoch Anweisungen außer Acht lassen, die<br />

gegen die Interessen des Unternehmens verstoßen.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

19


Der Vorstand kann Sitzungen an jedem beliebigen Ort abhalten, es sei denn, dies ist in<br />

der Satzung anders geregelt. Aus finanziellen Gründen kann es jedoch notwendig sein,<br />

dass die Vorstände in den <strong>Niederlande</strong>n wohnen <strong>und</strong>/oder dass Vorstandssitzungen in den<br />

<strong>Niederlande</strong>n abgehalten werden.<br />

Entscheidungen des Vorstands können entweder durch während der Sitzung verabschiedete<br />

<strong>und</strong> im Sitzungsprotokoll festgehaltene oder durch schriftliche Beschlüsse erfolgen. In den<br />

Vorstandsvorschriften sind oft weitere Regeln für die Entscheidungsfindung durch den<br />

Vorstand <strong>und</strong> für Interessenkonflikte vorgesehen.<br />

1.6.3 Aktionärshauptversammlung<br />

Alle Befugnisse im Unternehmen, die nicht von Gesetzes wegen oder in der Satzung einem<br />

anderen Unternehmensorgan zugesprochen sind, liegen bei der Aktionärshauptversammlung.<br />

Nach dem Gesetz können bestimmte Angelegenheiten nur von der Aktionärshauptversammlung<br />

entschieden werden, z. B. die Ernennung, Suspendierung oder Absetzung von Vorständen<br />

<strong>und</strong> Aufsichtsräten, Satzungsänderungen, die Verabschiedung von Jahresabschlüssen sowie<br />

die Selbstauflösung des Unternehmens. Bei der Ausübung ihrer Befugnisse kann sich die<br />

Aktionärshauptversammlung primär an den Aktionärsinteressen orientieren.<br />

Generell müssen alle Aktionärshauptversammlungen an einem in der Satzung festgelegten<br />

Ort oder Orten in den <strong>Niederlande</strong>n abgehalten werden. Zurzeit gilt dies sowohl für die NV<br />

als auch die BV. Nach den neuen BV-Gesetzen ist der Versammlungsort jedoch nicht mehr<br />

auf Orte in den <strong>Niederlande</strong>n beschränkt.<br />

Zurzeit können die Versammlungen von NVs <strong>und</strong> BVs an anderen Orten abgehalten werden,<br />

auch an Orten außerhalb der <strong>Niederlande</strong>, vorausgesetzt, dass das gesamte zu diesem<br />

Zeitpunkt ausgegebene <strong>und</strong> im Umlauf befindliche Kapital anwesend oder vertreten ist.<br />

Meist sieht die Satzung die Möglichkeit zur Verabschiedung von schriftlichen Beschlüssen<br />

ohne Abhaltung einer Aktionärshauptversammlung vor, diese Beschlüsse müssen jedoch<br />

einstimmig <strong>und</strong> unter Vertretung des gesamten zum betreffenden Zeitpunkt ausgegebenen<br />

<strong>und</strong> im Umlauf befindlichen Aktienkapitals gefasst werden. Die Jahreshauptversammlung<br />

der Aktionäre muss stets binnen sechs Monaten nach Ende des Haushaltsjahrs des<br />

Unternehmens stattfinden.<br />

Jeder Aktionär kann jederzeit einen Bevollmächtigten zur Stimmabgabe in seinem Namen<br />

auf der Aktionärshauptversammlung bestimmen, indem er ihm die betreffenden Stimmrechte<br />

durch eine schriftliche Vollmacht überträgt.<br />

20 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Beschlüsse der Aktionärshauptversammlung werden i. d. R. mit absoluter Mehrheit der<br />

gültigen abgegebenen Stimmen verabschiedet, es sei denn, dies ist gesetzlich oder in der<br />

Satzung anders vorgeschrieben.<br />

1.6.4 Aufsichtsrat<br />

Die Aufsichtsräte werden von der Aktionärshauptversammlung ernannt <strong>und</strong> entlassen<br />

(mit Ausnahme der anfänglichen Mitglieder, die von den Gründern ernannt <strong>und</strong> im<br />

Körperschaftsvertrag angegeben sind). In der Satzung kann jedoch festgelegt werden,<br />

dass bis zu einem Drittel aller Aufsichtsräte von einer Drittpartei ernannt werden. Aktionäre<br />

oder ihre Vertreter können als Aufsichtsräte ernannt werden. Die Satzung bestimmt i. d. R.,<br />

wie viele Mitglieder der Aufsichtsrat haben soll; dieser sollte jedoch aus mindestens einem<br />

Mitglied bestehen. <strong>Juristische</strong> Personen können nicht als Aufsichtsräte fungieren.<br />

Der Aufsichtsrat hat die folgenden Hauptaufgaben: (i) die Beaufsichtigung des Vorstands <strong>und</strong><br />

der allgemeinen Geschäfte des Unternehmens <strong>und</strong> (ii) die Beratung des Vorstands in diesem<br />

Zusammenhang. Dabei muss der Aufsichtsrat jederzeit im Interesse des Unternehmens<br />

<strong>und</strong> seiner Geschäfte handeln. Der Aufsichtsrat ist nicht befugt, das Unternehmen Dritten<br />

gegenüber zu vertreten oder zu verpflichten. Die Satzung kann vorschreiben, dass bestimmte<br />

Entscheidungen des Vorstands eine vorherige Genehmigung des Aufsichtsrats erfordern.<br />

1.6.5 Monistische Unternehmensführung<br />

Zurzeit erlaubt das holländische Unternehmensrecht nicht ausdrücklich die Einführung eines<br />

monistischen Verwaltungsrats, d. h. eines Verwaltungsrats, in dem sowohl geschäftsführende<br />

als auch nicht geschäftsführende Direktoren sitzen, in der Satzung einer NV oder BV.<br />

Es wird jedoch davon ausgegangen, dass im Laufe des Jahres 2011 eine neue Gesetzgebung<br />

in Kraft treten wird, nach der das Konzept der monistischen Unternehmensführung<br />

ausdrücklich in das niederländische bürgerliche Recht aufgenommen wird. Nicht<br />

geschäftsführende Direktoren im monistischen Verwaltungsrat gelten als stärker an der<br />

Geschäftstätigkeit des Unternehmens beteiligt als Mitglieder des Aufsichtsrats in einem<br />

dualistischen System. Im Gr<strong>und</strong>e handelt es sich dabei um Mitglieder des Vorstands mit<br />

einer bestimmten (Überwachungs-) Funktion. Die nicht geschäftsführenden Direktoren haben<br />

höhere Aufgaben <strong>und</strong> damit eine größere Haftpflicht als die Aufsichtsräte bei der dualistischen<br />

Unternehmensführung. Die Aufgaben <strong>und</strong> Haftung der geschäftsführenden Direktoren im<br />

monistischen Verwaltungsrat sind mit denen der Vorstände im dualistischen System identisch.<br />

1.7 Jahresabschlüsse<br />

Der Vorstand eines Unternehmens muss binnen fünf Monaten nach Ende jedes Haushaltsjahrs<br />

Jahresabschlüsse anfertigen <strong>und</strong> diese ordnungsgemäß von allen Vorständen (<strong>und</strong> ggf. allen<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

21


Aufsichtsräten) unterschrieben zur Prüfung durch die Aktionäre bei der Geschäftsstelle<br />

des Unternehmens hinterlegen. In besonderen Ausnahmefällen kann diese Frist von der<br />

Aktionärshauptversammlung verlängert werden. Die Frist kann um maximal sechs Monate<br />

verlängert werden. Innerhalb der gleichen Frist muss der Vorstand auch den Jahresabschluss<br />

zur Verabschiedung durch die Aktionärshauptversammlung vorlegen.<br />

Wenn der Jahresabschluss verabschiedet ist, muss der Vorstand diesen binnen acht<br />

Tagen zur Veröffentlichung beim Handelsregister der Handelskammer einreichen. Wenn<br />

die Aktionärshauptversammlung den Jahresabschluss des Unternehmens nicht binnen<br />

13 Monaten nach Ende des Haushaltsjahrs verabschiedet hat, muss der Vorstand diesen<br />

trotzdem ohne Verzögerung einreichen <strong>und</strong> dabei angeben, dass der betreffende Abschluss<br />

(noch) nicht verabschiedet wurde.<br />

Die Vorstandsmitglieder eines Unternehmens, gegen das ein Insolvenzverfahren läuft, haften<br />

persönlich für das Defizit der Insolvenzmasse, wenn festgestellt wird, dass die Insolvenz<br />

durch „ungetreue Geschäftsbesorgung“ während der letzten drei Jahre vor der Insolvenz<br />

zustande gekommen ist. Wenn der Jahresabschluss in mindestens einem der der Insolvenz<br />

vorausgegangenen drei Jahre nicht rechtzeitig beim Handelsregister der Handelskammer<br />

eingereicht wurde, gilt dies als Anscheinsbeweis für ungetreue Geschäftsbesorgung.<br />

Die Jahresabschlüsse müssen eine Bilanz, eine Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung <strong>und</strong> die<br />

Erläuterungen dazu enthalten <strong>und</strong> müssen den Vorschriften des niederländischen bürgerlichen<br />

Rechts entsprechen.<br />

Das Unternehmen muss einen Wirtschaftsprüfer bestellen, der den Jahresabschluss prüft<br />

<strong>und</strong> einen Prüfungsbericht anfertigt. Wenn das Unternehmen die Voraussetzungen eines<br />

„Kleinunternehmens“ erfüllt, ist es von dieser Prüfungspflicht ausgenommen. Ein Unternehmen<br />

gilt als Kleinunternehmen, wenn es in Bezug auf die Eröffnungs- <strong>und</strong> Schlussbilanz in zwei<br />

aufeinanderfolgenden Haushaltsjahren mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt:<br />

(i) Der Wert des Vermögens nach der Bilanz mit Erläuterungen beträgt weniger als<br />

3.650.000 €.<br />

(ii) Der Jahresnettoumsatz beträgt weniger als 7.300.000 €.<br />

(iii) Das Unternehmen hat im Haushaltsjahr durchschnittlich weniger als 50 Mitarbeiter.<br />

Darüber hinaus kann ein Unternehmen, das Teil einer Unternehmensgruppe ist, seinen<br />

Jahresabschluss in stark eingeschränkter Form erstellen, vorausgesetzt, dass die<br />

Bestimmungen von Abschnitt 2:403 des niederländischen bürgerlichen Rechts erfüllt sind.<br />

Die wichtigste dieser Bestimmungen ist eine schriftliche Erklärung des Mutterunternehmens,<br />

in der das Mutterunternehmen seine gesamtschuldnerische Haftung für Schulden des<br />

22 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Unternehmens erklärt, die aus rechtlichen Handlungen (in der Vergangenheit, Gegenwart <strong>und</strong><br />

Zukunft) entstehen (die „403-Haftungserklärung“, wie in Abschnitt 2.5 weiter unten erläutert).<br />

Wenn der oben erwähnte Abschnitt anwendbar ist, (i) kann der Inhalt der Bilanz <strong>und</strong> der<br />

Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung eingeschränkt sein, (ii) kann der Inhalt der Erläuterungen dazu<br />

eingeschränkt sein, (iii) ist kein Prüfungsbericht erforderlich <strong>und</strong> (iv) muss der Jahresabschluss<br />

nicht beim Handelsregister der Handelskammer eingereicht werden.<br />

1.8 Liquidierung<br />

1.8.1 Allgemeines<br />

Dieser Abschnitt enthält eine Übersicht über die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf<br />

das Liquidierungsverfahren für Unternehmen. Es gibt zwar mehrere rechtliche Ursachen für<br />

die Liquidierung eines Unternehmens, wir beschränken uns hier jedoch auf die Liquidierung<br />

aufgr<strong>und</strong> eines entsprechenden Beschlusses der Aktionärshauptversammlung. Es werden<br />

drei Verfahrensarten beschrieben: das Standardverfahren, die „Turbo“-Liquidierung <strong>und</strong> die<br />

„beschleunigte“ Liquidierung.<br />

1.8.2 Das Standardverfahren<br />

Das Liquidierungsverfahren für ein Unternehmen besteht aus zwei Phasen: die Auflösung<br />

des Unternehmens <strong>und</strong> die Abwicklung seines Vermögens <strong>und</strong> seiner Verbindlichkeiten. Die<br />

Auflösung schränkt die Geschäftszwecke des Unternehmens ein: Es besteht nur insoweit<br />

weiter, wie dies zur Liquidierung seines Vermögens <strong>und</strong> seiner Verbindlichkeiten erforderlich<br />

ist, <strong>und</strong> es kann keine Geschäfte tätigen außer denen, die zur Liquidierung erforderlich sind.<br />

Die Abwicklung besteht aus der Abrechnung der Konten (einschließlich Zahlungen an die<br />

Gläubiger des Unternehmens) <strong>und</strong> die Flüssigmachung von Sachwerten zur abschließenden<br />

Auszahlung des Liquidierungserlöses an die Aktionäre <strong>und</strong> andere Parteien, die hierzu nach<br />

der Satzung eventuell berechtigt sind.<br />

Das Liquidierungsverfahren beginnt mit einem Beschluss der Aktionärshauptversammlung<br />

zur Auflösung des Unternehmens <strong>und</strong> Liquidierung seines Vermögens, zur Bestellung der<br />

Liquidatoren <strong>und</strong> zur Ernennung eines Treuhänders für die Geschäftsbücher <strong>und</strong> Unterlagen<br />

des Unternehmens.<br />

Wenn das Unternehmen einen Aufsichtsrat hat, sollte dieses Unternehmensorgan dem<br />

Aktionärsbeschluss der Aktionärshauptversammlung zur Auflösung des Unternehmens<br />

zustimmen.<br />

Wenn die Satzung keine anderweitigen Bestimmungen enthält <strong>und</strong> im Beschluss der<br />

Aktionärshauptversammlung zur Auflösung des Unternehmens keine andere Person<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

23


oder Personen ernannt werden, fungieren die zum Zeitpunkt der Verabschiedung des<br />

Aktionärsbeschlusses amtierenden Mitglieder des Vorstands als Liquidatoren. Wenn im<br />

Aktionärsbeschluss bestimmte Personen ernannt werden, sollte das Handelsregister der<br />

Handelskammer über den Rücktritt der Vorstandsmitglieder, die nicht als Liquidatoren bestellt<br />

sind, informiert werden. Schließlich müssen die Bestimmungen der Unternehmenssatzung<br />

über die Ernennung von Vorständen in Bezug auf die Bestellung eines Liquidators, der nicht<br />

Mitglied des Vorstands ist, eingehalten werden, sofern die Satzung keine anderweitigen<br />

Bestimmungen enthält.<br />

Der Beschluss zur Auflösung <strong>und</strong> Liquidierung muss im Handelsregister der Handelskammer<br />

eingetragen werden. Ab dem Zeitpunkt der Auflösung sollten allen Veröffentlichungen, Briefen<br />

<strong>und</strong> Bekanntgaben des Unternehmen die niederländischen Wörter „in liquidatie“ hinzugesetzt<br />

werden. Der Abwicklungszeitraum beginnt sofort bei der Auflösung.<br />

Die Liquidatoren haben dieselben Befugnisse, Pflichten <strong>und</strong> Haftpflichten wie die<br />

ehemaligen Vorstände. Sie entscheiden selbständig, wie das Vermögen liquidiert werden<br />

soll. Dabei unterliegen ihre Befugnisse jedoch möglicherweise teilweise denselben<br />

Einschränkungen (z. B. gesetzlichen Einschränkungen oder Bedingungen, Genehmigung<br />

durch Unternehmensorgane) wie der Vorstand vor der Auflösung. Wenn das Vermögen des<br />

Unternehmens nicht ausreicht, um alle Schulden zu begleichen, sollten die Liquidatoren im<br />

Namen des Unternehmens Insolvenz anmelden, es sei denn, alle Gläubiger stimmen einer<br />

fortgesetzten Liquidierung ohne Insolvenzverfahren zu.<br />

Die Liquidatoren müssen eine Liquidierungsschlussrechnung <strong>und</strong> einen „Verteilungsplan“<br />

(plan van verdeling) aufstellen. Im letzteren wird die Aufteilung des Restvermögens des<br />

liquidierten Unternehmens unter den hierzu berechtigten Parteien (Anteilsinhaber <strong>und</strong><br />

andere Parteien, die nach der Satzung ein Recht auf einen Teil des Restvermögens haben)<br />

festgelegt. Wenn nur eine berechtige Partei vorhanden ist (ein Alleingesellschafter), ist<br />

kein Verteilungsplan erforderlich. Die Schlussrechnung <strong>und</strong> der Verteilungsplan müssen<br />

bei der Geschäftsstelle des Unternehmens, sofern diese noch vorhanden ist, hinterlegt<br />

<strong>und</strong> beim Handelsregister der Handelskammer, in dem das Unternehmen eingetragen<br />

ist, eingereicht werden. Die Liquidatoren müssen in einer Tageszeitung mit landesweiter<br />

Verbreitung eine Mitteilung veröffentlichen, in der der Ort, an dem die Schlussrechnung <strong>und</strong><br />

der Verteilungsplan durch die Öffentlichkeit eingesehen werden kann, angegeben ist. Mit der<br />

Veröffentlichung dieser Mitteilung beginnt eine zweimonatige Frist, während der interessierte<br />

Personen Einspruch gegen die Schlussrechnung bzw. den Verteilungsplan erheben können.<br />

Nach Ablauf der Zweimonatsfrist kann die Verteilung des Liquidierungserlöses gemäß<br />

Verteilungsplan stattfinden, sofern keine Einsprüche erhoben wurden.<br />

24 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Nach Abschluss des Liquidierungsverfahrens müssen die Bücher <strong>und</strong> Unterlagen des<br />

Unternehmens vom Treuhänder sieben Jahre lang aufbewahrt werden. Das Handelsregister<br />

der Handelskammer muss über den Abschluss des Liquidierungsverfahrens sowie den<br />

Namen <strong>und</strong> die Adresse des Treuhänders der Unternehmensbücher <strong>und</strong> ‐unterlagen<br />

benachrichtigt werden.<br />

Sollte es zu einem späteren Zeitpunkt zu der Vermutung kommen, dass ein Vermögenswert<br />

noch liquidiert werden muss oder dass ein Gläubiger oder Begünstigter nicht berücksichtigt<br />

wurde, kann das Liquidierungsverfahren per Gerichtsbeschluss wieder eröffnet werden. In<br />

diesem Fall wird das Unternehmen „wiederbelebt“, allerdings ausschließlich zum Zweck der<br />

Neuliquidierung des Restvermögens. Sollten Begünstigte Liquidierungserlöse erhalten haben,<br />

die nach dem wiedereröffneten Verfahren zu hoch scheinen, ist der Liquidator berechtigt,<br />

die Differenz wieder einzufordern.<br />

1.8.3 „Beschleunigte“ Liquidierung <strong>und</strong> „Turbo“-Liquidierung<br />

Das reguläre Liquidierungsverfahren kann beschleunigt werden, wenn der Liquidator<br />

nach Verabschiedung des Aktionärsbeschlusses zur Auflösung, der Eintragung der<br />

Unternehmensliquidierung im Handelsregister der Handelskammer <strong>und</strong> der Abrechnung<br />

der (derzeit bekannten) Schulden des Unternehmens bereit ist, das Restvermögen des<br />

Unternehmens über eine „Vorabverteilung“ an die Begünstigten zu verteilen. Soll eine derartige<br />

Verteilung während der oben in Abschnitt 1.8.2 genannten Zweimonatsfrist stattfinden, ist<br />

zuvor eine Genehmigung durch das zuständige Amtsgericht erforderlich. Eine derartige<br />

Vorabverteilung kann finanziell von Vorteil sein, z. B. wenn die Verteilung damit noch in das<br />

aktuelle Geschäftsjahr fällt.<br />

Weil die Möglichkeit besteht, dass die vorab verteilten Vermögenswerte zum Zweck einer<br />

Neuverteilung (ganz oder teilweise) zurückgezahlt werden müssen (siehe unten), ist eine<br />

„beschleunigte Liquidierung“ nur dann gerechtfertigt, wenn (i) der Liquidator Gr<strong>und</strong> zu<br />

der Annahme hat, dass ihm alle Gläubiger bekannt sind, (ii) nur wenige Begünstigte des<br />

Restvermögens vorhanden sind <strong>und</strong> (iii) die Begünstigten z. B. durch eine Gewährleistung<br />

sicherstellen, dass sie die Vorabverteilung (teilweise) zurückzahlen werden, wenn sich<br />

herausstellt, dass ein Gläubiger außer Acht gelassen wurde oder gegen die Verteilung<br />

Einspruch erheben würde.<br />

Auch wenn in der Praxis wenig oder kein Restvermögen mehr zu liquidieren ist, müssen<br />

die Liquidatoren eine Liquidierungsschlussrechnung <strong>und</strong> einen „Verteilungsplan“ (plan van<br />

verdeling) erstellen. Normalerweise ist dies eine reine Formalität, es besteht jedoch weiter<br />

die Möglichkeit, dass ein unbekannter Gläubiger aufgr<strong>und</strong> der Veröffentlichung identifiziert<br />

werden kann oder dass während der Zweimonatsfrist nach der Veröffentlichung Einspruch<br />

erhoben wird. In diesem Fall müssen die vorab verteilten Vermögenswerte möglicherweise<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

25


zur Neuverteilung (ganz oder teilweise) wieder eingezogen werden. Sollte ein Einzug nicht<br />

möglich sein <strong>und</strong> ein oder mehrere Gläubiger nicht befriedigt werden können, haften die<br />

Liquidatoren persönlich für die dadurch entstandenen Verluste.<br />

Ungeachtet des oben Gesagten erlischt das Unternehmen mit dem Beschluss der<br />

Aktionärshauptversammlung zur Auflösung des Unternehmens, wenn es zu diesem Zeitpunkt<br />

kein Vermögen <strong>und</strong> keine Verbindlichkeiten hat. In diesem Fall erfolgt keine Abwicklung, <strong>und</strong><br />

es müssen dementsprechend keine Liquidatoren bestellt werden. Dies wird meist als „Turbo“-<br />

Liquidierung bezeichnet. Der Vorstand muss das Erlöschen der Firma im Handelsregister der<br />

Handelskammer eintragen lassen. Die Bücher <strong>und</strong> Unterlagen des Unternehmens müssen<br />

vom Treuhänder sieben Jahre lang aufbewahrt werden.<br />

1.9 Niederländisches Personengesellschaftsrecht<br />

1.9.1 Allgemeine Merkmale<br />

Die beiden häufigsten Formen für niederländische Personengesellschaften sind<br />

die offene Handelsgesellschaft (vennootschap onder firma oder ‚v.o.f.‘), d. h. eine<br />

Personengesellschaft zwischen zwei oder mehr unbeschränkt haftenden Gesellschaftern,<br />

<strong>und</strong> die Kommanditgesellschaft (commanditaire vennootschap oder ‚CV‘), d. h. eine<br />

Personengesellschaft zwischen einem oder mehr geschäftsführenden Gesellschaftern<br />

(oder Komplementären) <strong>und</strong> einem oder mehr Kommanditisten oder beschränkt haftenden<br />

Gesellschaftern.<br />

Nach niederländischem Recht wird eine Personengesellschaft durch einen Gesellschaftsvertrag<br />

zum Zweck der dauerhaften Zusammenarbeit von zwei oder mehr Gesellschaftern (vennoten)<br />

gegründet Die unbeschränkt haftenden Gesellschafter in einer v.o.f. <strong>und</strong> die Komplementäre<br />

(beherend vennoten) in einer CV haften jeweils uneingeschränkt, während die Haftung<br />

der Kommanditisten einer CV (commanditaire oder stille vennoten) sich prinzipiell auf die<br />

Höhe ihrer Kapitaleinlage beschränkt. Eine niederländische Personengesellschaft ist eine<br />

Vereinbarung zwischen ihren Gesellschaftern <strong>und</strong> stellt keine separate juristische Person<br />

dar. Eine niederländische Personengesellschaft kann jedoch vor Gericht klagen <strong>und</strong> verklagt<br />

werden <strong>und</strong> Verträge im eigenen Namen abschließen.<br />

Weil es sich bei der Personengesellschaft um einen Vertrag handelt, gelten für die v.o.f. <strong>und</strong><br />

die CF die gesetzlichen Bestimmungen des Vertragsrechts sowohl allgemein als auch speziell<br />

für Personengesellschaften, soweit diese Bestimmungen verpflichtend sind oder wenn der<br />

Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen enthält, die eine bestimmte Frage regeln. Hier ist<br />

zu beachten, dass die Anzahl dieser gesetzlichen Bestimmungen beschränkt ist.<br />

26 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


1.9.2 Rechtliche Anforderungen<br />

Eine Personengesellschaft entsteht nur, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:<br />

(i)<br />

Die Vereinbarung muss mit der Absicht eingegangen werden, eine dauerhafte<br />

Zusammenarbeit (samenwerking) zwischen den Vertragsparteien zu schaffen <strong>und</strong><br />

zu regeln.<br />

(ii)<br />

Die Gesellschafter müssen die Vereinbarung eingehen, um durch die Gründung eines<br />

gewerblichen Unternehmens (bedrijf) auf gemeinsames Konto <strong>und</strong> auf gemeinsamen<br />

Namen Nutzen zu erzielen. Obwohl das Gesetz keine Definition eines „gewerblichen<br />

Unternehmens“ enthält, stimmen die meisten niederländischen Rechtsexperten<br />

darin überein, dass ein „gewerbliches Unternehmen“ nur im Falle einer dauerhaften<br />

<strong>und</strong> öffentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit zu Gewinnzwecken gegeben ist. Wenn<br />

die Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht dauerhaft, sondern auf eine<br />

einzige Transaktion oder ein einzelnes Geschäftsprojekt beschränkt ist, so stellt<br />

die Partnerschaftsvereinbarung keine Personengesellschaft dar. Um öffentlich zu<br />

handeln, muss eine Personengesellschaft ihre wirtschaftliche Tätigkeit auf eine Art<br />

<strong>und</strong> Weise ausüben, die von Dritten klar erkennbar ist. Sie muss diese Tätigkeit<br />

deshalb unter einem gemeinsamen Namen ausüben.<br />

(iii)<br />

Alle Gesellschafter (einschließlich des/der Komplementärs/e einer CV) sind<br />

verpflichtet, einen Beitrag zur Personengesellschaft zu leisten. Der Beitrag kann<br />

nominaler Natur sein <strong>und</strong> auch aus Dienstleistungen oder Fachwissen bestehen.<br />

(iv)<br />

Eine v.o.f. muss mindestens zwei unbeschränkt haftende Gesellschafter haben,<br />

während eine CV mindestens einen Komplementär <strong>und</strong> einen Kommanditisten haben<br />

muss. Ohne Kommanditisten gilt eine CV zwischen den Komplementären als offene<br />

Handelsgesellschaft.<br />

(v)<br />

Um als niederländische Personengesellschaft zu gelten, muss der Gesellschaftsvertrag<br />

niederländischem Recht unterliegen.<br />

1.9.3 Gründung <strong>und</strong> Führung einer niederländischen Personengesellschaft<br />

Eine niederländische Personengesellschaft wird durch einen Vertrag zwischen zwei oder<br />

mehr Gesellschaftern, von denen jeder eine natürliche Person oder Körperschaft sein<br />

kann, auf bestimmte oder unbestimmte Zeit gegründet. Die Gesellschafter müssen keine<br />

niederländischen Staatsbürger, Körperschaften in oder Einwohner der <strong>Niederlande</strong> sein.<br />

Es muss ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag abgeschlossen werden. Es gibt keine weiteren<br />

formalen Voraussetzungen (z. B. notarielle Urk<strong>und</strong>e oder staatliche Zustimmung) in Bezug<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

27


auf die Gründung einer niederländischen Personengesellschaft. Was die Bestimmungen<br />

des Gesellschaftsvertrags anbelangt, so gilt generell die Vertragsfreiheit, d. h. die Parteien<br />

des Gesellschaftsvertrags können den Inhalt des Vertrags im Prinzip untereinander frei<br />

vereinbaren. Es ist zu beachten, dass von Drittparteien nicht erwartet wird, dass sie das<br />

Vorhandensein eines schriftlichen Gesellschaftsvertrags überprüfen: Das Nichtvorhandensein<br />

eines Gesellschaftsvertrags kann ihnen nicht zur Last gelegt werden.<br />

Die v.o.f. wird prinzipiell von allen Gesellschaftern geführt <strong>und</strong> kann von allen Gesellschaftern<br />

vertreten werden. Der Gesellschaftsvertrag kann eine bestimmte Verteilung von Aufgaben<br />

<strong>und</strong>/oder Befugnissen vorsehen, diese haben jedoch nur interne Gültigkeit. Eine CV wird<br />

vom/von den Komplementär(en) geführt. Ein Komplementär ist für das Tagesgeschäft der<br />

CV zuständig. Darüber hinaus ist der Komplementär befugt, die CV Dritten gegenüber<br />

zu vertreten <strong>und</strong> rechtsgültig zu verpflichten. Wenn mehrere Komplementäre vorhanden<br />

sind, ist jeder geschäftsführende Gesellschafter befugt, die CV einzeln zu vertreten <strong>und</strong> zu<br />

verpflichten, es sei denn, dies ist im Gesellschaftsvertrag anders geregelt.<br />

Kommanditisten einer CV dürfen die CV (weder direkt noch durch Stellvertreter) vertreten oder<br />

im Namen der CV handeln oder als Handlungsbefugte der CV auftreten. Außerdem dürfen<br />

die Namen von Kommanditisten nicht im Namen der Personengesellschaft enthalten sein.<br />

Wenn ein Kommanditist die CV vertritt oder anderweitig im Namen der CV handelt oder wenn<br />

sein Name im Namen der Personengesellschaft erscheint, so haftet der Kommanditist damit<br />

gesamtschuldnerisch für alle Schulden <strong>und</strong> Verpflichtungen der CV, als ob er Komplementär<br />

wäre.<br />

1.9.4 Kapital, Vermögen <strong>und</strong> Jahresabschluss einer niederländischen Personengesellschaft<br />

Im Gegensatz zu den Bestimmungen für die NV schreibt das niederländische Gesetz keine<br />

Mindestkapitalsumme für Personengesellschaften vor <strong>und</strong> enthält keine Bestimmung, dass<br />

ein Mindestbetrag an Kapital in der Personengesellschaft verbleiben muss. Die Anrechte auf<br />

das Kapital einer Personengesellschaft dürfen nicht als Anteile bezeichnet werden.<br />

Weil die niederländische Personengesellschaft keine juristische Person ist, kann sie kein<br />

Besitzrecht an dem Vermögen der Personengesellschaft haben. Der Beitrag von Vermögen<br />

zur Personengesellschaft durch die Gesellschafter bei der Gründung oder zu einem anderen<br />

Zeitpunkt erfolgt auf Vertragsbasis (verbintenisrechtelijke grondslag). Die Beiträge der<br />

Gesellschafter insgesamt stellen prinzipiell eine Gütergemeinschaft (goederenrechtelijke<br />

gemeenschap) zwischen den Gesellschaftern dar.<br />

Vermögenswerte können zur Gütergemeinschaft als (a) vollständiges Eigentum (d. h.<br />

Eigentums- <strong>und</strong> Nutzungsrecht, volledige eigendom), (b) wirtschaftliches Eigentum<br />

(economische eigendom) <strong>und</strong> (c) Nutzungsrecht am Vermögenswert (gebruiksgenot)<br />

28 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


eigesteuert werden. Um Unklarheiten über die Form <strong>und</strong> rechtlichen Konsequenzen eines<br />

Beitrags zu vermeiden, sollte der Gesellschaftsvertrag genaue Bestimmungen über die<br />

anfänglichen <strong>und</strong> späteren Beiträge von Vermögenswerten durch die Gesellschafter enthalten.<br />

Die niederländische Rechtslehre besagt allgemein, dass von unbeschränkt haftenden<br />

Gesellschaftern einer v.o.f. in ihrer Kapazität als solche oder vom Komplementär im Namen<br />

der CV während der Lebensdauer der CV erworbene bewegliche Wirtschaftsgüter (roerende<br />

zaken) automatisch in den Besitz der Personengesellschaft, d. h. in die Gütergemeinschaft<br />

zwischen allen Gesellschaftern übergehen. Der Gesellschafter (Komplementär), der in dieser<br />

Kapazität handelt, wird als Vertreter (middellijke vertegenwoordiger) der Personengesellschaft<br />

betrachtet <strong>und</strong> damit fallen die von ihm erworbenen beweglichen Wirtschaftsgüter in den<br />

Besitz der Personengesellschaft, wenn dies im Gesellschaftsvertrag oder in einer bestimmten<br />

Transaktion nicht anders festgelegt ist.<br />

Immobilien <strong>und</strong> andere nicht bewegliche Wirtschaftsgüter (onroerende zaken), die vom<br />

Komplementär während der Lebensdauer der Personengesellschaft erworben werden,<br />

gelten nur dann als Teil der Gütergemeinschaft, wenn der Gesellschafter (Komplementär)<br />

die nicht beweglichen Wirtschaftsgüter als Miteigentum <strong>und</strong> unter Einhaltung der geltenden<br />

Übertragungsformalitäten in den Besitz der Personengesellschaft überträgt. Trotzdem gilt das<br />

wirtschaftliche Eigentumsrecht an solchen nicht beweglichen Wirtschaftsgütern auf derselben<br />

Gr<strong>und</strong>lage wie bei beweglichen Gütern als im Namen der Personengesellschaft erworben.<br />

Das niederländische Gesetz enthält keine besonderen Bestimmungen für den Inhalt<br />

des Jahresabschlusses von niederländischen Personengesellschaften, es sei denn, alle<br />

Komplementäre sind Körperschaften nach ausländischem Recht. In diesem Fall unterliegt<br />

die Personengesellschaft niederländischen Bestimmungen zur Finanzberichterstattung.<br />

1.9.5 Änderungen am niederländischen Personengesellschaftsrecht<br />

Das Unterhaus des niederländischen Parlaments hat ein Gesetz zur Einführung eines neuen<br />

Buchs 7:13 zum niederländischen bürgerlichen Recht verabschiedet, das nun im Oberhaus<br />

vorliegt. Dieses Gesetz wird deshalb möglicherweise schon bald erlassen. Das Gesetz<br />

führt den Begriff „öffentliche Personengesellschaft“ (openbare vennootschap oder ‚OV‘)<br />

ein. Die Kommanditgesellschaft oder CV ist eine bestimmte Unterform dieser Rechtsform.<br />

Der wichtigste Unterschied zum derzeitigen Personengesellschaftsrecht ist der, dass die<br />

Gesellschafter bei der Gründung oder während des Bestehens der Personengesellschaft<br />

entscheiden können, ob die Personengesellschaft eine separate juristische Person sein<br />

soll oder nicht. Eine öffentliche Personengesellschaft, die eine separate juristische Person<br />

ist, wird auf Niederländisch als openbare vennootschap met rechtspersoonlijkheid oder<br />

‚OVR‘ bezeichnet. Wenn eine derartige Personengesellschaft die Rechtsform einer<br />

Kommanditgesellschaft als separate juristische Person hat, wird sie als commanditaire<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

29


vennootschap met rechtspersoonlijkheid oder ‚CVR‘ bezeichnet. Es besteht eine formale<br />

Anforderung, dass der Gesellschaftsvertrag einer OVR <strong>und</strong> CVR sowie Änderungen an<br />

diesem notariell beurk<strong>und</strong>et sein müssen.<br />

Sollte eine Personengesellschaft eine separate juristische Person sein, wäre sie <strong>–</strong> <strong>und</strong><br />

nicht die Gütergemeinschaft zwischen den Gesellschaftern <strong>–</strong> der rechtmäßige Besitzer der<br />

Vermögenswerte. Eine weitere Neuerung ist die Tatsache, dass es nach dem neuen Gesetz<br />

möglich wäre, eine OVR oder CVR in eine BV oder (geschlossene) NV umzuwandeln, <strong>und</strong><br />

umgekehrt.<br />

30 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


2. Verschiedene Unternehmensfragen<br />

2.1 Einführung<br />

In diesem Kapitel umreißen wir kurz die verschiedenen Bestimmungen des niederländischen<br />

Rechts in Bezug auf die Haftpflicht, insbesondere die Haftung von Vorständen <strong>und</strong><br />

Aufsichtsräten, die Haftung von Aktionären für die Schulden des Unternehmens, die Ultra<br />

Vires-Frage <strong>und</strong> die 403-Haftungserklärung.<br />

2.2 Haftung von Mitgliedern des Vorstands <strong>und</strong> Aufsichtsrats<br />

2.2.1 Allgemeines<br />

Es wird zwischen der vertraglichen <strong>und</strong> nichtvertraglichen Haftung von Vorstands- <strong>und</strong><br />

Aufsichtsratsmitgliedern unterschieden. Die vertragliche Haftung besteht gegenüber<br />

dem Unternehmen <strong>und</strong> ergibt sich aus der Vertragsbeziehung zwischen den Vorständen<br />

<strong>und</strong> Aufsichtsräten auf der einen <strong>und</strong> dem Unternehmen auf der anderen Seite. Die<br />

nichtvertragliche Haftung besteht gegenüber Dritten, z. B. Gläubigern des Unternehmens<br />

oder Steuerbehörden.<br />

Nach niederländischem Recht gelten für die Interaktionen der Vorstände, der Aufsichtsräte<br />

(ggf.), des Unternehmens <strong>und</strong> anderer am Unternehmen beteiligter Personen die Gr<strong>und</strong>sätze<br />

der Angemessenheit <strong>und</strong> Billigkeit. Diese allgemeine Bestimmung hat an sich wenig<br />

Bedeutung im Vergleich zu den konkreteren Bestimmungen, die im Folgenden erörtert<br />

werden.<br />

2.2.2 Interne Haftung, d. h. Haftung der Vorstände dem Unternehmen gegenüber<br />

Nach niederländischem Recht ist jeder Vorstand verpflichtet, seine Aufgaben dem Unternehmen<br />

gegenüber ordnungsgemäß zu erfüllen. Bei Angelegenheiten, die den Tätigkeitsbereich<br />

von zwei oder mehr Vorständen betreffen, sind diese Vorstände gesamtschuldnerisch für<br />

Mängel haftbar, es sei denn, ein Vorstand kann beweisen, dass die mangelhafte Erfüllung<br />

von Aufgaben nicht auf ihn zurückzuführen ist <strong>und</strong> dass er in Bezug auf das Ergreifen von<br />

Maßnahmen zur Verhinderung der Konsequenzen des Mangels nicht fahrlässig gehandelt<br />

hat. Allgemein gilt, dass ein Vorstand für die mangelhafte Erfüllung von Aufgaben nur haftet,<br />

wenn ihm ein schwerer Vorwurf (ernstig verwijt) gemacht werden kann. Die mangelhafte<br />

Erfüllung von Aufgaben kann gesetz- oder satzungswidriges Handeln (oder Nichthandeln)<br />

oder klar unbilliges Verhalten umfassen. Ob ein Vorstand seine Aufgaben mangelhaft erfüllt<br />

<strong>und</strong>/oder schwer fahrlässig gehandelt hat, hängt von den jeweiligen Umständen ab.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

31


Die Aktionärshauptversammlung (<strong>und</strong> in bestimmten Fällen der Aufsichtsrat) können<br />

Vorstände entlassen. Generell bedeutet die Entlassung eines Vorstands aufgr<strong>und</strong> der<br />

Unternehmensführung während eines bestimmten Zeitraums, dass das Unternehmen ihn nicht<br />

für seine Unternehmensführung im betreffenden Zeitraum haftbar machen kann. Prinzipiell<br />

kann die Entlassung einen Vorstand nur von der Haftung für Angelegenheiten befreien, die<br />

aus dem Jahresabschluss hervorgehen oder die den Anteilsinhabern auf andere Weise<br />

mitgeteilt werden. Die Entlassung befreit den Vorstand nicht von der Haftung für Handlungen,<br />

von denen die Anteilsinhaber nicht gerechtfertigterweise Kenntnis haben konnten. Prinzipiell<br />

beseitigt die Entlassung die vertragliche Haftung, nicht aber die nichtvertragliche Haftung.<br />

2.2.3 Haftung bei Insolvenz (Drittes Missbrauchsgesetz)<br />

Nach dem Dritten Missbrauchsgesetz ist jedes Vorstandsmitglied gesamtschuldnerisch<br />

haftbar für das Defizit der Insolvenzmasse, wenn der Vorstand seine Pflichten mangelhaft<br />

erfüllt <strong>und</strong> die ungetreue Geschäftsbesorgung zur Insolvenz beigetragen hat. Ein Vorstand<br />

kann sich entlasten, wenn er beweist, dass er in Bezug auf die ungetreue Geschäftsbesorgung<br />

<strong>und</strong> auf die Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung der Konsequenzen aus dieser<br />

nicht fahrlässig gehandelt hat. Eine Situation, in der kein vernünftiger Vorstand unter<br />

denselben Umständen auf dieselbe Weise gehandelt hätte, ist ein Fall von ungetreuer<br />

Geschäftsbesorgung.<br />

Das Dritte Missbrauchsgesetz misst der Pflicht der ordnungsgemäßen Unternehmensführung<br />

<strong>und</strong> der Pflicht zur Anfertigung, Verabschiedung <strong>und</strong> Veröffentlichung von Jahresabschlüssen<br />

besondere Wichtigkeit zu. Wird eine dieser Pflichten vernachlässigt, enthält das Gesetz<br />

zwei Annahmen: eine unwiderlegbare Annahme, dass der Vorstand sich einer ungetreuen<br />

Geschäftsbesorgung schuldig gemacht hat, <strong>und</strong> eine widerlegbare Annahme, dass der<br />

Verstoß gegen diese Pflichten ein wichtiger Faktor bei der Insolvenz war. In der Regel<br />

muss der Vorstand den Anscheinsbeweis führen, dass andere, externe Faktoren als<br />

die ungetreue Geschäftsbesorgung maßgeblich zur Insolvenz beigetragen haben.<br />

Wenn der Insolvenzverwalter keinen Anscheinsbeweis führen kann, dass die ungetreue<br />

Geschäftsbesorgung auch wesentlich zur Insolvenz beigetragen hat, ist die Geschäftsführung<br />

entlastet.<br />

Der Vorwurf gegen den/die Vorstand/Vorstände kann nur vom Insolvenzverwalter <strong>und</strong> im<br />

Namen der Gläubiger insgesamt erhoben werden. Ein solcher Vorwurf kann nur in der<br />

ungetreuen Geschäftsbesorgung im Dreijahreszeitraum vor der Insolvenz begründet<br />

werden. Das Gericht kann den Betrag, für den die Vorstände haften, insgesamt oder für<br />

einzelne Vorstände verringern. Der „Entscheidungsträger“, d. h. die Person, die die Politik<br />

des Unternehmens bestimmt hat, als wäre er ein Vorstand, haftet im selben Maße wie ein<br />

Vorstand.<br />

32 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


2.2.4 Irreführende Geschäftsabschlüsse, Jahres- <strong>und</strong> Zwischenabschlüsse<br />

Wenn die vom Unternehmen veröffentlichten Geschäftsabschlüsse, Jahres- <strong>und</strong><br />

Zwischenabschlüsse eine irreführende Darstellung der finanziellen Situation des<br />

Unternehmens beinhalten, haften die Vorstände gegenüber Dritten gesamtschuldnerisch<br />

für Verluste, die ihnen aufgr<strong>und</strong> dessen entstanden sind. Ein Vorstand, der belegen kann,<br />

dass die irreführende Darstellung nicht auf ihn zurückzuführen ist, ist nicht haftbar.<br />

2.2.5 Haftung für Steuerschulden, Rentenbeiträge <strong>und</strong> Pensionsfondsbeiträge (Zweites<br />

Missbrauchsgesetz)<br />

Nach dem Zweiten Missbrauchsgesetz haften Vorstände gesamtschuldnerisch für<br />

Einkommens- <strong>und</strong> Mehrwertsteuern, Renten- <strong>und</strong> Pensionsfondsbeiträge, die das<br />

Unternehmen schuldet, wenn das Unternehmen (<strong>und</strong> die Vorstände einzeln) nicht der Pflicht<br />

nachkommen, die zuständigen Behörden umgehend schriftlich in Kenntnis zu setzen, wenn<br />

das Unternehmen nicht in der Lage ist, die entsprechenden Zahlungen zu leisten.<br />

2.2.6 Delikthaftung<br />

Ein Vorstand kann der Delikthaftung unterliegen. Insbesondere Handlungen, die für Gläubiger<br />

nachteilig sind, Umweltverschmutzung verursachen oder zu irreführenden Darstellungen in<br />

einem Prospekt führen, können dazu führen, dass der betreffende Vorstand der Delikthaftung<br />

unterliegt.<br />

Gläubigerschädigung<br />

Nach der Rechtsprechung ist ein Vorstand haftbar, wenn er im Namen des Unternehmens<br />

einen Vertrag schließt, obwohl er zum Abschlusszeitpunkt des Vertrags weiß oder Gr<strong>und</strong><br />

hat zu wissen, dass das Unternehmen nicht in der Lage ist, den entsprechenden Pflichten<br />

in einem angemessenen Zeitraum oder überhaupt nachzukommen, <strong>und</strong> kein (oder kein<br />

ausreichendes) Vermögen besitzt, gegen das der Gläubiger Regress nehmen kann. Die<br />

Beweislast liegt prinzipiell beim geschädigten Gläubiger.<br />

Umweltschäden<br />

Ein Vorstand kann im Fall von durch das Unternehmen verursachten Umweltschäden (Boden<strong>und</strong><br />

Wasserverschmutzung) Dritten (einschließlich dem Staat) gegenüber haftbar gemacht<br />

werden. Die Rechtsprechung in Bezug auf Umweltverschmutzung macht Vorstände leichter<br />

haftbar als das Haftungsrecht ganz allgemein. Eine persönliche Haftung gilt dann, wenn es<br />

in der Macht des Vorstands gestanden hätte, den Umweltschaden zu verhindern, <strong>und</strong> dieser<br />

es unterlassen hat zu handeln.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

33


Prospekthaftung<br />

Vorstände können Dritten gegenüber für eine irreführende Darstellung der finanziellen<br />

Situation des Unternehmens in einem Anlagenprospekt haftbar gemacht werden. Nach<br />

den entsprechenden Regeln verlagert sich die Beweislast in Bezug auf die irreführende<br />

Darstellung auf den Herausgeber des Prospekts.<br />

2.2.7 Eintragung im Handelsregister <strong>und</strong> Bezahlung von Anteilen<br />

Alle Vorstände haften mit dem Unternehmen Dritten gegenüber gesamtschuldnerisch für alle<br />

während der jeweiligen Amtszeit ergriffenen rechtlichen Handlungen, die das Unternehmen<br />

verpflichten <strong>und</strong> die vor (i) der Ersteintragung im Handelsregister der Handelskammer oder<br />

(ii) der Zahlung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapitals (siehe Abschnitt 1.4.5 oben)<br />

oder (iii) der Einzahlung von mindestens einem Viertel des ausgegebenen Nennkapitals<br />

stattfinden.<br />

2.2.8 Haftung bei juristischer Person als Vorstand<br />

Wenn ein Unternehmen von einer juristischen Person geführt wird, haften alle Personen,<br />

die beim Entstehen einer bestimmten Haftpflicht Vorstände der betreffenden juristischen<br />

Person sind, hierfür gesamtschuldnerisch neben der juristischen Person, die das betreffende<br />

Unternehmen führt.<br />

2.3 Haftung von Anteilsinhabern für die Schulden eines<br />

Unternehmens<br />

2.3.1 Allgemeines<br />

Der folgende Abschnitt beschreibt die wichtigsten Umstände, unter denen eine Aktionär<br />

unfreiwillig für die Schulden <strong>und</strong> Verpflichtungen eines Unternehmens haftbar werden kann.<br />

Die freiwillige Übernahme der Haftung für die Schulden eines Unternehmens (z. B. durch<br />

Verträge, Garantien oder auf andere Weise) werden hier nicht behandelt.<br />

2.3.2 Hauptregel <strong>und</strong> Ausnahmen<br />

Anteilsinhaber sind prinzipiell nicht für Handlungen im Namen des Unternehmens haftbar<br />

<strong>und</strong> nicht verpflichtet, sich über die für seine Anteile zu zahlende Summe hinaus an den<br />

Verlusten des Unternehmens zu beteiligen.<br />

Die einschlägige niederländische Rechtsprechung hat jedoch verschiedene Gr<strong>und</strong>lagen<br />

anerkannt, die in Ausnahmefällen zur Haftpflicht eines Anteilsinhabers für die Schulden<br />

<strong>und</strong> Verpflichtungen des Unternehmens führen können. Die wichtigsten sind (i) ein vom<br />

Anteilsinhaber begangenes Delikt (onrechtmatige daad) <strong>und</strong> (ii) eine Alter Ego-Situation<br />

(vereenzelviging) in Bezug auf den Anteilsinhaber <strong>und</strong> das Unternehmen. Beide fallen unter<br />

die Durchgriffshaftung bei juristischen Personen.<br />

34 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Ein Anteilsinhaber kann für Schulden <strong>und</strong> Verpflichtungen des Unternehmens haftbar gemacht<br />

werden, wenn das Bestehen derartiger Schulden <strong>und</strong> Verpflichtungen ein Delikt seitens des<br />

Anteilsinhabers darstellt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Anteilsinhaber<br />

irreführend den Anschein erweckt, dass das Unternehmen zahlungsfähig ist. Ein weiteres<br />

Beispiel für diese Auslegung der Delikthaftung ist ein Fall, in dem der Aktionär entweder als<br />

Gläubiger des Unternehmens oder als Anteilsinhaber einen ungerechtfertigten Vorteil für<br />

sich selbst gegenüber anderen Gläubigern schafft.<br />

Des Weiteren haben niederländische Gerichte entschieden, dass Anteilsinhaber der<br />

Delikthaftung für Handlungen des Unternehmens unterliegen, wenn festgestellt wird, dass<br />

ein Anteilsinhaber <strong>und</strong> ein Unternehmen nicht ausreichend unabhängig voneinander sind. In<br />

solchen Alter Ego-Fällen erkennen Gerichte die Trennung des Unternehmens als Körperschaft<br />

nicht an <strong>und</strong> urteilen stattdessen, dass der Anteilsinhaber <strong>und</strong> das Unternehmen in Bezug auf<br />

Schulden <strong>und</strong> Verpflichtungen gegenüber Dritten als identisch zu betrachten sind. Generell<br />

zieht das Verfassungsgericht diese Schlussfolgerung nur ungern <strong>und</strong> unter besonderen<br />

Umständen. Selbstverständlich gibt es zahlreiche unabhängige Fakten, die erwogen werden<br />

können <strong>und</strong> die insgesamt zu einer Situation führen, in der ein Gericht wahrscheinlich urteilt,<br />

dass die Eigenständigkeit der Körperschaft außer Acht zu lassen ist, weil das Unternehmen<br />

mit dem Anteilsinhaber identisch ist. Bei seiner Entscheidung wägt das Gericht viele Faktoren<br />

ab. Dies bedeutet in der Regel, dass keinem einzelnen „Durchgriffsfaktor“ eine besondere<br />

Gewichtung zugewiesen wird <strong>und</strong> das Gericht in jedem Fall je nach den gegebenen<br />

Umständen nach eigenem Gutdünken entscheiden kann. Das Ergebnis einer Anfechtung<br />

der Getrenntheit des Unternehmens als Körperschaft vom Anteilsinhaber ist deshalb schwer<br />

vorherzusagen, insbesondere wenn die Firmengruppe hochgradig integriert ist.<br />

2.4 Ultra Vires<br />

2.4.1 Allgemeines<br />

Nach einschlägigem niederländischen Recht können rechtliche Transaktionen eines<br />

Unternehmen als nichtig erklärt werden, wenn die Transaktion über den Geschäftszweck<br />

des Unternehmens hinausgeht (ultra vires) <strong>und</strong> die Gegenpartei an der Transaktion dies<br />

wusste oder ohne weitere Recherchen hätte wissen müssen. Die meisten Experten sind<br />

der Ansicht, dass die Handlungen eines Unternehmens in dessen bestem Interesse sein<br />

sollten, in dem Sinne, dass derartige Handlungen der Verfolgung der Geschäftszwecke des<br />

Unternehmens wie in der Geschäftszweckklausel der Satzung definiert dienen müssen. Nur<br />

das Unternehmens selbst oder ein Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Nichtigerklärung der<br />

Transaktion zu beantragen.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

35


2.4.2 Ultra Vires bei der Ausstellung von Sicherheiten<br />

Die Ausstellung einer Sicherheit an einen Kreditgeber durch das Unternehmen wirft die<br />

Frage auf, ob diese Ausstellung nach dem Ultra Vires-Konzept für ungültig erklärt werden<br />

könnte. Insbesondere bei der Finanzierung einer Unternehmensgruppe (oder eines<br />

Unternehmens einer Unternehmensgruppe), bei der ein Sicherungsrecht gewährt wird, um<br />

die Verbindlichkeiten eines Partnerunternehmens abzusichern, ist die Ultra Vires-Doktrin<br />

komplex <strong>und</strong> weist viele noch nicht geklärte Grauzonen auf.<br />

Die Abwärtsbesicherung (Gewährung eines Sicherungsrechts am Vermögen einer Mutterfirma<br />

zur Besicherung der Verbindlichkeiten einer Tochter) stellt in den meisten Fällen kein Problem<br />

dar, weil die Gewährung Sicherungsrechts für die Verbindlichkeiten einer Tochter in der<br />

Regel unter den Geschäftszweck der (Mutter-) Gesellschaft fällt. Wenn davon ausgegangen<br />

wird, dass die Durchführung der Transaktion, für die ein Sicherungsrecht gewährt wird, im<br />

Interesse der betreffenden Tochter liegt, was in der Regel der Fall ist, so ist die Gewährung<br />

des Sicherungsrechts im Interesse des (Mutter-) Unternehmens, weil das (fortgesetzte)<br />

Wohlergehen der Tochter auch dem Wohlergehen der (Mutter-) Gesellschaft dient.<br />

Bei der Aufwärtsbesicherung (wobei eine Tochter eine Sicherheit für die Verbindlichkeiten der<br />

Muttergesellschaft ausstellt) haben niederländische Gerichte in einigen Fällen die Gewährung<br />

eines solchen Sicherungsrechts aufgr<strong>und</strong> der Ultra Vires-Doktrin für ungültig erklärt. Dies<br />

war jedoch immer in recht bestimmten Umständen der Fall, z. B. weil die Gewährung des<br />

Sicherungsrechts nicht in der Geschäftszweckklausel des Unternehmens genannt war. Die<br />

Fachmeinungen in der Literatur gehen weit auseinander, wenn es um die Frage geht, ob <strong>und</strong><br />

wenn ja unter welchen bestimmten Umständen die Gewährung einer Aufwärtsbesicherung<br />

für ungültig erklärt werden kann.<br />

Außerdem kann im Zusammenhang mit der Aufwärts- oder Seitwärtsbesicherung<br />

zwischen der Gruppenfinanzierung einerseits, bei der alle Töchter Kreditnehmer nach<br />

dem Kreditrahmen oder zur Inanspruchnahme des der Muttergesellschaft oder einem<br />

Gruppenfinanzierungsunternehmen gewährten Kreditrahmens berechtigt sind, <strong>und</strong> der<br />

Finanzierung eines bestimmten Kreditnehmers zu dessen eigenen Zwecken andererseits<br />

unterschieden werden. Obwohl der juristische Ultra Vires-Test in beiden Fällen gleich ist,<br />

birgt die Gruppenfinanzierung weniger Risiko, weil die Interessen der an der Finanzierung<br />

beteiligten Unternehmen wahrscheinlich eindeutiger wahrgenommen werden <strong>und</strong> die<br />

Ausstellung der Sicherheit gleichermaßen im Interesse der Unternehmen liegt.<br />

2.5 403-Haftungserklärung<br />

Eine Mutergesellschaft kann freiwillig die gesamtschuldnerische Haftung für alle<br />

Verbindlichkeiten übernehmen, die sich aus rechtlichen Handlungen durch eines oder<br />

36 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


mehrere ihrer direkten oder indirekten Tochterunternehmen (außer im Deliktfall) ergeben,<br />

indem sie eine „403-Haftungserklärung“ abgibt, d. h. eine Erklärung der Muttergesellschaft<br />

nach Abschnitt 2:403 des bürgerlichen Rechts. Der Hauptgr<strong>und</strong> für diese Erklärung ist,<br />

dass die Jahresabschlüsse von Tochterunternehmen damit weniger strengen Vorschriften<br />

unterliegen als dies ansonsten der Fall wäre, vorausgesetzt, dass bestimmte weitere Kriterien<br />

erfüllt sind. Dementsprechend können sich Gläubiger auf die Informationen <strong>und</strong> Haftung der<br />

Muttergesellschaft verlassen. Aus dem oben Gesagten folgt, dass die Jahresabschlüsse der<br />

Mutter <strong>und</strong> Tochter in konsolidierter Form vorgelegt werden müssen.<br />

Obwohl die Formulierung von Abschnitt 2:403 des niederländischen bürgerlichen Rechts<br />

eindeutig ist, wurde in der Vergangenheit vorgetragen, dass die Gläubiger einer Tochter<br />

zunächst gegen das Vermögen der Tochter Regress nehmen sollten <strong>und</strong> die Mutter nur dann<br />

haften sollte, wenn dieses zur Erfüllung der Forderung nicht ausreicht. Die Lehrmeinung ist<br />

jedoch, dass die Gläubiger der Tochter gleichermaßen gegen die Mutter oder die Tochter<br />

vorgehen können. Wenn einer der Schuldner, die Mutter oder die Tochter, die Forderung<br />

beglichen hat, sind beide aus der Haftung entlassen. Das niederländische Verfassungsgericht<br />

hat bestätigt, dass die Gläubiger einer Tochter die Mutter <strong>und</strong> Tochter aufgr<strong>und</strong> einer<br />

403-Erklärung gleichzeitig haftbar machen können. Dementsprechend muss nicht zuerst<br />

Regress gegen die Tochter genommen werden, bevor gegen die Mutter vorgegangen wird.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

37


3. Die wichtigsten Aufsichtsbehördlichen <strong>und</strong><br />

Kartellbestimmungen<br />

3.1 Einführung<br />

In diesem Kapitel werden die wichtigsten aufsichtsbehördlichen Fragen behandelt, die für<br />

die Geschäftsaktivität in den <strong>Niederlande</strong>n relevant sind. Außerdem umreißen wir hier (sehr<br />

allgemein) das niederländische Kartellgesetz.<br />

3.2 Die wichtigsten aufsichtsbehördlichen Bestimmungen<br />

3.2.1 Bestimmungen über ausländische Investitionen<br />

Die niederländische Regierung verfolgt eine Politik, die ein geschäftsfre<strong>und</strong>liches Umfeld<br />

schaffen soll. Für ausländische <strong>und</strong> niederländische Industrie- <strong>und</strong> Handelsunternehmen<br />

werden nationale Investitionsanreize gesetzt, darunter hohe Zuschüsse, wertvolle<br />

Dienstleistungen <strong>und</strong> Steuerbefreiungen (siehe Kapital 4). Staatliche Entwicklungs- <strong>und</strong><br />

Wagniskapitalgesellschaften können Risikokapital zur Verfügung stellen <strong>und</strong> Verluste<br />

ausgleichen. Das Wirtschaftministerium bietet Beihilfen, Kredite <strong>und</strong> Kreditgarantien.<br />

Nationale Anreize sind u. a. Energiebeihilfen (z. B. die Verordnung über Offerten für industrielle<br />

Energieeinsparung), Steuerermäßigungen <strong>und</strong> -zuschüsse für Umweltmaßnahmen<br />

(z. B. die Steuerermäßigung für Umweltinvestitionen) sowie Arbeitszuschüsse,<br />

Innovationszuschüsse <strong>und</strong> Finanzierungsprogramme. Außerdem gibt es auf regionaler Ebene<br />

Investitionsprämienbestimmungen für Industrieprojekte in „Förderbereichen“, z. B. im Norden<br />

<strong>und</strong> Süden der <strong>Niederlande</strong>.<br />

3.2.2 Berichterstattungspflicht<br />

Die Niederländische Zentralbank (De Nederlandsche Bank oder ‚DCB‘) ist für die Erstellung<br />

der Zahlungsbilanz der <strong>Niederlande</strong> zuständig. Das bedeutet, dass die DNB gewährleisten<br />

sollte, dass über alle finanziellen Transaktionen zwischen den <strong>Niederlande</strong>n <strong>und</strong> anderen<br />

Ländern Buch geführt wird. In diesem Zusammenhang erfasst die DNB regelmäßig Daten<br />

von bestimmten von der DNB ausgewählten Gruppen von Berichterstattungsorganen, unter<br />

anderem im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Transaktionen.<br />

Gemäß dem Gesetz über ausländische Finanzbeziehungen von 1994 (Wet financiële<br />

betrekkingen buitenland 1994) kann eine niederländische Institution als Berichterstatter<br />

designiert werden, wenn die Institution als besondere Finanzinstitution qualifiziert ist<br />

(Bijzondere Financiële Instelling). Besondere Finanzinstitutionen sind in den <strong>Niederlande</strong>n<br />

38 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


ansässige Unternehmen oder Institutionen, ungeachtet ihrer Rechtsform, an denen<br />

Nichteinwohner durch Anteilsbesitz oder auf andere Weise eine direkte oder indirekte<br />

Beteiligung haben <strong>und</strong> deren Zweck es ist bzw. deren Geschäftstätigkeit zum Großteil darin<br />

besteht, Gelder von Nichteinwohnern zu empfangen <strong>und</strong> an Nichteinwohner zu übertragen.<br />

Gemäß dem Gesetz über ausländische Finanzbeziehungen von 1994 sollten besondere<br />

Finanzinstitutionen die DNB binnen drei Wochen nach ihrer Gründung benachrichtigen, damit<br />

die DNB prüfen kann, ob eine besondere Finanzinstitution als Berichterstatter designiert<br />

werden sollte oder nicht.<br />

3.2.3 Sorgfaltspflicht in Bezug auf K<strong>und</strong>en<br />

Zur Bekämpfung der Geldwäsche trat am 1. August 2008 das Gesetz zur Verhinderung von<br />

Geldwäsche <strong>und</strong> Terrorfinanzierung (Wet ter voorkoming van witwassen en financieren van<br />

terrorisme, oder ‚Wwft‘) in Kraft. Das Wwft gilt für bestimmte Institutionen wie Kreditinstitute,<br />

Finanzinstitute, Lebensversicherungsgesellschaften, Investitionsfirmen, Anlageninstitute,<br />

Finanzdienstleister, Geldmarktinstitute, Treuhandstellen, bestimmte externe Wirtschaftsprüfer<br />

<strong>und</strong> Steuerberater, bestimmte natürliche Personen wie Rechtsanwälte <strong>und</strong> Notare, Kasinos,<br />

Unternehmen, die Kreditkarten ausgeben, <strong>und</strong> bestimmte natürliche oder juristische Personen,<br />

die mit Waren handeln, wenn Barzahlungen in Höhe von mindestens 15.000 € erfolgen.<br />

Die wichtigste Bestimmung des Wwft ist, dass Institutionen K<strong>und</strong>enrecherchen anstellen<br />

müssen, wobei auf Folgendes zu achten ist:<br />

(i) Die Identität von K<strong>und</strong>en muss festgestellt <strong>und</strong> geprüft werden.<br />

(ii) Unter bestimmten Umständen muss der letztendliche wirtschaftliche Eigentümer<br />

identifiziert werden uns es müssen ausreichende Maßnahmen ergriffen werden, um<br />

dessen Identität zu prüfen.<br />

(iii) Im Fall einer juristischen Person, einer Stiftung oder eines Syndikats müssen<br />

Maßnahmen ergriffen werden, um Einblick in die Besitzverhältnisse <strong>und</strong><br />

Führungsstruktur des K<strong>und</strong>en zu erhalten.<br />

(iv) Es müssen Informationen eingeholt werden, um den Zweck <strong>und</strong> die Art der<br />

Geschäftsbeziehung zu bestimmen.<br />

(v) Wenn möglich, sollten die Geschäftsbeziehung <strong>und</strong> die Transaktionen fortlaufend<br />

beaufsichtigt werden.<br />

Holländische juristische Personen <strong>und</strong> ausländische juristische Personen, die in den<br />

<strong>Niederlande</strong>n eingetragen sind, z. B. im Handelsregister der Handelskammer, können anhand<br />

eines Handelsregisterauszugs identifiziert werden. Ausländische juristische Personen, die<br />

nicht in den <strong>Niederlande</strong>n registriert sind, können anhand von Dokumenten, Daten oder<br />

Informationen identifiziert werden, die zuverlässig sind, standardmäßige internationale<br />

Geschäftspraxis darstellen <strong>und</strong> die von Gesetzes wegen im Ursprungsland als gültige<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

39


Ausweise gelten. Die Identität natürlicher Personen muss anhand von Dokumenten,<br />

Daten oder Informationen aus zuverlässigen unabhängigen Quellen, z. B. Pässen oder<br />

Personalausweisen, identifiziert werden.<br />

Nach dem Wwft müssen bestimmte Transaktionen von der betreffenden Institution beim<br />

Amt für die Meldung ungewöhnlicher Transaktionen (Meldpunt Ongebruikelijke Transacties),<br />

dem „Finanzdatendienst <strong>Niederlande</strong>“, gemeldet werden, wenn die Institution aufgr<strong>und</strong><br />

einer Anzahl von Faktoren Gr<strong>und</strong> zu dem Verdacht hat, dass eine Transaktion illegal ist.<br />

Institutionen dürfen im Rahmen des Wwft ihre K<strong>und</strong>en nicht informieren, dass sie eine<br />

Meldung machen oder gemacht haben.<br />

3.2.4 Finanzaufsichtsgesetz<br />

Am 1. Januar 2007 trat das Finanzaufsichtsgesetz in Kraft (Wet op het financieel toezicht<br />

oder ‚Wft‘).<br />

Die Finanzmarktbehörde (Autoriteit Financiële Markten oder ‚AFM‘) <strong>und</strong> die Niederländische<br />

Zentralbank (De Nederlandsche Bank N.V. oder ‚DNB‘) sind die zuständigen Aufsichtsbehörden<br />

in Bezug auf das Wft.<br />

Der Abschnitt über die Aufsicht über das Verhalten von Finanzunternehmen im Wft enthält<br />

Bestimmungen, die Finanzunternehmen bei der Bereitstellung von Dienstleistungen<br />

beachten müssen, z. B. Bestimmungen über die Informationsbereitstellungen an K<strong>und</strong>en<br />

(Transparenz) <strong>und</strong> die Sorgfaltspflicht des Finanzunternehmens. Die Aufsicht konzentriert sich<br />

auf ordentliche <strong>und</strong> transparente Finanzmarktprozesse, Integrität der Beziehungen zwischen<br />

Marktteilnehmern <strong>und</strong> die Sorgfaltspflicht bei der Bereitstellung von Dienstleistungen an<br />

K<strong>und</strong>en.<br />

Das Wft gilt unter anderem für die folgenden Finanzmarktteilnehmer:<br />

Banken <strong>und</strong> Versicherungen: Die DNB ist das Lizenzierungsorgan für Banken <strong>und</strong> Versicherer<br />

nach dem Wft.<br />

Investmentgesellschaften: Nach dem Wft sind Investmentgesellschaften z. B. Anlagenmanager.<br />

Die AFM ist das Lizenzierungsorgan für Investmentgesellschaften nach dem Wft.<br />

Investmentfonds: Nach dem Wft sind Investmentfonds Investmentgesellschaften <strong>und</strong><br />

Unit-Trusts. Die AFM ist das Lizenzierungsorgan für (die Managementgesellschaften von)<br />

Investmentfonds nach dem Wft.<br />

40 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Finanzdienstleister: Nach dem Wft ist ein Finanzdienstleister die Partei, die ein anderes<br />

Finanzprodukt als ein Finanzinstrument bereitstellt (was damit auch Banken <strong>und</strong><br />

Versicherungen umfasst) oder die berät, vermittelt (auch in Bezug auf Rückversicherung) oder<br />

die als befugter Vertreter mit Vollmacht oder als befugter Vertreter mit Untervollmacht handelt.<br />

Ein Berater für Finanzinstrumente, der auch Investitionsdienstleistungen zur Verfügung<br />

stellt, gilt nicht nur als Investmentgesellschaft, sondern auch als Finanzdienstleister.<br />

Investmentgesellschaften, die über Finanzinstrumente beraten, fallen damit in die Kategorie<br />

Finanzdienstleister. Die Wft-Ausnahmeregelung schließt eine Anzahl von Finanzdienstleistern<br />

ganz oder teilweise von den Wft-Bestimmungen aus.<br />

3.2.5 Sonstige Bestimmungen <strong>und</strong> Vorschriften<br />

Der Import <strong>und</strong> Export von Waren in <strong>und</strong> aus den <strong>Niederlande</strong>n kann aufgr<strong>und</strong> verschiedener<br />

Vorschriften <strong>und</strong> Verordnungen im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Zollgesetz<br />

(Algemene Douanewet) jeweils Registrierungs- oder Lizenzierungsanforderungen unterliegen.<br />

Darüber hinaus unterliegen importierte Produkte möglicherweise bestimmten Vorschriften des<br />

Warengesetzes (Warenwet) über die Sicherheit, Qualität, Verpackung <strong>und</strong> den Verkauf von<br />

Produkten <strong>und</strong> den verschiedenen Bestimmungen <strong>und</strong> Verordnungen, die darauf basieren.<br />

Am 1. Januar 1998 trat das Gesetz über offiziell im Ausland registrierte Unternehmen (Wet op<br />

de formeel buitenlandse vennootschappen) in Kraft. Zweck des Gesetzes ist die Anwendung<br />

bestimmter Anforderungen im Zusammenhang mit der (Mindest-) Kapitalisierung, Verwaltung<br />

<strong>und</strong> Publikation auf ausländische Unternehmen, die (fast) ausschließlich in den <strong>Niederlande</strong>n<br />

tätig sind <strong>und</strong> keine wirkliche Verbindung mit ihrem Gründungsland haben. Das Gesetz stellt<br />

eine Ausnahme zu der niederländischen Rechtsherrschaftsdoktrin dar, dass Unternehmen<br />

in Bezug auf ihre Gründung, ihr Bestehen <strong>und</strong> ihre Unternehmensführung den Gesetzen<br />

ihres Gründungslands (‚incorporatie-leer‘) unterliegen. Aufgr<strong>und</strong> der Rechtsprechung des<br />

Europäischen Gerichtshofs vor einiger Zeit wurde das Gesetz mit Wirkung vom 1. Juni 2005<br />

dahingehend geändert, dass Unternehmen, die nach den Gesetzen von Mitgliedsstaaten<br />

der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums gegründet wurden, von<br />

den Bestimmungen des Gesetzes ausgenommen sind.<br />

3.3 Nationale Kartellfragen<br />

3.3.1 Allgemeines<br />

Das Wettbewerbsgesetz (Mededingingswet), das am 1. Januar 1998 in Kraft getreten ist, basiert<br />

auf dem Europäischen Wettbewerbsgesetz (insbesondere Abschnitt 101 <strong>und</strong> 102 des Vertrags<br />

über die Arbeitsweise der Europäischen Union <strong>und</strong> der EG-Fusionskontrollverordnung).<br />

Viele Definitionen im Wettbewerbsgesetz haben dieselbe Bedeutung wie im europäischen<br />

Wettbewerbsgesetz. Das europäische Wettbewerbsgesetz gilt weiter für Handlungen, die<br />

den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) beeinflussen<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

41


können. Das Wettbewerbsgesetz gilt für Handlungen, die den Wettbewerb innerhalb der<br />

<strong>Niederlande</strong> einschränken.<br />

Die wichtigsten Artikel des Wettbewerbsgesetzes sind unten kurz beschrieben.<br />

3.3.2 Wettbewerbsvereinbarungen<br />

Das Kartellgesetz verbietet Vereinbarungen <strong>und</strong> abgestimmte Verhaltensweisen zwischen<br />

Unternehmen bzw. Unternehmensverbänden, die den Marktwettbewerb in den <strong>Niederlande</strong>n<br />

einschränken. Soweit sie für die Parteien verpflichtend sind, sind vertragliche Abmachungen,<br />

die den Wettbewerb beeinflussen, automatisch null <strong>und</strong> nichtig. Dementsprechend können<br />

derartige Abmachungen vor Gerichten nicht eingeklagt werden.<br />

Ausnahmen zu diesem Verbot sind im Wettbewerbsgesetz festgelegt.<br />

Das Verbot gilt u. a. nicht für:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

Wettbewerbsvereinbarungen, die die Bestimmungen der EG-Gruppenfreistellung<br />

erfüllen (z. B. die Gruppenfreistellung für vertikale Vereinbarungen, Forschungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungs- sowie Technologielizenzabkommen)<br />

Wettbewerbsvereinbarungen, die von diesem Verbot ausgenommen wurden,<br />

weil sie unter die durch einen Ministererlass bestimmte niederländische<br />

Gruppenfreistellung fallen. Zurzeit sind zwei solche Erlasse in Kraft, die<br />

(i) Zweigstellenschutzvereinbarungen zwischen Einzelhändlern <strong>und</strong> neuen<br />

Einkaufszentren <strong>und</strong> (ii) bestimmte Kooperationsverträge über den Einzelhandel<br />

freistellen.<br />

Vereinbarungen durch öffentliche Dienstleistungsunternehmen in dem Maße, in<br />

dem die Anwendung des Verbots die Ausübung der öffentlichen Dienstleistungen<br />

verhindern würden, mit denen diese Unternehmen beauftragt sind.<br />

Wettbewerbsvereinbarungen von geringer Bedeutung. Für diese Kategorie<br />

von Vereinbarungen enthält das Wettbewerbsgesetz eine Bagatellfreistellung<br />

(bagatelvrijstelling). Diese Freistellung gilt für Wettbewerbsvereinbarungen zwischen<br />

maximal acht Unternehmen, deren Jahresumsatz zusammen nicht mehr als<br />

5.500.000 € (wenn die betreffenden Unternehmen hauptsächlich in der Lieferung<br />

von Waren tätig sind) bzw. 1.100.000 € (in allen anderen Fällen) beträgt. Diese<br />

Freistellung gilt auch für Vereinbarungen zwischen (potenziellen) Wettbewerbern,<br />

deren Marktanteil zusammen nicht mehr als 5 % aller relevanten Märkte beträgt <strong>und</strong><br />

deren Jahresumsatz insgesamt nicht mehr als 40.000.000 € beträgt. Am 15. Juni<br />

2010 verabschiedete das Oberhaus eine Änderung dieser Freistellung, nach der die<br />

Freistellung auch für Vereinbarungen zwischen (potenziellen) Wettbewerbern gilt,<br />

deren Marktanteil zusammen nicht mehr als 10 % der relevanten Märkte beträgt.<br />

42 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Wenn eine Wettbewerbsvereinbarung nicht in eine dieser Ausnahmekategorien fällt, wird<br />

sie von dem oben genannten Verbot ausgenommen, wenn der wirtschaftliche Nutzen<br />

der Vereinbarung die Wettbewerbseinschränkung überwiegt. Dies ist nur dann der Fall,<br />

wenn die Vereinbarung zur Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs von Waren<br />

<strong>und</strong> Dienstleistungen oder zum technologischen oder wirtschaftlichen Fortschritt beiträgt<br />

<strong>und</strong> Verbraucher gleichzeitig einen gerechten Anteil an dem resultierenden Nutzen haben<br />

<strong>und</strong> wenn keine Einschränkungen auferlegt werden, die zur Erreichung dieser Ziele nicht<br />

notwendig sind, <strong>und</strong> wenn der Wettbewerb in Bezug auf einen maßgeblichen Teil der<br />

betreffenden Produkte oder Dienstleistungen nicht ausgeschaltet wird.<br />

3.3.3 Wirtschaftliche Beherrschung<br />

Das Wettbewerbsgesetz verbietet es Unternehmen, eine marktbeherrschende Stellung<br />

(economische machtspositie) auszunutzen. Eine marktbeherrschende Stellung ist definiert<br />

als eine Position eines oder mehrerer Unternehmen, die es ihnen erlaubt, einen effektiven<br />

Wettbewerb im niederländischen Markt oder einem Teil davon zu verhindern, oder die ihnen<br />

die Möglichkeit gibt, weitgehend unabhängig von Wettbewerbern, Zulieferern, K<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

Verbrauchern zu agieren. Ob eine Partei marktbeherrschend ist, hängt von der Definition<br />

des relevanten Markts, der Position der Partei in diesem Markt sowie der Marktstruktur<br />

<strong>und</strong> Marktdynamik ab. Das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung ist nicht an sich<br />

verboten, sondern lediglich deren Missbrauch. Die ungerechtfertigte Verweigerung der<br />

Lieferung, unangemessene Preise oder unangemessene Bestimmungen <strong>und</strong> Koppelungen<br />

sind Beispiele für einen Missbrauch. Öffentliche Dienstleistungsunternehmen können eine<br />

Ausnahme von diesem Verbot beantragen, wenn dessen Anwendung diese Unternehmen<br />

davon abhalten würde, die öffentlichen Dienstleistungen zu erbringen, mit denen sie<br />

beauftragt sind.<br />

3.3.4 Fusionskontrolle<br />

Das Wettbewerbsgesetz enthält auch Bestimmungen zur Fusionskontrolle. Konzentrationen<br />

(Fusionen, Übernahmen <strong>und</strong> bestimmte Arten von Joint Ventures) müssen vor dem<br />

Inkrafttreten der Kartellbehörde gemeldet werden, wenn (i) der weltweite Jahresumsatz<br />

der betreffenden (Gruppe von) Unternehmen zusammen die Summe von 113.450.000 €<br />

übersteigt <strong>und</strong> (ii) mindestens zwei der betroffenen Unternehmen innerhalb der <strong>Niederlande</strong><br />

jeweils einen Jahresumsatz (der Gruppe) in Höhe von 30.000.000 € haben. In Bezug auf<br />

Konzentrationen im medizinischen Bereich gelten niedrigere Grenzwerte: Konzentrationen<br />

im Ges<strong>und</strong>heitsbereich müssen gemeldet werden, wenn (i) der weltweite Jahresumsatz der<br />

betreffenden (Gruppe von) Unternehmen zusammen die Summe von 55.000.000 € übersteigt,<br />

(ii) mindestens zwei der betroffenen Unternehmen innerhalb der <strong>Niederlande</strong> jeweils einen<br />

Jahresumsatz (der Gruppe) in Höhe von 10.000.000 € haben <strong>und</strong> (iii) mindestens zwei der<br />

betroffenen Unternehmen innerhalb der <strong>Niederlande</strong> durch ges<strong>und</strong>heitliche Aktivitäten jeweils<br />

einen Jahresumsatz in Höhe von 5.500.000 € haben. Das Kartellamt muss binnen vier Wochen<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

43


nach Erhalt einer Benachrichtigung entscheiden, ob für die Konzentration eine Genehmigung<br />

erforderlich ist (erste Entscheidungsphase). Während dieses Zeitraums kann die Konzentration<br />

nicht in Kraft treten. Das Kartellamt verlangt eine Genehmigung, wenn es wahrscheinlich<br />

ist, dass die Konzentration den effektiven Wettbewerb im relevanten niederländischen Markt<br />

oder in einem Teil davon maßgeblich beeinträchtigen würde, insbesondere in Folge der<br />

Schaffung oder Stärkung einer marktbeherrschenden Stellung. Das Kartellamt muss über den<br />

Genehmigungsantrag binnen dreizehn Wochen entscheiden (zweite Entscheidungsphase).<br />

Während dieses Zeitraums ist die Konzentration suspendiert. Das Kartellamt wird die<br />

Genehmigung verweigern, wenn die in diesem Zeitraum durchgeführte Untersuchung ergibt,<br />

dass die geplante Konzentration den effektiven Wettbewerb im relevanten niederländischen<br />

Markt oder in einem Teil davon tatsächlich maßgeblich beeinträchtigen würde. In diesem<br />

Fall darf die Konzentration nicht durchgeführt werden. Entscheidungen ergehen nur nach<br />

Zahlung einer Einreichungsgebühr in Höhe von 15.000 € (erste Entscheidungsphase) <strong>und</strong><br />

30.000 € (zweite Entscheidungsphase).<br />

Das niederländische Wettbewerbsgesetz gilt nicht für Konzentrationen, die unter die EU-<br />

Fusionskontrollbestimmungen fallen. Diese treffen auf Fusionen zu, die die folgenden<br />

Kriterien erfüllen:<br />

A. (i) Der weltweite Umsatz der betreffenden (Gruppe von) Unternehmen zusammen<br />

ist höher als 5 Mrd. €,<br />

(ii) mindestens zwei der betroffenen Unternehmen haben einen Jahresumsatz (der<br />

Gruppe) innerhalb der EU in Höhe von mehr als 250 Mio. € <strong>und</strong><br />

(iii) nicht alle betroffenen Unternehmen erzielen mindestens zwei Drittel ihres<br />

(Gruppen-) Umsatzes in der EU innerhalb eines einzigen Mitgliedsstaats<br />

oder<br />

B. (i) der weltweite Gesamtumsatz aller betroffenen (Gruppen von) Unternehmen<br />

zusammen ist höher als 2,5 Mrd. €,<br />

(ii) in jedem von mindestens drei EU-Mitgliedsstaaten ist der Gesamtumsatz aller<br />

betroffenen (Gruppen von) Unternehmen zusammen höher als 100 Mio. €.<br />

(iii) in jedem der im Sinne von (ii) mit eingeschlossenen drei Mitgliedsstaaten<br />

ist der Gesamtumsatz von mindestens zwei der betroffenen (Gruppen von)<br />

Unternehmen jeweils höher als 25 Mio. € <strong>und</strong><br />

(iv) der Gesamtumsatz von mindestens zwei der betroffenen (Gruppen von)<br />

Unternehmen ist jeweils höher als 100 Mio. € <strong>und</strong><br />

(v) nicht alle betroffenen Unternehmen erzielen mindestens zwei Drittel ihres<br />

(Gruppen-) Umsatzes in der EU innerhalb eines einzigen Mitgliedsstaats.<br />

44 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


3.3.5 Vollstreckung<br />

Für die Vollstreckung des Wettbewerbsgesetzes ist das niederländische Kartellamt<br />

(Nederlandse mededingingsautoriteit oder ‚NMa‘) zuständig. Das Kartellamt arbeitet<br />

unabhängig vom Wirtschaftsministerium.<br />

Bei Verstößen gegen das Verbot von Wettbewerbsvereinbarungen oder des Missbrauchs<br />

einer marktbeherrschenden Stellung kann das Kartellamt eine Strafanordnung erlassen oder<br />

eine Strafgebühr auferlegen. Derartige Strafanordnungen oder Strafgebühren dürfen nicht<br />

mehr als 450.000 € oder 10 % des Jahresumsatzes des Unternehmens betragen. Es gilt<br />

der jeweils höhere Betrag. Strafgebühren können auch auferlegt werden, wenn gegen die<br />

Fusionskontrollvorschriften verstoßen wurde.<br />

Das Kartellamt kann darüber hinaus Strafgebühren für Personen anordnen, die Anweisungen<br />

gegeben haben oder eine De-Facto-Führungsrolle innehatten. Persönliche Strafgebühren<br />

dürfen nicht mehr als 450.000 € betragen.<br />

Das Kartellamt hat umfangreiche Untersuchungsbefugnisse, die mit denen der Europäischen<br />

Kommission vergleichbar sind. Gegen die Entscheidungen des Kartellamts kann bei der<br />

Verwaltungsabteilung des Amtsgerichts Rotterdam Einspruch erhoben werden, <strong>und</strong> eine<br />

Berufung vor dem Berufungsgericht für Handel <strong>und</strong> Industrie (College van beroep voor het<br />

bedrijfsleven) ist möglich.<br />

Unternehmen, die durch wettbewerbsschädigende Handlungen Nachteile erleiden,<br />

können beim Kartellamt eine Beschwerde einreichen. Sie können auch vor Gericht<br />

klagen. Das Gericht kann die Wettbewerbsvereinbarungen für null <strong>und</strong> nichtig erklären<br />

<strong>und</strong> eine einstweilige Verfügung gegen die betreffenden Unternehmen zur Einstellung<br />

ihres wettbewerbsschädigenden Verhaltens <strong>und</strong> zur Zahlung von Schadenersatz erlassen.<br />

Die Gerichte können jedoch keine Strafgebühren auferlegen, Befreiungen gewähren oder<br />

Fusionen untersuchen. Diese Befugnisse sind ausschließlich dem Kartellamt vorbehalten.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

45


4. Steuerfragen<br />

4.1 Einführung<br />

Die <strong>Niederlande</strong> spielen seit langem eine wichtige Rolle im internationalen Steuerbereich,<br />

hauptsächlich aufgr<strong>und</strong> der folgenden vorteiligen Merkmale des holländischen Steuersystems:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

(v)<br />

Die „Beteiligungsfreistellung“, die das gesamte Einkommen aller berechtigten<br />

Tochtergesellschaften vollständig freistellt: d. h. erhaltene Dividenden <strong>und</strong><br />

Kapitalgewinne durch die Veräußerung von Aktien<br />

Günstige <strong>und</strong> umfangreiche Steuerabkommen, die eine niedrige oder gar<br />

keine Quellenbesteuerung von an Einwohner Hollands gezahlten Dividenden,<br />

Zinseinnahmen <strong>und</strong> Lizenzgebühren vorsehen<br />

Die Tatsache, dass keine niederländischen Quellensteuern auf aus den <strong>Niederlande</strong>n<br />

gezahlte Zins- <strong>und</strong> Lizenzeinnahmen erhoben werden<br />

Die Möglichkeit, verschiedene Steuerfragen durch die niederländischen<br />

Steuerbehörden im Voraus klären zu lassen<br />

Das Nichtvorhandensein von Vorschriften für die Gewinnverteilung<br />

Dieses Kapitel bietet einen kurzen Überblick über die wichtigsten holländischen Steuern,<br />

die Unternehmen möglicherweise zu zahlen haben, wenn sie entweder in den <strong>Niederlande</strong>n<br />

investieren oder ihre Investitionen über die <strong>Niederlande</strong> leiten.<br />

4.2 Persönliche Einkommenssteuer<br />

4.2.1 Allgemeines<br />

Personen, die in den <strong>Niederlande</strong>n leben (ansässige Steuerzahler) <strong>und</strong> Personen außerhalb<br />

der <strong>Niederlande</strong>, die Einkommen aus den <strong>Niederlande</strong>n erhalten (nicht ansässige Steuerzahler)<br />

sind zur Zahlung der niederländischen persönlichen Einkommenssteuer (inkomstenbelasting)<br />

verpflichtet. Nicht ansässige Steuerzahler können sich unter bestimmten Umständen als<br />

ansässige Steuerzahler besteuern lassen. Die niederländische persönliche Einkommenssteuer<br />

wird zusammen mit den nationalen Versicherungsbeiträgen des Steuerzahlers erhoben.<br />

Ansässige Steuerzahler müssen auf ihr weltweites Einkommen Steuern zahlen. Nicht<br />

ansässige Steuerzahler müssen die niederländische Einkommenssteuer nur auf bestimmte<br />

Kategorien von Einkommen aus niederländischen Quellen zahlen.<br />

46 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Im niederländischen Einkommenssteuersystem wird zwischen drei Einkommensarten<br />

unterschieden. Diese drei Einkommenssteuerarten werden als Feld 1-, Feld 2- <strong>und</strong> Feld<br />

3-Einkommen bezeichnet, für das jeweils unterschiedliche Steuersätze gelten.<br />

Die zu zahlende Einkommenssteuer ist der Gesamtbetrag der separat berechneten fälligen<br />

Steuer pro Feld minus einer persönlichen Pauschalsteuergutschrift in Höhe von 1.987 € (im<br />

Jahr 2010).<br />

4.2.2 Feld 1: Steuerpflichtiges Einkommen aus Arbeit <strong>und</strong> Wohneigentum<br />

Für Einkommen nach Feld 1 gilt eine progressive Besteuerung mit vier Steuersätzen, wobei<br />

der höchste Steuersatz 52 % beträgt. Feld 1-Einkommen ist:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

(v)<br />

(vi)<br />

Steuerpflichtige Gewinne aus Geschäftstätigkeit. Steuerpflichtige Gewinne aus<br />

Geschäftstätigkeit sind der Gesamtbetrag der Gewinne, die der Steuerzahler<br />

als Unternehmer aus einem oder mehreren Unternehmen erhält, minus einer<br />

Unternehmerermäßigung.<br />

Steuerpflichtiges Entgelt.<br />

Steuerpflichtiges Einkommen aus anderen Aktivitäten. Steuerpflichtiges Einkommen<br />

aus anderen Aktivitäten ist der Gesamtbetrag des Einkommens aus einer oder<br />

mehreren Aktivitäten, die keine steuerpflichtigen Gewinne aus Geschäftstätigkeit<br />

<strong>und</strong> kein steuerpflichtiges Entgelt erbringen. Hierzu gehört Einkommen durch<br />

Kapitalzuwächse aus sogenannten „lukrativen Interessen“, d. h. bestimmten<br />

Finanzinstrumenten, die als Mitarbeiteranreize eingesetzt werden (z. B. übertragene<br />

Zinsen, Sweat Equity <strong>und</strong> rückgrifffreie Darlehen).<br />

Steuerpflichtiges Einkommen aus regelmäßigen Zahlungen. Beispiele für regelmäßige<br />

Zahlungen sind Jahresrenten sowie bestimmte Renten- <strong>und</strong> Pensionsleistungen. Der<br />

Gesamtbetrag dieses Einkommens wird um die Kosten reduziert, die für den Erwerb,<br />

Einzug <strong>und</strong> Erhalt derartiger regelmäßiger Zahlungen anfallen.<br />

Steuerpflichtiges Einkommen im Zusammenhang mit selbst genutztem Wohneigentum<br />

(Hauptwohnsitz). Steuerpflichtiges Einkommen im Zusammenhang mit dem<br />

selbst genutzten Wohneigentum des Steuerzahlers ist ein fiktiver steuerpflichtiger<br />

Nutzen aus dem selbst genutzten Wohneigentum <strong>und</strong> der Nutzen aus einer<br />

Kapitalrückzahlungsversicherung im Zusammenhang mit dem selbst genutzten<br />

Wohneigentum, reduziert um die absetzbaren Kosten, die diesen Nutzen aus selbst<br />

genutztem Wohneigentum belasten. Ein fester, progressiver prozentualer Anteil des<br />

Werts des selbst genutzten Wohneigentums gilt in diesem Sinne als Nutzen, während<br />

die Kreditzinsen (teilweise) als Kosten angerechnet werden.<br />

Die negativen Aufwendungen zum Erhalt von Einkommen. Abgegebene Jahresrenten<br />

sind z. B. negative Aufwendungen.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

47


(vii)<br />

Negativer Anrechnungsbetrag. Ein solcher negativer Anrechnungsbetrag ist<br />

beispielsweise eine Rückzahlung für Aufwendungen, die in einem früheren Jahr als<br />

Freibetrag abgesetzt wurden.<br />

Die Folgenden sollten von der Summe der oben Genannten abgezogen werden:<br />

(viii)<br />

(ix)<br />

(x)<br />

Aufwendungen zum Erhalt von Einkommen. Beispiele für derartige Aufwendungen<br />

sind Prämienzahlungen für die Altersrente <strong>und</strong> für Überbrückungsrenten.<br />

Absetzungsbetrag für geringe oder keine Tilgungsraten für selbst genutztes<br />

Wohneigentum. Sofern das steuerpflichtige Einkommen im Zusammenhang mit dem<br />

selbst genutzten Wohneigentum des Steuerzahlers die damit zusammenhängenden<br />

absetzbaren Aufwendungen übersteigt, kann die Differenz abgesetzt werden.<br />

Der persönliche Anrechnungsbetrag. Der persönliche Anrechnungsbetrag,<br />

der nur von ansässigen Steuerzahlern geltend gemacht werden kann, ist der<br />

Gesamtbetrag bestimmter gesetzlich definierter Aufwendungen, darunter Geschenke,<br />

Unterhaltszahlungen, Ausbildungskosten <strong>und</strong> bestimmte medizinische Aufwendungen.<br />

Negatives Einkommen aus einem der oben genannten Gründe kann gegen positives<br />

Einkommen aus einer anderen Quelle in diesem Feld aufgewogen werden. Verluste können<br />

über drei Jahre zurück- oder neun Jahre lang vorgetragen werden. Danach laufen sie ab.<br />

4.2.3 Feld 2: Steuerpflichtiges Einkommen aus erheblicher Beteiligung<br />

Einkommen aus einem Unternehmen, an dem der Steuerzahler in erheblichem Maße beteiligt<br />

ist, wird in Feld 2 mit einem Satz von 25 % besteuert. Generell hat ein Steuerzahler eine<br />

erhebliche Beteiligung, wenn er entweder allein oder zusammen mit einem Partner (direkt<br />

oder indirekt):<br />

(i)<br />

(ii)<br />

Anteile, (Call-) Optionsrechte auf Anteile oder ein Nutzrecht an Anteilen (direkt oder<br />

indirekt) besitzt, die mindestens 5 % der Kapitaleinlage eines ansässigen oder nicht<br />

ansässigen Unternehmens ausmachen.<br />

Genussscheine besitzt, die ihn zum Erhalt von mindestens 5 % des Jahresgewinns<br />

bzw. Liquidationsüberschusses des ansässigen oder nicht ansässigen Unternehmens<br />

berechtigen.<br />

Steuerpflichtiges Einkommen aus erheblicher Beteiligung besteht aus regelmäßigen Leistungen<br />

(z. B. Dividenden oder fiktivem Einkommen aus ausländischen Investmentgesellschaften)<br />

sowie Veräußerungsgewinnen (Kapitalgewinn bei der Veräußerung) <strong>und</strong> wird durch den<br />

Abgleich des Einkommens aus erheblicher Beteiligung mit den zu verrechnenden Verlusten<br />

aus erheblicher Beteiligung berechnet. Zur Berechnung der Veräußerungsgewinne wird der<br />

Anschaffungspreis der Anteile vom Übertragungspreis der Anteile abgezogen.<br />

48 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


4.2.4 Feld 3: Steuerpflichtiges Einkommen aus Sparanlagen <strong>und</strong> Investitionen<br />

In Feld 3 wird eine fiktive Rendite von 4 % auf das durchschnittliche Gesamtvermögen des<br />

Steuerzahlers in einem Jahr (z. B. Spareinlagen, Mieteigentum <strong>und</strong> Anteile), reduziert um<br />

seine Schulden, mit einem Satz von 30 % besteuert. Bestimmte Vermögenswerte, wie z. B.<br />

Kunstwerke, Investitionen in gelisteten umweltfre<strong>und</strong>lichen Fonds oder in Umweltprojekte<br />

sind von der Steuer befreit.<br />

Vermögenswerte (<strong>und</strong> Schulden), die zu Einkommen in Feld 1 <strong>und</strong> Feld 2 führen, werden<br />

in diesem Gesamtsaldo nicht berücksichtigt. Im Jahr 2010 sind die ersten 20.661 € (doppelt<br />

soviel für verheiratete Ehepaare) des Gesamtsaldos steuerfrei.<br />

4.3 Lohnsteuereinbehaltung<br />

4.3.1 Allgemeines<br />

Die Lohnsteuereinbehaltung ist eine Vorauszahlung von Steuern auf persönliches Einkommen,<br />

die zusammen mit Rentenbeiträgen abgezogen wird. Hierfür wird der Steuersatz auf<br />

persönliches Einkommen aus Feld 1 zugr<strong>und</strong>e gelegt. Der Arbeitgeber muss die Steuern auf<br />

die an Arbeitnehmer gezahlten Löhne einbehalten. Arbeitnehmer können die einbehaltenen<br />

Lohnsteuern auf ihrer persönlichen Einkommenssteuererklärung geltend machen. Die<br />

einbehaltenen Steuern auf Löhne werden auf der Basis der Vergütung berechnet, die ein<br />

Arbeitnehmer für seine Arbeit erhält.<br />

Einbehaltene Steuern auf Löhne fallen auch auf Rentenleistungen <strong>und</strong> Leistungen wie<br />

Jahresbonuszahlungen, Aktienoptionen <strong>und</strong> Sachleistungen an. Arbeitgeber können<br />

ihren Arbeitnehmern Aufwendungen bis zu einem bestimmten Höchstbetrag steuerfrei<br />

zurückerstatten, z. B. Reisespesen.<br />

4.3.2 Die 30 %-Regel<br />

Mitarbeiter, die die von außerhalb der <strong>Niederlande</strong> stammen (Auswanderer), bei einem<br />

holländischen Arbeitgeber beschäftigt sind <strong>und</strong> bestimmte Bedingungen erfüllen, können<br />

u. U. die 30%-Regel nutzen. Wenn diese Regel anwendbar ist, kann der Arbeitgeber dem<br />

ausländischen Arbeitnehmer eine Pauschale in Höhe von 30 % des steuerpflichtigen<br />

Einkommens aus dem Arbeitsverhältnis steuerfrei auszahlen. Diese Pauschale soll bestimmte<br />

Aufwendungen für das Leben im Ausland decken, z. B. Zusatzkosten, die dadurch entstehen,<br />

dass der Arbeitnehmer im Ausland arbeitet. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber dem<br />

Mitarbeiter Schulgebühren für den Besuch einer internationalen Schule durch seine Kinder<br />

steuerfrei erstatten. Diese Regel gilt für maximal zehn Jahre.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

49


4.4 Körperschaftssteuer<br />

4.4.1 Allgemeines<br />

Die niederländische Körperschaftssteuer (vennootschapsbelasting) wird progressiv erhoben<br />

<strong>und</strong> unterteilt sich in zwei Sparten. Die ersten 200.000 € der steuerpflichtigen Gewinne eines<br />

Unternehmens werden mit 20 % besteuert. Was darüber hinausgeht, wird (im Jahr 2010)<br />

mit 25,5 % besteuert.<br />

Die Körperschaftssteuer wird unter anderem auf NVs <strong>und</strong> BVs, Kooperativen <strong>und</strong> offene<br />

Kommanditgesellschaften (open commanditaire vennootschap) erhoben. Geschlossene<br />

Kommanditgesellschaften (besloten commanditaire vennootschap) sind im Sinne der<br />

niederländischen Körperschaftssteuer transparent. Die Kommanditgesellschaft gilt als<br />

„geschlossen“, wenn zum Beitritt eines neuen bzw. Ersatz eines bestehenden Kommanditisten<br />

die ausdrückliche, einstimmige <strong>und</strong> vorbehaltlose vorherige Zustimmung aller Gesellschafter<br />

erforderlich ist. Diese Zustimmung ist bei offenen Kommanditgesellschaften nicht erforderlich.<br />

Die Körperschaftssteuer wird auf steuerpflichtige Gewinne minus absetzbare Verluste<br />

erhoben. Verluste können ein Jahr zurück- <strong>und</strong> neun Jahre vorgetragen werden. Verluste in<br />

2009 <strong>und</strong> 2010 können (bis zu einer bestimmten Höchstgrenze) auf Wahl des Steuerzahlers<br />

bis zu drei Jahre zurückgetragen werden. In diesem Fall ist die Frist zum Vortragen von<br />

Verlusten auf sechs Jahre beschränkt. Um den Handel mit Steuerverlusten zu verhindern,<br />

ist ein Vortragen von Verlusten prinzipiell nicht möglich, wenn sich die (letztendlichen)<br />

Besitzverhältnisse des Unternehmens maßgeblich ändern. In vielen Fällen gelten jedoch<br />

Ausnahmen zu dieser Regel. Bestimmte Beschränkungen gelten für den Ausgleich der<br />

Verluste von „reinen“ Holding- <strong>und</strong> Finanzierungsunternehmen.<br />

Die Gewinne werden nach dem Gr<strong>und</strong>satz der „lauteren Geschäftspraxis“ bestimmt. Dieser<br />

Gr<strong>und</strong>satz ist äußerst allgemein <strong>und</strong> wurde durch die Rechtsprechung stark weiterentwickelt.<br />

Nach diesem Gr<strong>und</strong>satz können nicht realisierte Verluste generell in einem bestimmten<br />

Jahr berücksichtigt werden, während nicht realisierte Gewinne außer Acht gelassen werden<br />

können.<br />

Absetzbare Kosten im Sinne der Körperschaftssteuer sind unter anderem Zinsen auf Kredite<br />

<strong>und</strong> die jährliche Abschreibung auf Vermögensgegenstände, die im Unternehmen des<br />

Steuerzahlers eingesetzt wird.<br />

Manche Zinsarten sind nicht absetzbar. Hierzu gehören Zinsen auf Kredite, die als Kapital für<br />

den Steuerzahler betrachtet werden, sowie Zinsen, die in Form von Anteilen oder Optionen<br />

auf Anteile am Unternehmen oder einer verwandten Rechtsperson bezahlt werden. Zinsen<br />

50 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


auf konzerninterne Kredite, die für bestimmte konkret definierte Transaktionen aufgenommen<br />

werden, sind nur dann absetzbar, wenn der Steuerzahler entweder gültige Geschäftsgründe<br />

für die Transaktion <strong>und</strong> den damit zusammenhängenden Unternehmenskredit vorweisen kann<br />

oder zeigt, dass die Zinsen effektiv mit mindestens 10 % auf einen steuerpflichtigen Gewinn,<br />

der nach niederländischem Standard berechnet wird, versteuert werden. Im letzteren Fall<br />

wird die Absetzung der Zinsen trotzdem verweigert, wenn die Steuerbehörde zeigen kann,<br />

dass keine ausreichenden Geschäftsgründe vorliegen.<br />

Außerdem gelten Einschränkungen für die Absetzbarkeit von Zinsen, wenn ein zu einer<br />

Gruppe gehörender Steuerzahler zu hoch verschuldet ist (Regelung zur Unterkapitalisierung).<br />

Ein Steuerzahler ist zu hoch verschuldet, wenn der durchschnittliche Saldo der (verzinslichen)<br />

zahlbaren Kredite abzüglich Forderungen aus Krediten höher ist als das Dreifache des<br />

durchschnittlichen Steuerkapitals (ohne Steuerrücklagen) <strong>und</strong> diese Differenz mehr als<br />

500.000 € beträgt. Der Test erfolgt auf Gr<strong>und</strong>lage der Steuerbücher. Überschüssige Schulden<br />

können auf Wahl des Steuerzahlers auch auf Basis der Geschäftsbücher ermittelt werden.<br />

In diesem Fall ist der Steuerzahler überschuldet, wenn der Verschuldungsgrad den der<br />

Gruppe insgesamt übersteigt. Wenn <strong>und</strong> soweit der Steuerzahler überschuldet ist, kann<br />

der proportionale Anteil der Zinsen (einschließlich der Kosten der Verschuldung), der der<br />

Zuvielverschuldung über die Durchschnittsverschuldung hinaus entspricht, nicht abgesetzt<br />

werden. Der Betrag der nicht absetzbaren Zinsen nach der Regelung zur Unterkapitalisierung<br />

ist maximal so hoch wie der Saldo der Zinsausgaben <strong>und</strong> Zinseinkünfte durch verb<strong>und</strong>ene<br />

Unternehmen.<br />

Verschiedene Abschreibungssysteme sind zulässig, soweit diese einheitlich <strong>und</strong> gemäß<br />

der lauteren Geschäftspraxis angewendet werden. Die jährliche Abschreibungssumme<br />

hängt vom historischen Kostenpreis, der Nutzlebensdauer des Vermögenswerts <strong>und</strong> vom<br />

Restwert ab. Für den Geschäftswert darf die jährliche Abschreibung nicht mehr als 10 % des<br />

Anschaffungspreises betragen. Geschäftswert, der für den Kauf von Anteilen an einer Tochter<br />

bezahlt wurde, die für eine Beteiligungsfreistellung qualifiziert ist, kann nicht abgeschrieben<br />

werden. Für die Abschreibung von Immobilien gelten Einschränkungen. Immobilien, die nicht<br />

verb<strong>und</strong>enen Parteien zur Verfügung gestellt wurden, können nicht auf einen Wert unterhalb<br />

des Marktwerts des Eigentums nach regelmäßiger Bewertung der Kommunalbehörden<br />

abgeschrieben werden. Für Immobilien, die nicht in diese Kategorie fallen, beträgt das<br />

Abschreibungslimit 50 % des so ermittelten Marktwerts.<br />

Niederländische Unternehmen können ihre Steuererklärung in ausländischer Währung<br />

anfertigen, wenn ihr Jahresabschluss in der betreffenden Auslandswährung erstellt wird.<br />

So können Währungsschwankungen zwischen dem Euro <strong>und</strong> der Geschäftswährung<br />

nicht zu steuerpflichtigen Gewinnen führen. Um Steuererklärungen in einer ausländischen<br />

Währung einreichen zu können, muss der Steuerzahler bei der Steuerbehörde in dem<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

51


Jahr, das dem gewünschten Jahr der Einreichung in einer Auslandswährung vorausgeht,<br />

einen entsprechenden Antrag einreichen. Der Steuerzahler muss Steuererklärungen dann<br />

mindestens zehn Jahre lang in der betreffenden Auslandswährung einreichen.<br />

Ausländische Unternehmen unterliegen der Körperschaftssteuer in den <strong>Niederlande</strong>n, wenn<br />

sie Einkommen aus einem in den <strong>Niederlande</strong>n ausgeübten Geschäft über eine permanente<br />

Niederlassung oder einen permanenten Vertreter in den <strong>Niederlande</strong>n erzielen oder wenn sie<br />

Einkommen aus einer erheblichen Beteiligung an einem in den <strong>Niederlande</strong>n gegründeten <strong>und</strong><br />

nicht zu ihrem Geschäft gehörenden Unternehmen erzielen (einschließlich Zinseinkommen für<br />

einen Kredit an ein in den <strong>Niederlande</strong>n gegründetes Unternehmen, an dem das ausländische<br />

Unternehmen einen bedeutenden Anteil hat (meesleepregeling)). Ausländische Unternehmen,<br />

die niederländische Immobilien besitzen, gelten als in den <strong>Niederlande</strong>n geschäftstätig.<br />

Darüber hinaus gelten ausländische Unternehmen als Inhaber bedeutender Anteile an einem<br />

niederländischen Unternehmen, wenn sie Anteile, Optionsrechte auf Anteile oder ein (direktes<br />

oder indirektes) Nutzungsrecht für Anteile besitzen, die mindestens 5 % der Kapitaleinlage<br />

des betreffenden Unternehmens ausmachen.<br />

4.4.2 Innovationsfeld<br />

Um Investitionen in die Forschung <strong>und</strong> Entwicklung („F&E“) zu fördern, können die Kosten<br />

für die Entwicklung von immateriellen Werten sofort auf das Steuerergebnis angerechnet<br />

werden, anstatt sie zu kapitalisieren. Darüber hinaus ist der Nutzen aus selbst entwickelten<br />

immateriellen Werten möglicherweise für das „Innovationsfeld“ qualifiziert, wodurch er mit<br />

effektiv 5 % besteuert wird. Das Innovationsfeld ist der Nachfolger des „Patentfeldes“, das<br />

2007 eingeführt wurde. Unter bestimmten Umständen kann das Innovationsfeld auch für<br />

nicht patentierbare immaterielle Werte verwendet werden.<br />

Das Innovationsfeld gilt nicht für Marken, Grafiken <strong>und</strong> ähnliche Vermögenswerte.<br />

4.4.3 Beteiligungsfreistellung<br />

Nach der Beteiligungsfreistellung sind Leistungen aus qualifiziertem Anteilsbesitz,<br />

einschließlich Dividenden <strong>und</strong> Kapitalgewinne, von der Körperschaftssteuer freigestellt.<br />

Generell gilt die Beteiligungsfreistellung, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

Der Steuerzahler besitzt einen Anteil von mindestens 5 % der nominalen Kapitaleinlage<br />

(oder unter Umständen der Stimmrechte) einer Tochtergesellschaft <strong>und</strong><br />

Der Steuerzahler hält diese Beteiligung nicht als Portfolioinvestition<br />

(„beleggingsdeelneming“).<br />

Eine Beteiligung gilt dann als Portfolioinvestition, wenn sie mit dem Ziel gehalten wird,<br />

eine Rendite zu erzielen, die durch normales Vermögensmanagement zu erwarten ist.<br />

52 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Unter bestimmten Umständen gilt eine Beteiligung als Portfolioinvestition. Dies gilt unter<br />

anderem dann, wenn die Hauptfunktion der Beteiligung, einschließlich der eigenen<br />

Tochtergesellschaften, eine Gruppenfinanzierung oder das konzerninterne Leasing von<br />

Unternehmensvermögen ist.<br />

Wenn eine Beteiligung als Portfolioinvestition gehalten wird oder als solche gilt, so gilt<br />

möglicherweise trotzdem die Beteiligungsfreistellung, wenn entweder (i) die Tochtergesellschaft<br />

einer Besteuerung von Gewinnen unterliegt, die nach niederländischem Standard in einer<br />

angemessenen Besteuerung resultiert oder (ii) die von der Tochtergesellschaft direkt oder<br />

indirekt gehaltenen Vermögenswerte in der Regel aus weniger als 50 % niedrig besteuerten,<br />

freien passiven Investitionen („laagbelaste vrije beleggingen“) bestehen.<br />

Wenn die Beteiligungsfreistellung nicht gilt, kann der Steuerzahler unter bestimmten<br />

Umständen eine Gutschrift für die zugr<strong>und</strong>e liegende Steuer erhalten.<br />

Eine jährliche Marktbewertung gilt für eine bedeutende (25 % oder mehr) Investition in<br />

eine Tochtergesellschaft, die als Portfolioinvestition gehalten wird, wenn die Gewinne<br />

der betreffenden Tochter nicht so besteuert werden, dass hierdurch eine angemessene<br />

Besteuerung nach niederländischem Standard zustande kommt, <strong>und</strong> ihre Vermögenswerte<br />

direkt oder indirekt aus mindestens 90 % niedrig besteuerten, freien passiven Investitionen<br />

bestehen.<br />

Der allgemeine 5 %-Beteiligungstest muss nicht bestanden werden, wenn ein verb<strong>und</strong>enes<br />

Unternehmen bereits 5 % oder mehr der Beteiligung besitzt. Wenn das Unternehmen<br />

eine berechtigte Beteiligung besitzt, fallen auch Forderungen aus Hybridkrediten <strong>und</strong><br />

Genussscheine unter diese Freistellung. Wenn ein Steuerzahler einen Hybridkredit an ein<br />

Unternehmen ausgestellt hat, das eine qualifizierte Beteiligung für ein mit dem Steuerzahler<br />

verb<strong>und</strong>enes Unternehmen darstellt, gilt die Beteiligungsfreistellung für die Forderungen<br />

aus dem Hybridkredit.<br />

4.4.4 Steuerliche Organschaft<br />

Die Gewinne <strong>und</strong> Verluste eines Mutterunternehmens können mit den Gewinnen <strong>und</strong><br />

Verlusten einer oder mehrerer ihrer Töchter zusammengelegt werden, wenn diese<br />

Unternehmen eine Steuergruppe darstellen (steuerliche Organschaft). Die steuerliche<br />

Organschaft kann auf Antrag der beteiligten Unternehmen erfolgen. Voraussetzung für eine<br />

steuerliche Organschaft ist, dass das Mutterunternehmen im Alleinbesitz von mindestens<br />

95 % aller Aktien aller Aktienklassen an der Tochtergesellschaft (einschließlich Stimmrechte)<br />

ist <strong>und</strong> dass beide Unternehmen in den <strong>Niederlande</strong>n ansässig sind. Außerdem müssen die<br />

Unternehmen ein ähnliches Haushaltsjahr haben <strong>und</strong> die Gewinne müssen nach denselben<br />

Steuerbestimmungen berechnet werden. Während des Bestehens einer steuerlichen<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

53


Organschaft müssen die beteiligten Unternehmen bestimmte Bedingungen einhalten, die<br />

im Körperschaftssteuergesetz festgelegt sind. Die steuerliche Organschaft kann auf Antrag<br />

beendet werden oder endet automatisch, wenn ihre Bedingungen nicht mehr erfüllt sind.<br />

Unter bestimmten weiteren Bedingungen kann ein nicht ansässiges Unternehmen, das<br />

durch eine permanente Niederlassung in den <strong>Niederlande</strong>n geschäftstätig ist, an einer<br />

steuerlichen Organschaft beteiligt sein, soweit die durch die permanente Niederlassung in<br />

den <strong>Niederlande</strong>n erwirtschafteten Gewinne in den <strong>Niederlande</strong>n steuerpflichtig sind.<br />

4.4.5 Fusionen<br />

Das niederländische bürgerliche Recht sieht drei Arten von Fusionen vor: die Anteilsfusion<br />

(aandelenfusie), die Betriebsfusion (bedrijfsfusie) <strong>und</strong> die juristische Fusion (juridische fusie).<br />

Unter bestimmten Umständen erleichtert das niederländische Steuergesetz diese Fusionen,<br />

indem es eine Umlegung der Buchungswerte der übertragenen Vermögenswerte <strong>und</strong> Anteile<br />

ermöglicht <strong>und</strong> dadurch steuerpflichtiger Gewinn vermieden wird.<br />

4.4.6 Vorabklarstellungen durch die Steuerbehörden<br />

Unternehmenssteuerzahler können bei den niederländischen Steuerbehörden eine<br />

Entscheidung über die steuerliche Behandlung ihres Einkommens einholen. Solche<br />

Steuerentscheidungen im Voraus (Advance Tax Rulings, ‚ATR‘), schaffen frühzeitig Sicherheit,<br />

z. B. über die Anwendung der Beteiligungsfreistellung.<br />

Für Übertragungspreisfragen können mit den Steuerbehörden Preisvereinbarungen im<br />

Voraus (Advance Pricing Agreements, ‚APA‘) abgeschlossen werden, um zu bestätigen, dass<br />

die für Transaktionen zwischen verb<strong>und</strong>enen Parteien angewendeten Bedingungen auf rein<br />

geschäftlicher Basis bestimmt wurden. Solche Vereinbarungen werden oft von Unternehmen<br />

geschlossen, die Finanzdienstleistungen anbieten, z. B. Finanzierungsunternehmen. APAs<br />

werden für Einzelfälle abgeschlossen <strong>und</strong> erfordern, dass bestimmte Bedingungen für den<br />

Inhalt <strong>und</strong> das Risiko erfüllt sind.<br />

4.4.7 Anreizbestimmungen<br />

Unternehmen, die der niederländischen Körperschaftssteuer unterliegen, können bei der<br />

Bestimmung der Steuerbemessungsgr<strong>und</strong>lage eine Anzahl vorteilhafter Bestimmungen<br />

anwenden. Hier einige Beispiele:<br />

(i) Beschleunigte Abschreibung bestimmter Vermögenswerte mit Umweltnutzen,<br />

bestimmter Vermögenswerte für die Forschung <strong>und</strong> Entwicklung <strong>und</strong> von<br />

Vermögenswerten für Aktivitäten in bestimmten vom Staat benannten Regionen<br />

(ii) Beschleunigte Abschreibung bestimmter Vermögenswerte, in die in den Jahren 2009<br />

<strong>und</strong> 2010 investiert wurde<br />

54 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


(iii)<br />

(iv)<br />

Verschiedene Investitionsabsetzungen, z. B. eine allgemeine Investitionsabsetzung<br />

von 28 % bis 1 % des in neue Vermögenswerte investierten Betrags bis zur<br />

Gesamtinvestitionssumme von 300.000 € (Sätze <strong>und</strong> Betrag für 2010), eine<br />

Investitionsabsetzung von 44 % der Gesamtinvestitionssumme für Vermögenswerte<br />

im Interesse einer hohen Energieeffizienz (staatlich bestimmt) bis zu einer<br />

Investitionssumme von 115.000.000 € (Betrag für 2010) <strong>und</strong> Investitionsabsetzungen<br />

von bis zu 60 % der investierten Gesamtsumme in neue „Umweltinvestitionen“<br />

Bestimmte steuerfreie Rücklagen, wie z. B. die Reinvestitionsrücklage. Steuerst<strong>und</strong>ung<br />

für Kapitalgewinne beim Verkauf bestimmter Vermögenswerte durch Einzahlung des<br />

Verkaufserlöses in eine Reinvestitionsrücklage, vorausgesetzt, dass der Steuerzahler<br />

den Erlös in neue Vermögenswerte investieren will. Bei der Reinvestition wird der in<br />

die Rücklage eingezahlte Betrag mit dem Kostenpreis des neuen Vermögenswerts<br />

verrechnet, wodurch sich die Abschreibungsgr<strong>und</strong>lage des neuen Vermögenswertes<br />

verringert.<br />

4.5 Quellensteuer<br />

4.5.1 Dividenden<br />

Allgemeines<br />

Die von niederländischen Unternehmen ausgezahlten Dividenden werden mit einer<br />

Quellensteuer von 15 % (dividendbelasting) besteuert. Das ausschüttende Unternehmen<br />

muss eine Quellensteuererklärung einreichen, diese Steuer einbehalten <strong>und</strong> sie an die<br />

Steuerbehörden entrichten. Bei Einzelpersonen kann die einbehaltene Quellensteuer genau<br />

wie die einbehaltene Lohnsteuer auf die fälligen Einkommenssteuern angerechnet werden.<br />

Nichteinwohner, die Dividenden aus den <strong>Niederlande</strong>n erhalten, werden oft niedriger besteuert,<br />

wenn zwischen ihrem Wohnland <strong>und</strong> den <strong>Niederlande</strong>n ein Doppelbesteuerungsabkommen<br />

besteht (siehe unten in Abschnitt 4.9.2).<br />

Quellensteuern auf Dividenden können auch anfallen, wenn das Unternehmen seine eigenen<br />

Anteile zurückkauft <strong>und</strong> der Rückkaufpreis den Betrag des steuerlich ausgewiesenen Kapitals<br />

übersteigt. Die Rückerstattung von Kapitaleinlagen <strong>und</strong> Anteilsprämien nach einer offiziellen<br />

Senkung des Nominalwerts der Anteile ist generell von der Quellensteuer auf Dividenden<br />

freigestellt. Liquidierungsausschüttungen unterliegen, soweit sie die Summe des steuerlich<br />

ausgewiesenen Kapitals übersteigen, ebenfalls der Quellensteuer auf Dividenden.<br />

Die Mutter-Tochter-Richtlinie<br />

Die Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie im niederländischen Steuerrecht sieht<br />

eine Freistellung von der Quellensteuer für Dividenden vor, die an eine qualifizierte<br />

EU-Muttergesellschaft gezahlt werden. Generell gilt diese Freistellung, wenn die EU-<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

55


Muttergesellschaft zum Zeitpunkt der Dividendenausschüttung einen Anteil an dem<br />

ausschüttenden Unternehmen besitzt, nach dem sie für eine Beteiligungsfreistellung<br />

qualifiziert wäre (Abschnitt 4.4.3), wenn diese Muttergesellschaft steuerlich als in den<br />

<strong>Niederlande</strong>n ansässig gegolten hätte.<br />

4.5.2 Zinsen <strong>und</strong> Lizenzgebühren<br />

In den <strong>Niederlande</strong>n entstehende Zinsen unterliegen nicht der Quellensteuer. Wenn Zinsen<br />

für Kredite gezahlt werden, die als Kapital fungieren, können diese Zinsen steuerlich als<br />

Dividenden behandelt werden, die der Quellensteuer unterliegen. Lizenzzahlungen von in<br />

den <strong>Niederlande</strong>n ansässigen Steuerzahlern unterliegen nicht der Quellensteuer.<br />

4.6 Mehrwertsteuer<br />

4.6.1 Allgemeines<br />

Die Mehrwertsteuer (Omzetbelasting: ‚MWSt.‘) wird an jeder Stelle in der Produktions- <strong>und</strong><br />

Vertriebskette von Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen erhoben. Die Steuerbemessungsgr<strong>und</strong>lage<br />

ist der für die Transaktion insgesamt veranschlagte Betrag abzüglich MWSt. mit einigen<br />

Ausnahmen. Aufgr<strong>und</strong> von Absetzungen in den vorausgehenden Phasen der Kette ist die<br />

MWSt. nicht kumulativ. Jede steuerpflichtige Person ist für die MWSt. auf ihre eigenen<br />

Umsätze (Arbeitsergebnissteuer) zuständig, von der die auf Kosten <strong>und</strong> Investitionen gezahlte<br />

MWSt. (Vorsteuer) abgezogen werden kann. Ist das Ergebnis positiv, müssen Steuern<br />

entrichtet werden. Ist das Ergebnis negativ, erhält der Steuerzahler einer Rückzahlung. Die<br />

vom Endk<strong>und</strong>en gezahlten Steuern auf die Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen können nicht<br />

steuerlich abgesetzt werden. Die Steuer basiert auf dem für den Preis geltenden MWSt.-Satz,<br />

abzüglich der MWSt., auf die erhaltenen Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen.<br />

4.6.2 Steuerpflichtige Personen<br />

Steuerpflichtige Personen sind geschäftstätige Personen, d. h. Personen, die<br />

unabhängige Geschäfte betreiben, einschließlich natürliche Personen, Körperschaften,<br />

Personengesellschaften <strong>und</strong> Vereinigungen. Kombinationen aus derartigen Rechtspersonen,<br />

die finanziell, organisatorisch <strong>und</strong> wirtschaftlich eng miteinander verb<strong>und</strong>en sind, können<br />

im Sinne der MWSt. als eine steuerpflichtige Person in steuerlicher Organschaft betrachtet<br />

werden. Als solche unterliegt die Lieferung von Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen innerhalb der<br />

steuerlichen Organschaft nicht der MWSt. Auch ein öffentliches Organ kann als steuerpflichtige<br />

Person handeln, wenn seine Aktivitäten keine öffentlichen Aufgaben beinhalten.<br />

4.6.3 Steuerbemessungsgr<strong>und</strong>lage<br />

Es gibt vier steuerpflichtige Aktivitäten:<br />

56 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

die Lieferung von Waren,<br />

die Erbringung von Dienstleistungen,<br />

der Kauf von Waren durch Unternehmen (ab 1. Januar 1993) <strong>und</strong><br />

der Import von Waren.<br />

Der Begriff „Lieferung von Waren“ (Waren sind alle physischen Objekte, jedoch unter anderem<br />

auch Strom, Heizung <strong>und</strong> Kühlung) kann breit ausgelegt werden. Dienstleistungen sind<br />

definiert als alle Aktivitäten, die gegen eine finanzielle Vergütung ausgeführt werden <strong>und</strong> die<br />

nicht als Lieferung von Waren eingestuft werden.<br />

4.6.4 Freistellungen<br />

Verschiedene Transaktionsarten sind von der MWSt. freigestellt. Eine Freistellung bedeutet,<br />

dass für die betreffenden Transaktionen keine Steuern verlangt werden sollten <strong>und</strong> dass im<br />

Voraus bezahlte MWSt. für die betreffenden Transaktionen nicht abgesetzt werden können.<br />

Wichtige freigestellte Geschäftsbereiche sind der Finanz- <strong>und</strong> Versicherungssektor.<br />

4.6.5 Steuersätze<br />

Der Gr<strong>und</strong>steuersatz beträgt 19 %. Ein reduzierter Steuersatz von 6 % gilt für die Lieferung,<br />

den Import <strong>und</strong> die Anschaffung von Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen, die im Anhang 1 des<br />

Umsatzsteuergesetzes genannt sind. Der niedrigere Steuersatz gilt hauptsächlich für<br />

Lebensmittel <strong>und</strong> Medikamente. Waren, die in andere EU-Mitgliedsstaaten transportiert<br />

werden, werden mit Null Prozent besteuert. Diese Waren fallen unter die MWSt. in dem EU-<br />

Mitgliedsstaat, in den sie transportiert werden. Ein Steuersatz von Null Prozent gilt auch für<br />

Dienstleistungen, die auf internationaler Ebene erbracht werden.<br />

4.6.6 MWSt. auf importierte Waren<br />

Waren gelten als importiert, wenn sie aus Ländern außerhalb der EU in das Zollgebiet der EU<br />

importiert werden. Hierfür werden dieselben MWSt.-Sätze angewandt wie für die Lieferung<br />

von Waren in die <strong>Niederlande</strong>.<br />

MWSt. wird entweder auf dieselbe Weise wie Importzölle erhoben oder, wenn eine<br />

entsprechende Lizenz gewährt wurde, nach dem „Zahlungsaufschubsystem“. Wenn keine<br />

Lizenz gewährt wird, muss die fällige MWSt. entweder von der Person gezahlt werden,<br />

die die Importerklärung einreicht, oder die betreffende Person muss für die fällige MWSt.<br />

eine Sicherheit hinterlegen. Wenn eine entsprechende Lizenz gewährt wird, wird die fällige<br />

MWSt. von dem Unternehmen eingeholt, für das die Waren bestimmt sind. So wird die<br />

Zahlung gest<strong>und</strong>et, bis das betreffende Unternehmen seine regelmäßigen inländischen<br />

MWSt.-Erklärungen einreicht. Mit der gleichen MWSt.-Erklärung kann das Unternehmen die<br />

gezahlte MWSt. als Vorsteuer ohne Geldflusseffekt absetzen.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

57


4.7 Importzölle<br />

4.7.1 Allgemeines<br />

Importzölle werden fällig, wenn Waren von einem Land außerhalb der EU in das Zollgebiet der<br />

EU eingeführt werden. Beim Import von Waren aus EU-Mitgliedsstaaten in die <strong>Niederlande</strong><br />

<strong>und</strong> beim Export von Waren aus den <strong>Niederlande</strong>n in andere EU-Mitgliedsstaaten fallen<br />

keine Zölle an. Importzölle müssen in der Regel von der Person gezahlt werden, die die<br />

Zollerklärung zum Import von Waren in die EU vorlegt bzw. in deren Namen die Erklärung<br />

eingereicht wird. Importzölle werden anhand der folgenden Kriterien berechnet: (i) die<br />

Bestimmung des Zollwerts der importierten Waren, (ii) die Zuweisung eines Zolls zu den<br />

Waren <strong>und</strong> (iii) der Ursprungsort der Waren.<br />

Die Höhe der Importzölle ist von Produkt zu Produkt verschieden <strong>und</strong> hängt hauptsächlich<br />

von der importierten Produktart ab.<br />

4.8 Übertragungssteuer<br />

Die Übertragungssteuer (overdrachtsbelasting) wird auf die Akquisition des rechtlichen <strong>und</strong><br />

wirtschaftlichen Eigentums <strong>und</strong> bestimmter Rechte, z. B. des Nutzungsrechts, auf nicht<br />

bewegliche Wirtschaftsgüter in den <strong>Niederlande</strong>n erhoben. Der Steuersatz beträgt 6 %.<br />

Die Steuerbemessungsgr<strong>und</strong>lage ist entweder (i) der Marktwert der übertragenen Immobilie<br />

oder (ii) die erhaltene Vergütung. Dabei gilt der jeweils höhere Wert. Die Vergütung ist die vom<br />

Übertragenden erhaltene Gegenleistung oder was sonst von den die Immobilie übertragenden<br />

Parteien vereinbart wurde.<br />

Die Übertragungssteuer wird auch auf den Erwerb von Anteilen oder ähnlichen Rechten<br />

an Immobilienfirmen erhoben, vorausgesetzt, dass der Übertragungsempfänger nach der<br />

Übertragung einen direkten oder indirekten Anteil an der betreffenden Immobilienfirma besitzt,<br />

der mindestens ein Drittel der Kapitaleinlage des Unternehmens ausmacht. Das Unternehmen<br />

gilt im Sinne der Übertragungssteuer als Immobilienfirma, wenn es zu dem Zweck besteht,<br />

in Immobilien zu investieren <strong>und</strong> sein Vermögen zu mindestens 70 % aus Immobilien in den<br />

<strong>Niederlande</strong>n oder ähnlichen Rechten an solchen Immobilien besteht.<br />

Für die Übertragung von Immobilien wird keine Übertragungssteuer erhoben, wenn die<br />

betreffende Übertragung binnen drei Monaten nach einer vorherigen Übertragung stattfindet<br />

<strong>und</strong> der Übertragungspreis den Preis bei der vorherigen Übertragung nicht übersteigt. Außer<br />

bei der Übertragung von Anteilen an einer Immobilienfirma wird für die Übertragung von<br />

Anteilen, Schuldverschreibungen <strong>und</strong> anderen Wertpapieren keine Übertragungssteuer<br />

erhoben.<br />

58 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Es sind hauptsächlich die folgenden Übertragungen von der Übertragungssteuer<br />

ausgenommen:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

die Übertragung neu gebauter Immobilien, die der (nicht erstattungsfähigen) MWSt.<br />

unterliegen,<br />

die Übertragung von Immobilien im Zusammenhang mit der Beisteuerung eines<br />

Unternehmens zu einer Firma, deren Kapital nicht in Anteile unterteilt ist; die<br />

Übertragung von Immobilien im Zusammenhang mit der Umwandlung eines<br />

Unternehmens in eine NV oder BV,<br />

die Übertragung von Immobilien im Zusammenhang mit der Liquidierung eines<br />

Unternehmens <strong>und</strong><br />

die Übertragung durch eine Fusion, Unterteilung oder interne Umstrukturierung<br />

innerhalb einer Unternehmensgruppe, vorausgesetzt, dass bestimmte<br />

Mindesthaltezeiten eingehalten wurden.<br />

4.9 Internationale Aspekte der Besteuerung in den<br />

<strong>Niederlande</strong>n<br />

4.9.1 Vermeidung der Doppelbesteuerung<br />

Wie zuvor erläutert, müssen in den <strong>Niederlande</strong>n ansässige Personen ihr weltweites<br />

Einkommen in den <strong>Niederlande</strong>n versteuern. Ebenso müssen Unternehmen, die als in den<br />

<strong>Niederlande</strong>n ansässig gelten, die niederländische Körperschaftssteuer auf ihre weltweiten<br />

Gewinne zahlen. Es wurden Maßnahmen ergriffen, um zu vermeiden, dass Teile dieses<br />

weltweiten Einkommens doppelt besteuert werden (d. h. im Entstehungsland <strong>und</strong> in den<br />

<strong>Niederlande</strong>n). Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten, mit denen Einwohner der <strong>Niederlande</strong><br />

diese Doppelbesteuerung ihres ausländischen Einkommens vermeiden können. Erstens<br />

haben die <strong>Niederlande</strong> zahlreiche bilaterale Steuerabkommen mit anderen Rechtsgebieten<br />

abgeschlossen, die eine doppelte Besteuerung vermeiden. Zweitens haben die <strong>Niederlande</strong><br />

unilaterale Bestimmungen für Fälle von Doppelbesteuerung erlassen, in denen entweder<br />

kein Steuerabkommen vorhanden ist oder dieses keine Bestimmungen über bestimmte<br />

Einkommensarten enthält. Diese unilateralen Bestimmungen sind in der Verordnung zur<br />

(Vermeidung einer) Doppelbesteuerung von 2001 (Besluit voorkoming dubbele Belasting<br />

2001) enthalten. Nur Einwohner können diese unilaterale Steuererleichterung beantragen.<br />

Prinzipiell gibt es drei Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

die Freistellung per Progressionsmethode,<br />

die Steuergutschriftsmethode <strong>und</strong><br />

die Absetzung der ausländischen Steuer als Betriebsausgabe.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

59


Die ersten beiden Methoden werden nach der Verordnung über die (Vermeidung einer)<br />

Doppelbesteuerung von 2001 <strong>und</strong> mit wenigen Ausnahmen auch nach den niederländischen<br />

Steuerabkommen verwendet. Die dritte Methode steht nach dem Körperschaftssteuergesetz<br />

zur Verfügung, falls keine Vorkehrungen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung bestehen.<br />

Die Freistellung per Progressionsmethode gilt in der Regel für Unternehmenseinkommen<br />

aus ausländischen Betriebsstätten sowie Einkommen aus Arbeitsverhältnissen <strong>und</strong><br />

Immobilien im Ausland. Das hierfür qualifizierte Einkommen muss im Entstehungsland<br />

versteuert werden. In der Regel ist Einkommen aus ausländischen Quellen jeweils pro<br />

Land individuell freigestellt. Die gewährte Steuerbefreiung kann den in den <strong>Niederlande</strong>n<br />

zahlbaren Steuerbetrag nicht übersteigen. Wenn das Einkommen aus einer ausländischen<br />

Quelle das Gesamteinkommen des Einwohners in einem bestimmten Jahr übersteigt, so<br />

wird der „Überschuss“ der Freistellung in nachfolgenden Jahren angegeben. Damit wird<br />

die niederländische Steuerschuld in diesen nachfolgenden Jahren reduziert. Verluste im<br />

Ausland reduzieren das steuerpflichtige Einkommen des Einwohners im betreffenden Jahr.<br />

Zur Berechnung der Steuererleichterung in nachfolgenden Jahren müssen die Verluste jedoch<br />

vom Einkommen aus ausländischen Quellen abgesetzt werden.<br />

Die Steuergutschriftsmethode wird in der Regel für ausländische Quellensteuern auf<br />

Investitionen, z. B. für Dividenden, Zinsen <strong>und</strong> Lizenzeinkommen, verwendet. Nach der<br />

Steuergutschriftsmethode ist die Steuererleichterung so hoch wie die zahlbaren ausländischen<br />

oder niederländischen Steuern auf das ausländische Einkommen. Wenn die niederländische<br />

Steuerschuld nicht ausreicht, um eine vollständige Gutschrift zu ermöglichen, kann der<br />

Überschuss der ausländischen Steuer unbegrenzt vorgetragen werden.<br />

Die Absetzung ausländischer Steuern als Betriebsausgabe kann geltend gemacht werden,<br />

wenn keine andere Vorkehrung zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung zutrifft. Einwohner<br />

können jedoch wahlweise ausländischer Steuern absetzen, anstatt die Doppelbesteuerung<br />

nach der Steuergutschriftsmethode zu vermeiden. Dies kann in Situationen von Vorteil sein,<br />

in denen die ausländische Steuer nicht im vollen Umfang gutgeschrieben werden kann.<br />

4.9.2 Niederländische Steuerabkommen<br />

Weil die niederländische Wirtschaft sehr offen <strong>und</strong> international orientiert ist, hat die<br />

niederländische Regierung schon immer das Ziel verfolgt, Barrieren abzubauen, die dem<br />

internationalen Waren- <strong>und</strong> Kapitalverkehr im Wege stehen. Deshalb hat die niederländische<br />

Regierung eine Politik verfolgt, die internationale Investitionen fördert, indem die<br />

Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen <strong>und</strong> Lizenzeinkommen so gering wie möglich gehalten<br />

werden. Entsprechend dieser Politik werden in den <strong>Niederlande</strong>n keine Steuern auf Zinsen<br />

<strong>und</strong> Lizenzgebühren erhoben, die die <strong>Niederlande</strong> verlassen.<br />

60 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Demzufolge haben die <strong>Niederlande</strong> eine große Anzahl bilateraler Abkommen zur Vermeidung<br />

einer Doppelbesteuerung von Einkommen abgeschlossen. Zurzeit besitzen die <strong>Niederlande</strong><br />

Steuerabkommen mit den folgenden Ländern:<br />

Ägypten, Albanien, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Australien, Bahrain, Bangladesch,<br />

Barbados, Belarus, Belgien, Bermudas, Bosnien <strong>und</strong> Herzegowina, Brasilien, Bulgarien,<br />

China, Dänemark, den Phillippinen, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien,<br />

Ghana, Griechenland, Großbritannien <strong>und</strong> Nordirland, Indien, Indonesien, Irland, Island,<br />

Israel, Italien, Japan, Jordanien, Kanada, Kasachstan, Katar, Kirgisistan, Kosowo, Kroatien,<br />

Kuwait, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malawi, Malaysia, Malta, Marokko, Mazedonien,<br />

Mexiko, Moldau, Mongolei, Montenegro, Neuseeland, Nigeria, Norwegen, Österreich,<br />

Pakistan, Panama, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Sambia, Schweden, Schweiz,<br />

Serbien, Simbabwe, Singapur, Slowakei, Slowenien, Spanien, Sri Lanka, Südafrika,<br />

Südkorea, Suriname, Tadschikistan, Taiwan, Thailand, Tschechische Republik, Tunesien,<br />

Türkei, Turkmenistan, Uganda, Ukraine, Ungarn, USA, Usbekistan, Venezuela, Vereinigte<br />

Arabische Emirate, Vietnam. Darüber hinaus haben das Niederländische Amt für Handel <strong>und</strong><br />

Investitionen in Taipei <strong>und</strong> die Vertretung von Taipei in den <strong>Niederlande</strong>n ein Abkommen zur<br />

Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen. Die <strong>Niederlande</strong> haben zudem mit den<br />

Niederländischen Antillen <strong>und</strong> Aruba das Steuerabkommen des Königreichs <strong>Niederlande</strong><br />

(Belastingregeling voor het Koninkrijk der Nederlanden) geschlossen, in dem ihre finanziellen<br />

Beziehungen geregelt sind.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

61


5. Arbeitsrecht<br />

5.1 Einführung<br />

Hier behandeln wir verschiedene Fragen, die Investoren oft im Bezug auf die Einstellung<br />

von Mitarbeitern in den <strong>Niederlande</strong>n haben, <strong>und</strong> bestimmte Bereiche des holländischen<br />

Arbeitsrechts, z. B. Mindestlohn <strong>und</strong> Urlaubstage, die Beteiligung von Mitarbeitern an den<br />

Entscheidungen der Unternehmensführung <strong>und</strong> die Bestimmungen über die Beendigung<br />

von Arbeitsverhältnissen.<br />

5.2 Arbeitsvertrag<br />

5.2.1 Das Bestehen eines Arbeitsvertrags<br />

Die Bestimmungen über Arbeitsverträge gelten ungeachtet der Form des jeweiligen<br />

Arbeitsvertrags (mit anderen Worten: „Inhalt vor Form“). Ob das Beschäftigungsverhältnis<br />

als Arbeitsvertrag oder z. B. als Dienstleistungs- oder Managementvertrag eingestuft wird,<br />

hängt von den jeweiligen faktischen Umständen ab. In diesem Bezug müssen die folgenden<br />

wichtigen Faktoren erwogen werden, um zu bestimmen, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

ob der Arbeitgeber das Recht hat, Anweisungen zu geben, die vom Arbeitnehmer<br />

befolgt werden müssen,<br />

ob der Mitarbeiter verpflichtet ist, die Arbeit persönlich zu erledigen, <strong>und</strong><br />

ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Ausübung der Arbeit ein Gehalt zahlt.<br />

So kann beispielsweise ein Vertrag zur Erbringung persönlicher Dienstleistungen durch<br />

freiberufliche Personen als Arbeitsvertrag gelten, auf den die Bestimmungen für Arbeitsverträge<br />

zutreffen.<br />

Nach dem Gesetz können bestimmte faktische Umstände die rechtliche Vermutung begründen,<br />

dass ein Arbeitsvertrag vorliegt. Wenn ein Mitarbeiter z. B. in drei aufeinanderfolgenden<br />

Monaten jede Woche oder mindestens 20 St<strong>und</strong>en pro Monat gearbeitet hat, so wird das<br />

Bestehen eines Arbeitsvertrags zwischen den Parteien vorausgesetzt. Der Arbeitgeber kann<br />

diese rechtliche Vermutung jedoch widerlegen. Nach einer weiteren gesetzlichen Bestimmung<br />

besteht die rechtliche Vermutung, dass die Arbeitsst<strong>und</strong>enzahl, wenn diese im Arbeitsvertrag<br />

nicht geregelt ist, der durchschnittlichen Arbeitsst<strong>und</strong>enzahl in den vorausgegangenen drei<br />

Monaten entspricht.<br />

62 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Es gibt keine formale Voraussetzung zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, bestimmte<br />

Regelungen haben jedoch nur dann Gültigkeit, wenn sie schriftlich vorliegen <strong>und</strong> von<br />

allen beteiligten Parteien unterzeichnet wurden. Dies gilt z. B. für Probezeiten <strong>und</strong><br />

Konkurrenzverbote. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über bestimmte<br />

wesentliche Bedingungen des Beschäftigungsverhältnisses informieren.<br />

5.2.2 Anwendbares Recht<br />

Es ist Vorsicht geboten, wenn ausländische Unternehmen eine Rechtswahlklausel für<br />

holländische Arbeitnehmer in Erwägung ziehen, die besagt, dass der Arbeitsvertrag den<br />

Gesetzen eines anderen Landes unterliegt, in dem Arbeitnehmerrechte u. U. weniger gut<br />

geschützt sind als nach niederländischem Arbeitsrecht.<br />

Alle Gerichte in der EU, einschließlich niederländischer Gerichte, werden sich bei der<br />

Bestimmung des auf internationale Arbeitsverträge anzuwendenden Rechts auf die Rom-I-<br />

Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom<br />

I) berufen. Rom I trat am 17. Dezember 2009 in Kraft <strong>und</strong> trat an die Stelle des Rom-<br />

Abkommens von 1980. Die Verordnung gilt für alle Verträge, die nach dem 17. Dezember<br />

2009 geschlossen werden. Zum Großteil spiegelt Rom I die Bestimmungen des Rom-<br />

Abkommens wider.<br />

Die wichtigste Bestimmung der Rom-I-Verordnung ist die Wahlfreiheit: Artikel 3, Absatz<br />

1 bestimmt ausdrücklich, dass Verträge dem von den Vertragsparteien gewählten Recht<br />

unterliegen. Diese Wahl muss mit ausreichender Bestimmtheit in den Vertragsbestimmungen<br />

oder durch die Umstände des Falls zum Ausdruck kommen oder gezeigt werden. Mit ihrer<br />

Wahl können die Parteien das Recht bestimmen, dass entweder auf den Gesamtvertrag<br />

oder einen Teil davon anwendbar ist.<br />

Rom I enthält jedoch auch bestimmte Einschränkungen dieser Wahlfreiheit. Artikel 8<br />

beispielsweise regelt Arbeitsverträge mit Einzelpersonen <strong>und</strong> besagt, dass trotz der<br />

Bestimmungen in Artikel 3 (Wahlfreiheit) eine Rechtswahl der Parteien eines Arbeitsvertrags<br />

nicht darin resultieren kann, dass ein Arbeitnehmer den Schutz verliert, der ihm durch<br />

die gesetzlichen Bestimmungen zustehen würde, die nach Absatz 2 von Artikel 8 ohne<br />

Rechtswahl gelten würden.<br />

Nach Absatz 2 von Artikel 8 ist auf Arbeitsverträge ohne Rechtswahl das folgende Recht<br />

anzuwenden:<br />

(i)<br />

das Recht des Landes, in dem oder aus dem der Arbeitnehmer seine Arbeit unter<br />

dem Vertrag normalerweise ausübt, wobei das Land, in dem die Arbeit normalerweise<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

63


(ii)<br />

ausgeübt wird, nicht als geändert gilt, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend in<br />

einem anderen Land beschäftigt ist, oder<br />

wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit normalerweise nicht in einem bestimmten<br />

Land ausübt, das Recht des Landes, in dem sich der Geschäftssitz befindet, bei<br />

dem der Arbeitnehmer eingestellt wurde (außer dass in Fällen, in denen durch<br />

die Gesamtumstände klar erkenntlich ist, dass der Arbeitsvertrag enger mit einem<br />

anderen Land in Verbindung steht, das Recht dieses anderen Landes anwendbar<br />

ist).<br />

Arbeitgeber können damit für Arbeitnehmer, die ihre Arbeit in den <strong>Niederlande</strong>n ausüben,<br />

nicht einfach die Bestimmungen des niederländischen Arbeitsrechts zum Schutz von<br />

Arbeitnehmern außer Acht lassen, indem in den Arbeitsvertrag die Bestimmung eingefügt<br />

wird, dass auf den Vertrag das Recht eines anderen Landes mit einem geringeren Schutz<br />

von Arbeitnehmerrechten anwendbar ist.<br />

5.2.3 Laufzeit <strong>und</strong> Arbeitszeit<br />

Arbeitsverträge können befristet oder unbefristet abgeschlossen werden. Falls im Vertrag<br />

keine diesbezüglichen Angaben gemacht werden, sind sie unbefristet.<br />

Nach dem niederländischen Arbeitszeitgesetz (Arbeidstijdenwet) dürfen Arbeitnehmer nicht<br />

mehr als 12 St<strong>und</strong>en pro Tag <strong>und</strong> nicht mehr als 60 St<strong>und</strong>en pro Woche arbeiten, mit<br />

durchschnittlich 48 St<strong>und</strong>en pro Woche in jedem Zeitraum von 16 aufeinanderfolgenden<br />

Wochen. In den meisten Fällen beträgt die normale Wochenarbeitszeit 36 bis 42 St<strong>und</strong>en.<br />

Abweichungen gelten nur, wenn diese in einem Tarifvertrag (collectieve arbeidsovereenkomst<br />

oder ‚CAO‘) geregelt sind (siehe unten in Abschnitt 5.5) <strong>und</strong> der Betriebsrat (siehe unten<br />

in Abschnitt 5.7) bzw. die Arbeitnehmervertretung dieser Abweichung zugestimmt hat. Die<br />

Zusatzvergütung für Schichtarbeit <strong>und</strong> Überst<strong>und</strong>en wird i. d. R. entweder im Tarifvertrag<br />

oder im Einzelfall vereinbart.<br />

Nachtschichten dürfen maximal 10 St<strong>und</strong>en lang sein. Für Arbeitnehmer, die regelmäßig in<br />

der Nachtschicht arbeiten, darf die durchschnittliche maximale Wochenarbeitszeit über 16<br />

Wochen nicht mehr als 40 St<strong>und</strong>en betragen. In 16 Wochen dürfen maximal 36 tatsächliche<br />

Nachtschichten gearbeitet werden. Durch eine entsprechende Regelung im Tarifvertrag oder<br />

bei Zustimmung des Betriebsrats kann dies auf 140 Nachtschichten pro Jahr erhöht werden.<br />

5.2.4 Probezeiten<br />

Eine Probezeit ist nur gültig, wenn diese schriftlich vereinbart wurde, <strong>und</strong> ihre Dauer muss<br />

für beide Parteien gleich sein. Außerdem hängt die Länge der Probezeit folgendermaßen<br />

von der Laufzeit des Arbeitsvertrags ab:<br />

64 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


(i)<br />

(ii)<br />

Bei unbefristeten Arbeitsverträgen oder solchen mit einer Laufzeit von mindestens<br />

zwei Jahren beträgt die Probezeit maximal zwei Monate.<br />

Bei befristeten Arbeitsverträgen mit einer Laufzeit unter zwei Jahren beträgt die<br />

Probezeit maximal einen Monat.<br />

Während der Probezeit können beide Parteien den Vertrag nach Belieben mit oder ohne<br />

Anlass fristlos kündigen. Der Gr<strong>und</strong> für die Kündigung muss angegeben werden. Es wird<br />

jedoch darauf hingewiesen, dass diskriminierende Gründe nicht zulässig sind. Wenn<br />

eine Mitarbeiterin z. B. während der Probezeit schwanger wird, kann der Arbeitgeber das<br />

Beschäftigungsverhältnis nicht aus diesem Gr<strong>und</strong> kündigen.<br />

5.2.5 Konkurrenzverbot<br />

Die Parteien können schriftlich ein Konkurrenzverbot vereinbaren, das dem Arbeitnehmer<br />

für einen bestimmten Zeitraum nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses<br />

Einschränkungen bei der Annahme einer anderen Stelle auferlegt. Die betreffende Klausel<br />

sollte die Zeitdauer des Konkurrenzverbots sowie die betroffenen Tätigkeiten <strong>und</strong> die<br />

geografische Region angeben. Die Einschränkungen können dem Mitarbeiter gegenüber nicht<br />

ungerecht oder unverhältnismäßig sein. In solchen Fällen kann ein Gericht möglicherweise<br />

den Geltungsbereich des Konkurrenzverbots einschränken oder es vollständig aufheben.<br />

Das Gericht kann auch die Strafen für einen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot mildern<br />

oder eine vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu zahlende Entschädigungssumme<br />

festlegen, wenn der Arbeitgeber auf die Einhaltung des Konkurrenzverbots besteht. Wenn der<br />

Arbeitgeber den Arbeitnehmer innerhalb des Unternehmens versetzt <strong>und</strong> der Arbeitnehmer<br />

in der neuen Position vom Konkurrenzverbot stärker betroffen ist, was in der Regel bei<br />

beträchtlichen Beförderungen der Fall ist, muss ein neues Konkurrenzverbot schriftlich<br />

vereinbart werden. Andernfalls wird das Konkurrenzverbot ungültig.<br />

Arbeitsverträge enthalten in der Regel auch Klauseln über die Geheimhaltungspflicht,<br />

Erfindungen, Urheberrecht <strong>und</strong> Ausschließlichkeit. Strafklauseln in Arbeitsverträgen sind<br />

nur begrenzt vollstreckbar.<br />

5.3 Lohn, Urlaub <strong>und</strong> andere Nebenleistungen<br />

5.3.1 Lohn <strong>und</strong> Urlaubsgeld<br />

Nach dem Mindestlohn- <strong>und</strong> Mindesturlaubsgesetz (Wet minimumloon en<br />

minimumvakantiebijslag) haben alle Arbeitnehmer im Alter zwischen 23 <strong>und</strong> 65 Jahren ein<br />

Anrecht auf Mindestlohn. Dieser Mindestlohn wird zweimal im Jahr überprüft <strong>und</strong> beträgt<br />

zurzeit 1416 € brutto im Monat (Juli 2010). Für Mitarbeiter unter 23 Jahren gilt ein gesetzlicher<br />

Mindestlohn, der auf einem variablen Prozentsatz des Lohns für Arbeitnehmer über 23<br />

Jahren basiert.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

65


Außerdem haben alle Arbeitnehmer, ungeachtet ihres Alters, ein Anrecht auf gesetzliches<br />

Urlaubsgeld von mindestens 8 % ihres Bruttojahreslohns.<br />

Die meisten Tarifverträge (siehe Abschnitt 5.5 unten) sehen einen Mindestlohn <strong>und</strong> dessen<br />

automatische Indexierung zweimal im Jahr vor. Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer können einen<br />

höheren Lohn als den im Tarifvertrag vorgegebenen vereinbaren, es sei denn, dies ist im<br />

Tarifvertrag untersagt. Löhne, die nicht von einem Tarifvertrag abgedeckt sind, werden separat<br />

vereinbart. Die Indexierung wird entweder separat vereinbart oder erfolgt nach gängiger<br />

Praxis der Branche oder des Unternehmens.<br />

Es besteht auch ein Mindestlohnanspruch für Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst. Für jeden<br />

Zeitraum, in dem ein Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst weniger als drei St<strong>und</strong>en arbeitet, ist er<br />

unter den folgenden Umständen zum Erhalt von Lohn für mindestens drei St<strong>und</strong>en berechtigt:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

bei Bereitschaftsdienstverträgen, bei denen die Anzahl der Arbeitsst<strong>und</strong>en weniger<br />

als 15 St<strong>und</strong>en pro Woche beträgt <strong>und</strong> die tatsächliche Arbeitsst<strong>und</strong>enzahl im Vertrag<br />

nicht festgelegt ist, oder<br />

wenn die Arbeitsst<strong>und</strong>enzahl nicht oder nicht eindeutig von den Parteien bestimmt<br />

wird.<br />

5.3.2 Urlaub<br />

Der gesetzliche Mindesturlaub pro Jahr beträgt vier Mal die Anzahl der Arbeitstage pro<br />

Woche. Während des Urlaubs wird der reguläre Lohn gezahlt. In den meisten Fällen ist der<br />

Urlaub (4 x 5 =) 20 Tage lang. In einem Tarifvertrag oder einzelnen Arbeitsvertrag können<br />

mehr Urlaubstage <strong>und</strong> präzisere Regelungen vereinbart werden. Großunternehmen wie ABN<br />

AMRO Bank, ING Bank, Philips Electronics <strong>und</strong> Royal Dutch Shell gewähren Arbeitnehmern<br />

oft mehr als 30 Urlaubstage pro Jahr. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer gestatten,<br />

den gesetzlichen Mindesturlaub in Anspruch zu nehmen. Die tatsächlichen Urlaubsdaten<br />

werden gemeinsam vom Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer nach Wünschen des Arbeitnehmers<br />

vereinbart, es sei denn, diese stehen den gr<strong>und</strong>legenden Interessen des Arbeitgebers<br />

entgegen. Angesammelter <strong>und</strong> nicht in Anspruch genommener Urlaub läuft erst fünf Jahre<br />

nach dem letzten Tag des Jahres ab, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Zurzeit liegt<br />

ein Gesetzentwurf vor, nach dem Arbeitnehmer ihren gesetzlichen Urlaub in Zukunft binnen<br />

eineinhalb Jahren nehmen müssen. Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer können gemeinsam eine<br />

Verlängerung dieser Frist vereinbaren.<br />

Zusätzliche Urlaubstage fallen nicht unter die neue Regelung. Die Frist gilt nicht für<br />

Arbeitnehmer, die in der Praxis nicht in der Lage gewesen sind, ihren Urlaub zu nehmen.<br />

66 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


5.3.3 Gewinnbeteiligung <strong>und</strong> Aktienoptionspläne<br />

Durch die Ausstellung von Aktienhinterlegungszertifikaten (certificaten, siehe Abschnitt 1.5.1<br />

oben) oder Genussrechten (winstbewijzen) können Arbeitnehmer einen finanziellen Anteil<br />

am Unternehmen erwerben, aber allerdings in der Hauptversammlung keine Stimmrechte.<br />

Das niederländische bürgerliche Recht erlaubt einer BV in gewissem Umfang die Vergabe<br />

von Krediten an Mitarbeiter zur Teilnahme an Mitarbeiteraktienprogrammen. Eine NV ist<br />

ebenfalls zur Bereitstellung von Finanzhilfe an Mitarbeiter berechtigt, damit diese leichter<br />

an Aktienoptions- oder Aktienprogrammen teilnehmen können. Für diese Art Unternehmen<br />

bestehen in dieser Hinsicht keine Einschränkungen.<br />

Verschiedene holländische Unternehmen, darunter auch Unternehmen, die an der<br />

Euronext Amsterdam gehandelt werden, verfügen über irgendeine Form von Spar-,<br />

Gewinnbeteiligungs- oder Aktienoptionsprogrammen für Mitarbeiter, obwohl derartige<br />

Programme in den <strong>Niederlande</strong>n nicht annähernd so häufig zur Anwendung kommen wie in<br />

anderen Rechtsgebieten.<br />

Das Angebot der Wertpapiere eines Unternehmens an dessen Mitarbeiter ist generell von<br />

den Prospekt- <strong>und</strong> sonstigen Informationsvorschriften nach dem Gesetz zur Überwachung<br />

von Wertpapiertransaktionen von 1995 ausgenommen. Generell wird diese Freistellung auch<br />

als geltend angenommen, wenn ein ausländisches Mutterunternehmen seine Wertpapiere<br />

den Mitarbeitern einer niederländischen Tochter anbietet.<br />

Der Sparplan (spaarloon) wird vom Mitarbeiter finanziert, indem dieser einen Teil seines<br />

Bruttolohns (bis zu einer gewissen Grenze) auf ein Sparkonto einzahlt. Auf solche<br />

Zahlungen werden vom Mitarbeiter keine Lohnsteuern gefordert. Der Arbeitgeber zahlt eine<br />

Arbeitgeberabgabe in Höhe von 25 %.<br />

Bei qualifizierten Aktienoptionsplänen müssen die Optionsrechte bei ihrer Ausübung versteuert<br />

werden. Der bei der Ausübung erzielte Gewinn (d. h. die Differenz zwischen dem Marktwert<br />

der Aktien bei der Ausübung <strong>und</strong> dem gezahlten Ausübungspreis) wird als Arbeitseinkommen<br />

versteuert. Dies gilt auch für Wertsteigerungsrechte.<br />

5.3.4 Krankengeld<br />

Nach niederländischem Arbeitsrecht muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Krankheitsfall<br />

während der ersten beiden Krankheitsjahre 70 % des Gehalts bis zu 2.859 € (Betrag für<br />

2010) fortzahlen. Aufgr<strong>und</strong> von vertraglichen Zusatzvereinbarungen, z. B. Tarifverträgen,<br />

müssen Arbeitgeber dem kranken Arbeitnehmer jedoch während des ersten Krankheitsjahrs<br />

oft 100 % des tatsächlichen Gehalts fortzahlen.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

67


Nach den ersten beiden Krankheitsjahren endet diese Verpflichtung <strong>und</strong> die Leistungen<br />

werden nach dem Gesetz über Arbeit <strong>und</strong> Einkommen nach Arbeitsfähigkeit (Wet Werk en<br />

Inkomen naar Arbeidsvermogen oder ‚WIA‘) gezahlt. Das WIA regelt die Versorgung von<br />

Arbeitnehmern, die ein Recht auf Berufsunfähigkeitsrente haben, weil sie permanent <strong>und</strong><br />

vollständig arbeitsunfähig geworden sind. Wer noch teilweise arbeitsfähig ist, erhält einen<br />

Zuschlag zum Lohn.<br />

Wenn ein Arbeitnehmer permanent <strong>und</strong> vollständig arbeitsunfähig ist, erhält er eine<br />

Berufsunfähigkeitsrente. Der Arbeitnehmer muss mindestens zu 80 % arbeitsunfähig sein<br />

<strong>und</strong> keine oder nur eine geringe Chance auf Genesung haben. In diesem Fall ist er zum Bezug<br />

von Leistungen durch das Versorgungssystems für vollständig arbeitsunfähige Personen<br />

(IVA) in Höhe von 75 % des Tageslohns berechtigt.<br />

Ist ein Mitarbeiter 35 % bis 80 % arbeitsunfähig, so ist er zum Bezug von Leistungen durch<br />

das System zur Wiederaufnahme der Arbeit durch Teilbehinderte (WGA) berechtigt.<br />

- Wenn der Arbeitnehmer nicht arbeiten kann, erhält er zunächst eine lohnabhängige<br />

Leistung in Höhe von 70 % seines Tageslohns. Diese Leistung wird je nach der<br />

Anzahl der Beschäftigungsjahre mindestens sechs Monate <strong>und</strong> maximal 5 Jahre<br />

lang gezahlt.<br />

- Wenn der Arbeitnehmer arbeiten kann, erhält er zusätzlich zu seinem neuen Lohn<br />

eine Leistung in Höhe von 70 % der Differenz zum Tageslohn.<br />

- Nach Ende der lohnabhängigen Leistung wird der Verdienst des Arbeitnehmers in<br />

Betracht gezogen. Wenn dieser mindestens 50 % der verbleibenden Verdienstkapazität<br />

beträgt, wird zum Lohn nach dem WGA ein Zuschlag in Höhe von 70 % der Differenz<br />

zwischen dem Tageslohn <strong>und</strong> der verbleibenden Verdienstkapazität oder dem neuen<br />

Lohn gezahlt.<br />

- Wenn der Mitarbeiter nach Ende der lohnabhängigen Leistung nicht arbeiten kann<br />

oder weniger als 50 % der verbleibenden Verdienstkapazität verdient, erhält er<br />

Leistungen als Prozentanteil des Mindestlohns.<br />

5.3.5 Andere Vergütung<br />

Es wird unter Umständen eine weitere Vergütung gezahlt, z. B. die zusätzliche jährliche<br />

Zahlung von einem Monat Bruttogehalt (das „dreizehnte Monatsgehalt“), Gewinnbeteiligung,<br />

Verkaufsprovision über den regulären Lohn hinaus sowie Zusatzvergütung für Überst<strong>und</strong>en.<br />

5.4 Aufenthaltsgenehmigung <strong>und</strong> Arbeitserlaubnis<br />

Personen, die Staatsbürger eines Landes innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums sind<br />

(alle Länder der Europäischen Union außer Rumänien <strong>und</strong> Bulgarien), sowie Staatsbürger<br />

68 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


von Norwegen, Island <strong>und</strong> Liechtenstein benötigen keine Aufenthaltsgenehmigung oder<br />

Arbeitserlaubnis.<br />

Ausländische Staatsbürger (aus Nicht-EU-Mitgliedsstaaten) müssen von der UWV<br />

WERKbedrijf eine Arbeitserlaubnis (tewerkstellingsvergunning) einholen. Der voraussichtliche<br />

Arbeitgeber muss bei der UWV WERKbedrijf eine Arbeitserlaubnis beantragen. Hierzu darf<br />

für den Arbeitsplatz kein ebenso gut qualifizierter (arbeitssuchender) Staatsbürger des<br />

Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zur Verfügung stehen. Es gibt jedoch bestimmte<br />

Ausnahmen zu dieser Regel, unter anderem bei Versetzungen innerhalb des Unternehmens.<br />

Die Arbeitserlaubnis gilt über die Gesamtlaufzeit des Arbeitsvertrags hinweg. Wenn<br />

der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag binnen drei Jahren verlängern möchte, muss der<br />

Arbeitnehmer eine neue Arbeitserlaubnis bei der UWV WERKbedrijf beantragen. Nach<br />

drei aufeinanderfolgenden Jahren der rechtmäßigen Beschäftigung in den <strong>Niederlande</strong>n<br />

benötigt ein ausländischer Arbeitnehmer keine Arbeitserlaubnis mehr <strong>und</strong> stattdessen wird<br />

die Aufenthaltsgenehmigung mit einem entsprechenden Stempel versehen.<br />

Ausländische Staatsbürger (aus Nicht-EU-Mitgliedsstaaten), die sich länger als drei<br />

Monate in den <strong>Niederlande</strong>n aufhalten möchten, müssen eine Aufenthaltsgenehmigung<br />

einholen (verblijfsvergunning). Diese kann bei der Immigrations- <strong>und</strong> Einbürgerungsbehörde<br />

(Immigratie- en Naturalisatiedienst oder IND) in Rijswijk beantragt werden <strong>und</strong> wird nach<br />

Erteilung einer Arbeitserlaubnis erteilt.<br />

Wer eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten möchte, muss zunächst ein Einreisevisum (‚MVV‘)<br />

beantragen. Dies ist ein besonderes Reisevisum in Form eines Aufklebers im Pass, mit dem<br />

ausländische Staatsbürger in die <strong>Niederlande</strong> einreisen können.<br />

Ein MVV kann nur von der holländischen Botschaft oder dem holländischen Konsulat in<br />

dem Land erteilt werden, in dem der ausländische Staatsbürger wohnt, oder im nächsten<br />

Nachbarland, in dem die <strong>Niederlande</strong> eine Vertretung haben. Nach Ausstellung des Visums<br />

muss der ausländische Staatsbürger nach Einreise in die <strong>Niederlande</strong> bei der IND eine<br />

Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Wenn alle Voraussetzung für einen Aufenthalt in den<br />

<strong>Niederlande</strong>n erfüllt sind, wird eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt.<br />

Seit dem 1. Januar 2005 benötigen „hochqualifizierte Migranten“ keine separate<br />

Arbeitsgenehmigung <strong>und</strong> Aufenthaltsgenehmigung mehr, um in den <strong>Niederlande</strong>n legal zu<br />

arbeiten. Diese beiden Genehmigungen werden durch eine einzige Genehmigung ersetzt, die<br />

bei der IND in Rijswijk beantragt wird. Hochqualifizierte Migranten benötigen jedoch trotzdem<br />

ein MVV. Das einzige andere Kriterium ist, dass die betreffende Person sich rechtmäßig in<br />

den Niederladen aufhält. Dies wird von der IND geprüft.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

69


Hochqualifizierte Migranten sind Arbeitnehmer (mit anderen Worten: keine freiberuflichen<br />

Personen), die ein Einkommen über einer bestimmten Höhe haben. Dieses Einkommen beträgt<br />

zurzeit 50.182 € für Personen über 30 Jahren <strong>und</strong> 36,801 € für Personen unter 30 Jahren.<br />

Diese Arbeitnehmer müssen entweder einen Arbeitsvertrag oder eine Beamteneinstellung<br />

haben.<br />

Der Arbeitgeber muss eine Erklärung zur Zulassung hochqualifizierter Migranten<br />

unterzeichnen. Dies ist eine einmalige Erklärung, die auf alle zukünftigen Anträge des<br />

Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Verfahren für hochqualifizierte Migranten zutrifft.<br />

Außerdem muss der Arbeitgeber der IND eine Garantie geben, dass die betreffende Person<br />

nicht auf Kosten des niederländischen Staats leben wird. Andere Vorschriften bestehen nicht.<br />

Der Bildungsgrad der betreffenden Person spielt keine Rolle, weil der Bildungsgrad nicht<br />

unbedingt eine Aussage über die Produktivität oder Innovationsfähigkeit des hochqualifizierten<br />

Migranten macht.<br />

Außerdem können Personen, die an einem Doktortitel arbeiten, für den Status als<br />

Wissensmigrant qualifiziert sein. In diesen Fällen gelten keine Alters- oder Einkommensgrenzen.<br />

Auch Post-Doktoranden <strong>und</strong> Hochschullehrer unter 30 Jahren gelten ungeachtet des<br />

Einkommens als hochqualifizierte Migranten.<br />

Darüber hinaus müssen die Tätigkeiten eines hochqualifizierten Migranten nicht unbedingt<br />

auf seine Tätigkeit für einen bestimmten Arbeitgeber beschränkt sein. Solange das<br />

Einkommenskriterium erfüllt ist, kann der Migrant bleiben <strong>und</strong> für jeden beliebigen Arbeitgeber<br />

in den <strong>Niederlande</strong>n arbeiten, vorausgesetzt, dass dieser Arbeitgeber ebenfalls eine Erklärung<br />

für die Zulassung hochqualifizierter Migranten unterzeichnet hat <strong>und</strong> stets in der Lage<br />

ist, die oben genannte Garantie zu geben. Das bedeutet, dass der Migrant, wenn sein<br />

Einkommen z. B. aufgr<strong>und</strong> von Teilzeitbeschäftigung unter diese Grenze fällt, den Status als<br />

hochqualifizierter Migrant verliert. Der Arbeitgeber muss diesen Umstand melden <strong>und</strong> eine<br />

Arbeitserlaubnis für seinen Mitarbeiter beantragen.<br />

5.5 Tarifverträge<br />

Tarifverträge (CAOs) sind schriftliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern bzw. einem<br />

Arbeitgeberverband <strong>und</strong> einer oder mehreren Gewerkschaften. Arbeitgeber können<br />

Tarifverträge frei verhandeln. Obwohl hierzu keine gesetzliche Verpflichtung besteht,<br />

schließen Arbeitgeber häufig freiwillig Tarifverträge ab, um die Arbeitsbedingungen <strong>und</strong><br />

-kosten zu beeinflussen <strong>und</strong> Arbeitskämpfe zu vermeiden. Tarifverträge gelten in der Regel<br />

ein oder zwei Jahre lang. Tarifverträge regeln die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer in<br />

Kategorien, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen (z. B. Arbeitnehmer mit<br />

einer Wochenarbeitszeit von mindestens 13 St<strong>und</strong>en bis zu einem bestimmten Gehalt.) Die<br />

70 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Unternehmensführung ist immer <strong>–</strong> <strong>und</strong> hochrangige Mitarbeiter sind häufig <strong>–</strong> vom Tarifvertrag<br />

ausgenommen. Der Tarifvertrag ist für beide Vertragsparteien <strong>und</strong> deren Mitglieder verbindlich.<br />

Wenn ein Arbeitgeber Mitglied eines Arbeitgeberverbands ist, der an einem Tarifvertrag<br />

beteiligt ist, müssen die entsprechenden Bestimmungen auch auf Arbeitnehmer angewandt<br />

werden, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind.<br />

Der Tarifvertrag kann alle Leistungsarten abdecken, z. B. Lohn <strong>und</strong> Gehalt,<br />

die Inflationsanpassung des Lohns, Kündigungsfristen, Urlaubstage, Aus- <strong>und</strong><br />

Weiterbildung, Sozialpläne im Falle von Massenentlassungen, freiwillige Frührente <strong>und</strong><br />

Gewerkschaftstätigkeiten im Werk. Der Tarifvertrag muss darüber hinaus die gesetzlichen<br />

Mindestvorschriften einhalten, enthält jedoch oft bessere Regelungen. Einzelne Arbeitnehmer<br />

können in ihrem Arbeitsvertrag bessere Bedingungen als die im Tarifvertrag angegebenen<br />

aushandeln, es sei denn, dies ist im Tarifvertrag untersagt.<br />

5.6 Kündigung<br />

5.6.1 Kündung eines einzelnen Arbeitsvertrags<br />

Unbefristete Arbeitsverträge können auf fünf verschiedene Weisen gekündigt werden:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

(v)<br />

durch gegenseitiges Einvernehmen ohne Formalitäten,<br />

während der Probezeit ohne Formalitäten (außer einem Brief),<br />

durch Kündigung (mit Genehmigung durch die UWV WERKbedrijf),<br />

aus dringendem Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

durch Gerichtsentscheidung.<br />

(i) Durch gegenseitiges Einvernehmen ohne Formalitäten<br />

Die Parteien kommen über die Kündigung eines Arbeitsvertrags überein. Dabei zahlt der<br />

Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in der Regel eine Art Abfindung.<br />

(ii) Während der Probezeit<br />

Siehe Abschnitt 5.2.4 oben.<br />

(iii) Durch Kündigung (mit Genehmigung durch die UWV WERKbedrijf)<br />

Nach niederländischem Recht haben alle Arten von Arbeitnehmern einen Kündigungsschutz,<br />

weil der Arbeitgeber zur einseitigen Kündigung des Arbeitsvertrags zuerst eine Genehmigung<br />

bei einer der r<strong>und</strong> 130 Zweigstellen des öffentlichen Arbeitsamts (UWV WERKbedrijf) einholen<br />

muss. Hierzu gibt es eine Ausnahme: Wenn ein Arbeitnehmer Mitglied des Vorstands einer<br />

NV oder BV ist, ist keine Genehmigung erforderlich. Eine Kündigung an einen Arbeitnehmer<br />

ohne Genehmigung durch die UWV WERKbedrijf ist schlicht ungültig.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

71


Bei der Beantragung einer Genehmigung der UWV WERKbedrijf müssen die Gründe<br />

für die einseitige Kündigung des Arbeitsvertrags genannt werden. Der Arbeitnehmer hat<br />

die Möglichkeit, eine Antwort einzureichen, <strong>und</strong> der Arbeitgeber kann diese wiederum<br />

kommentieren. Gelegentlich erfolgt eine persönliche Anhörung. Das Verfahren kann zwei bis<br />

vier Monate dauern. Während dieser Zeit bleibt der Arbeitsvertrag <strong>und</strong> damit die Verpflichtung<br />

der Arbeitgebers zur Zahlung des Arbeitnehmergehalts gültig. Die drei häufigsten Gründe<br />

für das Ausstellen einer Genehmigung durch die UWV WERKbedrijf sind die folgenden:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

Mitarbeiterabbau aus wirtschaftlichen <strong>und</strong> finanziellen Gründen,<br />

Inkompetenz des Arbeitnehmers <strong>und</strong><br />

ein so stark geschädigtes Verhältnis zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer, dass<br />

eine Fortsetzung desselben nicht möglich ist.<br />

Die Entscheidung der UWV WERKbedrijf kann nicht angefochten werden. Ablehnungen sind<br />

nicht ungewöhnlich. Sollte dies vorkommen, so ist die einzige Lösung, eine Aufhebung des<br />

Arbeitsvertrags per Gerichtsurteil zu beantragen (siehe Ziffer (v) unten).<br />

Die vom Arbeitgeber einzuhaltende gesetzliche Kündigungsfrist hängt nur von der Länge<br />

der Dienstzeit des Arbeitnehmers ab <strong>und</strong> ist wie folgt:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

Weniger als 5 Jahre Dienstzeit: 1 Monat<br />

5 bis 10 Jahre Dienstzeit: 2 Monate<br />

10 bis 15 Jahre Dienstzeit: 3 Monate<br />

15 oder mehr Dienstjahre: 4 Monate.<br />

Der Arbeitnehmer hat eine Kündigungsfrist von einem Monat einzuhalten. Längere<br />

Kündigungsfristen können schriftlich vereinbart werden. Es wird jedoch darauf hingewiesen,<br />

dass die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist des Arbeitgebers doppelt so lang wie die<br />

des Arbeitnehmers sein sollte, maximal 12 Monate für den Arbeitgeber <strong>und</strong> sechs Monate<br />

für den Arbeitnehmer.<br />

Nachdem die Genehmigung der UWV WERKbedrijf ausgestellt ist, kann die Kündigung<br />

ausgesprochen werden, vorzugsweise in Schriftform <strong>und</strong> mit Zustellung per Einschreiben.<br />

Die Kündigung ist nicht möglich, wenn:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

der Mitarbeiter zum Kündigungszeitpunkt krankgeschrieben ist (es sei denn, dies ist<br />

seit mehr als zwei Jahren der Fall)<br />

die Mitarbeiterin schwanger ist <strong>und</strong> bis 16 Wochen nach der Geburt.<br />

72 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Die Aussprechung der Kündigung während einer Krankheit ist nicht verboten, wenn die<br />

Krankheit des Arbeitnehmers begonnen hat, nachdem der Arbeitgeber bereits eine<br />

Genehmigung von der UWV WERKbedrijf beantragt hatte. Wenn der Arbeitgeber die<br />

Kündigungsgenehmigung der UWV WERKbedrijf erhalten hat, kann die UWV WERKbedrijf<br />

einen Monat von der geltenden Kündigungsfrist abziehen, vorausgesetzt, dass eine<br />

einmonatige Frist verbleibt.<br />

Darüber hinaus kann einem Arbeitnehmer nicht gekündigt werden, wenn er Mitglied eines<br />

Betriebsrats oder europäischen Betriebsrats ist, weil er Gewerkschaftsmitglied ist oder weil<br />

er als Mitglied die Versammlungen von Vertretungsorganen (Stadträten usw.) besucht.<br />

Für einige Arbeitnehmer ist eine gerichtliche Genehmigung erforderlich, bevor ihr<br />

Arbeitsverhältnis gekündigt werden kann, z. B. offizielle Betriebsratskandidaten <strong>und</strong><br />

Mitarbeiter, die Mitglied des Betriebsrats oder eines seiner Komitees waren, binnen zwei<br />

Jahren nach Ende ihrer Mitgliedschaft. Nach Erhalt der Zustimmung muss der Arbeitgeber<br />

in diesem Fall trotzdem die Genehmigung der UWV WERKbedrijf einholen.<br />

Hinweis: Es ist nicht ungewöhnlich, befristete Verträge abzuschließen, um die oben<br />

beschriebenen Probleme zu vermeiden. Befristete Verträge enden bei Ablauf der vereinbarten<br />

Laufzeit automatisch. Wenn jedoch in aufeinanderfolgenden Zeiträumen von maximal<br />

drei Monaten mehr als drei befristete Verträge abgeschlossen werden oder diese eine<br />

Gesamtlaufzeit von 36 Monaten überschreiten, ist für eine Kündigung die Genehmigung<br />

der UWV WERKbedrijf erforderlich. Für Arbeitnehmer unter 27 Jahren gilt dies, falls in<br />

aufeinanderfolgenden Zeiträumen mehr als vier befristete Verträge abgeschlossen wurden<br />

oder deren Gesamtlaufzeit mehr als 48 Monate beträgt.<br />

Außerdem ist die Entlassung vor Ablauf eines befristeten Vertrags nur dann möglich, wenn<br />

diese Option im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart wurde. In solchen Fällen ist jedoch<br />

eine Genehmigung der UWV WERKbedrijf erforderlich.<br />

(iv) Aus dringendem Gr<strong>und</strong><br />

Das Arbeitsverhältnis kann aus dringendem Gr<strong>und</strong> auch ohne Mitteilung fristlos gekündigt<br />

werden, ohne dass eine Genehmigung der UWV WERKbedrijf eingeholt werden muss.<br />

Das niederländische bürgerliche Recht enthält eine nicht vollständige Liste von dringenden<br />

Gründen, z. B. Diebstahl, Betrug, Preisgabe von Geschäfts- <strong>und</strong> Berufsgeheimnissen sowie<br />

irreführende oder Falschaussagen bei der Bewerbung um den Arbeitsplatz.<br />

Dies klingt in der Theorie zwar recht einfach, ist dies jedoch in der Praxis nicht. Tatsächlich<br />

ist die Entlassung aus dringendem Gr<strong>und</strong> für den Arbeitgeber recht riskant.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

73


Erstens ist schnelles Handeln erforderlich. Das bedeutet in der Praxis, dass der Arbeitgeber<br />

sofort handeln muss, wenn ihm ein dringender Gr<strong>und</strong> bekannt wird. Das bedeutet nicht, dass<br />

der Arbeitgeber sich keine Zeit nehmen kann, um die Fakten ordnungsgemäß zu untersuchen<br />

<strong>und</strong> dem Arbeitnehmer zu gestatten seine eigene Darstellung vorzutragen. Wenn eine externe<br />

Untersuchung erforderlich wird, z. B. durch Finanzsachverständige, sollte der Arbeitgeber<br />

die Untersuchung anordnen <strong>und</strong> die Ergebnisse abwarten. In den meisten Fällen sollte der<br />

Mitarbeiter bis zum Abschluss der Untersuchung suspendiert werden.<br />

Außerdem ist es möglich, dass Fakten <strong>und</strong> Umstände, die dem Arbeitgeber als dringender<br />

Gr<strong>und</strong> zur Entlassung erscheinen, von einem niederländischen Gericht nicht als schwerwiegend<br />

genug erachtet werden. 1999 entschied das niederländische Verfassungsgericht, dass in<br />

Bezug auf die Gültigkeit einer fristlosen Kündigung aus dringendem Gr<strong>und</strong> weitere Faktoren<br />

in Betracht gezogen werden müssen, z. B. die Länge der Dienstzeit des Mitarbeiters oder<br />

seine Arbeitsleistung über längere Zeit hinweg. Das niederländische Verfassungsgericht hat<br />

seitdem entschieden, dass persönliche Umstände, die sich vollständig in der Privatsphäre<br />

des Arbeitnehmers abspielen <strong>und</strong> von denen der Arbeitgeber oft keinerlei Kenntnisse hat,<br />

ebenfalls berücksichtigt werden müssen, um zu bestimmen, ob eine fristlose Entlassung aus<br />

dringendem Gr<strong>und</strong> gerechtfertigt ist.<br />

Dies alles muss vor dem Hintergr<strong>und</strong> der schwerwiegenden Konsequenzen für den<br />

Arbeitnehmer betrachtet werden, wenn ein Gericht entscheidet, dass tatsächlich ein<br />

dringender Gr<strong>und</strong> vorliegt. Der Arbeitnehmer verliert automatisch alle Arbeitslosenleistungen,<br />

zu denen er möglicherweise berechtigt wäre.<br />

In Anbetracht des oben Gesagten wird Arbeitgebern geraten, immer die folgenden Regeln<br />

anzuwenden, wenn eine fristlose Kündigung aus dringendem Gr<strong>und</strong> erwogen wird:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

(v)<br />

(vi)<br />

Holen Sie stets <strong>und</strong> umgehend eine Rechtsberatung ein.<br />

Es sollten immer (a) alle relevanten Fakten <strong>und</strong> Umstände <strong>und</strong> (b) Beweise hierfür<br />

(ggf. mit externer Hilfe, z. B. durch Polizei, Privatdetektive, Finanzsachverständige<br />

usw.) eingeholt <strong>und</strong> überprüft werden.<br />

Geben Sie dem Arbeitnehmer immer die Möglichkeit einer Anhörung.<br />

Sobald der Arbeitgeber alle relevanten Fakten <strong>und</strong> Umstände eingeholt hat, muss<br />

gehandelt werden.<br />

Wenn der Arbeitgeber die Entscheidung zur Entlassung aus dringendem Gr<strong>und</strong> gefällt<br />

hat, muss er den Arbeitnehmer umgehend informieren <strong>und</strong> seine Entscheidung sowie<br />

die entsprechenden Gründe schriftlich bestätigen.<br />

Der Arbeitgeber darf auf keinen Fall zögerlich erscheinen, z. B. durch die Aufschiebung<br />

des Prozesses (auch für einen Tag).<br />

74 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


(v) Durch Gerichtsentscheidung<br />

Jede Partei kann bei einem Gericht die Aufhebung des Arbeitsvertrags aufgr<strong>und</strong><br />

„schwerwiegender Gründe“ beantragen. Ein schwerwiegender Gr<strong>und</strong> kann ein dringender<br />

Gr<strong>und</strong> sein, der zuvor noch nicht zur Kündigung des Arbeitsvertrags angeführt wurde,<br />

oder „eine Änderung der Umstände derart, dass das Arbeitsverhältnis nach vernünftigem<br />

Ermessen umgehend oder kurzfristig beendet werden sollte“. Wenn das Gericht dem Antrag<br />

stattgibt, legt es einen Beendigungstermin fest. Es ist keine weitere Mitteilung erforderlich.<br />

Das Gericht kann dem Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber zu zahlende Entschädigung (oder<br />

Abfindung) zusprechen <strong>–</strong> <strong>und</strong> tut dies häufig auch. Es gibt keine gesetzlichen Regelungen über<br />

Abfindungen, generell neigen Gerichte jedoch dazu, die sogenannte „Kantonalrichterformel“<br />

anzuwenden, die lautet:<br />

(i) 0,5 Monatsgehälter für jedes Dienstjahr bis zum Alter von 35 Jahren.<br />

(ii) 1 Monatsgehalt pro Dienstjahr von den Lebensjahren 35 bis 45.<br />

(iii) 1,5 Monatsgehälter pro Dienstjahr von den Lebensjahren 45 bis 55..<br />

(iv) 2 Monatsgehälter für jedes Dienstjahr über einem Alter von 55 Jahren.<br />

„Monatsgehalt“ bedeutet in diesem Zusammenhang 1/12 des Jahreseinkommens des<br />

Arbeitnehmers, bestehend aus dem Monats(gr<strong>und</strong>)gehalt, Weihnachtsgeld in Höhe von<br />

8 %, einem festen 13. Monatsgehalt, Pauschalbonuszahlungen, Schichtgeld <strong>und</strong> eventuell<br />

Überst<strong>und</strong>engeld. In Ausnahmefällen können auch andere Vergütungskomponenten<br />

berücksichtigt werden. Das Ergebnis dieser Rechnung kann jedoch vom Gericht je nach<br />

den Umständen des Falls erhöht oder verringert werden.<br />

Im Fall einer sogenannten „neutralen“ Kündigung wird diese Art Abfindung zugesprochen. Als<br />

„neutrale“ Kündigung gilt eine Kündigung, die weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer<br />

verschuldet hat (z. B. Personalabbau). Die Gerichte korrigieren die Rechnung häufig. Je nach<br />

den Umständen können die vom Gericht zugesprochenen Summen deshalb (wesentlich)<br />

niedriger oder (ebenfalls wesentlich) höher sein als bei der „neutralen Version“ der oben<br />

beschriebenen Kantonrichterformel.<br />

Die Entscheidung des Gerichts kann nicht angefochten werden.<br />

Weil ein schwerwiegender Gr<strong>und</strong> auch als dringender Gr<strong>und</strong> verstanden werden kann (siehe<br />

oben), wird das Gerichtsverfahren manchmal verwendet, wenn das Risiko der Kündigung<br />

ohne Formalitäten aus dringendem Gr<strong>und</strong> als zu hoch eingeschätzt wird, der Gr<strong>und</strong> selbst<br />

jedoch schwerwiegend genug ist, um eine kurzfristige Kündigung zu rechtfertigen. Das<br />

Gerichtsverfahren dauert r<strong>und</strong> ein bis drei Monate.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

75


5.6.2 Umstrukturierung<br />

Wenn ein Arbeitgeber beabsichtigt, in einem Zeitraum von drei Monaten den Arbeitsvertrag<br />

von 20 oder mehr Mitarbeitern zu kündigen, die in der Region einer UWV WERKbedrijf<br />

arbeiten, müssen die folgenden Gesetze eingehalten werden: das Betriebsratsgesetz (Wet<br />

op de ondernemingsraden), das Gesetz über die Mitteilung von Massenentlassungen (Wet<br />

melding collectief ontslag) <strong>und</strong> die Verordnung über Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen<br />

(Buitengewoon Besluit Arbeidsverhoudingen 1945 oder BBA).<br />

Nach dem Betriebsratsgesetz gilt möglicherweise das Verfahren zur Einholung des Rats des<br />

Betriebsrats (siehe Abschnitt 5.7 unten).<br />

Nach dem Gesetz über die Mitteilung von Massenentlassungen müssen der UWV WERKbedrijf<br />

<strong>und</strong> den Gewerkschaften der Branche vertraulich Mitteilungen über die beabsichtigten<br />

Entlassungen gemacht <strong>und</strong> detaillierte Informationen darüber zur Verfügung gestellt werden.<br />

Generell muss ein Sozialplan über finanzielle Konsequenzen <strong>und</strong> Hilfsmittel für betroffene<br />

Arbeitnehmer erstellt werden. Solche Pläne können mit den Gewerkschaften ausgehandelte<br />

Abfindungen beinhalten.<br />

Das Verfahren zur Ausstellung von UWV WERKbedrijf-Genehmigungen zur Kündigung des<br />

Arbeitsvertrags beginnt erst einen Monat nach der oben genannten Mitteilung. Die einmonatige<br />

Wartezeit muss nicht eingehalten werden, wenn die Gewerkschaften ihre Zustimmung<br />

gegeben haben. Die UWV WERKbedrijf wird für jeden Arbeitnehmer untersuchen, ob der<br />

Kündigungsantrag angemessen ist. Nachdem die Genehmigungen erteilt sind, muss die<br />

Kündigung ausgesprochen werden.<br />

5.6.3 Arbeitgebersteuer auf Frührentenzahlungen<br />

Um die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu fördern, kann auf bestimmte<br />

Frührentenzahlungen eine Arbeitgebersteuer in Höhe von 26 % (ab 1. Januar 2011: 52 %)<br />

erhoben werden.<br />

5.7 Mitbestimmung, Betriebsrat<br />

Die Mitbestimmung in niederländischen Unternehmen ist hauptsächlich im Betriebsratsgesetz<br />

(Wet op de ondernemingsraden) geregelt. Das Betriebsratsgesetz besagt, dass Unternehmen<br />

mit mindestens 50 Mitarbeitern einen Betriebsrat aufstellen müssen, der aus den hierfür<br />

gewählten Mitarbeitern besteht. In Unternehmen mit mehr als 10 aber weniger als 50<br />

Mitarbeitern muss kein Betriebsrat aufgestellt werden. Eine Arbeitnehmervertretung reicht<br />

aus. Diese Vertretung hat nicht soviel Macht wie ein Betriebsrat.<br />

76 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Im Folgenden wird der Betriebsrat für Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern<br />

beschrieben.<br />

Bevor das Unternehmen dem Betriebsrat die Möglichkeit zur Beratung gibt, sollte es dem<br />

Betriebsrat mitteilen, welche Entscheidungen in Bezug auf Angelegenheiten anstehen,<br />

in denen der Betriebsrat beratungsbefugt ist. Die Informationen sollten Angelegenheiten<br />

betreffen, die in den nächsten sechs Monaten anstehen.<br />

Der Betriebsrat berät sich mindestens sechsmal pro Jahr mit dem Vorstand oder einem<br />

Vorstandsmitglied. Diese Besprechungen werden während der Arbeitszeiten abgehalten. Der<br />

Betriebsrat ist außerdem berechtigt, seine eigenen Besprechungen während der Arbeitszeiten<br />

abzuhalten. Die Mitglieder sind für die Besprechungszeiten zum Erhalt ihres vollen Lohns<br />

berechtigt. Vorstand <strong>und</strong> Betriebsrat müssen vereinbaren, wie viele St<strong>und</strong>en der Betriebsrat<br />

auf die Beratung mit den Arbeitnehmern <strong>und</strong> seine eigenen Schulungen verwenden kann.<br />

Wenn keine Übereinkunft erzielt werden kann, schreibt das Betriebsratsgesetz fünf Tage für<br />

die Schulung <strong>und</strong> sechzig St<strong>und</strong>en für die Beratung pro Jahr vor.<br />

Die Befugnisse des Betriebsrats unterteilen sich generell in die Befugnisse im Zusammenhang<br />

mit der Beratung <strong>und</strong> das Recht zur Zustimmung zu Entscheidungen.<br />

Beratungsverfahren<br />

Das Unternehmen muss dem Betriebsrat die Möglichkeit geben, es im Zusammenhang auf<br />

Entscheidungen zu beraten, die in Bezug auf die Folgenden getroffen werden:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

(v)<br />

(vi)<br />

(vii)<br />

(viii)<br />

(ix)<br />

Übertragung der Kontrolle über das Unternehmen oder einen Teil davon<br />

Ergreifen, Übernahme oder Abgabe der Kontrolle über ein anderes Unternehmen<br />

oder die Aufstellung, maßgebliche Änderung oder Beendigung einer langfristigen<br />

Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, einschließlich der Aufstellung,<br />

maßgeblichen Änderung oder Beendigung einer erheblichen finanziellen Beteiligung<br />

durch oder für ein solches Unternehmen<br />

Beendigung von Aktivitäten des Unternehmens oder eines großen Teils dieser<br />

Aktivitäten<br />

erhebliche Änderung der Aktivitäten des Unternehmens<br />

erhebliche Änderungen an der Organisation des Unternehmens oder an der<br />

Aufgabenverteilung innerhalb des Unternehmens<br />

Änderung des Standorts, an dem das Unternehmen seine Tätigkeit ausübt<br />

Anwerbung oder Einstellung von Gruppen von Mitarbeitern<br />

größere Kapitalinvestitionen im Namen des Unternehmens<br />

Beantragung erheblicher Kredite im Namen des Unternehmens<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

77


(x)<br />

(xi)<br />

(xii)<br />

(xiii)<br />

Gewährung eines umfangreichen Kreditrahmens <strong>und</strong> Beistellung einer Sicherheit<br />

für wichtige Kredite an ein anderes Unternehmen, es sei denn, dies gehört zur<br />

regelmäßigen Geschäftstätigkeit des Unternehmens<br />

Einführung oder Änderung wichtiger technologischer Kapazitäten<br />

Ergreifen einer wichtigen Umweltmaßnahme für das Unternehmen, einschließlich<br />

Ergreifung oder Änderung einer Vorschriftenmaßnahme, ob organisatorisch oder<br />

administrativ, in Bezug auf die Umwelt<br />

Bestellung eines externen Experten zur Beratung in einer der zuvor genannten<br />

Angelegenheiten <strong>und</strong> Formulierung eines Referenzrahmens für diesen.<br />

Die Unternehmensführung muss den Betriebsrat schriftlich <strong>und</strong> zeitgerecht über ihre<br />

Entscheidung in Kenntnis setzen. Wenn die Unternehmensführung den Rat des Betriebsrats<br />

ganz oder teilweise missachtet hat, muss der Gr<strong>und</strong> hierfür in der Entscheidung angegeben<br />

werden. In diesem Fall, oder wenn später Informationen bekannt werden, die den Betriebsrat<br />

zu einem anderen Rat geführt hätten, muss die Unternehmensführung des Weiteren die<br />

Implementierung der Entscheidung mindestens einen Monat lang aufschieben, um dem<br />

Betriebsrat Gelegenheit zu geben, bei der Unternehmenskammer des Amsterdamer<br />

Berufungsgerichts (Ondernemingskamer) Einspruch gegen die Entscheidung einzulegen.<br />

Der einzige Gr<strong>und</strong> für einen derartigen Einspruch des Betriebsrats ist, dass die<br />

Unternehmensführung des Unternehmens „bei Abwägung der relevanten Interessen nicht<br />

vernünftig zu ihrer Entscheidung hätte kommen können.“ Dieses sehr breit formulierte<br />

Kriterium lässt der Unternehmenskammer viel Spielraum zur Entscheidung über den<br />

Einspruch des Betriebsrats <strong>und</strong> die Unternehmenskammer ist bekannt dafür, dass sie diesen<br />

Spielraum ausnutzt. Trotzdem soll die Unternehmenskammer keine gründliche Analyse<br />

der finanziellen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Begründetheit einer Transaktion durchführen. Nur<br />

wenn es sehr offensichtlich ist, dass eine Transaktion nicht im Interesse des betroffenen<br />

Unternehmens liegt, ist zu erwarten, dass die Unternehmenskammer dem Einspruch auf<br />

dieser Basis stattgibt. Der Mehrzahl der erfolgreichen Einsprüche von Betriebsräten wurde<br />

auf formaler Gr<strong>und</strong>lage stattgegeben, d. h. wenn die Unternehmensführung überhaupt keinen<br />

Rat eingeholt hat, dies so spät getan hat, dass der Rat keinen wirklichen Einfluss haben<br />

konnte, die angemessenen Anträge des Betriebsrats auf Informationen missachtet hat usw.<br />

Im Gegensatz zu vielen anderen Rechtsgebieten hat die Unternehmenskammer weitreichende<br />

Befugnisse, wenn dem Einspruch des Betriebsrats stattgegeben wird. Sie kann anordnen,<br />

dass die Unternehmensführung die Entscheidung ganz oder teilweise zurückzieht <strong>und</strong> sogar<br />

bestimmte Konsequenzen rückgängig macht. Mit anderen Worten: Das niederländische<br />

Gericht hat die Befugnis, eine Entscheidung zu blockieren.<br />

78 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Zustimmungsverfahren<br />

Das Unternehmen muss die vorherige Zustimmung des Betriebsrats einholen, wenn<br />

Entscheidungen über die Folgenden anstehen:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

(v)<br />

(vi)<br />

(vii)<br />

(viii)<br />

(ix)<br />

(x)<br />

(xi)<br />

(xii)<br />

Maßnahmen für Rentenversicherung, Gewinnbeteiligungsplan oder Sparplan<br />

Regelungen über Arbeitszeiten oder Urlaub<br />

Vergütung oder ein Aufgabenklassifizierungssystem<br />

Regelungen über die Sicherheit, Ges<strong>und</strong>heit oder das Wohlergehen am Arbeitsplatz<br />

Regelungen über Verfahren zur Einstellung, Entlassung oder Beförderung<br />

Regelungen über die Mitarbeiterschulung<br />

Regelungen über die Leistungsbewertung von Mitarbeitern<br />

Regelungen über industrielle Sozialarbeit<br />

Regelungen über die Arbeitsberatung<br />

Regelungen über den Umgang mit Beschwerden<br />

Regelungen über ein Personalregistrierungssystem <strong>und</strong> den Umgang <strong>und</strong> Schutz<br />

von persönlichen Daten über Mitarbeiter im Unternehmen<br />

Regelungen über ein System zur Aufzeichnung <strong>und</strong> Kontrolle von Anwesenheit,<br />

Verhalten <strong>und</strong> Leistung der Mitarbeiter.<br />

Wenn der Betriebsrat nicht seine Zustimmung zu einer vorgelegten Entscheidung gibt,<br />

kann das Unternehmen beim Amtsgericht (Kantonalabteilung) eine Genehmigung der<br />

Entscheidung beantragen. Das Amtsgericht (Kantonalabteilung) wird die Genehmigung<br />

nur erteilen, wenn die Weigerung des Betriebsrats zur Zustimmung unangemessen ist oder<br />

die vorgelegte Entscheidung des Unternehmens auf wichtigen geschäftsorganisatorischen,<br />

geschäftswirtschaftlichen oder geschäftssozialen Gründen basiert.<br />

Jegliche vom Unternehmen ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats oder des<br />

Amtsgerichts (Kantonalabteilung) getroffene Einscheidung ist null <strong>und</strong> nichtig, wenn der<br />

Betriebsrat diese Ungültigkeit dem Unternehmen gegenüber binnen eines Monats nach<br />

Benachrichtigung des Betriebsrats durch das Unternehmen oder, falls eine derartige<br />

Benachrichtigung nicht stattgef<strong>und</strong>en hat, binnen eines Monats nachdem der Betriebsrat von<br />

der Implementierung oder Anwendung der Entscheidung durch das Unternehmen Kenntnis<br />

erlangt, schriftlich geltend macht. Der Betriebsrat kann beantragen, dass das Amtsgericht<br />

(Kantonalabteilung) das Unternehmen verpflichtet, von Handlungen abzusehen, die eine<br />

Implementierung oder Anwendung einer Entscheidung beinhalten, deren Ungültigkeit der<br />

Betriebsrat geltend gemacht hat. Wenn das Unternehmen der Ansicht ist, dass die Ungültigkeit<br />

der Entscheidung ungerechtfertigt geltend gemacht wurde, kann es binnen eines Monats<br />

das Amtsgericht (Kantonalabteilung) um eine Entscheidung in der Angelegenheit ersuchen.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

79


5.8 Diskriminierung<br />

5.8.1 Allgemeine Gleichbehandlung<br />

Das Diskriminierungsverbot in der niederländischen Verfassung wird über verschiedene<br />

Gesetze implementiert, darunter das Allgemeine Gesetz über die Gleichbehandlung,<br />

das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern <strong>und</strong> Frauen, das Gesetz über die<br />

Gleichbehandlung in Bezug auf Arbeitsst<strong>und</strong>en, das Gesetz über die Gleichbehandlung in<br />

Bezug auf Zeitarbeits- <strong>und</strong> dauerhafte Arbeitsverträge, das Gesetz über die Gleichbehandlung<br />

behinderter <strong>und</strong> chronisch kranker Menschen <strong>und</strong> das Gesetz über die Gleichbehandlung am<br />

Arbeitsplatz in Bezug auf das Alter. Darüber hinaus enthalten das niederländische bürgerliche<br />

Gesetzbuch <strong>und</strong> das Gesetz über zentrale <strong>und</strong> örtliche Regierungsbeamte Vorschriften, die<br />

eine Diskriminierung von Männern oder Frauen am Arbeitsplatz verbieten.<br />

Außerdem wurden in jüngsten Jahren auf europäischer Ebene zahlreiche neue Bestimmungen<br />

über die Gleichbehandlung erlassen, darunter die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne<br />

Unterschied der Rasse <strong>und</strong> die Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung <strong>und</strong> Beruf.<br />

5.8.2 Geschlechtsdiskriminierung<br />

Nach dem Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern <strong>und</strong> Frauen (Wet gelijke<br />

behandeling van mannen en vrouwen) ist die Diskriminierung zwischen Männern <strong>und</strong> Frauen in<br />

Beschäftigungsverhältnissen untersagt. Das Gesetz betrachtet das Beschäftigungsverhältnis<br />

als eine Situation, in der ein Mitarbeiter unter Aufsicht arbeitet, <strong>und</strong> seine Bedeutung ist<br />

damit breiter gefasst als die eines Arbeitsvertrags. Das Gesetz gilt für staatliche <strong>und</strong><br />

Kommunalbehörden wie auch für den Privatsektor.<br />

Die direkte <strong>und</strong> indirekte Diskriminierung im Zusammenhang mit Stellenangeboten oder<br />

der Besetzung von offenen Stellen, im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses <strong>und</strong> bei der<br />

Kündigung ist verboten. Eine Voraussetzung ist, dass Stellenangebote ausdrücklich darauf<br />

hinweisen müssen, dass sich Männer <strong>und</strong> Frauen bewerben können (mit der Angabe: ‚m/w‘).<br />

Bei manchen Berufen oder Arbeitsplätzen, die in einer besonderen Verordnung genannt<br />

sind, kann zwischen Männern <strong>und</strong> Frauen unterschieden werden (z. B.: Opernsänger).<br />

Frauen <strong>und</strong> Männer innerhalb desselben Unternehmens müssen für gleiche Arbeit die gleiche<br />

Vergütung erhalten.<br />

Gegen Geschlechtsdiskriminierung kann nur dann nach dem Gesetz zur Gleichbehandlung<br />

von Männern <strong>und</strong> Frauen vorgegangen werden, wenn die Diskriminierung gegen seine<br />

Bestimmungen verstoßen hat (d. h. Verweigerung der Beförderung, Kündigungsdrohung<br />

usw.). Im Gegensatz zu Großbritannien oder den USA zum Beispiel, wo Gerichtsverfahren<br />

wegen Geschlechtsdiskriminierung zum großen Thema geworden sind, ist dies in den<br />

<strong>Niederlande</strong>n jedoch noch nicht der Fall.<br />

80 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


5.8.3 Sexuelle Belästigung<br />

Beschwerden wegen Belästigung können nach dem Chancengleichheitsgesetz vorgetragen<br />

werden. Im Jahr 2006 hat die niederländische Regierung die bestehenden Gesetze<br />

dahingehend geändert, dass die Beweislast in Bezug auf sexuelle Belästigung vom<br />

Beschuldiger auf den beschuldigten Arbeitgeber verlagert wurde. Mit anderen Worten: Der<br />

beschuldigte Arbeitgeber muss beweisen können, dass es sich bei der Angelegenheit nicht<br />

um eine sexuelle Belästigung handelte.<br />

Darüber hinaus kann der Kläger die Klage auf die allgemeinen Bestimmungen des<br />

niederländischen bürgerlichen Rechts stützen, z. B. Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

per Gerichtsentscheidung aus schwerwiegenden Gründen, Verpflichtung zum Handeln als<br />

guter Arbeitgeber, Schutz der Anständigkeit <strong>und</strong> gegen Gefahren.<br />

Das Arbeitsschutzgesetz (Arbeidsomstandighedenwet) enthält Bestimmungen, die den<br />

Arbeitgeber neben der Ergreifung von Maßnahmen im Interesse der Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers auch dazu verpflichten, den Arbeitnehmer soweit wie<br />

möglich gegen sexuelle Belästigung <strong>und</strong> ihre Folgen zu schützen. Nach dem Gesetz muss der<br />

Arbeitgeber die Unternehmensvorschriften auf die Aufrechterhaltung <strong>und</strong> Verbesserung der<br />

Sicherheit sowie auf die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> das Wohlergehen der Arbeitnehmer im Unternehmen<br />

ausrichten. In diesem Zusammenhang müssen auch Maßnahmen zur Verhinderung einer<br />

sexuellen Belästigung ergriffen werden.<br />

Die Regierung hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um sexuelle Belästigung zu<br />

verhindern. Der Handel <strong>und</strong> die Industrie sind vom Staat aufgefordert, sexuelle Belästigung<br />

aktiv zu verhindern <strong>und</strong> zu bekämpfen. Demzufolge enthalten einige Tarifverträge<br />

Bestimmungen über die Verhinderung von sexueller Belästigung <strong>und</strong> Beschwerdeverfahren.<br />

5.8.4 Altersdiskriminierung<br />

Das Gesetz über die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz in Bezug auf das Alter untersagt<br />

die Altersdiskriminierung bei der Beschäftigung, im Beruf <strong>und</strong> bei der Berufsausbildung.<br />

Altersdiskriminierung ist nur dann zulässig, wenn eine Altersbegrenzung objektiv gerechtfertigt<br />

ist. Dieses Gesetz trat am 1. Mai 2004 in Kraft.<br />

Das Gesetz gilt für den öffentlichen <strong>und</strong> den privaten Sektor. Die direkte <strong>und</strong> indirekte<br />

Diskriminierung ist untersagt. Im Gesetz über die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz<br />

bedeutet der Begriff „Diskriminierung“ die Diskriminierung in Bezug auf das Alter <strong>und</strong><br />

andere Merkmale, oder ein Verhalten, das eine Altersdiskriminierung nach sich zieht. Eine<br />

Anweisung zur Diskriminierung gilt ebenfalls als Diskriminierung. Darüber hinaus beinhaltet<br />

das Diskriminierungsverbot auch ein Verbot der Belästigung, d. h. Verhalten in Bezug auf das<br />

Alter, das eine Verletzung der Würde einer Person oder die Schaffung einer einschüchternden,<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

81


feindlichen, erniedrigenden, demütigenden oder beleidigenden Umgebung bezweckt oder<br />

bewirkt.<br />

Die Altersdiskriminierung ist unter anderem im Zusammenhang mit der Anwerbung,<br />

Auswahl <strong>und</strong> Ernennung von Mitarbeitern, Stellenplatzierung, Unterzeichnung oder<br />

Kündigung von Arbeitsverträgen, Ernennung <strong>und</strong> Entlassung von Beamten <strong>und</strong> öffentlichen<br />

Angestellten, Beschäftigungsbedingungen, Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung vor oder während des<br />

Beschäftigungsverhältnisses, Beförderung <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen gesetzwidrig.<br />

Das Altersdiskriminierungsverbot gilt nicht, wenn die Diskriminierung:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

auf einer Beschäftigungs- oder Arbeitsmarktpolitik zur Förderung der Beschäftigung<br />

bestimmter Altersgruppen beruht, vorausgesetzt, dass diese Politik aus einem vom<br />

Parlament beschlossenen Gesetz resultiert,<br />

mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Erreichung des<br />

Rentenalters nach dem Allgemeinen Gesetz über Altersrenten (AOW) oder eines<br />

gesetzlichen oder von den Parteien vereinbarten höheren Alters zusammenhängt<br />

oder<br />

durch ein legitimes Ziel anderweitig objektiv gerechtfertigt ist <strong>und</strong> die zur Erreichung<br />

des Ziels eingesetzten Mittel angemessen <strong>und</strong> notwendig sind.<br />

Zusammenfassend gilt, dass die Altersdiskriminierung generell untersagt ist, es sei denn,<br />

dass eine Altersgrenze objektiv gerechtfertigt ist.<br />

5.8.5 Verpflichtung zur Beschäftigung von Behinderten<br />

Das Gesetz über die Beschäftigung behinderter Arbeitnehmer (Wet arbeid gehandicapte<br />

werknemers) verpflichtet Arbeitgeber, Arbeitgeberorganisationen <strong>und</strong> Gewerkschaften<br />

zur Bereitstellung gleicher Beschäftigungschancen für behinderte <strong>und</strong> nicht behinderte<br />

Arbeitnehmer <strong>und</strong> zur Ergreifung von Maßnahmen, die die Arbeitsbedingungen von<br />

Behinderten verbessern. Unter anderem sieht es eine Verpflichtung zur Einstellung von drei<br />

bis sieben behinderten Personen pro 100 Arbeitnehmer vor.<br />

5.9 Verschiedenes<br />

5.9.1 Streiks <strong>und</strong> Werksbesetzungen<br />

Für Streiks <strong>und</strong> damit in Verbindung stehende Angelegenheiten besteht in den <strong>Niederlande</strong>n<br />

keine gesonderte Gesetzgebung. Die Europäische Sozialcharta (ESC), die das Recht zu<br />

Kollektivmaßnahmen (einschließlich Streiks) anerkennt, wurde von den <strong>Niederlande</strong>n 1980<br />

ratifiziert. 1986 entschied das niederländische Verfassungsgericht, dass die Bestimmungen<br />

der ESC direkte Gültigkeit haben.<br />

82 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Ein Streik wird als legitim betrachtet, wenn er als letztes Mittel bei der Verhandlung eines<br />

Tarifvertrags eingesetzt wird <strong>und</strong> wenn die Verhandlungen zum Stillstand gekommen sind.<br />

Die ESC sieht einen gewissen Schutz für die Freiheit von Dritten, des öffentlichen Interesses,<br />

der nationalen Sicherheit <strong>und</strong> der öffentlichen Ges<strong>und</strong>heit vor. Politische Streiks, die zur<br />

Beeinflussung von Gesetzen dienen, wurden als zulässig betrachtet, wenn die Gesetze<br />

Angelegenheiten betreffen, die in der Regel unter Tarifverträge zwischen Arbeitgebern<br />

<strong>und</strong> Arbeitnehmern fallen. Sonstige politische Streiks sind in der ESC nicht abgedeckt <strong>und</strong><br />

scheinen nach niederländischem Recht als nicht legitim angesehen zu werden. Sympathie<strong>und</strong><br />

Solidaritätsstreiks politischer Natur wurden in der Vergangenheit von den Gerichten für<br />

gesetzwidrig erklärt.<br />

Der Arbeitgeber muss streikenden Mitarbeitern keinen Lohn zahlen. Wenn der Streik von einer<br />

Gewerkschaft ausgerufen wurde, kann der Arbeitgeber die betreffenden Arbeitnehmer nicht<br />

entlassen. Blockaden, das Schließen des Eingangs <strong>und</strong> die Bedrohung anderer Arbeitnehmer<br />

sind gesetzwidrig. Dasselbe gilt für Werksbesetzungen. Arbeitnehmer, die am Streik nicht<br />

teilnehmen <strong>und</strong> die bereit sind zu arbeiten, müssen nicht bezahlt werden, wenn der Zweck<br />

des Streiks für sie von Vorteil ist. Die meisten Arbeitgeber zahlen jedoch Lohn an arbeitswillige<br />

Mitarbeiter. Viele Tarifverträge beinhalten die Bestimmung, dass die Gewerkschaften während<br />

der Laufzeit des Tarifvertrags nicht streiken werden, oder zumindest nicht mit dem Zweck,<br />

geschlossene Vereinbarungen zu ändern.<br />

5.9.2 Gerichtssystem<br />

Das Gebiet der <strong>Niederlande</strong> ist in neunzehn Gerichtsbezirke (arrondissementen) unterteilt,<br />

von denen jeder ein Amtsgericht (rechtbank) hat. Jedes Amtsgericht hat darüber hinaus einen<br />

Kantonalsektor (sector kanton), der aus sogenannten „Kantonalrichtern“ (kantonrechters)<br />

besteht. Kantonalrichter richten unter anderem über alle Angelegenheiten im Zusammenhang<br />

mit Arbeits- <strong>und</strong> Tarifverträgen. Wenn es bei einem Fall um die Entlassung eines Vorstands<br />

geht, so ist nicht das Kantonalgericht, sondern das Amtsgericht zuständig.<br />

Gegen Entscheidungen von Kantonalrichtern in sogenannten „Aufhebungsfällen“ (siehe<br />

Abschnitt 5.6.1(v) oben) kann in der Regel keine Berufung eingelegt werden. Wenn eine<br />

Berufung möglich ist, so werden Berufungen gegen Kantonalgerichtsentscheidungen vom<br />

Amtsgericht <strong>und</strong> Berufungen gegen Amtsgerichtsentscheidungen von einem von fünf<br />

niederländischen Berufungsgerichten (gerechtshof) angehört.<br />

Die letzte Instanz ist das Verfassungsgericht der <strong>Niederlande</strong> (Hoge Raad der Nederlanden),<br />

das auch Arbeitsrechtsfälle anhört, aber nur in Bezug auf Rechtsfragen. Der Sachverhalt<br />

eines Falls wird unumstößlich von den Vorinstanzen entschieden.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

83


Was die Vertretung der Parteien vor den verschiedenen niederländischen Gerichten<br />

anbelangt, so ist für Verfahren vor Kantonalrichtern kein Rechtsanwalt (advocaat) erforderlich.<br />

In der Praxis jedoch ziehen die meisten Arbeitgeber diese Vertretung vor. Arbeitnehmer<br />

werden manchmal durch einen Rechtsanwalt ihrer Rechtsschutzversicherung oder, wenn<br />

sie Gewerkschaftsmitglied sind, der Gewerkschaft vertreten.<br />

Verfahren vor Amtsgerichten, Berufungsgerichten <strong>und</strong> dem Verfassungsgericht erfordern<br />

stets eine Vertretung durch einen „advocaat“.<br />

5.9.3 Beweislast<br />

In niederländischen Gerichtsverfahren gelten Sachverhalte als bewiesen, wenn die<br />

Wahrheit des Sachverhalts dem Gericht gegenüber glaubwürdig gemacht wurde. Nicht alle<br />

Sachverhalte müssen bewiesen werden. So können z. B. Aussagen einer Partei, die von<br />

der anderen Partei nicht oder nicht ausreichend bestritten werden, als bewiesen betrachtet<br />

werden. Ebenso sind für Sachverhalte, die als allgemein bekannt gelten, z. B. „Wer ohne<br />

Regenschirm im Regen läuft, wird nass“, keine Beweise erforderlich.<br />

Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit Beweisen ist zweifellos die Frage nach<br />

der Beweislast. Abschnitt 150 der Niederländischen Zivilprozessordnung besagt, dass<br />

die Beweislast für Sachverhalte oder Rechte bei der Partei liegt, die vorträgt, dass die<br />

betreffenden Sachverhalte oder Rechte zu bestimmten rechtlichen Konsequenzen führen<br />

(rechtsgevolg). Dies gilt nicht, wenn eine bestimmte gesetzliche Regelung <strong>–</strong> ob schriftlich<br />

oder nicht <strong>–</strong> oder Maßstäbe der Redlichkeit <strong>und</strong> Billigkeit (redelijkheid en billijkheid) eine<br />

andere Verteilung der Beweislast erfordern.<br />

In der Praxis bedeutet das: Wer bestimmte Sachverhalte <strong>und</strong> Umstände geltend macht, muss<br />

diese beweisen. In den <strong>Niederlande</strong>n ist es generell nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber<br />

beweist, dass er aufrichtig an die Schuld des Arbeitnehmers glauben konnte <strong>und</strong> dass er<br />

ausreichende Gründe für diesen Glauben hatte. Wenn ein Arbeitgeber beispielsweise vorträgt,<br />

dass einer seiner Arbeitnehmer einen Diebstahl begangen hat, sollte er überzeugende<br />

Beweise für seine Anschuldigung vorlegen. Schließlich wird im Zweifelsfall in der Regel für<br />

den Arbeitnehmer, nicht den Arbeitgeber entschieden.<br />

Alle möglichen Beweisarten können verwendet werden. Dokumente, Zeugenaussagen<br />

(ob unter Eid oder nicht), Audio- <strong>und</strong> Videoaufnahmen, Beobachtungsberichte, polizeiliche<br />

Unterlagen usw. Es wird darauf hingewiesen, dass die Nutzung von versteckten Kameras<br />

durch einen Arbeitgeber einer kürzlichen Änderung des Niederländischen Strafrechts zufolge<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich zulässig ist, sofern der Arbeitgeber seine Mitarbeiter auf diese Möglichkeit<br />

hingewiesen hat. Wenn der Arbeitgeber dies unterlässt, riskiert er nicht nur, dass die durch<br />

die Kameras erhaltenen Informationen nicht als Beweismaterial zugelassen werden, sondern<br />

auch eine strafrechtliche Verfolgung.<br />

84 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


6. Handelsagenturen, Vertriebspartnerschaften<br />

<strong>und</strong> Franchisen<br />

6.1 Einführung<br />

Verträge mit Handelsagenten (handelsagenten) <strong>und</strong> Vertriebspartnern (distributeurs oder<br />

wederverkopers) sowie Franchisenverträge können mit Einzelpersonen <strong>und</strong> Unternehmen<br />

abgeschlossen werden. Diese Personen/Unternehmen müssen nicht in den <strong>Niederlande</strong>n<br />

wohnen, dort eine Niederlassung unterhalten oder in den <strong>Niederlande</strong>n gegründet worden<br />

sein.<br />

6.2 Handelsagentur<br />

6.2.1 Definition<br />

Generell besteht eine Agenturbeziehung, wenn die folgenden Anforderungen erfüllt sind:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

Die Agentur handelt im Namen <strong>und</strong> für Rechnung des Auftraggebers beim Abschluss<br />

von Verträgen für den Auftraggeber oder der Bereitstellung von Vermittlungsleistungen,<br />

nach denen der Auftraggeber Verträge mit Dritten abschließt. Die Agentur schließt<br />

Verträge im Namen <strong>und</strong> für Rechnung des Auftraggebers ab oder die Agentur bietet<br />

Vermittlungsleistungen, nach denen der Auftraggeber Verträge mit Dritten abschließt.<br />

Die Agentur hat Anspruch auf eine Vergütung (d. h. Provision).<br />

Die Agentur ist selbständig/unabhängig vom Auftraggeber <strong>und</strong><br />

Die Beziehung zwischen der Agentur <strong>und</strong> dem Auftraggeber ist nicht beiläufig.<br />

Die meisten Agenturgesetze sind verpflichtend (Verträge dürfen davon nicht abweichen)<br />

<strong>und</strong> im Bürgerlichen Gesetzbuch definiert, das die Vorschriften der EG-Richtlinie 86/653<br />

widerspiegelt.<br />

6.2.2 Allgemeines<br />

Der Vertrag muss nicht schriftlich vorliegen. Aus Beweisgründen ist dies jedoch<br />

empfehlenswert <strong>und</strong> jede Vertragspartei ist verpflichtet, auf Verlangen der jeweils anderen<br />

Partei ein unterzeichnetes Dokument vorzulegen haben, das den aktuellen Inhalt des Vertrags<br />

wiedergibt.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

85


Die zahlbare Provision kann verhandelt werden. Wenn keine Bestimmung über die zu<br />

zahlende Provision angegeben ist, ist die Handelsagentur zum Erhalt einer angemessenen<br />

Provision berechtigt.<br />

Ein Konkurrenzverbot im Handelsagenturvertrag ist zulässig, vorausgesetzt es liegt<br />

schriftlich vor <strong>und</strong> beschränkt sich auf die Waren oder Dienstleistungen <strong>und</strong> das Gebiet<br />

der Handelsagentur. Solche Bestimmungen gelten bis maximal zwei Jahre nach Ende des<br />

Handelsagenturvertrags. Die Gerichte können das Konkurrenzverbot der Handelsagentur<br />

annullieren oder abschwächen, wenn es der Handelsagentur gegenüber ungerecht oder<br />

unverhältnismäßig ist.<br />

Eine Delkredere-Bestimmung, d. h. eine Abmachung über das Risiko der Zahlungsunfähigkeit<br />

eines Dritten (die sich nur auf den vom betreffenden Dritten zu zahlenden Vertragspreis<br />

beziehen kann) ist gültig, wenn sie schriftlich vorliegt. Darüber hinaus beschränkt sich die<br />

Haftung der Handelsagentur dem Auftraggeber gegenüber auf die vereinbarte Provision.<br />

Die Haftung der Handelsagentur kann sich im Zusammenhang mit einer bestimmten<br />

Vereinbarung oder mit Vereinbarungen, die die Handelsagentur im Namen des Auftraggebers<br />

abgeschlossen hat, erhöhen.<br />

Wenn eine Handelsagentur ihr Geschäft in den <strong>Niederlande</strong>n ausübt <strong>und</strong> der Vertrag keine<br />

Rechtswahlklausel enthält, wenden die Gerichte generell holländisches Recht an. Wenn die<br />

Rechtswahl keinen Zusammenhang mit den Parteien oder dem Vertrag aufweist, können die<br />

Gericht die Rechtswahl außer Kraft setzen. Die Klauseln 17 <strong>und</strong> 18 (Haftungsfreistellung bei<br />

Kündigung) der oben erwähnten Richtlinie werden ungeachtet der Rechtswahl angewandt,<br />

wenn die Handelsagentur ihr Geschäft in den <strong>Niederlande</strong>n betreibt. Die Amtsgerichte<br />

(Kantonalabteilung) sind für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Handelsagenturen<br />

zuständig.<br />

Handelsagenturen müssen im Handelsregister der Handelskammer eingetragen sein. Die<br />

Handelsagentur muss außerdem einen Auftraggeber eintragen, der nicht unbedingt eine<br />

Unternehmensorganisation in den <strong>Niederlande</strong>n sein muss. Ein Auftraggeber, der eine<br />

Unternehmensorganisation in den <strong>Niederlande</strong>n hat, muss sich <strong>und</strong> seine Handelsagenturen<br />

eintragen lassen.<br />

6.2.3 Kündigung<br />

Handelsagenturverträge können befristet oder unbefristet sein. Bei befristeten Verträgen<br />

ist eine zwischenzeitliche Kündigung nur möglich, wenn eine Bestimmung für die<br />

zwischenzeitliche Kündigung ausdrücklich im Vertrag festgelegt ist. Wenn der Vertrag nach<br />

dem Ablaufdatum ohne weitere Vereinbarungen fortbesteht, wird er kraft Gesetzes zum<br />

unbefristeten Vertrag mit denselben Bedingungen wie zuvor.<br />

86 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Unbefristete Handelsagenturverträge können eine Bestimmung zur Kündigung, oft unter<br />

Einhaltung einer Kündigungsfrist, beinhalten. Die Mindestkündigungsfrist kann je nach<br />

Vertragsdauer einen bis drei Monate betragen. Wenn die Parteien keine Kündigungsfrist<br />

vereinbart haben, lautet diese, ebenfalls je nach Vertragsdauer, vier bis sechs Monate. Bei<br />

einseitiger Kündigung eines Vertrags mit einer Handelsagentur, die aus einer natürlichen<br />

(anstatt einer juristischen) Person besteht, aus nicht dringendem Gr<strong>und</strong>, erfordert das<br />

Arbeitsrecht in bestimmten Fällen, dass der Auftraggeber zuerst eine Genehmigung der<br />

UWV WERKbedrijf (siehe Abschnitt 5.6.1 oben) einholt. Das Verfahren zum Einholen einer<br />

derartigen Genehmigung kann mehrere Monate dauern. Dies gilt mitunter auch dann, wenn<br />

der Handelsagenturvertrag nicht niederländischem Recht unterliegt.<br />

Unter bestimmten Umständen kann der Auftraggeber verpflichtet sein, bei Kündigung<br />

eine angemessene Abfindung zu zahlen. Die Abfindung ist maximal so hoch wie die<br />

Vergütung für ein Jahr, basierend auf der durchschnittlichen Vergütung während der<br />

vorausgegangenen fünf Jahre (bzw., wenn die Dienstleistungszeit kürzer war, des<br />

tatsächlichen Dienstleistungszeitraums).<br />

Die fristlose Kündigung aus dringendem Gr<strong>und</strong> (ohne Mitteilung) ist zulässig, unterliegt jedoch<br />

strengen Vorschriften. Möglicherweise werden Strafzahlungen auferlegt, wenn das Gericht<br />

entscheidet, dass es für die Kündigung keinen berechtigten Gr<strong>und</strong> gab.<br />

6.2.4 Kartellgesetze<br />

Am 1. Januar 1998 wurde das Gesetz über den wirtschaftlichen Wettbewerb durch das<br />

Wettbewerbsgesetz (siehe Abschnitt 3.3. oben) ersetzt.<br />

Dieses Gesetz ähnelt stark dem Europäischen Wettbewerbsgesetz (gemäß Abschnitt 101<br />

bis 110 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Viele Definitionen im<br />

Wettbewerbsgesetz haben dieselbe Bedeutung wie im Europäischen Wettbewerbsgesetz.<br />

Nach dem Europäischen Wettbewerbsgesetz kann Abschnitt 101 des Vertrags über die<br />

Arbeitsweise der Europäischen Union für Handelsagenturbeziehungen zur Anwendung<br />

kommen, die merkliche Wirkungen auf den Handel zwischen EU-Mitgliedsstaaten haben,<br />

falls die Handelsagentur tatsächlich dem Arbeitgeber gegenüber als unabhängiger<br />

Händler operiert. Ob eine Handelsagentur in einer bestimmten Situation as unabhängiger<br />

Händler anzusehen ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Die Tatsachen, dass eine<br />

Handelsagentur das finanzielle Risiko für eigene Rechnung trägt, dass sie ein eigenes<br />

Geschäft führt <strong>und</strong> dass sie für mehrere konkurrierende Auftraggeber handelt, sind bei dieser<br />

Bestimmung möglicherweise relevant.<br />

Dementsprechend trifft das Wettbewerbsgesetz unter den oben beschriebenen Bedingungen<br />

möglicherweise auf Handelsagenturbeziehungen zu, wobei angenommen wird, dass das<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

87


Wettbewerbsgesetz nur zur Anwendung kommt, wenn eine Vereinbarung eine merkliche<br />

Wirkung auf den Wettbewerb im niederländischen Markt hat.<br />

6.3 Vertriebspartnerschaft<br />

6.3.1 Definition<br />

Bei einer Vertriebspartnerschaftsbeziehung:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

kauft der Vertriebspartner Waren vom Zulieferer in eigenem Namen <strong>und</strong> für eigene<br />

Rechnung <strong>und</strong><br />

verkauft diese Waren an Dritte im eigenen Namen <strong>und</strong> für eigene Rechnung.<br />

Die Vertriebsvereinbarung unterliegt keinem bestimmten niederländischen Gesetz. Es gilt<br />

das allgemeine Vertragsrecht.<br />

6.3.2 Allgemeines<br />

Es gibt keine Formalitäten, aber eine schriftliche Vereinbarung ist zu empfehlen.<br />

Vertriebsvereinbarungen müssen sorgfältig formuliert werden, weil Ungenauigkeiten zur<br />

Anwendung verpflichtender Bestimmungen aus dem Handelsagenturrecht (siehe oben)<br />

führen können, das generell für die Handelsagentur vorteilhafter ist als für den Auftraggeber.<br />

Alle Aspekte von Vertriebsvereinbarungen können frei verhandelt werden. Besondere<br />

Aufmerksamkeit verdienen die Kündigungsklauseln. Bei unbefristeten Verträgen, die keine<br />

Kündigungsklausel enthalten, ist eine angemessene Kündigungsfrist <strong>und</strong> eine Erklärung<br />

über die Gründe für die Kündigung erforderlich.<br />

Alle Personen, die Geschäfte irgendwelcher Art in den <strong>Niederlande</strong>n betreiben, müssen<br />

das betreffende Geschäft im Handelsregister der Handelskammer eintragen lassen. Für die<br />

Zulieferer des Vertriebspartners gibt es in dieser Hinsicht keine Verpflichtung.<br />

6.3.3 Kündigung<br />

Nach niederländischem Recht können unbefristete Vertriebsvereinbarungen generell vom<br />

Zulieferer jederzeit gekündigt werden, vorausgesetzt dass:<br />

(i)<br />

der Zulieferer eine angemessene Kündigungsfrist einhält:<br />

Es gibt keine verbindlichen Regeln zur Festlegung einer angemessenen<br />

Kündigungsfrist. Angemessene Kündigungsfristen variieren in der Rechtslehre von<br />

wenigen Monaten (wenn die Vereinbarung nur wenige Jahre bestand) bis zu zwei<br />

oder drei Jahren (wenn die Vertriebsvereinbarung dreißig Jahre oder länger bestand).<br />

Richter nehmen sich bei der Bestimmung von angemessenen Kündigungsfristen<br />

88 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


viel Spielraum <strong>und</strong> lassen mitunter sogar ausdrückliche Bestimmungen in der<br />

Vertriebsvereinbarung außer Acht.<br />

(ii)<br />

die Art der Vereinbarung nicht mit ihrer Kündigung unvereinbar ist:<br />

Die Art der Vereinbarung, z. B. eine Lizenzvereinbarung nach öffentlichem Recht,<br />

kann der Kündigung einer unbefristeten Vertriebsvereinbarung widersprechen. Solche<br />

Fälle sind jedoch selten.<br />

(iii)<br />

Schadenersatz:<br />

Im Rahmen des Geltungsbereichs der Vertriebsvereinbarung kann der Zulieferer<br />

nach der Kündigung dem Vertriebspartner gegenüber schadenersatzpflichtig sein.<br />

Etwaige Schäden sind u. a. (aber nicht ausschließlich) (i) entgangene Gewinne über die<br />

Vertragszeit aufgr<strong>und</strong> vorzeitiger Kündigung <strong>und</strong> (ii) (in bestimmten Umständen) Verlust<br />

der Rendite auf vor Kurzem getätigte Investitionen durch die vorzeitige Kündigung. Diese<br />

Investitionen betreffen Kosten, die in Bezug auf die Vereinbarung <strong>und</strong> die erwartete<br />

ununterbrochene Fortsetzung derselben getätigt wurden, sowie Investitionen, die aufgr<strong>und</strong><br />

der früher als erwarteten Kündigung nicht zurückerwirtschaftet werden konnten.<br />

Das niederländische Recht unterscheidet zwischen zwei Situationen: (i) Der Zulieferer<br />

hält eine angemessene Kündigungsfrist ein (siehe oben) <strong>und</strong> (ii) der Zulieferer hält keine<br />

angemessene Kündigungsfrist ein.<br />

Wenn eine angemessene Kündigungsfrist eingehalten wird, entsteht generell keine Pflicht zum<br />

Schadenersatz für zukünftige entgangene Gewinne. Dies ist jedoch möglicherweise anders<br />

in Bezug auf die Schadenersatzpflicht für (vor Kurzem getätigte) Investitionen. Es gibt einen<br />

Fall, in dem das Verfassungsgericht entschieden hat, dass die Partei, die einen laufenden<br />

Leistungsvertrag als Vertriebsvereinbarung kündigt, Schadenersatz für vom Vertriebspartner<br />

getätigte Investitionen leisten muss, obwohl eine angemessene Kündigungsfrist eingehalten<br />

wurde.<br />

Diese Schadenersatzpflicht für Investition kommt nicht leicht zustande. Sie entsteht nur, wenn<br />

ein Vertriebspartner diese Investitionen mit der berechtigten Erwartung einer Fortsetzung<br />

der Vereinbarung getätigt hat. Relevante Umstände in diesem Zusammenhang sind: Ob<br />

ein Zulieferer zu einem früheren Zeitpunkt ausgesagt hat, dass die Vereinbarung langfristig<br />

fortgesetzt wird, ob er den Vertriebspartner zu Investitionen ermuntert hat <strong>und</strong> ob er den<br />

Vertriebspartner nicht von den Investitionen abgehalten hat, während er bereits eine<br />

Kündigung beabsichtigte. Ebenso relevant ist die Frage, ob während der verbleibenden<br />

Vertragslaufzeit noch (umfangreiche) Investitionen erforderlich sind.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

89


Wenn keine angemessene Kündigungsfrist eingehalten wurde, kann der Zulieferer dem<br />

Vertriebspartner gegenüber sowohl für entgangenen Gewinn als auch für (vor kurzem<br />

getätigte) Investitionen schadenersatzpflichtig sein. Der entgangene Gewinn wird generell<br />

ab dem Datum der vorzeitigen Kündigung als der über die restliche Laufzeit entgangene<br />

Umsatz abzüglich der über die restliche Vertragslaufzeit vermiedenen Kosten, zuzüglich<br />

der entstandenen <strong>und</strong> durch die vorzeitige Kündigung der Vereinbarung nicht vermeidlichen<br />

Kosten, berechnet. Es steht nicht fest, ob Kosten im Zusammenhang mit der Entlassung von<br />

Mitarbeitern ebenfalls eingefordert werden können, dies ist jedoch nicht auszuschließen.<br />

Es gibt keine veröffentlichte Rechtsprechung, die besagt, dass ein Vertriebspartner für<br />

den für seinen Zulieferer aufgebauten Firmenwert entschädigt werden sollte. Die meisten<br />

Rechtsexperten argumentieren, dass dies logisch wäre, weil die K<strong>und</strong>en beim Vertriebspartner<br />

bleiben, dem sie „gehören“. Wenn der Vertriebspartner über einen anderen Zulieferer<br />

problemlos Ersatzprodukte erhalten kann, so scheint dies gerecht. Es ist jedoch zu überlegen,<br />

welchen Nutzen der Vertriebspartner durch die Beibehaltung von K<strong>und</strong>en erzielt, wenn er<br />

nicht mehr in der Lage ist, ihnen die gewünschten Produkte zu verkaufen, weil er keine<br />

Ersatzprodukte von einem anderen Zulieferer erhalten kann (was z. B. bei sehr speziellen<br />

Produkten der Fall ist, die niemand sonst herstellt, oder bei Markenprodukten). Ein weiterer<br />

relevanter Umstand in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob der Vertriebspartner nach<br />

der Vereinbarung verpflichtet ist, dem Auftraggeber eine K<strong>und</strong>enliste zur Verfügung zu<br />

stellen. Einige Rechtsexperten sind der Ansicht, dass es in solchen Fällen gerecht ist, dem<br />

Vertriebspartner eine Entschädigung für den Firmenwert zuzusprechen.<br />

6.3.4 Kartellgesetze<br />

Das Wettbewerbsgesetz kann auf Vertriebsvereinbarungen zutreffen, die eine merkliche<br />

Auswirkung auf den Wettbewerb im niederländischen Markt haben, insbesondere wenn es<br />

sich um ein Alleinvertriebsrecht handelt <strong>und</strong> wenn die Freiheit des Vertriebspartners zum<br />

Verkauf an bestimmte K<strong>und</strong>en oder zur Festlegung des Wiederverkaufspreises eingeschränkt<br />

ist.<br />

Zudem gilt für Vertriebsvereinbarungen, die eine merkliche Auswirkung auf den Handel<br />

zwischen EU-Mitgliedsstaaten haben, möglicherweise Abschnitt 101 des Vertrags über die<br />

Arbeitsweise der Europäischen Union. Abschnitt 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der<br />

Europäischen Union wird von den niederländischen Gerichten direkt angewandt.<br />

Wenn der Marktanteil des Zulieferers am relevanten Markt weniger als 30 % <strong>und</strong><br />

der Marktanteil des Vertriebspartners am Käufermarkt weniger als 30 % beträgt,<br />

kommen viele Wettbewerbsvereinbarungen in den Genuss der Gruppenfreistellung für<br />

vertikale Vereinbarungen <strong>und</strong> sind zulässig. Dies gilt jedoch nicht für sogenannte „harte<br />

Einschränkungen“, wie z. B. das Hochhalten von Preisen <strong>und</strong> den absoluten Gebietsschutz.<br />

90 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


6.4 Franchisen<br />

6.4.1 Definition<br />

Ein Franchisevertrag umfasst i. d. R. die folgenden Elemente:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

Der Besitzer einer Marke oder eines Handelsnamens (Franchisegeber) gestattet<br />

einem anderen (dem Franchisenehmer) den Verkauf des betreffenden Produkts oder<br />

der betreffenden Leistung unter dem betreffenden Namen oder Markenzeichen.<br />

Der Franchisenehmer führt ein Geschäft oder verkauft ein Produkt bzw. eine Leistung<br />

entsprechend den Methoden <strong>und</strong> Verfahren, die vom Franchisegeber vorgeschrieben<br />

sind.<br />

Der Franchisenehmer ist selbständig.<br />

6.4.2 Allgemeines<br />

Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen über diese Vertragsart. Es gilt das allgemeine<br />

Vertragsrecht.<br />

Es gibt keine Formalitäten, aber eine schriftliche Vereinbarung ist zu empfehlen.<br />

Eine umfangreiche Beaufsichtigung durch den Franchisegeber kann zu einem<br />

Beschäftigungsverhältnis führen, für das verpflichtende Bestimmungen gelten.<br />

Alle Elemente sind frei verhandelbar. Die meisten Franchiseverträge sind befristet <strong>und</strong> es<br />

besteht die Möglichkeit einer Verlängerung.<br />

Ein Großteil der Rechtsprechung, bei der Franchisegeber dem Franchisenehmer haftbar<br />

wurde, betrifft die Bereitstellung von falschen oder falsch zusammengestellten Zahlen<br />

<strong>und</strong> Daten vor Abschluss des Vertrags. Eine weitere Haftbarkeitsgr<strong>und</strong>lage aus der<br />

Rechtsprechung ist, wenn der Franchisegeber seine Sorgfaltspflicht dem Franchisenehmer<br />

gegenüber verletzt.<br />

6.4.3 Kartellgesetze<br />

Franchiseverträge, die eine merkliche Auswirkung auf den Handel im niederländischen Markt<br />

haben, fallen unter das Wettbewerbsgesetz.<br />

Franchiseverträge, die eine merkliche Auswirkung auf den Handel zwischen EU-<br />

Mitgliedsstaaten haben, fallen unter Abschnitt 101 des Vertrags über die Arbeitsweise<br />

der Europäischen Union. Diese Bestimmung wird von niederländischen Gerichten direkt<br />

angewandt.<br />

Franchiseverträge, die die Bestimmungen der EU-Gruppenfreistellungsverordnung für<br />

vertikale Vereinbarungen einhalten, sind u. U. sowohl von den niederländischen als auch<br />

von den EU-Wettbewerbsbestimmungen befreit.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

91


7. Rechte an geistigem Eigentum<br />

7.1 Einführung<br />

In diesem Kapitel behandeln wir verschiedene Fragen, die Investoren über den Schutz<br />

ihrer Rechte an geistigem Eigentum haben, darunter Patente, Marken, Urheberrechte <strong>und</strong><br />

der Schutz von Modellen <strong>und</strong> Entwürfen sowie die Vollstreckung von Rechten an geistigem<br />

Eigentum allgemein.<br />

7.2 Patente<br />

7.2.1 Anmeldung<br />

Das Patentgesetz von 1995 (Rijksoctrooiwet 1995) ist mit den Bestimmungen der Europäischen<br />

Patentkonvention (‚EPC‘) <strong>und</strong> dem Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des<br />

Patentwesens (‚PCT‘) harmonisiert <strong>und</strong> enthält die gesetzlichen Bestimmungen über das<br />

exklusive Recht des Erfinders eines neuen Produkts oder Verfahrens. Bei der Anmeldung<br />

eines Patents wird ein reguläres Patent beantragt. Bis 2008 wurde ein kleines Patent<br />

erteilt, wenn der Patentanmelder keine Neuheitsprüfung beim Niederländischen Patentamt<br />

(Octrooicentrum Nederland) beantragte. Seit 2008 erlaubt das Patentgesetz von 1995 keine<br />

Anmeldung von kleinen Patenten mehr. Die Neuheitsprüfung war <strong>und</strong> ist jedoch bei der<br />

Anmeldung eines regulären Patents verpflichtend. Das Ergebnis dieser Prüfung bestimmt<br />

nicht, ob ein Patent erteilt wird. Das Patent wird auch bei einem negativen Ergebnis der Suche<br />

erteilt, wenn der Anmelder dies beantragt. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Patents<br />

wird von den Gerichten bestimmt. Eine interessierte Partei kann beim Niederländischen<br />

Patentamt die Ausstellung eines Ungültigkeitsberichts beantragen, der bei Gerichtsverfahren<br />

als Beweismaterial verwendet werden kann. Der Antragsteller bei Patentverletzungsverfahren<br />

muss dem Gericht einen derartigen Bericht vom Niederländischen Patentamt vorlegen. Für<br />

die Staatsbürgerschaft des Patentanmelders bestehen keine Vorschriften.<br />

7.2.2 Patentierbarkeit<br />

Für die Patentierbarkeit gibt es vier Hauptvoraussetzungen. Zunächst muss eine<br />

Erfindung vorhanden sein. Das Patentgesetz von 1995 definiert nicht, was eine Erfindung<br />

ist, es beschreibt jedoch, was nicht als Erfindung gilt. Eine Entdeckung, Methoden <strong>und</strong><br />

Computerprogramme als solche werden z. B. nicht als Erfindungen betrachtet.<br />

Die zweite Voraussetzung für die Patentierbarkeit ist die Neuheit der Erfindung. Die Definition<br />

der Neuheit ist negativ in dem Sinne, dass alles, was noch nicht als zum Stand der Technik<br />

92 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


gehörend gilt, als neu betrachtet wird. Der Stand der Technik ist generell alles, was vor<br />

dem Tag der Anmeldungseinreichung an jedem beliebigen Ort <strong>und</strong> auf jede beliebige Art<br />

veröffentlicht oder bekannt gemacht wurde.<br />

Damit eine Erfindung patentierbar ist, muss die Erfindung darüber hinaus Ergebnis einer<br />

erfinderischen Tätigkeit sein.<br />

Wenn die Erfindung für einen Experten im betreffenden Feld nicht offensichtlich aus dem<br />

bisherigen Stand der Technik hervorgeht, so gilt die Erfindung als Ergebnis einer erfinderischen<br />

Tätigkeit. Erfinderische Tätigkeit ist ein objektiviertes Kriterium, weil die Erfindung durch Zufall<br />

oder Forschungsarbeit entstanden sein kann.<br />

Schließlich sollte die Erfindung industriell anwendbar sein. Wenn es sich bei der Erfindung<br />

um einen Arbeitsprozess handelt, bedeutet industrielle Anwendbarkeit, dass die Methode<br />

wiederholbar sein muss. Wenn es sich bei der Erfindung um ein Produkt handelt, bedeutet<br />

industrielle Anwendbarkeit, dass das Produkt reproduzierbar sein muss. Abschnitt 83 der<br />

EPC schreibt vor, dass jeder durchschnittliche Experte in der Lage sein sollte, die Erfindung<br />

ohne unzumutbare Belastung anzuwenden. Ob Bemühungen als unzumutbare Belastung<br />

zu werten sind, hängt von der Art der Erfindung ab.<br />

Die industrielle Anwendbarkeit schließt auch die Landwirtschaft mit ein. Pflanzen oder Tiere<br />

können patentiert werden, vorausgesetzt, dass die Anwendbarkeit im technischen Sinne<br />

nicht auf bestimmte Pflanzen- oder Tiersorten beschränkt ist. Mikrobiologische Methoden<br />

<strong>und</strong> Produkte können ebenfalls patentiert werden.<br />

7.2.3 Dauer<br />

Ein reguläres Patent gilt zwanzig Jahre ab dem Anmeldedatum beim Niederländischen<br />

Patentamt. Bei Medikamenten ist eine Verlängerung von fünf Jahren möglich. Ein kleines<br />

Patent gilt sechs Jahre ab dem Anmeldedatum beim Niederländischen Patentamt.<br />

7.2.4 Übertragung, Lizenzierung<br />

Patente können übertragen oder lizenziert werden. Damit die Übertragung oder Lizenzierung<br />

eines Patents Dritten gegenüber gültig ist, ist eine Eintragung im Patentregister erforderlich.<br />

Der Inhaber eines Patents kann, auch im Namen der Lizenznehmer, im Falle einer<br />

Patentverletzung durch Dritte (rechtliche) Maßnahmen ergreifen. Wenn der Inhaber diesem<br />

zustimmt, kann ein Lizenznehmer selbst auf Schadenersatz klagen.<br />

7.2.5 Bestimmungen über Arbeitnehmer<br />

Nach dem Patentgesetz von 1995 ist ein Arbeitgeber zu den Patentrechten an Erfindungen<br />

von Arbeitnehmern berechtigt, die diese im Rahmen des Arbeitsvertrags gemacht haben. Der<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

93


Arbeitnehmer hat Anrecht auf eine gerechte Vergütung, wenn sein Gehalt keine ausreichende<br />

Vergütung für die Erfindung darstellt. Wenn der Arbeitnehmer die Erfindung außerhalb des<br />

Geltungsbereichs seines Arbeitsvertrags gemacht hat, hat der Arbeitgeber keine Patentrechte.<br />

Der Arbeitsvertrag kann eine Bestimmung beinhalten, dass der Arbeitgeber die Patentrechte<br />

an allen Erfindungen des Arbeitnehmers hat, wenn diese im Zusammenhang mit dessen<br />

Beschäftigungsverhältnis gemacht wurden.<br />

7.2.6 Europäische Patentkonvention<br />

Es ist anzumerken, dass die Mehrzahl der Patentanmeldungen in den <strong>Niederlande</strong>n nach<br />

den Bestimmungen der EPC erfolgen. Seit 1977 bietet diese Konvention ein zentrales<br />

Anmeldeverfahren für Europa. Ein nach diesem Verfahren ausgestelltes Patent besteht aus<br />

einem Bündel nationaler Patente, für die jeweils die einzelstaatlichen Gesetze zutreffen.<br />

Wenn ein Dritter erfolgreich gegen eines der einzelstaatlichen Patente vorgeht, wird dieses<br />

in allen Staaten widerrufen. Alle europäischen Patente gelten zwanzig Jahre lang. Kleine<br />

Patente werden nach der EPC nicht ausgestellt.<br />

7.2.7 Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens<br />

Internationale Patente können nach dem PCT ausgestellt werden. Der Antragsteller kann die<br />

Länder bestimmen, in denen ein Patent gewünscht wird. Eine Patentanmeldung nach dem<br />

PCT wird in allen genannten Ländern als inländisches Patent betrachtet. In den <strong>Niederlande</strong>n<br />

gilt eine solche inländische Anmeldung jedoch als Beantragung eines europäischen Patents.<br />

Kleine Patente werden nach dem PCT nicht ausgestellt. Die Anmeldungen in allen genannten<br />

Ländern tragen das Datum, an dem der erste Antrag angenommen wurde.<br />

7.2.8 EG-Vertrag<br />

Die nationale Ausübung von Rechten an geistigem Eigentum verletzt möglicherweise die<br />

Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Warenverkehr. So kann die Ausübung<br />

von Rechten an geistigem Eigentum, insbesondere Patentrechten, z. B. den Missbrauch<br />

einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Abschnitt 86 des EG-Vertrags darstellen.<br />

Darüber hinaus ist die Freiheit zum Abschluss von Verträgen über diese Rechte (z. B.<br />

Lizenzvereinbarungen <strong>und</strong> Vergleiche angeblicher Verstöße) durch die EU-Gr<strong>und</strong>sätze des<br />

freien Wettbewerbs in Abschnitt 85 des EG-Vertrags eingeschränkt.<br />

7.3 Marken<br />

7.3.1 Anmeldung<br />

Der Benelux-Vertrag über geistige Eigentumsrechte (Benelux-verdrag inzake de intellectuele<br />

eigendom oder ‚BTIP‘) bietet Markenschutz für Belgien, die <strong>Niederlande</strong> <strong>und</strong> Luxemburg.<br />

Das Recht an einer Marke für Produkte bzw. Dienstleistungen entsteht durch die Eintragung<br />

der Marke beim Benelux-Amt für Rechte an geistigem Eigentum (Benelux-Bureau voor de<br />

94 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Intellectuele Eigendom: das „Amt“) für Rechte in den Benelux-Ländern. Der BTIP erlegt keine<br />

Beschränkungen für die Staatsanghörigkeit des Antragstellers auf.<br />

Das Antragsverfahren verläuft wie folgt: Der Antragsteller muss ein Antragsformular ausfüllen<br />

<strong>und</strong> dieses beim Amt einreichen. Das Amt veröffentlicht danach den Antrag <strong>und</strong> führt eine<br />

Suche nach bestehenden entsprechenden Anmeldungen durch. Das Benelux-Markenamt<br />

kann die Eintragung unter anderem ablehnen, wenn:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

die Marke nicht der Definition einer Marke entspricht,<br />

die Marke der öffentlichen Ordnung oder Moral entgegensteht,<br />

die Eintragung ein Produkt betrifft, bei dem die Verwendung einer Marke eine<br />

Irreführung der Öffentlichkeit darstellen würde.<br />

Gegen die Verweigerung einer Markeneintragung kann Einspruch eingelegt werden.<br />

Dritte können gegen einen Antrag binnen zwei (2) Monaten nach dem ersten des Monats, der<br />

auf die Veröffentlichung folgt, Widerspruch einlegen. Ein solcher Widerspruch muss entweder<br />

auf der Tatsache basieren, dass die Gegenpartei eine frühere Marke besitzt oder dass die<br />

beantragte Marke zu Verwechslungen mit einer allgemein bekannten Marke der Gegenpartei<br />

führen kann. Wenn der Widerspruchsgr<strong>und</strong> bestätigt wird, wird die Eintragung der beantragten<br />

Marke durch das Amt abgelehnt. Gegen die Verweigerung kann binnen zwei (2) Monaten<br />

nach der Entscheidung des BOIP über den Widerspruch Einspruch erhoben werden.<br />

7.3.2 Schutz für Modelle <strong>und</strong> Entwürfe<br />

Alle Benennungen, Zeichnungen, Drucke, Stempel, Schriftarten, Figuren, Produktformen<br />

oder Verpackungen <strong>und</strong> alle anderen Zeichen, die grafisch dargestellt werden <strong>und</strong> Produkte<br />

<strong>und</strong> Dienstleistungen kennzeichnen können, können als Marken verwendet werden. Auch<br />

ein Nachname kann als Marke verwendet werden.<br />

Ein Recht auf eine Marke entsteht trotz Eintragung unter anderem dann nicht, wenn:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

(v)<br />

(vi)<br />

die Marke der öffentlichen Ordnung oder Moral entgegensteht,<br />

die Marke eine Fahne oder ein Wappen beinhaltet,<br />

die Marke ein Produkt betrifft, bei dem die Verwendung einer Marke eine Irreführung<br />

der Öffentlichkeit darstellen würde,<br />

die Marke einer Kollektivmarke für ähnliche Produkte ähnelt, die vor nicht mehr als<br />

drei Jahren abgelaufen ist,<br />

die Marke einer eingetragenen Marke für ähnliche Produkte ähnelt, die vor nicht mehr<br />

als zwei Jahren abgelaufen ist,<br />

die Marke zu Verwechslungen mit einer allgemein bekannten Marke führen kann,<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

95


(vii)<br />

(viii)<br />

die Eintragung in bösem Glauben erfolgt ist,<br />

die Marke sich auf Weine <strong>und</strong>/oder Spirituosen bezieht <strong>und</strong> eine geografische Angabe<br />

enthält, obwohl das Produkt aus einer anderen Region stammt.<br />

7.3.3 Außerkraftsetzung <strong>und</strong> Ablauf<br />

Interessierte Parteien, auch Staatsanwälte, können die Außerkraftsetzung einer Marke<br />

beantragen, wenn u. a.:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

(v)<br />

die Marke nicht die Anforderungen einer Marke erfüllt,<br />

die Marke keine Unterscheidungskraft hat,<br />

die Marke zum allgemeinen Namen von Waren geworden ist,<br />

die Marke nur aus Worten besteht, die zur Gemeinsprache geworden sind,<br />

jedwede der oben genannten Gründ unter (i) bis einschließlich (viii) zutreffen, aus<br />

denen keine Marke erteilt wird.<br />

Der Markenschutz endet in den folgenden Fällen:<br />

(i)<br />

Freiwillige Löschung oder Ablauf der Gültigkeitsdauer<br />

sowie bei Antrag hierauf, wenn:<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

die Marke über einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren ab Eintragungsdatum<br />

nicht genutzt wurde,<br />

die Marke zum allgemeinen Namen von Waren geworden ist,<br />

die Marke in Bezug auf die Art, Qualität oder den geografischen Ursprung des<br />

Produkts irreführend ist.<br />

7.3.4 Dauer<br />

Die Eintragung einer Marke gilt zehn Jahre lang <strong>und</strong> kann alle zehn Jahre verlängert werden,<br />

vorausgesetzt, dass der Verlängerungsantrag sechs Monate vor Ablaufdatum gestellt wird.<br />

7.3.5 Übertragung, Lizenzierung<br />

Marken können übertragen oder lizenziert werden, egal ob dabei das Unternehmen<br />

des Markeninhabers oder ein Teil davon übertragen wird. Die Übertragung ist ungültig,<br />

wenn sie nicht schriftlich erfolgt oder wenn sie nicht das gesamte Benelux-Gebiet betrifft.<br />

Markenlizenzen müssen nicht schriftlich erteilt werden. Damit eine Lizenz oder Übertragung<br />

Dritten gegenüber wirksam wird, muss die Lizenz oder die Übertragungsurk<strong>und</strong>e beim Amt<br />

eingetragen werden. Letzteres gilt auch bei Beschlagnahme <strong>und</strong>/oder Verpfändung der<br />

Marke.<br />

96 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Der Markeninhaber kann seine Markenrechte gegen einen Lizenznehmer geltend machen,<br />

der gegen die Bedingungen der Lizenzvereinbarung in Bezug auf die Vertragsdauer, die<br />

Warenarten, für die die Lizenz erteilt wurde, die Qualität dieser Produkte <strong>und</strong> die Form sowie<br />

das Gebiet, in dem die Marke verwendet wird, verstößt.<br />

Bei Markenverletzungen kann ein Lizenznehmer gemeinsam mit dem Inhaber der Marke<br />

Schadenersatz für Verluste fordern. Ein Lizenznehmer kann nur dann unabhängig von einem<br />

vom Markeninhaber eingeleiteten Verfahren Schadenersatz fordern, wenn der Markeninhaber<br />

dem Lizenznehmer dieses Recht gewährt hat.<br />

7.3.6 Kollektivmarken<br />

Ein separater Abschnitt des BTIP beschäftigt sich mit Kollektivmarken. Kollektivmarken<br />

dienen zur Kennzeichnung gemeinsamer Merkmale der Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

unterschiedlicher Unternehmen, die die Marke unter Aufsicht des „Inhabers“ der Marke<br />

verwenden. Ein bekanntes Beispiel für eine Kollektivmarke ist das Zeichen „Reine<br />

Schurwolle“. Der „Inhaber“ der Kollektivmarke ist in der Regel ein Unternehmensverband<br />

in einer bestimmten Branche. Der „Inhaber“ kann die Kollektivmarke nicht für Produkte <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen benutzen, die aus seinen eigenen Betrieben stammen.<br />

Die Nutzung einer Kollektivmarke unterliegt einer Anzahl von Bestimmungen, die vom<br />

„Inhaber“ der Kollektivmarke festgelegt werden. Diese Bestimmungen <strong>und</strong> Änderungen<br />

daran müssen beim Amt eingereicht werden.<br />

Nur der „Inhaber“ der Kollektivmarke kann Verfahren anstrengen. Diesem Verfahren können<br />

neben dem „Inhaber“ auch die Nutzer der Kollektivmarke beitreten.<br />

7.3.7 Gemeinschaftsmarken<br />

Eine einzige EU-Markeneintragung kann vorgenommen werden, indem diese beim HABM<br />

(Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt) beantragt wird. Dritte können Einspruch gegen<br />

diese Eintragung erheben, z. B. aufgr<strong>und</strong> einer Marke in einem Einzelstaat. Wenn die<br />

Drittpartei mit dem Einspruch Erfolg hat, so wird die EU-Marke für die gesamte EU verweigert,<br />

weil es sich um eine Einzeleintragung handelt.<br />

Die EU-Markeneintragung gilt zehn Jahre lang <strong>und</strong> kann alle zehn Jahre verlängert werden.<br />

Jeder, der zu einer einzelstaatlichen Eintragung berechtigt ist, hat nach der einzelstaatlichen<br />

Eintragung sechs Monate lang ein Vorzugsrecht für die EU-Eintragung.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

97


7.4 Urheberrecht<br />

7.4.1 Weder Eintragung noch formale Anforderungen<br />

Das Niederländische Urheberrechtsgesetz (Auteurswet oder ‚CA‘) basiert auf dem Berner<br />

Übereinkommen. Es gibt keine formalen Voraussetzungen, z. B. Registrierung, Hinterlegung,<br />

Benachrichtigung oder sonstige Formalitäten, um ein Urheberrecht in den <strong>Niederlande</strong>n zu<br />

erlangen oder aufrechtzuerhalten.<br />

7.4.2 Schutz für Modelle <strong>und</strong> Entwürfe<br />

Das CA gewährt dem Verfasser von literarischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen<br />

Werken ein ausschließliches Recht, das Werk der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen<br />

<strong>und</strong> zu reproduzieren <strong>und</strong> deshalb eine unbefugte Veröffentlichung oder Reproduktion durch<br />

Dritte zu verhindern. Das Urheberrecht entsteht durch das Bestehen des Werks in einer<br />

Form, die vom menschlichen Auge oder Ohr wahrgenommen werden kann. Der Inhalt von<br />

Ankündigungen, z. B. historische Tatsachen, Nachrichten oder geografische Tatsachen, ist<br />

nicht geschützt <strong>und</strong> kann uneingeschränkt verwendet werden. Eine Idee an sich kann nicht<br />

geschützt werden, wenn sie nicht in Form eines Werks vorliegt.<br />

Das Gesetz enthält eine unvollständige Liste mit Beispielen von Werken, die urheberrechtlich<br />

geschützt werden können. Einige Beispiele hierfür sind Bücher, Broschüren, Zeitungen,<br />

Theater-, choreografische <strong>und</strong> musikalische Werke, topografische Karten, Gemälde,<br />

Skulpturen <strong>und</strong> Computerprogramme.<br />

Das Werk muss die Voraussetzung der Originalität erfüllen. Es muss keinen literarischen,<br />

wissenschaftlichen oder künstlerischen Wert haben. In dieser Hinsicht seien die folgenden<br />

urheberrechtlich schutzfähigen Werke erwähnt: Werbung, Puzzles, Verzeichnisse <strong>und</strong><br />

Flugblätter. Eine weitere Voraussetzung ist, dass das Werk veröffentlicht wird oder zur<br />

Bereitstellung an die Öffentlichkeit beabsichtigt ist. Das Verfassungsgericht der <strong>Niederlande</strong><br />

hat entschieden, dass ein Werk dann original ist, wenn es einen eigenen originalen Charakter<br />

(‚een eigen, oorspronkelijk, karakter) hat <strong>und</strong> das persönliche Zeichen des Verfassers<br />

(‚persoonlijk stempel van de maker) trägt. Buchtitel u. ä. können unter das Urheberrecht<br />

fallen, sie müssen jedoch ein gewisses Maß an Originalität aufweisen. Slogans sind<br />

manchmal durch Rechtsprechung geschützt. Computerprogramme <strong>und</strong> Bearbeitungen,<br />

wie Übersetzungen, Dramatisierungen für Bühne oder Film <strong>und</strong> musikalische Arrangements<br />

sowie Werkesammlungen wie Enzyklopädien sind geschützt.<br />

7.4.3 Dauer<br />

Das Urheberrecht beginnt mit der Schaffung des literarischen, wissenschaftlichen oder<br />

künstlerischen Werks. Der Urheberrechtschutz gilt bis 70 Jahre nach dem 1. Januar des<br />

98 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Jahres nach dem Tod des Urhebers. Das Werk eines ausländischen Urhebers, der nicht in<br />

einem Mitgliedsstaat der EU oder des EWR lebt, das nach dem Berner Übereinkommen <strong>und</strong><br />

nicht direkt auf Basis des CA geschützt ist, ist in den <strong>Niederlande</strong>n nicht geschützt, wenn<br />

das Urheberrecht im Ursprungsland abgelaufen ist.<br />

7.4.4 Übertragung, Lizenzierung<br />

Die Übertragung muss schriftlich erfolgen. Die Übertragung darf nicht das ‚droit moral‘ des<br />

Urhebers berühren, d. h. das Recht, als Urheber benannt zu werden, <strong>und</strong> das Recht, sich<br />

einer Änderung oder Verzerrung des Werks zu widersetzen, die seinen Ruf schädigen könnte.<br />

Lizenzen können schriftlich gewährt werden, dies ist jedoch nicht erforderlich.<br />

7.4.5 Bestimmungen über Arbeitnehmer<br />

Wenn nicht anderweitig vereinbart, gilt der Arbeitgeber/Auftraggeber als Urheber des Werks,<br />

wenn die Beschäftigung darin besteht, literarische, wissenschaftliche oder künstlerische<br />

Werke zu erstellen.<br />

7.4.6 Verschiedenes<br />

Es ist untersagt, in Bezug auf das Urheberrecht an musikalischen Werken als Vermittler<br />

aufzutreten, wenn hierzu keine Genehmigung des Justizministers erfolgt ist. Diese<br />

Genehmigung kann nur an die Gesellschaft für musikalische Urheberrechte (Bureau voor<br />

muziekauteursrechten oder ‚BUMA‘) erteilt werden, die die Mehrzahl der Urheber von<br />

musikalischen Werken in den <strong>Niederlande</strong>n vertritt.<br />

Das CA erlaubt ein Wiederverkaufsrecht (‚droit de suite) des Künstlers bzw. seiner Erben,<br />

das für jeden Verkauf eines Werks gilt, an dem ein Fachhändler beteiligt ist. Nach diesem<br />

Recht haben der Künstler bzw. seine Erben Anspruch auf Bezahlung eines bestimmten<br />

Prozentsatzes des Kaufpreises. Es gilt ein degressiver Satz mit einer Höchstzahlung von<br />

12.500 € <strong>und</strong> das Wiederverkaufsrecht gilt nur für Kaufpreise über 3.000 € (im Jahr 2010).<br />

7.5 Schutz für Modelle <strong>und</strong> Entwürfe<br />

7.5.1 Anmeldung<br />

Der Benelux-Vertrag über Rechte an geistigem Eigentum (Benelux-verdrag inzake de<br />

intellectuele eigendom) („BTIP“) schützt das Aussehen von Produkten. Das exklusive<br />

Recht an einem Entwurf oder Modell entsteht bei der erstmaligen Registrierung dessen<br />

beim Benelux-Amt für Rechte an geistigem Eigentum (Benelux-Bureau voor de Intellectuele<br />

Eigendom: das ‚Amt‘) für Rechte in den Benelux-Ländern. Wenn der Antrag alle formalen<br />

Anforderungen erfüllt, wird dem Antrag ohne weitere Prüfung stattgegeben.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

99


7.5.2 Schutz für Modelle <strong>und</strong> Entwürfe<br />

Wie oben erwähnt, ist das Aussehen von Produkten oder Produktteilen geschützt. Originalität<br />

ist nicht erforderlich, aber der Entwurf oder das Modell muss neu sein <strong>und</strong> einen individuellen<br />

Charakter haben.<br />

Ein Entwurf oder Modell gilt als neu, wenn der Öffentlichkeit zum Antragszeitpunkt bzw.,<br />

wenn Priorität geltend gemacht wird, zum Prioritätsdatum, kein identisches Modell oder kein<br />

identischer Entwurf zur Verfügung stand. Entwürfe oder Modelle gelten als identisch, wenn<br />

ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzelheiten voneinander abweichen.<br />

Ein Entwurf oder Modell gilt als einen individuellen Charakter besitzend, wenn der<br />

Gesamteindruck, den er/es auf einen sachk<strong>und</strong>igen Benutzer macht, sich von dem<br />

Gesamteindruck unterscheidet, den dieser Benutzer von einem Entwurf oder Modell hat,<br />

der oder das bis zum Antragsdatum bzw., wenn Priorität geltend gemacht wird, bis zum<br />

Prioritätsdatum, zur Verfügung gestellt wurde.<br />

Das Aussehen eines Produkts, das ausschließlich von einer technischen Funktion bestimmt<br />

wird, ist vom Schutz als Entwurf oder Modell ausgeschlossen. Oft kann bei dieser Art<br />

Aussehen ein Urheberrecht geltend gemacht werden. Auch können keine Rechte auf Modelle<br />

oder Entwürfe im Zusammenhang mit Teilen eingetragen werden, die zur mechanischen<br />

Verbindung mit einem anderen Gegenstand dienen, damit beide Produkte ihre Funktion<br />

ausüben können.<br />

7.5.3 Außerkraftsetzung <strong>und</strong> Ablauf<br />

Das Recht an einem Modell oder Entwurf erlischt bei freiwilliger Löschung oder Ablauf der<br />

Gültigkeitsdauer.<br />

Wenn mindestens eine der Voraussetzungen unter 7.5.2 oben nicht erfüllt ist, können<br />

interessierte Parteien, darunter auch Staatsanwälte, die Ungültigkeit der Eintragung geltend<br />

machen. Die Ungültigkeit kann unter anderem auch dann geltend gemacht werden, wenn:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

(v)<br />

(vi)<br />

der Entwurf oder das Modell ausschließlich einer technischen Funktion dient,<br />

der Entwurf oder das Modell der öffentlichen Ordnung oder Moral entgegensteht,<br />

der Entwurf oder das Modell einem Entwurf oder Modell widerspricht, das zuvor<br />

eingetragen wurde,<br />

der Entwurf oder das Modell eine ältere Marke enthält, die ohne Zustimmung des<br />

Markeninhabers verwendet wird,<br />

der Entwurf oder das Modell Werke beinhaltet, die durch ein älteres Urheberrecht<br />

geschützt sind <strong>und</strong> ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers verwendet werden,<br />

der Entwurf oder das Modell eine Fahne oder ein Wappen beinhaltet,<br />

100 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


(vii)<br />

die unterscheidenden Merkmale des Entwurfs oder Modells aus der Anmeldung nicht<br />

ausreichend hervorgehen.<br />

Darüber hinaus kann die Ungültigkeit geltend gemacht werden, wenn der Entwurf oder das<br />

Modell nicht vom tatsächlichen oder fiktiven Designer angemeldet wurde.<br />

7.5.4 Dauer<br />

Der Schutz nach dem BTIP gilt fünf Jahre lang <strong>und</strong> kann viermal hintereinander um jeweils<br />

fünf Jahre verlängert werden. Die maximale Schutzfrist beträgt demnach 25 Jahre.<br />

7.5.5 Übertragung, Lizenzierung<br />

Das Recht an einem Entwurf kann übertragen oder lizenziert werden, egal ob dabei das<br />

Unternehmen des Inhabers oder ein Teil davon übertragen wird. Die Übertragung ist ungültig,<br />

wenn sie nicht schriftlich erfolgt oder wenn sie nicht das gesamte Benelux-Gebiet betrifft.<br />

Lizenzen können schriftlich gewährt werden, dies ist jedoch nicht erforderlich.<br />

Damit eine Lizenz oder Übertragung Dritten gegenüber wirksam wird, muss jedoch die Lizenz<br />

bzw. Übertragungsurk<strong>und</strong>e beim Amt eingetragen werden. Letzteres gilt auch im Falle einer<br />

Beschlagnahme oder Verpfändung eines Entwurfs oder Modells.<br />

7.5.6 Bestimmungen über Arbeitnehmer<br />

Wenn nicht anders vereinbart, gilt der Arbeitgeber als Erschaffer des Entwurfs oder Modells,<br />

wenn diese im Rahmen der Beschäftigung geschaffen werden.<br />

7.5.7 Urheberrecht<br />

Ein Entwurf oder Modell kann auch urheberrechtlich geschützt werden, wenn er oder es die<br />

im Urheberrechtsgesetz genannten Voraussetzungen (Abschnitt 7.4 oben) erfüllt.<br />

7.5.8 Gemeinschaftsentwürfe<br />

Ein Entwurf oder Modell kann als „nicht eingetragener Gemeinschaftsentwurf“ oder als<br />

„eingetragener Gemeinschaftsentwurf“ geschützt sein. Wie nach dem BTIP muss der<br />

Entwurf oder das Modell neu sein <strong>und</strong> einen individuellen Charakter besitzen, um als<br />

Gemeinschaftsentwurf geschützt werden zu können. Ein Gemeinschaftsentwurf bietet einen<br />

EU-weiten Schutz.<br />

Ein Entwurf oder Modell ist als „nicht eingetragener Gemeinschaftsentwurf“ geschützt, wenn<br />

er oder es der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde. Dies ist der Fall, wenn der Entwurf<br />

oder das Modell veröffentlicht, ausgestellt, im Handel verwendet oder auf andere Weise<br />

offengelegt wurde. Der „nicht eingetragene“ Schutz gilt drei Jahre ab dem Datum, an dem<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

101


der Entwurf oder das Modell innerhalb der EU erstmals bekannt gemacht wurde. Der Schutz<br />

stellt nur ein Recht zur Verhinderung des Kopierens dar.<br />

Die Eintragung eines Gemeinschaftsentwurfs erfolgt beim HABM (Harmonisierungsamt für den<br />

Binnenmarkt) Die Eintragung ist fünf Jahre lang gültig <strong>und</strong> kann viermal hintereinander jeweils<br />

für fünf Jahre verlängert werden. Der Inhaber eines eingetragenen Gemeinschaftsentwurfs hat<br />

das exklusive Nutzungsrecht <strong>und</strong> das Recht, anderen die Nutzung ohne seine Zustimmung<br />

zu untersagen.<br />

Ein Gemeinschaftsentwurf kann auch (kumulativ) urheberrechtlich geschützt sein.<br />

7.6 Durchsetzung von Rechten an geistigem Eigentum<br />

Die nach niederländischem Recht mögliche Durchsetzung von Rechten an geistigem Eigentum<br />

ist in den spezifischen Bestimmungen über die jeweiligen diesbezüglichen Rechte sowie in der<br />

Niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering) <strong>und</strong> dem<br />

Niederländischen Strafgesetzbuch (Wetboek van Strafrecht) niedergelegt. Die Möglichkeiten<br />

zum Vorgehen gegen Fälschung <strong>und</strong> anderweitige Verletzungen von Rechten an geistigem<br />

Eigentum wurden jedoch oft als ungenügend gewertet.<br />

Am 29. April 2004 wurde die Richtlinie 2004/48/EG über die Durchsetzung von Rechten an<br />

geistigem Eigentum erlassen (die „Durchsetzungsrichtlinie“). Die Durchsetzungsrichtlinie<br />

bezweckt die Harmonisierung des zivilen Vorgehens gegen die Verletzung von Rechten<br />

an geistigem Eigentum <strong>und</strong> betrifft keine Strafhandlungen <strong>und</strong> keine Strafverfolgung. Die<br />

Durchsetzungsrichtlinie gilt für jegliche Verletzung diesbezüglicher Rechte, nicht nur die<br />

Verletzung in kommerzieller Größenordnung. Alle oben genannten Rechte an geistigem<br />

Eigentum fallen in den Geltungsbereich der Durchsetzungsrichtlinie, wie auch der Schutz<br />

von Datenbanken, Halbleitertopografien, geografische Bezeichnungen, die Rechte von<br />

Pflanzenzüchtern <strong>und</strong> benachbarte Rechte.<br />

Die Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie im niederländischen Recht trat am 1. Mai 2007 in<br />

Kraft <strong>und</strong> erforderte die Änderung <strong>und</strong> Ergänzung der Niederländischen Zivilprozessordnung<br />

sowie spezifischer Bestimmungen über Rechte an geistigem Eigentum. Hier die wichtigsten<br />

Änderungen zugunsten der Inhaber von Rechten an geistigem Eigentum durch die Umsetzung<br />

der Durchsetzungsrichtlinie:<br />

- erweiterte Möglichkeiten zum Einholen von Informationen <strong>und</strong> Beweisen (Waren <strong>und</strong><br />

Dokumente) im Zusammenhang mit Verstößen.<br />

- erweiterte Möglichkeiten des Verfügungsverbots über Beweise (‚bewijsbeslag‘), solange<br />

die Geheimhaltung vertraulicher Informationen, wie z. B. von Geschäftsgeheimnissen,<br />

gewährleistet ist.<br />

102 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


- Verfahren für eine einstweilige Verfügung ex parte, d. h., dass in dringenden Fällen<br />

eine einstweilige Verfügung möglich ist, ohne dass der (angebliche) Rechtsverletzer<br />

vor Gericht angehört werden muss. Die Gewährung eines Verfügungsverbots zum<br />

Schutz der Beweise ist in dringenden Fällen ebenfalls ex parte möglich.<br />

- An Stelle der Pauschalerstattung der Verfahrenskosten kann die obsiegende<br />

Partei die Erstattung aller entstandenen Verfahrenskosten fordern, einschließlich<br />

Rechtsanwaltskosten <strong>und</strong> Kosten für Sachverständige. Diese Erstattung muss von<br />

der Gegenpartei gezahlt werden. Hier ist zu beachten, dass dies auch der Inhaber<br />

des Rechts an geistigem Eigentum sein kann, wenn das Gericht entscheidet, dass<br />

dessen Rechte nicht verletzt wurden. Das Gericht hat jedoch das Recht, die von der<br />

obsiegenden Partei verlangte Kostenerstattung zu verringern.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

103


8. Raumplanung <strong>und</strong> Umwelt<br />

8.1 Einführung<br />

Dieses Kapital erläutert wichtige rechtliche Aspekte der Raumplanungs- <strong>und</strong> Umweltvorschriften<br />

beim Bau oder Umbau von Industriegebäuden in den <strong>Niederlande</strong>n. Eine umfassende<br />

Darstellung ist aufgr<strong>und</strong> der zahlreichen geltenden niederländischen Gesetze, Verordnungen,<br />

Vorschriften, Regeln <strong>und</strong> Richtlinien sowie europäischen Richtlinien hier nicht möglich.<br />

Die Raumplanungs- <strong>und</strong> Umweltgesetze sind eng miteinander verb<strong>und</strong>en, was auch<br />

richtig ist, insbesondere in einem so dicht besiedelten Land wie den <strong>Niederlande</strong>n. Die<br />

möglichen Umweltauswirkungen von Industriebauten auf die (sensible) Umwelt werden bei<br />

Bebauungsplänen, bei denen Flächen für industrielle Zwecke bestimmt werden, <strong>und</strong> bei der<br />

Ausstellung von Umweltgenehmigungen für den Bau <strong>und</strong> Betrieb industrieller Einrichtungen<br />

berücksichtigt. In dieser Hinsicht sind Aspekte wie die industrielle Lärmbelastung<br />

(einschließlich des Lärms durch Verkehr zu <strong>und</strong> aus dem Industriegebiet), externe Risiken<br />

<strong>und</strong> Geruchsbelästigung äußerst wichtig.<br />

8.1.1 Gesetzesrahmen<br />

Den allgemeinen gesetzlichen Rahmen für die Raumplanung bildet das Raumplanungsgesetz<br />

(Wet ruimtelijke ordening) (‚SPA‘).<br />

Alle Genehmigungsanforderungen (einschließlich Ausnahmen zum Bebauungsplan) werden<br />

seit Oktober 2010 durch das Umweltgenehmigungsgesetz (allgemeine Bestimmungen)<br />

(Wet algemene bepalingen omgevingsrecht) (‚GPA‘) geregelt. Zuvor mussten<br />

Unternehmen, die Industriegebäude errichten oder umbauen wollten, viele unterschiedliche<br />

Genehmigungen <strong>und</strong> Ausnahmen einholen. Das neue GPA ersetzt diese verschiedenen<br />

Genehmigungen <strong>und</strong> Ausnahmen durch eine einzige Genehmigung, die Umweltgenehmigung<br />

(omgevingsvergunning). Das GPA ändert nichts am Schutz der betroffenen Interessen, weil<br />

das GPA dieselben Gutachtenkriterien <strong>und</strong> Vorschriften enthält, die zuvor in verschiedenen<br />

(Umwelt-) Gesetzen, z. B. im SPA, enthalten waren.<br />

8.1.2 EU-Gesetze<br />

In Bezug auf die Raumplanung hat das EU-Recht an Bedeutung gewonnen. So haben<br />

beispielsweise europäische Naturschutzgesetze, wie die Europäischen Vogel- <strong>und</strong><br />

Lebensraumrichtlinien, einen direkten Einfluss auf die Raumplanung, wenn Projekte in oder<br />

in der Nähe von sogenannten Natura 2000-Gebieten angesiedelt werden (sollen), die dank<br />

104 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


dieser Richtlinien geschaffen wurden. Diese Richtlinien, die mit dem Naturschutzgesetz von<br />

1998 <strong>und</strong> dem Flora- <strong>und</strong> Faunagesetz implementiert wurden, müssen bei der Erteilung von<br />

Umweltgenehmigungen ebenfalls berücksichtigt werden.<br />

Außerdem sind europäische Richtlinien über Grenzwerte für bestimmte Stoffe in der Luft zu<br />

wichtigen Faktoren für (die Rechtsprechung in Bezug auf) die Verabschiedung <strong>und</strong> Änderung<br />

von Bebauungsplänen geworden.<br />

Einzelstaatliche Umweltgesetze werden ebenfalls stark vom EU-Recht beeinflusst. Beispiele<br />

hierfür sind Gesetze über die Abfallentsorgung, einschließlich grenzüberschreitender<br />

Mülltransporte, der Integrierten Vermeidung <strong>und</strong> Vermindung der Umweltverschmutzung<br />

(„IPPC“) <strong>und</strong> des Umgangs mit Gefahrenstoffen. Die Europäische Union strebt gleiche<br />

Bedingungen in ganz Europa an, insbesondere in den Bereichen Müll <strong>und</strong> Handel<br />

mit Sek<strong>und</strong>ärrohstoffen. Der Emissionshandel wurde in den <strong>Niederlande</strong>n direkt<br />

infolge der europäischen Richtlinie zur Schaffung eines Systems für den Handel mit<br />

Treibhausgasemissionen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft implementiert.<br />

8.1.3 Gesetzliche Trends<br />

Die Raumplanungs- <strong>und</strong> Umweltgesetze ändern sich ständig. Diese Änderungen fußen<br />

nicht nur auf Entwicklungen im europäischen Recht, sondern auch auf Ereignissen im<br />

Land selbst. So wuchs z. B. das Interesse niederländischer Politiker am Brandschutz <strong>und</strong><br />

externen Sicherheitsaspekten, nachdem es vor einigen Jahren zu größeren tödlichen Bränden<br />

<strong>und</strong> Explosionen gekommen war. Diese Entwicklungen führen zu mehr Gesetzes- <strong>und</strong><br />

Vollstreckungsinitiativen.<br />

8.1.4 PRTR-Bericht<br />

Industrielle Einrichtungen in den <strong>Niederlande</strong>n, die einen maßgeblichen Umwelteinfluss<br />

haben können, sind gesetzlich verpflichtet, jährlich einen Bericht über den Ausstoß von<br />

Umweltschadstoffen (Pollutant Release Transfer Register, PRTR) anzufertigen. Dies<br />

gilt für industrielle Einrichtungen, die gewisse Schwellenwertkriterien erfüllen, die in den<br />

sogenannten Schadstoffemissionsregister-Bestimmungen (166/2005) angegeben sind. Diese<br />

Einrichtungen müssen der zuständigen Behörde die dort entstehenden Abfälle, den Energie<strong>und</strong><br />

Wasserverbrauch sowie die an die Luft, das Wasser <strong>und</strong> in den Boden abgegebenen<br />

Schadstoffe melden. Die Einrichtung selbst hat festzustellen, ob sie zur Anfertigung eines<br />

Schadstoffemissionsregister-Berichts verpflichtet ist.<br />

8.1.5 Bestimmte Umweltaspekte<br />

Das mögliche Vorhandensein von Boden- oder Gr<strong>und</strong>wasserverschmutzung, Asbest oder<br />

ozonzerstörenden Chemikalien in Gebäuden <strong>und</strong> Installationen erfordert schon immer<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

105


esondere Aufmerksamkeit beim Kauf bestehender Immobilien <strong>und</strong> für Industrieunternehmen.<br />

Dies wird sich in den kommenden Jahren mit Sicherheit nicht ändern.<br />

Weiter unten beschreiben wir allgemein das Verfahren zum Einholen von<br />

Umweltgenehmigungen <strong>und</strong> auch kurz den gesetzlichen Rahmen in Holland im Bezug auf<br />

die Boden- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wasserverschmutzung sowie die Beseitigung von Asbest<br />

8.2 Umweltgenehmigungen <strong>und</strong> Bebauungspläne<br />

8.2.1 Allgemeines<br />

Bebauungspläne stellen die unterste Ebene der Raumgestaltungsbestimmungen <strong>und</strong><br />

-vorschriften dar <strong>und</strong> enthalten verbindliche Vorgaben über den Naturschutz <strong>und</strong> die<br />

Anordnung von Gebäuden <strong>und</strong> Aktivitäten im betreffenden Gebiet. Hier können u. a. maximale<br />

Gr<strong>und</strong>stückabmessungen <strong>und</strong> Umweltzonenbestimmungen vorgegeben sein.<br />

Wenn bestimmte Vorgaben des Bebauungsplans nicht eingehalten werden können, können<br />

spezielle Freistellungen gewährt werden. Das GPA enthält die Verbote <strong>und</strong> Prüfungskriterien in<br />

Bezug auf diese Entscheidungen. Diese werden zusammen mit anderen Zustimmungen zum<br />

Bau oder Umbau einer industriellen Einrichtung in die Umweltgenehmigung aufgenommen.<br />

8.2.2 Umweltgenehmigungsverfahren<br />

Kurz gefasst sieht das GPA die folgenden Genehmigungen <strong>und</strong> Freistellungen vor:<br />

- Baugenehmigungen<br />

- Ausnahmegenehmigung in Bezug auf Bebauungspläne<br />

- Brandsicherheitsgenehmigungen<br />

- Umweltgenehmigungen <strong>und</strong> Mitteilungen nach dem Umweltschutzgesetz (Wet<br />

milieubeheer).<br />

- Genehmigungen zum Umbau oder Abriss von Gebäuden unter Denkmalschutz nach<br />

dem Gesetz über Denkmäler <strong>und</strong> historische Bauten von 1998.<br />

Weitere, nach Landes- <strong>und</strong> städtischen Verordnungen erforderliche Genehmigungen sind<br />

hier ebenfalls berücksichtigt, z. B.:<br />

- Abrissgenehmigungen<br />

- Abholzungsgenehmigungen <strong>und</strong><br />

- Genehmigungen zur Nutzung oder Änderung von Straßenzufahrten.<br />

Zuständige Behörde <strong>und</strong> Antrag<br />

In den meisten Fällen ist die Kommunalregierung an dem Ort zuständig, an dem die<br />

(industrielle) Einrichtung errichtet werden soll. Zu dieser generellen Regel gibt es eine Anzahl<br />

von Ausnahmen, wenn aufgr<strong>und</strong> von Landes- oder Staatsinteressen die Landesregierung<br />

106 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


oder ein Ministerium zuständig ist. Darüber hinaus kann das Ministerium für Wohnungsbau,<br />

Raumplanung <strong>und</strong> Umwelt (VROM-Ministerium) per Regierungsanordnung für zuständig<br />

erklärt werden. Wenn ein Verwaltungsorgan für zuständig erklärt wird, ist dieses Organ<br />

auch für die administrative Durchsetzung der Umweltgenehmigung sowie für die<br />

Nachfolgegenehmigungen für das Projekt zuständig.<br />

Der Antragsteller entscheidet, für welche konkreten Aktivitäten ein Antrag gestellt werden soll.<br />

Der Antragsteller kann das Projekt teilen <strong>und</strong> für jeden Teil eine separate Umweltgenehmigung<br />

beantragen. Bei dieser „geteilten“ Genehmigung handelt es sich um eine reguläre<br />

Umweltgenehmigung, außer dass sie jeweils nur einen bestimmten Teil des Projekts betrifft.<br />

Dies ist nur dann möglich, wenn der Teil vom (größeren) Projekt getrennt behandelt werden<br />

kann. Aktivitäten, die fester Bestandteil anderer Aktivitäten sind, können nicht abgetrennt<br />

werden.<br />

Es kann auch eine phasenweise Umweltgenehmigung beantragt werden. In diesem Fall muss<br />

zunächst eine Entscheidung der zuständigen Behörde über eine oder mehrere Aktivitäten<br />

des Projekts eingeholt werden. Für den Antragsteller ist es von Vorteil zu wissen, ob er die<br />

Einrichtung unter Umweltgesichtspunkten an einem bestimmten Ort errichten darf, bevor er<br />

einen detaillierten Bauplan entwerfen lässt. Solche Projekte umfassen zwei Phasen mit einer<br />

Entscheidung der ersten <strong>und</strong> einer Entscheidung der zweiten Phase. Zusammen bilden die<br />

beiden Entscheidungen die Umweltgenehmigung.<br />

Prüfungskriterien<br />

Wie oben erklärt, enthält das GPA dieselben Prüfungskriterien wie die verschiedenen<br />

früheren Gesetze <strong>und</strong> Bestimmungen. Die meisten Prüfungskriterien wurden im GPA<br />

implementiert. Das bedeutet, dass Bauprojekte nach dem Baubeschluss (Bouwbesluit), der<br />

Bauverordnung (Bouwverordening), dem Bebauungsplan <strong>und</strong> angemessenen Normen für<br />

die externe Nutzung bewertet werden müssen. Eine Ausnahme vom Bebauungsplan ist nur<br />

möglich, wenn eine begründete raumplanerische Rechtfertigung für das Projekt (een goede<br />

ruimtelijke ordening) vorliegt. In dieser Rechtfertigung muss die Beziehung zwischen dem<br />

Bebauungsplan <strong>und</strong> dem bestehenden Bebauungsplan erörtert werden oder belegt werden,<br />

warum das Projekt mit der zukünftigen Designierung des betroffenen Gebiets im Einklang<br />

steht. Für die Errichtung/den Betrieb einer industriellen Einrichtung ist eine Zustimmung per<br />

Umweltschutzgesetz erforderlich. Die Prüfungskriterien sind teilweise im GPA <strong>und</strong> teilweise im<br />

Umweltschutzgesetz zu finden. Umweltgenehmigungen für industrielle Einrichtungen können<br />

Bedingungen über den Schadstoffausstoß an Luft, Wasser <strong>und</strong> Boden sowie Vorgaben für<br />

die Lärmbelastung, die Abfallhandhabung <strong>und</strong> die externe Sicherheit beinhalten. Außerdem<br />

kann für eine Einrichtung eine bestimmte Umweltverordnung erlassen werden. In diesem<br />

Fall gelten die in der Verordnung genannten allgemeinen Bedingungen.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

107


Nicht alle Zustimmungen <strong>und</strong> Prüfungskriterien sind im GPA enthalten. Prüfungskriterien<br />

für Zustimmungen nach Landes- oder städtischen Verordnungen sind beispielsweise<br />

noch immer in den betreffenden Verordnungen enthalten. Außerdem fallen bestimmte<br />

Zustimmungen weiter unter bestimmte Gesetze, z. B. das Naturschutzgesetz von 1998,<br />

das Umweltschutzgesetz <strong>und</strong> das Bodenschutzgesetz. Die Prüfungskriterien für die in diesen<br />

Gesetzen geforderten Zustimmungen sind in den betreffenden Gesetzen enthalten. In diesen<br />

Fallen gilt die „Einbeziehung durch Zugehörigkeit“.<br />

Wenn die Zustimmung für eine der im Antrag genannten Aktivitäten nicht erteilt werden kann,<br />

muss die (gesamte) Umweltgenehmigung verweigert werden. Auf Bitte des Antragstellers<br />

können jedoch Genehmigungen nur für die zulässigen Aktivitäten ausgestellt werden,<br />

vorausgesetzt, dass diese Aktivitäten nicht als fester Bestandteil mit den abgelehnten<br />

Aktivitäten verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Beratungsgremien<br />

Die zuvor für die Gewährung der erforderlichen Genehmigungen zuständigen Behörden<br />

haben Gelegenheit, zu den relevanten Teilen/Aktivitäten des Antrags Stellung zu nehmen.<br />

In manchen Fällen ist die Stellungnahme nicht ausreichend <strong>und</strong> es ist eine sogenannte<br />

Unbedenklichkeitserklärung erforderlich. Wenn die vormals zuständige Behörde zu dieser<br />

Erklärung nicht bereit ist, muss die zuständige Behörde die Umweltgenehmigung verweigern.<br />

Reguläres <strong>und</strong> erweitertes Verfahren<br />

Das GPA sieht zwei Verfahren vor: ein reguläres Verfahren <strong>und</strong> ein erweitertes Verfahren.<br />

Das reguläre Verfahren gilt für häufigere Projekte (z. B. Bauprojekte), während das erweiterte<br />

Verfahren für komplexere Projekte anwendbar ist (z. B. Projekte, die eine Ausnahme vom<br />

Bebauungsplan erfordern). Beim erweiterten Verfahren wird ein Umweltgenehmigungsentwurf<br />

erstellt <strong>und</strong> zur Prüfung für sechs Wochen eingereicht. Während dieser Zeit können alle<br />

beteiligten Parteien zum Genehmigungsentwurf Stellung nehmen.<br />

Wenn das reguläre Verfahren anwendbar ist, muss die Kommunalregierung binnen acht<br />

Wochen nach Erhalt des Antrags über den Antrag entscheiden. Die Kommunalregierung<br />

darf die Entscheidung weitere sechs Wochen aufschieben. Wenn die Kommunalregierung<br />

nicht innerhalb des Antragszeitraums eine Entscheidung trifft, gilt die Genehmigung kraft<br />

Gesetzes als erteilt. In diesem Fall sieht das GPA jedoch die Möglichkeit vor, die Bedingungen,<br />

unter denen die Genehmigung ausgestellt wurde, zu ändern, um mögliche Umweltschäden<br />

einzugrenzen, oder die Genehmigung sogar zurückzuziehen, wenn durch die Änderung der<br />

Bedingungen schädliche Folgen nicht vermieden werden können. Kraft Gesetzes erteilte<br />

Genehmigungen <strong>und</strong> Genehmigungen in Bezug auf nicht rückgängig zu machende Aktivitäten<br />

(z. B. den Abriss eines Gebäudes oder das Fällen eines Baums) werden erst gültig, nachdem<br />

108 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


die Einspruchsfrist abgelaufen ist, <strong>und</strong>, falls die Genehmigung kraft Gesetzes erteilt wird,<br />

die Kommunalregierung über eventuelle Einsprüche entschieden hat.<br />

Wenn das erweiterte Verfahren anwendbar ist, muss die Kommunalregierung binnen<br />

sechs<strong>und</strong>zwanzig Wochen nach Erhalt des Antrags (<strong>und</strong> der ggf. erforderlichen<br />

Umweltverträglichkeitsprüfung, siehe Abschnitt 8.2.5 unten) entscheiden. Die<br />

Kommunalregierung kann die Entscheidung (binnen acht Wochen nach Erhalt des Antrags)<br />

um weitere sechs Wochen aufschieben. Wenn die Kommunalregierung nicht innerhalb des<br />

maßgebenden Zeitraums eine Entscheidung trifft, gilt die Genehmigung (im Gegensatz zum<br />

regulären Verfahren) kraft Gesetzes als nicht erteilt. In diesem Fall kann der Antragsteller<br />

der Kommunalregierung eine Versäumnismitteilung zustellen <strong>und</strong> hinterher nach dem<br />

Gesetz über Strafzahlung <strong>und</strong> Berufung (überfällige Entscheidungen) (Wet dwangsom en<br />

beroep bij niet tijdig beslissen) vor Gericht Berufung einlegen. Wenn die Genehmigung<br />

nach dem erweiterten Verfahren ausgestellt wird, kann hiergegen beim Gericht (<strong>und</strong> später<br />

bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Staatsrats) direkt Einspruch eingelegt werden. Die<br />

Genehmigung wird erst gültig, nachdem die Einspruchsfrist abgelaufen ist.<br />

8.2.3 Abwassergenehmigung<br />

Zudem ist bei den meisten Industrieeinrichtungen nach dem Wassergesetz (Waterwet)<br />

eine Abwassergenehmigung erforderlich, um Abwasser abzulassen. Das Wassergesetz ist<br />

nicht ins GPA integriert. Das GPA enthält jedoch Bestimmungen über die Koordination der<br />

Umweltgenehmigung <strong>und</strong> der Abwassergenehmigung.<br />

8.2.4 Übertragbarkeit von Umweltgenehmigungen<br />

Die meisten Umweltgenehmigungen sind einrichtungsspezifisch. Diese Umweltgenehmigungen<br />

verbleiben bei der Einrichtung <strong>und</strong> gelten weiter, wenn die Einrichtung an eine andere<br />

Rechtsperson übertragen wird. Die Umweltgenehmigung muss von allen Betreibern der<br />

Einrichtung eingehalten werden, egal ob diese die Genehmigung selbst beantragt haben.<br />

Das GPA schreibt jedoch vor, dass die Übertragung des Besitzes der Einrichtung mindestens<br />

einen Monat vor der Übertragung an die zuständige Behörde gemeldet wird.<br />

Durch Regierungsverordnung können Kategorien bestimmt werden, in denen die<br />

Umweltgenehmigung personenbezogen ist.<br />

8.2.5 Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Beschlusses über Umweltverträglichkeitsprüfungen (Besluit milieueffectrapportage)<br />

ist vor der Bestimmung eines Raumplans, der die Errichtung einer<br />

industriellen Einrichtung zulässt, oder vor der Beantragung einer Umweltgenehmigung für die<br />

betreffende Einrichtung, unter Umständen eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

109


Umweltverträglichkeitsprüfungen können auch in der Landesumweltverordnung (Provinciale<br />

Milieu-Verordening) vorgeschrieben sein. Landesumweltverordnungen können andere<br />

Kriterien als der Beschluss enthalten, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich<br />

machen.<br />

8.2.6 Vogel- <strong>und</strong> Lebensraumrichtlinie, Natura 2000-Gebiete<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Vogel- <strong>und</strong> Lebensraumrichtlinien, die in den <strong>Niederlande</strong>n durch das<br />

Naturschutzgesetz von 1998 <strong>und</strong> das Flora- <strong>und</strong> Faunagesetz umgesetzt werden,<br />

hat der Staat besondere Vogelschutzgebiete (Vogelrichtlinie) <strong>und</strong> Naturschutzgebiete<br />

(Lebensraumrichtlinie) bestimmt, die sogenannten Natura 2000-Gebiete.<br />

Für alle Pläne oder Projekte, die in diesen Gebieten voraussichtlich eine wesentliche<br />

Beeinträchtigung natürlicher Lebensräume <strong>und</strong> der Lebensräume von Tierarten sowie die<br />

Beeinträchtigung der Tierarten, für die die Gebiete eingerichtet wurden, verursachen werden,<br />

ist eine entsprechende Prüfung dieser Auswirkungen erforderlich.<br />

Die Definition eines „Plans oder Projekts“ ist weit gefasst. Zu den Entscheidungen, für die eine<br />

derartige Prüfung erforderlich sind, gehört auf jeden Fall die Bestimmung eines Raumplans,<br />

der wahrscheinlich eine wesentliche Auswirkung auf das designierte Gebiet haben wird.<br />

Auch Entscheidungen zur Ausstellung einer Umweltgenehmigung für die Errichtung <strong>und</strong> den<br />

Betrieb einer industriellen Einrichtung erfordern eine derartige Prüfung, wenn die Einrichtung<br />

voraussichtlich eine wesentliche Auswirkung auf das bezeichnete Gebiet haben wird.<br />

Die zuständigen Behörden dürfen dem Plan oder Projekt nur zustimmen, wenn festgestellt<br />

wurde, dass der Plan bzw. das Projekt die Integrität des betroffenen Gebiets nicht<br />

beeinträchtigen wird.<br />

8.2.7 Sonstige Schutzgebiete<br />

Zusätzlich zu den Natura 2000-Gebieten gibt es nach Landesraumplanung oder<br />

Landesumweltvorschriften möglicherweise weitere Umweltschon- <strong>und</strong> ‐schutzgebiete sowie<br />

Ruhezonen, in denen bestimmte Aktivitäten untersagt oder eingeschränkt sind <strong>und</strong> für die<br />

besondere Anforderungen gelten. Die geltenden Vorschriften hängen von dem betreffenden<br />

Gebiet ab <strong>und</strong> sind von Ort zu Ort unterschiedlich.<br />

8.3 Boden- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wasserverschmutzung<br />

8.3.1 Allgemeines<br />

Die geltenden Vorschriften für die Vermeidung, Untersuchung <strong>und</strong> Sanierung von<br />

Bodenverschmutzung sind im Bodenschutzgesetz festgelegt oder basieren darauf.<br />

110 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Nach dem Bodenschutzgesetz hat die Landesregierung (<strong>und</strong> in manchen Fällen die<br />

Kommunalregierung) bei schwerwiegenden Bodenverschmutzungsfällen die Befugnis, gegen<br />

bestimmte Personen, die dingliche oder persönliche Rechte an der verseuchten Stätte haben,<br />

Ermittlungen anzustellen <strong>und</strong> vorübergehende Kontroll- oder Sanierungsmaßnahmen zu<br />

ergreifen.<br />

8.3.2 Schweregrad <strong>und</strong> Dringlichkeit<br />

Das Bodenschutzgesetz gibt Verfahren für die Sanierung bestimmter Verseuchungen vor.<br />

Die Sanierung kann erst beginnen, nachdem die Landesregierung das Ausmaß (d. h. den<br />

Schweregrad <strong>und</strong> die Dringlichkeit) der Verseuchung festgestellt <strong>und</strong> den Sanierungsplan<br />

genehmigt hat.<br />

Die Verschmutzung gilt als schwer, wenn die funktionalen Eigenschaften des Bodens oder<br />

Gr<strong>und</strong>wassers für Menschen, Pflanzen <strong>und</strong> Tiere gefährdet oder schwer beeinträchtigt sind.<br />

Dies ist dann der Fall, wenn Interventionswerte überschritten werden <strong>und</strong> das Ausmaß der<br />

Verschmutzung ein bestimmtes Volumen übersteigt.<br />

Die Dringlichkeit wird anhand der mit der Verschmutzung zusammenhängenden tatsächlichen<br />

Risiken für Menschen <strong>und</strong> Ökosysteme <strong>und</strong> anhand des designierten Nutzungszwecks der<br />

verschmutzten Stätte bestimmt.<br />

8.3.3 Sanierungskosten<br />

Die Partei, die von der zuständigen Behörde mit der Ermittlung, Sanierung oder Ergreifung<br />

bestimmter Kontrollmaßnahmen in Bezug auf einen bestimmten Verseuchungsfall beauftragt<br />

ist, trägt prinzipiell die damit zusammenhängenden Kosten. In den meisten Fällen ist dies der<br />

Besitzer oder langfristige Pächter der verseuchten Stätte. Regressmöglichkeiten gegen den<br />

Verursacher der Verschmutzung oder gegen einen der früheren Besitzer des verseuchten<br />

Gr<strong>und</strong>stücks finden sich mitunter im allgemeinen Zivilrecht oder im Kaufvertrag für das<br />

verseuchte Gr<strong>und</strong>stück.<br />

In den späten 1980er <strong>und</strong> frühen 1990er Jahren führten örtliche Behörden eine<br />

Anzahl umfangreicher Bodensanierungsprojekte eigenständig durch, weil sie keine<br />

Rechtsinstrumente hatten, um private Parteien zur Durchführung der Sanierung zu zwingen.<br />

Das Bodenschutzgesetz gibt dem Staat bestimmte Regressmöglichkeiten im Zusammenhang<br />

mit derartigen Sanierungsprojekten an die Hand. Unter bestimmten Umständen kann der Staat<br />

die Ermittlungs- <strong>und</strong> Sanierungskosten für stark verschmutzte Stätten von der Person bzw. den<br />

Personen zurückfordern, die die Verschmutzung verursacht haben, auch wenn die betreffende<br />

Person zum betreffenden Zeitpunkt nach dem allgemeinen Zivilrecht nicht zu einem derartigen<br />

Schadenersatz dem Staat gegenüber verpflichtet war. Bodenverschmutzung gilt nämlich nicht<br />

immer als unerlaubte Handlung dem Staat gegenüber. Das Verfassungsgericht nannte den 1.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

111


Januar 1975 als das Datum, ab dem Fälle von Bodenverschmutzung zur Last gelegt werden<br />

können. Aber auch wenn die Bodenverschmutzung vor diesem Datum stattgef<strong>und</strong>en hat,<br />

kann der Staat die Sanierungskosten einfordern, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.<br />

8.4 Asbest<br />

Zurzeit bestehen keine allgemeinen rechtlichen Vorschriften über die Beseitigung von Asbest<br />

aus bestehenden Gebäuden. Ob Asbest nach dem Gesetz beseitigt werden muss, hängt<br />

davon ab, ob es die Arbeitsbedingungen im betreffenden Arbeitsbereich beeinträchtigt (d. h.<br />

die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter damit in Kontakt kommen). Die Möglichkeit zur<br />

Schadenersatzforderung nach Kontakt ist im allgemeinen Zivilrecht geregelt.<br />

Die Bestimmungen über die Durchführung von Asbestuntersuchungen <strong>und</strong> die Beseitigung<br />

von Asbest aus Gebäuden, Konstruktionen <strong>und</strong> Objekten sind im Arbeitsbedingungsgesetz<br />

(Arbeidsomstandighedenwet) <strong>und</strong> den damit zusammenhängenden Verordnungen enthalten,<br />

einschließlich der Arbeitsbedingungsverordnung (Arbeidsomstandighedenbesluit) <strong>und</strong> der<br />

Asbestentfernungsverordnung (Asbestverwijderingsbesluit). Diese Verordnungen enthalten<br />

eine Reihe von Sicherheitsbestimmungen <strong>und</strong> schreiben vor, dass Asbestuntersuchungs- <strong>und</strong><br />

-entfernungstätigkeiten nur durch zugelassene Firmen durchgeführt werden dürfen.<br />

Wenn Abrissarbeiten das Entfernen von Asbest aus Gebäuden beinhalten oder wenn Asbest<br />

in einem im Bau befindlichen Gebäude vorhanden ist, ist eine Abrissgenehmigung erforderlich.<br />

112 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


9. Zahlungsunfähigkeit<br />

9.1 Einführung<br />

Niemand denkt bei der Geschäftsgründung im Ausland als erstes an eine mögliche<br />

Zahlungsunfähigkeit. Trotzdem ist es ratsam in Betracht zu ziehen, dass die Dinge<br />

möglicherweise nicht genau nach Plan gehen <strong>und</strong> eine Insolvenz irgendwann sogar<br />

unausweichlich ist. Dieses Kapitel enthält eine Übersicht über Insolvenzverfahren nach den<br />

Gesetzen der <strong>Niederlande</strong>.<br />

9.2 Arten von Insolvenzverfahren<br />

Das Insolvenzgesetz sieht zwei Arten von Verfahren für Unternehmen vor: (i) die Insolvenz,<br />

bei der die Vermögenswerte des Schuldners liquidiert <strong>und</strong> der Erlös unter den Gläubigern<br />

verteilt wird (faillissement), <strong>und</strong> (ii) der Zahlungsaufschub oder das Moratorium (surséance<br />

van betaling), bei dem der Schuldner einen vorübergehenden Rechtsschutz gegen drängende<br />

Gläubiger erhält, um durch eine Umstrukturierung die Fortführung des Geschäfts <strong>und</strong><br />

letztendlich die teilweise Rückzahlung an Gläubiger zu ermöglichen.<br />

Die Gleichbehandlung von Gläubigern, ob inländisch oder ausländisch, ist ein Leitgr<strong>und</strong>satz<br />

des niederländischen (Insolvenz-) Rechts. Somit liegt das Hauptziel darin zu gewährleisten,<br />

dass alle Gläubiger letztendlich befriedigt werden, anstatt durch die Schuldbefreiung einen<br />

Neuanfang für den Schuldner zu ermöglichen, wie dies nach den Liquidierungsbestimmungen<br />

des US-Insolvenzreformgesetzes der Fall ist.<br />

Die Insolvenz in den <strong>Niederlande</strong>n ähnelt in etwa Chapter 7 des US-Insolvenzreformgesetzes<br />

(Liquidierung): Der Zahlungsaufschub oder das Zahlungsmoratorium ähnelt in einem gewissen<br />

Maße dem Rechtsschutz nach Chapter 11 des relevanten US-Rechts (Umstrukturierung).<br />

Kein Schuldner kann, ob durch Insolvenz oder Zahlungsaufschub, eine Schuldbefreiung<br />

erhalten, es sei denn, er zahlt seine Schulden in vollem Umfang ab oder bietet den Gläubigern<br />

einen Vergleichs- oder Umstrukturierungsplan an, der von einer qualifizierten Mehrheit<br />

angenommen wird.<br />

Der Zahlungsaufschub kann problemlos in eine Insolvenz umgewandelt werden (was häufig<br />

auch getan wird), wenn erkenntlich ist, dass der Zahlungsaufschub nicht zur Rückzahlung<br />

führen wird. Der Zahlungsaufschub <strong>und</strong> eine darauffolgende Insolvenz können gemeinsam<br />

betrachtet werden. Der Moratoriumsverwalter behält in der Regel auch die Kontrolle<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

113


als Insolvenzverwalter. Die Insolvenz dagegen kann nicht in einen Zahlungsaufschub<br />

umgewandelt werden. Viele Bestimmungen des Insolvenzgesetzes über die Insolvenz gelten<br />

auch für Zahlungsaufschübe. Beide Verfahren sind unten zusammengefasst.<br />

9.3 Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />

9.3.1 Einführung<br />

Die Insolvenz kann von einem oder mehreren Gläubigern des Schuldners (unfreiwillige<br />

Einreichung) beantragt, vom Schuldner selbst angemeldet (freiwillige Anmeldung) oder in<br />

Ausnahmefällen vom Staatsanwalt eingeleitet werden, wenn das öffentliche Interesse dies<br />

erfordert. Jeder Gläubiger, auch ausländischer Gläubiger, kann beim zuständigen Gericht<br />

im Rechtsgebiet des Schuldners einen entsprechenden Antrag einreichen.<br />

Für die freiwillige Anmeldung durch ein Unternehmen ist der Regel ein Beschluss der<br />

Anteilsinhaber erforderlich.<br />

Die Insolvenz kann festgestellt werden, wenn glaubwürdig gemacht werden kann, dass<br />

der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine Schulden zu begleichen (d. h. es gilt ein<br />

Cashflow-Test <strong>und</strong> kein Bilanztest). Die Gerichte fordern, dass der Schuldner mindestens<br />

zwei Gläubiger hat (von denen einer bei der unfreiwilligen Einreichung den Antrag stellt) <strong>und</strong><br />

dass mindestens eine der beiden Schulden zurzeit zur Zahlung fällig ist. Es ist zu beachten,<br />

dass das Gesetz nicht vorschreibt, dass andere Gläubiger den Antrag unterstützen müssen.<br />

Der Antrag muss bei dem Gericht in dem Bezirk gestellt werden, in dem der Schuldner<br />

wohnhaft ist, oder, wenn es sich bei dem Schuldner um ein Unternehmen handelt, in dem<br />

das Unternehmen der Satzung nach seinen eingetragenen Sitz hat.<br />

9.3.2 Insolvenzverwalter<br />

Wenn dem Antrag auf Insolvenz stattgegeben wird, ernennt das Gericht einen<br />

Insolvenzverwalter (curator), in der Regel einen Rechtsanwalt, <strong>und</strong> einen Insolvenzrichter,<br />

der die Handlungen des Insolvenzverwalters überwacht. Bei größeren Insolvenzen werden<br />

mittlerweile in der Regel zwei oder drei Insolvenzverwalter ernannt. Der Insolvenzrichter<br />

ist beispielsweise befugt, Zeugen zu verhören, <strong>und</strong> kann Untersuchungen, z. B. durch<br />

Wirtschaftsprüfer, anordnen.<br />

9.4 Insolvenzverfahren<br />

Der Insolvenzverwalter hat die Aufgabe, das Vermögen der insolventen Partei zu verwalten <strong>und</strong><br />

zu liquidieren. Sofort nach seiner Ernennung muss der Insolvenzverwalter alle erforderlichen<br />

Maßnahmen zum Schutz des Vermögens ergreifen. Die Verfahren <strong>und</strong> Forderungen aller<br />

114 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Gläubiger werden automatisch eingestellt. Nach Konsultation mit dem Insolvenzrichter<br />

entscheidet der Insolvenzverwalter, ob irgendein Teil des Geschäfts der insolventen Partei<br />

vorübergehend fortgeführt werden soll. Dies ist nur zulässig, wenn dies nicht gegen die<br />

Interessen der Gläubiger insgesamt verstößt.<br />

Wenn die Geschäftstätigkeit nicht fortgeführt wird, kann der Insolvenzverwalter das Vermögen<br />

veräußern, vorausgesetzt, dass dies nicht gegen besondere Sicherungsrechte eines<br />

Gläubigers verstößt.<br />

Forderungen müssen in Form einer schriftlichen Erklärung mit Angabe der Art <strong>und</strong> Höhe<br />

des Anspruchs rechtzeitig beim Insolvenzverwalter eingereicht werden. Der Erklärung<br />

müssen dokumentarische Beweise beiliegen sowie eine Erklärung, ob ein Vorzugsrecht,<br />

ein Pfandrecht, eine Hypothek oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wird.<br />

In den meisten Fällen wird eine Gläubigerbesprechung nur abgehalten, wenn der Erlös<br />

aus dem Vermögen die Vorzugsforderungen der Steuer- <strong>und</strong> Rentenbehörden übersteigt.<br />

Gläubigerbesprechungen werden vom Insolvenzrichter geleitet. Der Insolvenzverwalter<br />

<strong>und</strong> die insolvente Partei nehmen Teil. Alle Gläubiger sind berechtigt, an der Besprechung<br />

teilzunehmen, sie sind hierzu jedoch nicht verpflichtet. Zweck der Besprechung ist, die<br />

Forderungen entweder anzuerkennen oder zu bestreiten <strong>und</strong> sie als besichert oder<br />

unbesichert einzustufen. Alle Gläubiger, die insolvente Partei <strong>und</strong> der Insolvenzverwalter<br />

können eine Forderung bestreiten. Nicht bestrittene Forderungen werden in die Liste der<br />

Gläubiger aufgenommen, deren Forderungen anerkannt wurden. Diese Liste wird dem<br />

Sitzungsprotokoll beigelegt. Im Sitzungsprotokoll schriftlich festgehaltene Anerkennungen von<br />

Forderungen sind endgültig. Wenn eine Forderung bestritten wird <strong>und</strong> der Insolvenzrichter<br />

nicht in der Lage ist zu schlichten, gibt dieser die Angelegenheit zur Klarstellung an das<br />

Gericht weiter.<br />

9.5 Rechte von Gläubigern<br />

9.5.1 Einführung<br />

Wie oben erwähnt, ist ein Gr<strong>und</strong>prinzip des niederländischen Insolvenzrechts paritas<br />

creditorum, was bedeutet, dass alle Gläubiger ein gleiches Recht auf Rückzahlung haben <strong>und</strong><br />

dass der Erlös aus der Insolvenzmasse im Verhältnis zum Umfang der Gläubigerforderungen<br />

verteilt wird. Es gibt jedoch zwei Gruppen von bevorzugten Gläubigern, auf die der paritas<br />

creditorum-Gr<strong>und</strong>satz nicht zutrifft, nämlich:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

Gläubiger mit besicherten Forderungen <strong>und</strong><br />

Gläubiger, denen nach dem Insolvenzgesetz <strong>und</strong> anderen Gesetzen ein Vorzug<br />

gewährt wird.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

115


Deshalb bezieht sich paritas creditorum nur auf Gläubiger mit unbesicherten Forderungen.<br />

Sie teilen sich verhältnismäßig die ihnen zur Verfügung stehende Summe.<br />

9.5.2 Gläubiger mit besicherten Forderungen<br />

Gläubiger mit besicherten Forderungen können die Sicherheiten aus der Insolvenzmasse<br />

ausschließen <strong>und</strong> eine Zwangsvollstreckung gegen diese Sicherheiten durchführen.<br />

Der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung einleiten, selbst wenn der Schuldner als<br />

zahlungsunfähig erklärt wurde. Das Gericht kann jedoch zwei Monate lang, mit der Möglichkeit<br />

auf Verlängerung um weitere zwei Monate, eine allgemeine Einstellung (Beruhigungszeit)<br />

aller Verfahren durch besicherte Gläubiger anordnen, die unter bestimmten Umständen zu<br />

einer umgehenden Vollstreckung berechtigt sind.<br />

Das Insolvenzgesetz nennt nur zwei Arten von besicherten Gläubigern: Hypothekinhaber <strong>und</strong><br />

Pfandrechtinhaber. Bestimmte andere besicherte Forderungen, z. B. das Rückbehaltungsrecht<br />

an Eigentum, berechtigen den Gläubiger unter bestimmten Umständen ebenfalls zur<br />

Einleitung der Vollstreckung.<br />

Nach der Beruhigungszeit (oder falls keine Beruhigungszeit festgelegt wird,) kann ein<br />

besicherter Gläubiger deshalb vorgehen, als gäbe es keine Insolvenz. Demzufolge ist<br />

der Insolvenzverwalter nicht berechtigt, das verpfändete Eigentum einzubehalten. Weil<br />

der besicherte Gläubiger durch die Verwertung der Sicherheit eine Zahlung für seine<br />

Forderungen erhält, kann er nicht für Insolvenzkosten verantwortlich gemacht werden. Die<br />

automatische Einstellung aller Verfahren gegen den Schuldner, die aus einer Erklärung der<br />

Zahlungsunfähigkeit resultiert, gilt nicht für besicherte Gläubiger.<br />

Wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist, kann ein Gläubiger, der eine Hypothek oder ein<br />

Pfandrecht hat, eine Zwangsvollstreckung gegen das besicherte Vermögen einleiten. Dies<br />

geschieht durch einen öffentlichen oder privaten Verkauf, wobei letzterer eine Zustimmung<br />

des Gerichts oder Insolvenzverwalters erfordert. Dementsprechend ist die Kooperation<br />

des Insolvenzverwalters im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung nicht erforderlich<br />

(es sei denn, sie betrifft einen einvernehmenden privaten Verkauf). Der Erlös, der nach<br />

Bezahlung der besicherten Gläubiger übrig bleibt, wird dem Insolvenzverwalter übergeben.<br />

Die Inbesitznahme der Sicherheiten ist nicht zulässig. Der Gläubiger kann jedoch beim<br />

Gericht die Erlaubnis zur Zwangsvollstreckung durch Besitzübernahme der Sicherheiten<br />

beantragen. In diesem Fall bestimmt das Gericht den Preis. Der Gläubiger kann bei der<br />

Zwangsvollstreckung auch ein Angebot für die Sicherheiten abgeben.<br />

Der Insolvenzverwalter ist mit vorheriger Zustimmung des Insolvenzrichters jederzeit<br />

berechtigt, die Sicherheit für eine Hypothek oder ein Pfandrecht durch Zahlung des<br />

geschuldeten Betrags an den Inhaber der Hypothek oder des Pfandrechts auszulösen.<br />

116 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


9.5.3 Gläubiger mit Vorzugsrecht<br />

Im Gegensatz zu besicherten Gläubigern sind Gläubiger mit Vorzugsrecht nicht zur Einleitung<br />

einer Zwangsvollstreckung berechtigt. Gläubiger mit Vorzugsrecht müssen ihre Forderungen<br />

beim Insolvenzverwalter einreichen <strong>und</strong> müssen deshalb für einen verhältnismäßigen Anteil<br />

der Insolvenzkosten aufkommen.<br />

Es gibt mehrere Kategorien von Gläubigern mit Vorzugsrechten:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

Gläubiger mit gesetzlichem Vorzugsrecht <strong>und</strong><br />

Gläubiger mit nicht gesetzlichem Vorzugsrecht.<br />

9.5.4 Gläubiger mit unbesicherten Forderungen<br />

Wie oben erklärt, ist die Gleichheit aller Gläubiger (paritas creditorum) ein Gr<strong>und</strong>satz des<br />

niederländischen Insolvenzrechts. Gläubiger mit unbesicherten Forderungen sind paritas<br />

creditorum-Gläubiger, außer bei im Voraus vereinbarter Nachrangigkeit. Gläubiger mit nicht<br />

besicherten Forderungen haben kein Vorzugsrecht <strong>und</strong> erhalten nur dann eine Zahlung,<br />

wenn Erlös aus dem Vermögen übrig bleibt, nachdem alle anderen Gläubiger eine Zahlung<br />

erhalten haben. Gläubiger mit nicht besicherten Forderungen müssen ihre Forderungen<br />

beim Insolvenzverwalter einreichen.<br />

9.5.5 Vermögensgläubiger<br />

Eine besondere Gruppe von Gläubigern sind die sogenannten „Vermögensgläubiger“.<br />

Dabei handelt es sich um Gläubiger, deren Forderungen nach dem Insolvenzdatum<br />

eingereicht wurden <strong>und</strong> sich aus den Bestimmungen des Insolvenzrechts ergeben (z. B.<br />

Pachtforderungen, die nach der Insolvenz zahlbar werden) oder die das Resultat von<br />

Handlungen des Insolvenzverwalters sind. Die Rechtsprechung hat (in Ausnahmefällen)<br />

anderen bestimmten Gläubigerforderungen ebenfalls den Status einer Vermögensforderung<br />

zugesprochen. Vermögensforderungen werden aus der Insolvenzmasse gezahlt, bevor<br />

Zahlungen an Vorrechts- oder unbesicherte Gläubiger gemacht werden. Vermögensgläubiger<br />

müssen ihre Forderungen nicht bei der Insolvenz einreichen.<br />

9.6 Beendigung des Insolvenzverfahrens <strong>und</strong> Verteilung des<br />

Erlöses<br />

9.6.1 Einführung<br />

Insolvenzverfahren können auf vier verschiedene Weisen enden:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

Einstellung<br />

Liquidierung<br />

Schließung<br />

Vergleich<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

117


9.6.2 Einstellung<br />

Ein Insolvenzverfahren kann vom Gericht eingestellt werden, wenn der Schuldner, ein<br />

Gläubiger oder eine interessierte Partei erfolgreich Einspruch dagegen erhebt. Die Einstellung<br />

hat jedoch keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Handlungen des Insolvenzverwalters, die<br />

für den Schuldner verbindlich bleiben.<br />

9.6.3 Liquidierung<br />

Der Zweck einer Liquidierung ist die Verteilung des Vermögens an die Gläubiger des<br />

zahlungsunfähigen Schuldners. In der Praxis findet eine Liquidierung nur statt, wenn<br />

unbesicherte Gläubiger zumindest eine gewisse Zahlung erhalten haben.<br />

Im Falle einer Liquidierung (oder eines Vergleichs, siehe unten) wird eine Gläubigerbesprechung<br />

abgehalten. Binnen 14 Tagen nach dem Insolvenzdatum beruft der Insolvenzrichter eine<br />

Besprechung der Gläubiger zu einem vom Richter bestimmten Datum ein. Zweck dieser<br />

Besprechung ist es, alle Forderungen aufzulisten <strong>und</strong> einzustufen. Forderungen können<br />

anerkannt oder angefochten werden. Das niederländische Recht erkennt keine strenge<br />

Anspruchsbegründung an. Wenn der Insolvenzverwalter <strong>und</strong> ein Gläubiger, dessen Forderung<br />

bestritten wird, ihre Streitigkeit nicht beilegen, ordnet der Insolvenzrichter ein Rechtsverfahren<br />

an, in dem bestimmt werden soll, ob die Forderung anerkannt werden soll. In der Praxis<br />

wird die 14-tägige Frist nie eingehalten <strong>und</strong> der Insolvenzverwalter untersucht in der Regel<br />

zuerst eingehend, ob eine Zahlung an die unbesicherten Gläubiger erfolgen kann. Er ergreift<br />

alle erforderlichen Maßnahmen, um das Vermögen der zahlungsunfähigen Partei geltend<br />

zu machen. Erst dann wird entschieden, ob eine Gläubigerbesprechung abgehalten werden<br />

kann. Dementsprechend bleiben bestrittene Forderungen bis zur Gläubigerbesprechung<br />

in Schwebe. Erst wenn diese Besprechung stattfindet, kann ein gerichtliches Verfahren<br />

im Zusammenhang mit der bestrittenen Forderung gegen die zahlungsunfähige Partei<br />

angestrengt werden.<br />

Nachdem die endgültigen Listen der anerkannten Forderungen fertig gestellt sind, erstellt der<br />

Insolvenzverwalter einen Verteilungsplan, aus dem der Nettowert des Vermögens hervorgeht<br />

<strong>und</strong> der angibt, welcher Anteil der Forderungen an die Gläubiger gezahlt wird. Dieser Plan<br />

muss vom Insolvenzrichter genehmigt werden. Nach der Genehmigung wird der Plan beim<br />

Gericht eingereicht <strong>und</strong> kann von den Gläubigern während einer Frist von zehn Tagen nach<br />

Einreichen des Plans geprüft werden.<br />

Gläubiger können dem Plan widersprechen, indem sie einen entsprechenden begründeten<br />

Antrag stellen. Der Richter ordnet dann eine Anhörung an, in der der Insolvenzverwalter <strong>und</strong><br />

die Gläubiger angehört werden. Das Gericht entscheidet am Tag der Anhörung oder sobald<br />

wie möglich danach.<br />

118 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Wenn kein Gläubiger Einspruch gegen den Plan erhebt, endet das Insolvenzverfahren 10 Tage<br />

nach Einreichen des Plans. Wenn Einspruch erhoben wird, endet das Insolvenzverfahren<br />

sofort mit der Gerichtsentscheidung. Gegen die Entscheidung kann jedoch Berufung eingelegt<br />

werden.<br />

9.6.4 Schließung<br />

In der Praxis werden fast alle Insolvenzverfahren geschlossen. Das Schließungsverfahren<br />

folgt in Fällen, in denen kein oder nur wenig Vermögen vorhanden ist. Insolvenzverfahren<br />

werden auf Antrag des Insolvenzrichters geschlossen, wenn ungenügendes Vermögen<br />

vorhanden ist, um die Insolvenzkosten <strong>und</strong> die Vermögensgläubiger zu bezahlen.<br />

Wenn der Insolvenzverwalter zu dem Schluss kommt, dass das Insolvenzverfahren<br />

geschlossen werden sollte, wird er den Insolvenzrichter hierauf hinweisen. Der Richter kann<br />

das Gericht daraufhin anweisen, das Insolvenzverfahren zu schließen.<br />

9.6.5 Vergleich<br />

Während des Insolvenzverfahrens oder eines Moratoriums können der Schuldner <strong>und</strong><br />

seine Gläubiger einen Vergleich schließen. Ein Vergleich ist eine Vereinbarung, durch<br />

die Forderungen der Gläubiger ganz oder zumindest teilweise befriedigt werden sollen.<br />

Deshalb sind Gläubiger geneigt, mit dem Schuldner über einen Vergleich zu reden. Die<br />

zahlungsunfähige Partei <strong>und</strong> die Gläubiger können die Bedingungen des Vergleichs frei<br />

vereinbaren. Wenn das Gericht dem Vergleich zustimmt <strong>und</strong> der Vergleich von der Mehrzahl<br />

der Gläubiger angenommen wird (sowohl was deren Zahl als auch den Betrag angeht), so<br />

sind Gläubiger in der Minderheit, die dem Vergleich nicht zugestimmt haben, trotzdem daran<br />

geb<strong>und</strong>en. Wenn der Vergleich angenommen wird, wird das Vermögen des Schuldners<br />

nicht liquidiert. Der Schuldner kann den Gläubigern nur einmal einen Vergleich anbieten.<br />

Wenn dieser nicht angenommen wird, gibt es keine weitere Gelegenheit zum Angebot von<br />

Vergleichen.<br />

9.7 Zahlungsaufschub (Moratorium)<br />

Wie zuvor erwähnt, ist der gerichtlich angeordnete Zahlungsaufschub in gewissem Maße<br />

mit dem Rechtsschutz nach Chapter 11 des US-amerikanischen Insolvenzreformgesetzes<br />

vergleichbar. Ein Zahlungsaufschub gilt nur für unbesicherte Schulden. Besicherte Gläubiger<br />

<strong>und</strong> Gläubiger mit Vorzugsrecht können ihre Rechte ausüben, als ob das Moratorium nicht<br />

existierte (vorbehaltlich einer möglichen Beruhigungszeit, siehe unten). Das Gericht wird<br />

ein Moratorium auf Antrag des Schuldners ohne weitere Untersuchung vorläufig gewähren,<br />

wenn alle formalen Voraussetzungen erfüllt sind.<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

119


In dem Urteil, mit dem dem Antrag auf ein Moratorium stattgegeben wird, ernennt das Gericht<br />

einen Verwalter (bewindvoerder), in der Regel einen örtlichen Rechtsanwalt. Das Gericht<br />

kann auch einen vorstehenden Richter bestimmen, der den Insolvenzverwalter auf dessen<br />

Bitte berät.<br />

Das Gericht kann einen definitiven Zahlungsaufschub gewähren, es sei denn:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

es werden von unbesicherten Gläubigern Einwände erhoben, wenn diese entweder<br />

mehr als ein Viertel der Gesamtsumme der bei der Gerichtsanhörung (über die alle<br />

Gläubiger in Kenntnis gesetzt wurden) vertretenen unbesicherten Forderungen oder<br />

mehr als ein Drittel aller stimmberechtigten Gläubiger darstellen,<br />

es liegt ein ernster Verdacht vor, dass der Schuldner die Rechte der Gläubiger<br />

während des Zahlungsaufschubs verletzen wird, oder<br />

es besteht keine Aussicht, dass der Schuldner letztendlich in der Lage sein wird,<br />

seine Schuldner entweder per Vergleich teilweise oder ganz zu befriedigen.<br />

Wenn der definitive Zahlungsaufschub nicht gewährt wird, kann das Gericht die Einleitung<br />

eines Insolvenzverfahrens anordnen <strong>und</strong> tut dies in der Praxis auch häufig. Gegen die<br />

Gerichtsentscheidung kann Berufung eingelegt werden, entweder vom Schuldner, wenn das<br />

Moratorium abgelehnt wurde, oder von einem Gläubiger, der bei der Gerichtsanhörung, bei<br />

der das Moratorium gewährt wurde, den Einwand erhoben hat.<br />

Das Gericht kann einen Zahlungsaufschub von maximal 1,5 Jahren gewähren, der auf Antrag<br />

des Schuldners unbegrenzt oft um jeweils 1,5 Jahre verlängert werden kann.<br />

Während des Zahlungsaufschubs kann der Schuldner über sein Vermögen nicht mehr ohne<br />

die Genehmigung oder Hilfe des Verwalters verfügen.<br />

Die Rechte unbesicherter Gläubiger zur Verfolgung ihrer Forderungen sind von dem<br />

Moratorium betroffen. In Bezug auf unbesicherte Forderungen ist die Zwangsvollstreckung<br />

gegen das Vermögen des Schuldners durch das Moratorium suspendiert <strong>und</strong> Pfandrechte<br />

auf das betreffende Vermögen werden mit der Gewährung des definitiven Zahlungsaufschubs<br />

aufgehoben. Besicherte Gläubiger <strong>und</strong> Gläubiger mit Vorzugsrecht können von ihren<br />

Rechten zwar Gebrauch machen, in der Praxis sind sie jedoch oft gewillt, dem Schuldner<br />

die Möglichkeit zu geben, sich finanziell umzustrukturieren.<br />

Außerdem kann das Gericht, genau wie bei Insolvenzverfahren, eine allgemeine Einstellung<br />

aller Gläubigerverfahren (Beruhigungszeit), einschließlich der Zwangsvollstreckung durch<br />

besicherte Gläubiger <strong>und</strong> Gläubiger mit Vorzugsrechten, für einen Zeitraum von zwei Monaten<br />

mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere zwei Monate anordnen.<br />

120 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


Ein Zahlungsaufschub kann vom Gericht unter drei Umständen beendet werden:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

auf Antrag des Schuldners, falls er wieder zahlungsfähig geworden ist<br />

im Falle eines Vergleichs (siehe Abschnitt 9.6.5 oben) oder<br />

auf Antrag des vorsehenden Richters, des Moratoriumverwalters oder eines<br />

Gläubigers, wenn erkenntlich ist, dass der Schuldner letztendlich nicht in der Lage sein<br />

wird, seine Gläubiger zu befriedigen. Der Schuldner kann dann für zahlungsunfähig<br />

erklärt werden. Wenn dem Zahlungsaufschub eine Insolvenz folgt, gelten die<br />

Inhaber von Schulden, die während des Zahlungsaufschubs entstanden sind, beim<br />

Insolvenzverfahren als Vermögensgläubiger.<br />

9.8 Betrügerische Übertragung (Actio Pauliana)<br />

9.8.1 Betrügerische Übertragung während oder vor der Insolvenz<br />

Das Insolvenzgesetz enthält Bestimmungen, durch die ein Insolvenzverwalter Transaktionen<br />

zwischen dem Schuldner <strong>und</strong> einem Dritten, zu deren Durchführung der Schuldner nicht<br />

vertraglich oder gesetzlich verpflichtet war <strong>und</strong> die dieser daher freiwillig ausgeübt hat, aufheben<br />

kann. In den USA wird die Befugnis zur Vermeidung einer derartigen Gläubigerbegünstigung<br />

als „preferential transfers“ oder „voidable preferences“, also „begünstigende Übertragung“<br />

oder „aufhebbare Begünstigung“ bezeichnet.<br />

In den <strong>Niederlande</strong>n kann der Insolvenzverwalter freiwillig durchgeführte Transaktionen<br />

aufheben, wenn er feststellen kann, dass beide Parteien an der Transaktion wussten oder<br />

hätten wissen müssen, dass die Transaktion eine Reduzierung des von den anderen<br />

Gläubigern bei Nichtausführung der Transaktion erhaltenen Betrags bewirken würde.<br />

Das Wissen, dass die Transaktion gegen die Interessen der Gläubiger verstoßen hat, wird<br />

gesetzlich für alle Transaktionen vorausgesetzt, die innerhalb eines Jahres nach Erklärung<br />

der Insolvenz stattfinden, vorausgesetzt, dass weiter nachgewiesen werden kann, dass die<br />

Transaktion in eine der folgenden Kategorien fällt:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

(iii)<br />

(iv)<br />

Transaktionen, bei denen der Schuldner wesentlich weniger als den geschätzten<br />

Wert erhalten hat,<br />

Zahlung oder Gewährung von Wertpapieren für Schulden, die noch nicht fällig sind,<br />

Transaktionen, die der Schuldner mit bestimmten Verwandten getätigt hat,<br />

Transaktionen, die vom Schuldnerunternehmen mit seinem Geschäftsführer, einem<br />

Aufsichtsrat, bestimmten Verwandten dieser oder bestimmten Aktionären getätigt<br />

wurden,<br />

loyens & loeff<br />

<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

121


(v)<br />

Transaktionen des Schuldnerunternehmen mit einer verb<strong>und</strong>enen Rechtsperson oder<br />

Transaktionen des Schuldnerunternehmen mit einer Tochter oder einem verb<strong>und</strong>enen<br />

Unternehmen.<br />

Die Aufhebung kann nur durch den Insolvenzverwalter erfolgen. Der Insolvenzverwalter kann<br />

die vom Schuldner übertragenen Vermögenswerte zurückfordern. Wenn die Gegenpartei die<br />

zurückgeforderten Vermögenswerte nicht übergeben kann, muss sie die Insolvenzmasse<br />

entschädigen. In den oben beschriebenen Umständen kann die Annahme, dass Wissen<br />

über den Verstoß gegen die Interessen der anderen Gläubiger bestand, widerlegt werden,<br />

wenn der an der Transaktion beteiligte Gläubiger beweisen kann, dass er dieses Wissen<br />

nicht besaß.<br />

Transaktionen, die vom Schuldner nach einer bestehenden Verpflichtung getätigt werden,<br />

können nur aufgehoben werden, wenn der Insolvenzverwalter beweist, dass (a) der Schuldner<br />

<strong>und</strong> die Gegenpartei an der Transaktion sich zur Begünstigung der Gegenpartei auf Kosten<br />

der anderen Gläubiger verschworen haben, <strong>und</strong>/oder (b) der Gegenpartei an der Transaktion<br />

zum betreffenden Zeitpunkt bekannt war, dass ein Insolvenzantrag gestellt worden war.<br />

Wenn die Gegenpartei des Schuldners bei der Transaktion keine oder eine offensichtlich<br />

ungenügende Gegenleistung bereitstellt, muss der Insolvenzverwalter lediglich beweisen,<br />

dass der Schuldner wusste oder hätte wissen müssen, dass die Transaktion gegen die<br />

Interessen der Gläubiger verstoßen würde. Bei Spenden, die innerhalb eines Jahres vor<br />

Erklärung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt sind, wird von Gesetzes wegen vorausgesetzt, dass<br />

sie mit dem Wissen erfolgt sind, dass sie gegen die Rechte der Gläubiger verstoßen würden.<br />

9.8.2 Betrügerische Übertragung außerhalb von Insolvenzverfahren<br />

Außerhalb von Insolvenzsituationen können rechtliche Handlungen ohne vorherige rechtliche<br />

Verpflichtung von einem Gläubiger aufgehoben werden, wenn der Gläubiger beweisen kann,<br />

dass beide Parteien wussten oder hätten wissen müssen, dass die Handlungen gegen die<br />

Regressmöglichkeiten eines oder mehrerer Gläubiger verstoßen würden. Das Wissen, dass<br />

die Transaktion gegen die Interessen der Gläubiger verstoßen hat, wird gesetzlich für alle<br />

Transaktionen vorausgesetzt, die innerhalb eines Jahres vor Geltendmachung der Aufhebung<br />

stattfinden, vorausgesetzt, dass weiter nachgewiesen werden kann, dass die Transaktion<br />

in eine der oben genannten Kategorien fällt. Ein Transaktion ohne Gegenleistung kann von<br />

einem Gläubiger aufgehoben werden, wenn festgestellt wird, dass der Schuldner wusste<br />

oder hätte wissen müssen, dass er gegen die Interessen seiner Gläubiger verstieß. Die<br />

Transaktion zu Gunsten einer Partei, die weder wusste noch hätte wissen müssen, dass die<br />

Transaktion gegen die Interessen anderer Gläubiger verstoßen würde, kann jedoch nur bis<br />

zu dem von der betreffenden Partei erhaltenen Vorteil aufgehoben werden.<br />

122 loyens & loeff <strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte


9.8.3 Die Insolvenzverordnung<br />

Am 31. Mai 2002 trat die Europäische Insolvenzverordnung in Kraft. Die Verordnung<br />

gilt für alle EU-Staaten zum Zeitpunkt der Vollstreckung, außer für Dänemark. Nach der<br />

Verordnung können die Gerichte in dem Land, in dem ein Unternehmen den „Mittelpunkt<br />

seiner hauptsächlichen Interessen“ hat, ein Unternehmen für insolvent erklären. Der<br />

gesetzliche/eingetragene Sitz des Unternehmens gilt nach der Verordnung als Mittelpunkt der<br />

hauptsächlichen Interessen, wenn andere Umstände nicht zu einem anderen Schluss führen.<br />

Eine derartige Insolvenzerklärung wird prinzipiell in allen EU-Staaten anerkannt. Generell<br />

ist auf Insolvenzverfahren <strong>und</strong> ihre Auswirkungen das Recht des EU-Landes anzuwenden,<br />

in dem das entsprechende Insolvenzverfahren eröffnet wurde.<br />

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<strong>Investitionsstandort</strong> <strong>Niederlande</strong> <strong>–</strong> <strong>Juristische</strong> <strong>und</strong> Steuerliche Aspekte<br />

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<strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> N.V. ist eine unabhängige Vollservice-Anwaltskanzlei, die<br />

auf Rechts- <strong>und</strong> Steuerberatung für Unternehmen, Finanzinstitute <strong>und</strong><br />

Regierungen spezialisiert ist. Die intensive Zusammenarbeit zwischen<br />

Rechtsanwälten, Steuerberater <strong>und</strong> Notaren verschafft <strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong><br />

eine einzigartige Position im heimischen Markt, den Beneluxstaaten.<br />

International ist <strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> eine angesehene Beratungsfirma auf den<br />

Gebieten Steuerrecht, Gesellschaftsrecht, Finanz- <strong>und</strong> Kapitalmärkte,<br />

grenzüberschreitende Finanzierungen, Private Equity, Immobilien,<br />

Energien, europäisches Recht, Aufsichtsrecht, Umsatzsteuer <strong>und</strong><br />

Arbeitsrecht. Für die internationale Beratung unterhält <strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong><br />

enge Beziehungen mit führenden Anwaltskanzleien <strong>und</strong> Steuerberatern<br />

in Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika <strong>und</strong> im Fernen Osten.<br />

<strong>Loyens</strong> & <strong>Loeff</strong> beschäftigt weltweit mehr als 1.500 Mitarbeiter, davon 850<br />

Experten in den sechs Benelux-Büros <strong>und</strong> elf Niederlassungen in den<br />

bedeutendsten internationalen Finanzzentren.<br />

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