Living Archive_Cover_130523.indd - Benjamin Tiven

Living
Archive
Arsenal – Institut für Film und Videokunst

Living Archive

ISBN 978-3-942214-14-8
Lübbenerstr. 14
10997 Berlin
www.b-books.de

Living Archive
Archivarbeit als künstlerische
und kuratorische Praxis der Gegenwart
Archive Work as a Contemporary Artistic
and Curatorial Practice

Inhalt / Content
6 Grußwort
7 A word of greeting
9 What has happened to this film? (Deutsch)
Stefanie Schulte Strathaus
21 What has happened to this film? (English)
Stefanie Schulte Strathaus
32 Lasst hundert Living Archives blühen!
Madeleine Bernstorff
38 The Devil’s Blind Spot
John Blue
82 Das Geschäftsjahr 1978
Entuziazm
96 La Verifica Incerta
Harun Farocki
97 To begin with the Archive
Harun Farocki
98 Meridiane
Anselm Franke
102 If Sex Takes No Time
(Und Kein Lebendes Bild Ist)
Stephan Geene
40 Living Archive – Dying Archive
Oksana Bulgakowa / Dietmar Hochmuth
107 Riki Kalbe – 15 Filme (DVD)
Nanna Heidenreich
46 From bronze into celluloid
Filipa César
110 Gespenster der Freiheit
Tobias Hering
52 We Must Have Music!
– Listening to the Archive
Vaginal Davis
118 Plädoyer für eine kommunale,
kulturelle Filmarbeit
Merle Kröger
58 KEYwording
Madhusree Dutta / Ines Schaber
63 Film ohne Film
Martin Ebner
69 Shifting Grounds: Reflections on
National Identity in the Archive
Darryl Els
124 Pieces for the Archive I & II /
The Sounding Archive
Eunice Martins
128 Möglichkeitsraum (2/4/5)
Angela Melitopoulos
132 A Night at the Archive
Avi Mograbi
76 Vorwärts und nicht vergessen…
Heinz Emigholz
134 Kinoarchäologie
Sabine Nessel
4

140 Riddles of the Sphinx
Winfried Pauleit
202 Family Affairs
Dorothee Wenner
148 Virtwall
Joel Pizzini
208 A Shared Stage of Contingent Production
Ian White / Johannes Paul Raether
150 Replay: ANNA – Invisible Producers /
Appétit d’oiseau
Constanze Ruhm
160 Serious Ladies
Susanne Sachsse
163 Filme von Philip Scheffner: The Halfmoon
Files & Der Tag Des Spatzen
Nanna Heidenreich
168 Living Archive für Kinder, mit Kindern
Stefanie Schlüter
177 Das andere Spanien wird sichtbar
Sabine Schöbel
216 Versatile archives and cinematic friendships
Nicole Wolf
221 Also gehen sie und kaufen
Florian Wüst
226 Co-stars have once won the
Silver Bear for Best Actor
Ala Younis
232 Risse und Klebestellen
Florian Zeyfang
244 Teilnehmer / Participants
250 Filmografie / Filmography
186 Das Kino der Republiken
Marcel Schwierin
190 Stupid Structures, Happy Structures:
The Work of Ludwig Schönherr
Marc Siegel
196 Born to be alive
Senta Siewert
198 Now! (Extended) – A Copy in Motion
Participants of the lensbased class
at UdK Berlin facilitated by Hito Steyerl
283 Bildnachweise / Picture credits
284 Impressum / Imprint
285 Danke / Thanks
286 The living archive will be…
Die Texte der TeilnehmerInnen sind in der jeweiligen
Originalsprache abgedruckt (Deutsch oder Englisch).
Eine Übersetzung ist online erhältlich.
The texts by the participants are printed in their respective
original language (German/English). Translations are
available online.
Download-Link: Seite/page 283
5

Grußwort
Fünfzig Jahre nach seiner Gründung verfolgt das Arsenal eine Archivpolitik, die
über konventionelle Aufgaben weit hinausreicht. Selbstverständlich sind Fragen
der Konservierung, Digitalisierung oder Systematisierung des Bestandes auch
für das Arsenal fundamental. Aber eben nicht nur. Genauso wichtig ist, dass
dieses Archiv seine Deutungsmonopole aufgibt, dass es seine Türen aufschließt
und den Mut besitzt, Künstler, Kuratoren oder Wissenschaftler einzuladen,
damit diese ihre eigenen Perspektiven auf das Archiv zur Geltung bringen und
auf diese Weise neue und einzigartige Erkenntnisse produzieren helfen.
Ein lebendiges Archiv sucht Anschlüsse nach allen Seiten. Nicht weniger
als 41 Archiv-Erkunder nehmen an dem Projekt teil. Sie kommen aus den
USA, aus Indien, Südafrika, Israel, Brasilien, Jordanien, Großbritannien und
Deutschland. Von den 8.000 Filmen, die das Arsenal archiviert hat, wurden
im Rahmen dieses Projekts 1.100 neu gesichtet. Einige dieser Filme bilden
den Ausgangspunkt für Retrospektiven zur kubanischen, sowjetischen oder
chilenischen Filmgeschichte – Sammlungsschwerpunkte, die kulturpolitisches
Gewicht auch deswegen besitzen, weil mancher der in Berlin archivierten
Filme in den Herkunftsländern als verschollen gilt –, einige Filme fließen in die
Porträts unentdeckter Filmkünstler ein – die Regisseurin und Fotografin Riki
Kalbe zum Beispiel oder der Berliner Künstler Ludwig Schönherr –, die Gruppe
Entuziazm präsentiert eine Querschnittanalyse zum Archiv-Jahrgang 1978,
Eunice Martins entwickelt eine Kurzfilm-Klang-Komposition, Stefanie Schlüter
lädt Kinder zur Sichtung von Experimentalfilmen ein. Dorothee Wenner führt
Video-Interviews mit ehemaligen Mitwirkenden des Archivs und lässt auf diese
Weise einige der Wissens-Träger authentisch zu Wort kommen, darunter vor
allem die Mitbegründer und langjährigen Leiter des Arsenals und des Forums
der Berlinale, Erika und Ulrich Gregor.
Die Kulturstiftung des Bundes ist froh, ein Projekt fördern zu können, das nicht
einen neuen Weg zur Erschließung eines Filmarchivs eröffnet, sondern 37 Wege
oder Experimente, Forschungsreisen Schatzsuchen, die ins Innere des Archivs
führen und Zeugnis ablegen können von der immensen Bedeutung, die die
fünfzigjährige Arbeit des Arsenal für die Geschichte des Films in Deutschland
bis in die Gegenwart besitzt. Wir danken der künstlerischen Leiterin des
Projekts, Stefanie Schulte Strathaus, und ihren Arsenal-Vorstandskolleginnen
Milena Gregor und Birgit Kohler sowie allen Beteiligten für die Idee und die
Durchführung eines Projektes, mit dem die Zugänge zum Arsenal-Archiv
vielfältig und dauerhaft lebendig bleiben mögen.
Hortensia Völckers
Vorstand / Künstlerische Direktorin
Kulturstiftung des Bundes
Alexander Farenholtz
Vorstand / Verwaltungsdirektor
Kulturstiftung des Bundes
6

A word of greeting
Fifty years after its founding, the Arsenal is pursuing an archival policy that
extends well beyond the conventional tasks of an archive. Of course, conserving,
digitizing, or systematizing the holdings are also fundamental for the Arsenal.
But not just that. It is every bit as important that this archive relinquishes its
monopoly on interpretation, that it opens its doors and has the courage to invite
artists, curators, or scholars to exert their own perspectives on the archive, and
in this way to help produce new and unique findings.
A living archive seeks out connections on all sides. No less than 41 archival
explorers are taking part in the project. They come from the USA, from India,
South Africa, Israel, Brazil, Jordan, Great Britain, and Germany.
Of the 8,000 films that the Arsenal has archived, 1,100 have been viewed again
over the course of this project. Some of these films form the starting point for
retrospectives on Cuban, Soviet, or Chilean film history–focal points in the
collection that take on extra cultural-political weight because some of the
films archived in Berlin are considered lost in their countries of origin–some
of the films introduce portraits of undiscovered film artists–the director and
photographer Riki Kalbe, for example, or the Berlin artist Ludwig Schönherr–the
group Entuziasm is presenting a cross-section analysis on the archive-year 1978,
Eunice Martins has developed a composition for short films and sound, Stefanie
Schlüter has invited children to watch experimental films. Dorothee Wenner
has conducted video interviews with persons involved with the archive over
the years, letting those with insider knowledge have their say, above all the
co-founders and long-term directors of the Arsenal and the Berlinale’s Forum
section, Erika and Ulrich Gregor.
The German Federal Cultural Foundation is delighted to be able to support a
project that is not just opening one new way to access a film archive, but 37 ways
or experiments, research trips, or treasure hunts, which lead into the depths of
the archive and attest to the immense significance that the fifty-year-long work
of the Arsenal has for the history of film in Germany up to the present day. We
are grateful to the artistic director of the project, Stefanie Schulte Strathaus, and
her co-directors at the Arsenal, Milena Gregor and Birgit Kohler, as well as to all
the participants for the idea and realization of a project meant to promote diverse,
lasting, and living approaches to the Arsenal archive.
Hortensia Völckers
Executive Board / Artistic Director
German Federal Cultural Foundation
Alexander Farenholtz
Executive Board / Administrative Director
German Federal Cultural Foundation
7

Stefanie Schulte Strathaus
What has happened to this film?
„Das Arsenal ist keine Organisation, sondern ein Organismus.“
(Naum Kleemann, –> Dorothee Wenner, S. 202)
Por primera vez (Zum ersten Mal)
37 Künstler, Filmschaffende, Performer, Musiker, Kuratoren und Wissenschaftler,
sowie vier Stipendiaten des Goethe-Instituts hatten ein Projekt: Einzudringen in einen
Corpus an Material, das teilweise schwer entzifferbar vor ihnen lag, oder verborgen
im Geflecht einer Institution und hinter Interpretationen und Zuschreibungen kaum
noch aufzufinden war. Die Ausgrabungen veränderten das Material, aktivierten
aber auch sein Eigenleben. Aus dem Zusammenspiel dieser Bewegungsrichtungen
entstanden Bedeutungsebenen quer durchs Archiv, die nun weit darüber hinaus
verweisen: Altes wurde aufgearbeitet, Neues produziert, die Grenze zwischen alt und
neu wurde zum Gegenstand der Verhandlung. Die Produktivität machte nicht Halt am
Eingang des Kinos: Es entstanden Performances, Installationen, Soundarbeiten und
Forschungsprojekte.
Wie andere Archive sind auch Filmarchive Bewahrer von Dokumenten
einer historischen Zeit. Das den Objekten Gemeinsame beschreibt den
Sammlungsauftrag, der dem Archiv zugrunde liegt, und anhand dessen es
beurteilt wird.
Was jedoch, wenn es einen solchen Ursprung nicht gibt? Wenn das einzige
dokumentierte Sammlungskriterium, das auch nur auf sehr wenige Filme
zutrifft, das Kürzel „WPD“ (War plötzlich da) trägt? Wo kam es her? Warum ist
es geblieben? Wie hat es sich verändert? Was wie ein zufallsgesteuertes Prinzip
klingt, ist in Wahrheit ein augenzwinkernder Hinweis auf ein grundlegendes
Archivverständnis: eine Ansammlung von Objekten, die sich in einem
bestimmten Moment begegnet sind, aus Motiven heraus, die sich nur vermuten
lassen. Ihre Narrative werden immer die Geschichten derer sein, die sie
erzählen.
Vielleicht wie die des namenlosen Dichters in DAS WACHSFIGURENKABINETT
von Paul Leni (1924), der sich die Geschichten des Kalifen von Bagdad, Harun al-
Raschid, Iwan des Schrecklichen und Jack the Rippers ausdenkt.
9

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
DAS WACHSFIGURENKABINETT war der erste Film, den der 1963 gegründete
Verein „Freunde der Deutschen Kinemathek“ zur Aufführung brachte. Sein
Ziel war, die Filmbestände der kurz zuvor ins Leben gerufenen Deutschen
Kinemathek der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und mit Filmen anderer
Archive sowie mit zeitgenössischen Filmen zu kombinieren. Damit war ein
unendlicher Handlungsraum geschaffen, mit dem Filmgeschichte geschrieben
und umgeschrieben werden konnte.
Im gleichen Jahr endete in New York die Arbeit des wohl erfolgreichsten und
einflussreichsten Filmclubs weltweit: Cinema 16. Amos und Marcia Vogel, die
aus Wien vor dem Nationalsozialismus über Kuba nach New York geflohen
waren, hatten ihn von 1947 bis 1963 betrieben. Es war das erklärte Ziel dieses
Filmclubs, das Sehen und damit die Gesellschaft zu verändern. Dazu wurden
bis dato unbekannte Filme gezeigt, viele davon aus Europa, Dokumentar- und
Spielfilme, Lehrfilme, Stummfilme, frühe Avantgarde und amerikanischer
Underground, „ausgewählt und dialektisch angeordnet, so dass die Besonderheit
der einzelnen Filme im Vordergrund stand und gleichzeitig ein ,Meta-Film‘
geschaffen wurde, der ein tiefgreifendes Nachdenken über das Kino und
seine Funktion in der Gesellschaft in Gang setzte“. 1 Die Energie, die die
Programmgestalter, Zuschauer und Kritiker gemeinsam verspürten und selbst
hervorbrachten, schöpfte sich aus der Tatsache, dass es etwas Neues zu sehen
gab, etwas, das sämtliche Seh- und Denkgewohnheiten radikal veränderte.
Doch nicht jeder Avantgardefilm war gleich beim ersten Mal erfolgreich:
„Oh, you don’t like it?“ hieß es dann, „We’ll show it again.”
Im Jahre 1963 erschien die Aufgabe, das unabhängige Kino öffentlich
durchzusetzen in New York als vollbracht, nachdem viele der gezeigten Filme
inzwischen auch in anderen Kinos oder sogar im Fernsehen gezeigt wurden.
Diese Annahme war vielleicht etwas zu optimistisch: In seinem Buch Film as a
Subversive Art wurde sie 1974 von Amos Vogel selbst relativiert, als er anmerkte,
dass viele derjenigen, die subversive Filme machten, Theoretiker seien, die vor
allem gleichgesinnte Kritiker und Intellektuelle in ihren Bann gezogen hatten.
In Versalien fügte er hinzu: „BUT THE REAL QUESTION REMAINS: HOW TO
REACH THE MASSES ‘OUT THERE’ WITH FIVE HEAVY CANS OF 35 mm FILM
AND NOWHERE TO SHOW THEM?“
So begann auch ein weiterer Handlungsstrang in der Geschichte der „Freunde
der Deutschen Kinemathek“: Irgendwann in den 1960er Jahren reiste Jimmy
Vaughan, Mitarbeiter des New Yorker Filmemachers Lionel Rogosin, mit der
17 kg schweren 35-mm-Kopie seines Films COME BACK, AFRICA (1958)
(–> Darryl Els, S. 69) – heute ein Klassiker über die Apartheid-Politik in Südafrika –
durch Europa, auf der erfolglosen Suche nach einem Verleih. In Berlin bat er Erika
Gregor, sie bei ihr hinterlegen zu dürfen, in der Hoffnung, dass vielleicht etwas
10

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
damit geschehen würde. Das könne er, antwortete sie, wenn er ihn eigenhändig
auf ihren Berliner Hängeboden hieven würde. Von da aus geriet er zunächst
auf den Spielplan der „Freunde der Deutschen Kinemathek“ und anschließend
in andere Filmclubs und Kinematheken. Die Sammlungs- und Verleihtätigkeit
des Vereins, die später die Programme der Kommunalen Kinos prägte (–> Merle
Kröger, S. 118, –> Sabine Schöbel, S. 177), hatte begonnen.
Die konstitutive Bedeutung des „ersten Sehens“hatte sich auch in die
kubanische Filmgeschichte als Erkenntnismoment und damit als politischer
Akt eingeschrieben: Mit dem Gesetz zur Gründung des ICAIC, des Kubanischen
Instituts für Filmkunst und -industrie, begann kurz nach dem Sieg der
Revolution die Geschichte eines neuen kubanischen Filmschaffens. Die
Regierung schuf zum Zweck der „audiovisuellen Alphabetisierung“ der
Bevölkerung das „cine móvil“, um mittels Lastwagen, von Maultieren
gezogenen Fuhrwerken und Booten das Kino in die entlegensten Gegenden
der Insel zu bringen. Der 1967 entstandene Kurzfilm POR PRIMERA VEZ von
Octavio Cortázar zeigt, wie mit einem solchen mobilen Kino Bewohnern eines
abgelegenen Bergdorfs zum ersten Mal ein Film vorgeführt wird: Chaplins
MODERN TIMES. Zuvor werden sie danach befragt, wie sie sich das Kino
vorstellen. „Es muss ein Fest sein“, so eine Dorfbewohnerin, „und etwas sehr
Wichtiges.“ Versteht man die Geschichte des Kinos als eine Geschichte des
Sehens, so ist nicht nur dieser, sondern jeder Film ein Archiv sowohl seiner
eigenen, als auch der gesamten Kinogeschichte.
Weitere Erzählanfänge waren 1970 die Eröffnung eines eigenen Kinos in
Berlin-Schöneberg, benannt nach dem sowjetischen Stummfilm ARSENAL
von Alexander Dowshenko, 1971 die Durchführung des ersten Internationalen
Forum des Jungen Films 2 , 1973 das erste Internationale Frauenfilmseminar,
1989 der Mauerfall (–> Joel Pizzini, S. 148) und die anschließende Rettung von
Filmkopien aus den Beständen der abziehenden Sowjetarmee (–> Oksana
Bulgakowa/Dietmar Hochmuth, S. 40), 2000 die Neueröffnung am Potsdamer
Platz, 2006 die Erweiterung der Berlinalesektion Forum durch das Forum
Expanded, 2008 ein Relaunch und die Umbenennung des Vereins in Arsenal –
Institut für Film und Videokunst sowie über die Jahrzehnte verteilt unzählige
Sonderprojekte, Premieren, Filmreihen, Tagungen.
Die Sammlung wurde zu einem Spiegel kuratorischer Handschriften und
Interessen sowie internationaler Entwicklungen des unabhängigen Kinos. Stets
standen Filme im Blickpunkt, die den Entwicklungsprozess des Filmmediums
vorantreiben und neue gesellschaftliche Funktionen des Films sichtbar machen
sollten. Doch die Bedeutung dieses Anspruchs änderte sich ständig. War es in
den 1970er Jahren das New American Cinema, so prägte in den 1980er und
1990er Jahren die Entdeckung neuer Filmländer z.B. in Asien oder Afrika das
Programm. Dabei war es von Bedeutung, die Filme nicht nur für ein einmaliges
11

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
Ereignis nach Berlin zu holen, sondern sie darüber hinaus an möglichst vielen
Orten und in möglichst vielen Kontexten sichtbar zu machen und lebendig
zu halten. Aus diesem Grund wurden viele von ihnen deutsch untertitelt und
fanden damit Eingang ins Archiv.
Insbesondere durch die Arbeit des Forums vermehrte sich der Filmstock jedes
Jahr um bis zu 100 Filme häufig noch unbekannter Regisseure, darunter
Derek Jarman, Danièle Huillet/Jean-Marie Straub (–> Ala Younis, S. 226), Theo
Angelopoulos, Manoel de Oliveira, Andrej Tarkowskij, Nagisa Oshima, Otar
Iosseliani (–> Marcel Schwierin, S. 186), Park Kwang-Su, Chris Marker (–> Florian
Zeyfang, S. 232), Jonas Mekas, Michael Snow, Joyce Wieland, Mrinal Sen,
Mani Kaul, Hou Hsiao-Hsien, Ousmane Sembène, Alexander Sokurow, Jacques
Rivette, Marcel Ophuls, Laura Mulvey und Peter Wollen (–> Winfried Pauleit,
S. 140), Frederick Wiseman, Alberto Grifi (–> Harun Farocki, S. 96, –> Constanze
Ruhm, S. 150), Robert Kramer, Ulrike Ottinger, Yvonne Rainer, Helke Misselwitz,
Raymond Depardon, Kitlat Tahimik (–> Tobias Hering, S. 110). Um nur einige zu
nennen.
Die Filme begannen untereinander ein eigenes Netzwerk zu bilden.
Filmemacher erkannten das Aussagepotenzial einer solchen Sammlungspolitik,
bei der es nicht darum ging, Kapital zu vermehren, sondern Dialoge
herzustellen und lebendig zu halten. Sie wollten ihre Filme in der Nähe
bestimmter anderer Filme sehen, und übergaben sie deshalb der Sammlung. Aus
dem gleichen Grund hinterließ die 2001 verstorbene Berliner Filmemacherin
Riki Kalbe ihr filmisches Werk dem Arsenal (–> Nanna Heidenreich, S. 107).
Auch die New Yorker Plaster Foundation traf ihre Entscheidung auf der
Grundlage solcher Wahlverwandtschaftsverhältnisse, als sie dem Arsenal 2009
alle 16-mm-Filme der 20 Jahre zuvor verstorbenen queeren Underground-Ikone
Jack Smith überließ. So wurde nebenbei einem Wunsch des 1993 an den Folgen
von AIDS verstorbenen Arsenal-Mitarbeiters Alf Bold Rechnung getragen,
der in enger Verbundenheit mit Vertretern des New American Cinema eine
einzigartige Sammlung vorwiegend amerikanischer Avantgarde-Filme in die
Sammlung integriert hatte (–> Senta Siewert, S.196). Darauf aufbauend etablierte
er als einer der Ersten die Idee des Kuratierens von Kurzfilmprogrammen
unter Einbeziehung alter und neuer Filme, die sich nicht in erster Linie durch
Form oder Inhalt ähnelten, sondern selbst experimentelle Komposition oder
diskursive Praxis waren.
Bis heute finden auf diesem Weg noch Lebenswerke Eingang in die Sammlung,
wie das des Künstlers Ludwig Schönherr (–> Marc Siegel, S. 190), oder die
Ergebnisse nahestehender Projekte wie die Kurzfilmprogramme des Arab Shorts
Festivals, das ein Jahr vor und zwei Jahre nach dem Sturz Mubaraks
am Goethe-Institut in Kairo stattfand.
12

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
Stimmen aus der Vergangenheit: Das Archiv lebt!
2010 widmete sich die Deutsche Guggenheim aktuellen Positionen aus
Indien. Die Ausstellung „Being Singular Plural“ versammelte eine Gruppe
von Künstlern und Filmemachern, die innovative Positionen der indischen
Gegenwartskunst repräsentieren sollten. Die Ko-Kuratorin des Filmprogramms
und spätere Living-Archive-Teilnehmerin Nicole Wolf erinnert sich:
Während meiner Recherche über den politischen Dokumentarfilm in Indien kam mir
immer wieder ein Titel zu Ohren: KYA HUA IS SHAHAR KO? (What Has Happened
to this City?) von Deepa Dhanraj (1986). Der Film weckte also meine Aufmerksamkeit,
ohne dass ich ihn gesehen hatte. Die Filmemacherin selbst war sich nicht sicher, ob
ihre eigene 16-mm-Kopie noch vorführbar sei und sie selbst hatte den Film seit einigen
Jahren nicht mehr gesehen. Erst im Zuge meiner Recherche für das Filmprogramm
„Moving Politics. Cinemas from India“ stellte ich fest, dass eine Filmkopie von KYA
HUA IS SHAHAR KO? im Archiv des Arsenals existiert.
Die erste Sichtung des Films am Schneidetisch wurde zu einem wirklichen Film-
Ereignis, im Sinne des momentären Zusammentreffens zeitlicher Heterogenität. Die
Tatsache, dass ich einen Film sah, der für mich bislang nur aus Erinnerungen und
Gesprächen – mit der Filmemacherin und anderen Filmemachern, die den Film Mitte
der 80er gesehen hatten – und meinen daraus entwickelten Vorstellungen bestand,
entwickelte ein besonderes Potential. Gleichzeitig beeindruckte die enorme Aktualität
des Films genauso wie die Besonderheit der filmischen Verarbeitung von Gewalt,
Religion und Politik. (–> Nicole Wolf, S. 216)
Als das bekannt wurde, war dringender Handlungsbedarf geweckt. Der Film
musste gesichert werden. Er hatte im Arsenal überlebt, weil für das Forum 1988
eine untertitelte Kopie hergestellt worden war. Nun hatte aber die einzige noch
existierende Kopie, die als Original dienen musste, deutsche Untertitel. Wollte
man den Film auch für das Publikum in Indien wieder zugänglich machen,
waren sie störend. Dafür musste eine Lösung gefunden werden.
Wie viele Fälle wie KYA HUA IS SHAHAR KO? gab es wohl noch im Archiv?
Wie sollten sie ausfindig gemacht werden? Wie groß war der Handlungsdruck?
Im Zuge der Digitalisierung der Kinos, die diese Filme Jahrzehnte lang gespielt
hatten, mussten viele ihre 16-mm-Projektoren entsorgen. Der Verleih war fast
zum Stillstand gekommen. Gleichzeitig gab es ein wachsendes Interesse an
Filmen der 1970er, 80er und 90er Jahre von Seiten der Bildenden Kunst, im
Internet, in der jüngeren Filmwissenschaft und Fimvermittlung (–> Stefanie
Schlüter, S. 168). Was musste getan werden, um diesem Interesse nachkommen
zu können? Eine komplette Digitalisierung der Bestände war keine Option: Es
war weder finanzierbar, noch gab es Lösungen für die Datenspeicherung in so
großen Mengen. Da es nie einen Sammlungs- oder gar Archivierungsauftrag
gegeben hatte, sondern die Filme im Gegenteil viel gezeigt wurden, waren sie
13

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
abgespielt und als Ausgangsmaterial kaum brauchbar. Die Rechte waren ein
weiteres Problem: Bei 8.000 Filmen war davon auszugehen, dass man es mit
8.000 Einzelfällen zu tun hatte, die geklärt werden mussten, in vielen Fällen
waren andere Archive zuständig oder hatten auch schon gehandelt. Die vielen
Freundschaftsgesten der früheren Jahre konnten zum Problem werden: Hatte
ein Filmemacher in den 1970er Jahren dem Arsenal eine Kopie überlassen, so
geschah das häufig ohne schriftlichen Vertrag. Filmemacher mit Vertrag, denen
noch Jahre nach Ablauf der Vertragslaufzeit Lizenzanteile ausgezahlt wurden,
hatten einst die Rechte für die BRD und West-Berlin erteilt und häufig nur für
den Einsatz der einzigen vorhandenen Kopie, nicht aber für eine Digitalisierung,
von der damals noch niemand etwas ahnte. Ganz zu schweigen von den
Musikrechten, die in den 1980er Jahren niemanden interessierten.
Wo also anfangen? War es wirklich die Aufgabe des Arsenals, diese Filme zu
retten?
Irene ist viele 3
Wenn es so viele Filme gab, die unabhängig von ihrem Bekanntheitsgrad
an einem einzigen Ort versammelt und noch rein analog waren, dann
erzählten diese Filme nicht nur etwas über sich selbst. Sie erzählten die
Geschichte einer Westberliner Institution, ihr Verhältnis zur geschriebenen
und ungeschriebenen Filmgeschichte, zu anderen Menschen und Orten, zum
Rest der Welt. Die Sammlung vermochte das, was jener unbekannte Dichter
im WACHSFIGURENKABINETT einst tat: aus einem radikal subjektiven
Blickwinkel Geschichten bekannter Figuren erzählen.
Die Position dieses Blickwinkels fächerte sich unter all jenen auf, die durch
ihre Arbeit als Filmemacher oder Programmgestalter etwas zum Entstehen
der Sammlung beigetragen hatten. Die Ton-Steine-Scherben-Songzeile „Irene
ist viele“ aus einem Film von Helke Sander, der 1973 beim 1. Internationalen
Frauenfilmseminar gezeigt wurde, bezieht sich zwar auf das Verhältnis des
Privaten zum Politischen im Kampf der Frauenbewegung, doch leihen wir sie
an dieser Stelle gern aus: Mit Blick auf die Geschichte des Archivs und seiner
Institution waren Singular und Plural nicht mehr voneinander zu trennen.
Sie bildeten ein einziges Gemurmel, am Ende ein weißes Rauschen oder ein
revolutionärer Sprechchor. Ein großes Ganzes. Existierte der einzelne Film
überhaupt ohne diesen Bedeutungsüberschuss?
Die Aufgabe bestand darin, jenen Überschuss zu erzeugen, ihn zu durchdringen
und zu sehen, welche Filme er hervorbrachte. Kuratoren, Künstler und
Filmwissenschaftler, zu deren Produktionsprozess Archivrecherchen zählten,
stießen auf Filme, die als verschollen oder schwer zugänglich galten. War
es dann nicht sinnvoll, zur Archivaufarbeitung solche Produktionsprozesse
14

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
aktiv zu initiieren? Und zwar nicht nur einmal, sondern vielfach, am besten
unendlich oft, um die unzähligen Schnittstellen zwischen Gegenwart und
Geschichte zum Ausdruck zu bringen. Sie alle würden das erleben, was Wolf das
„Film-Ereignis“ nennt, sie würden die Energie nutzen, die daraus entsteht, dass
etwas zum ersten Mal gesehen wird, etwas, was vielleicht schon dem Vergessen
anheimgefallen war. POR PRIMERA VEZ.
Jene Filme, denen sie begegneten, würden auf den jeweiligen Handlungsbedarf
überprüft und gegebenenfalls restauriert, digitalisiert, vertraglich neu
zugänglich gemacht oder als DVD veröffentlicht. Gleichzeitig stünden
sie im Moment ihrer Wiederentdeckung nicht nur unmittelbar in einem
zeitgenössischen Kontext, sondern in einem Produktionszusammenhang, der
sie zu neuen Filmen werden ließ.
Das Arsenal lud 37 Filmemacher, Künstler, Performer, Musiker, Kuratoren,
Forschende und Autoren ein, von ihrer jeweiligen Perspektive ausgehend
im Archiv des Arsenals zu recherchieren und Projekte zu entwickeln.
Hinzu kamen mit Hilfe eines eigens vom Goethe-Institut eingerichteten
Stipendiatenprogramms Teilnehmer aus Indien, Südafrika, Jordanien und
Brasilien.
Insgesamt wurden 1.100 Filme gesichtet, an Schneidetischen oder einmal
monatlich mit Publikum auf der großen Leinwand. Es war für alle das
erste Sehen oder nach langer Zeit das erste Wiedersehen. Im Anschluss an
die Vorführungen gab es Zeit, das kollektive Wissen zusammenzutragen,
gemeinsam zu spekulieren oder öffentlich im Internet zu recherchieren.
Immer dabei: Erika und Ulrich Gregor, Mitbegründer und langjährige Leiter
der Institution, die nicht nur gelebte Geschichte verkörpern, sondern das
Gedächtnis des unabhängigen Kinos bilden, angefüllt mit dem Wissen, das
man nicht in den Regalen findet, schon gar nicht in den Datenbänken. Zwei
Jahre lang sprangen so die Teilnehmer und Zuschauer von Film zu Film, von
Geschichte zu Geschichte.
Die Filmemacherin Ulrike Ottinger, deren Gesamtwerk ebenfalls Teil
des Archivs ist, beschrieb einmal das sogenannte Stationenkino, das sie
zwischen dem Nomadischen und dem Sesshaften verortete: „Das Modell des
Stationenkinos bewegt sich und ermöglicht Kommunikation von Innen nach
Außen und von Außen nach Innen, was zu den verblüffendsten Ein- und
Aussichten führt. Es ist ein Modell, das auch die komplexesten Rück-Blicke und
Vor-Schauen erlaubt. Und es ist ein Kino, das zugleich die Ordnung und die
Anarchie der Bilder ermöglicht.“
Das Modell erinnert an das Kino des „neuen Archivars“, den Angela
Melitopoulos via Gilles Deleuze in das Projekt einführte: „Der neue Archivar
15

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
kündigt an, dass er nur mehr Aussagen berücksichtigen werde. Er wird sich
nicht mit dem befassen, dem auf tausenderlei Weise die Aufmerksamkeit der
früheren Archivare galt: den Präpositionen und den Sätzen. Die vertikale
Hierarchie der Präpositionen, die sich übereinander schichten, wird er ebenso
vernachlässigen wie das Nebeneinander der Sätze, in dem jeder Satz auf
einen anderen zu antworten scheint. Beweglich wird er sich in einer Art von
Diagonalen einrichten, die lesbar machen wird, was man anders nicht begreifen
konnte, eben genau die Aussagen. Eine atonale Logik? Es ist ganz normal, wenn
man hier eine gewisse Unruhe verspürt.“ 4 (–> Angela Melitopoulos, S. 128)
Nervous Cinema 5
Die Unruhe war groß, ständig. Zuerst waren es die Teilnehmer selbst, die
angesichts der Sammlung nervös wurden. Die Subjektivität eines jeden
Einzelnen beschrieb zwar eine grundsätzliche Position gegenüber dem Ganzen,
die der Entstehungsgeschichte der Sammlung entsprach, war aber doch
eine spezifische. Wie sollte man sich selbst in dieses dichte Gefüge anderer
subjektiver und vor allem: materialisierter Positionen einschreiben? Plötzlich
erschien um das Archiv herum doch so etwas wie eine kaum zu durchdringende
Hülle, die sich im veralteten, rudimentären Zustand der Datenbank zeigte,
in der Tatsache, dass sehr viele Untertitel und das Papierarchiv größtenteils
deutsch waren (–> Entuziazm, S. 82), aber nicht alle Teilnehmer deutschsprachig,
oder einfach in der Aura des Altgewordenen.
War dieser Bann jedoch einmal gebrochen, war es die Institution, die nervös
wurde. Überwältigt von einem Ozean vergessener Erinnerungen, die plötzlich
an die Oberfläche kamen und Handlungsbedarf hervorriefen, wurde deutlich,
dass die Verdrängung von Vergangenheit immer auch mit der Dosierung der
Gegenwart zu tun hatte.
Irene wurde immer mehr
Die Öffnung des Archivs zog auch andere an: So die Künstlerin Filipa César, die
in Guinea-Bissau auf ein Archiv mit Filmen und ungeschnittenem Material aus
der Zeit der Dekolonisierung gestoßen war. Es stellte sich heraus, dass im Archiv
des Arsenals eine Kopie des Films ACTO DOS FEITOS DA GUINÉ (Fernando
Matos Silva, Portugal 1981) lagerte (Forum 1981). Der Film ist eine Chronik
des Befreiungskampfes in Guinea-Bissau und enthält Material aus anderen
guineischen Filmen, das dort verlorengegangen ist. (–> Filipa César, S. 46)
Die Wiederentdeckung einiger Filme verlief also nicht nur entlang einer
historischen, sondern auch einer geopolitischen Linie. Schon 1999 initiierte
Heiner Roß eine Rückgabeaktion chilenischer Filme, die im Arsenal einst
Schutz vor der dortigen Diktatur fanden (–> Florian Wüst, S. 221). Aber auch
16

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
unter weniger repressiven Bedingungen haben weltweit viele Filme in ihren
Ursprungsländern nicht überlebt. Die digitale Technik macht es möglich, dass
durch Living Archive wiederentdeckte und restaurierte Filme wie KYA HUA IS
SHAHAR KO? oder ein feministischer Klassiker wie COMMITTED (1983)
von Sheila McLaughlin und Lynn Tillman (–> Heinz Emigholz, S. 76) nicht nur
Teil einer hiesigen Gegenwartskultur werden, sondern auch nach Indien, bzw.
in die USA zurückkehren und Lücken in der dortigen Filmgeschichtsschreibung
schließen, und damit neue Möglichkeitsräume öffnen können.
Jedes Projekt verzweigte sich und rief weitere Personen auf den Plan,
zunächst natürlich die in der Welt verstreuten Filmemacher, deren Filme
nun zum Gegenstand des Projekts wurden bzw. in manchen Fällen ihre
Nachlassverwalter. Einige luden Gastteilnehmer ein, wie zum Beispiel die
Gesprächspartner in Angela Melitopoulos’ Möglichkeitsraum-Veranstaltungen.
Auch die Zuschauer der öffentlichen Sichtung wurden zu Akteuren sowie
Studierende einzelner Teilnehmer (–> Sabine Nessel, S. 134, –> Hito Steyerl, S. 198),
technische Partner wie ARRI Film & TV Services und die Kornmanufaktur, die
in den Digitalisierungen des alten Materials eine spannende Herausforderung
erkannten. Die Perspektiven verzweigten sich ins Unendliche.
Living-Archive-Teilnehmer Anselm Franke (–> S. 98) äußerte sich im Rahmen
des Projekts Möglichkeitsraum der Teilnehmerin Angela Melitopoulos dazu,
dass die Gesellschaft der Amharen im Hochland von Bolivien, Peru und Chile
die räumliche Perspektive innehat, nach der „das, was wir kennen, sichtbar
vor unseren Augen, die Zukunft jedoch für uns nicht sichtbar hinter unserem
Rücken liegt“. Während er sprach, saß er zwischen den Regalen im Filmlager, das
unmittelbar hinter dem Kinosaal untergebracht ist. Von dort wurde seine Rede
auf die Leinwand übertragen.
Nicht wenige Projekte gingen noch weiter, verließen das Kino ganz und
verlagerten sich in den Ausstellungsraum und auf die Bühne. Die Arbeiten
reichen von ausgestelltem Archivmaterial (Entuziazm) über Video- und
Objektinstallationen (–> Susanne Sachsse, S. 160, Constanze Ruhm, Florian
Zeyfang, Sabine Nessel, Klasse Hito Steyerl) über Performances (–> Vaginal Davis,
S. 52, –> Ian White/Johannes Paul Raether, S. 208, –> Stephan Geene, S. 102) und
Soundinstallationen (–> Eunice Martins, S. 124) und Konzerte (–> John Blue, S. 38).
Entscheidend ist dabei nicht der multimediale, sondern der multiperspektive, der
zerstreuende und multiplizierende Ansatz. Der Blick aus dem Ausstellungsraum
auf das Kino bietet die Chance, es ganz neu zu entdecken. Was zunächst wie eine
Entfernung vom Gegenstand erscheint, bricht das Medium Film bei genauerem
Hinsehen auf seine Grundbestandteile herunter: Material und Bewegung
– Raum und Zeit. Aus diesen Grundelementen wiederum etwas Neues
herzustellen, was dem jeweiligen Umfeld standhält, ist eine Herausforderung,
die institutionskritisches Potenzial besitzt.
17

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
Hier verbarg sich ein weiterer Grund zur Nervosität: Die Filme, die die Teilnehmer
an die Oberfläche holten, waren zum Teil nicht mehr die, an die die
Institution sich erinnerte. Waren die künstlerischen und kuratorischen Projekte
dazu gedacht, einen konstruktiven Dialog zwischen Filmgeschichte und
Gegenwart herzustellen, der beides neu erfand, bedeutete das zuweilen, dass sie
der bislang gültigen Erinnerung entrissen wurden. So entziehen Martin Ebners
Objekte, die zum Plakatmotiv des Projekts wurden, den zugrunde liegenden
Film THE EVIL FAERIE (Fluxfilm Nr. 25) von George Landow (1966) ganz der
Erkennbarkeit (–> Martin Ebner, S. 63). Die Grenzen zwischen Kontextualisierung,
Umdeutung, Abstraktion und Neuproduktion, sind verschwommen. Vor diesem
Hintergrund erscheint jeder Film neu und kann so in seiner Eigentümlichkeit
und Historizität erkannt werden. 2004 stritt Owen Land (ehemals George
Landow) in einem Interview die Autorenschaft für THE EVIL FAERIE sogar ab:
„George Macunias had a number of films which didn‘t have titles on them. Then
he put them together into his Fluxus reel and tried to remember who made them.
It was an intentional Fluxus joke“. 6
Wenn auch „WPD“ das einzige Sammlungskriterium zu sein scheint, das schon
aus Gründen des Vergnügens am Gossip bis heute einigen Filmen anhaftet, so
lohnt es sich dennoch, auf datierte Kriterien, nach denen Filme einst geordnet
wurden, zurückzublicken. Mit Hinweis darauf, dass es in Indien keine tief
unterkellerten Gebäude gibt, wies uns die Teilnehmerin Madhusree Dutta aus
Bombay gleich bei ihrer Ankunft darauf hin, dass der Begriff „Underground“ ein
sehr westlicher ist. Dies hat sie gemeinsam mit Ines Schaber zum Ausgangspunkt
zu einer Serie von Heften genommen, die sich der konstitutiven Begrifflichkeit
von Filmarchiven widmen. (–> Madhusree Dutta/Ines Schaber, S. 58)
Unser Bezugsrahmen reicht deshalb von diesen Begrifflichkeiten, die unser
Denken geprägt haben, über die programmatische Dialektik des Cinema 16, das
untrennbar mit der Geschichte des New Yorker Undergrounds verbunden ist,
über den Blick auf das Kino aus der Perspektive einer Kunstinstitution wie den
KW Institute for Contemporary Art, bis hin zu den Ideen einer in Gründung
befindlichen Cimatheque in Kairo 7 , die gleichzeitig Produktionsstätte, Kino
und Filmarchiv sein wird, alle drei Aspekte aufeinander aufbauend, um neue
Narrative zu ermöglichen. Sie und viele andere (–> Madeleine Bernstorff, S.
32) sind Mitgestalter eines offenen, institutionellen Rahmens, der nur so dem
Gegenstand Film gerecht werden kann.
Das vorliegende Buch ist eine Sammlung von Texten und Bildern der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekts. Es stellt Projekte vor, die ein
lebendiges Filmarchiv aufscheinen lassen, das in dieser Form nie vorher
existierte, obwohl die Filme, die die kommentierte Filmografie enthält, vor
Projektbeginn fast alle schon vorhanden waren (–> Avi Mograbi, S. 132).
Selten konnte sich etwas scheinbar historisch Abgeschlossenes so frei in der
18

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
Gegenwart neu erfinden und genau dadurch wieder festigen. Wir danken
allen Beteiligten dafür, dass sie sich auf eine ungewöhnliche und langwierige
Aufgabe eingelassen haben: frei in der Wahl ihrer Projekte, aber unter der Last
von 56.311,30 Kilogramm Film und ebenso viel mündlicher Überlieferung sowie
umgeben vom Alltag einer Institution, einen Platz finden zu müssen, etwas
Neues zu schaffen und dabei Verantwortung für das Material und seine
Umgebung mit zu übernehmen. Wir danken auch Ellen Blumenstein und dem
KW Institute for Contemporary Art für ihre Bereitschaft, gemeinsam mit uns
institutionelle Grenzen neu zu verhandeln.
Im Rahmen der 38 Living Archive Projekte wurden 30 Filme digitalisiert oder
erneuert, 25 davon als DVD veröffentlicht, weitere werden folgen. Ein solches
Projekt kann niemals abgeschlossen sein: Eine zweite Publikation ist
in Vorbereitung. Sie wird Texte enthalten, die die Fragen, die sich heute stellen,
weiter verfolgen, umschreiben, oder ergänzen.
Unserer besonderer Dank gilt der Kulturstiftung des Bundes, insbesondere
Hortensia Völckers, sowie der Stiftung Deutsche Klassenlotterie für ihr
Vertrauen und ihre Unterstützung eines Projekts, das bei Antragstellung vor
allem eins war: ein großes Experiment. Einmal fragte eine Journalistin:
„Wird das ,Living Archive‘ die Institution verändern?“ Wäre das nicht passiert,
wäre das Experiment gescheitert. Aber es ist geglückt.
1 Vorwort von Scott MacDonald, in Amos Vogel: Film as a Subversive Art, D.A.P. / C. T. Editions, 2005,
übers. von der Autorin.
2 1971 fand – organisiert von den Freunden der Deutschen Kinemathek – das erste Internationale
Forum des Jungen Films statt, dessen Gründung auf die Krise der Berliner Filmfestspiele im Jahr
1970 zurückging, als Auseinandersetzungen um die Aufführung von Michael Verhoevens filmischer
Vietnamkriegsparabel O.K. zum Abbruch des Festivals führten. Um es anschließend zu reformieren, sollte
das Forum unter der Leitung von Ulrich Gregor dem künstlerischen und unabhängigen Film eine neue
Plattform bieten.
3 Songzeile aus EINE PRÄMIE FÜR IRENE (Helke Sander, BRD 1971)
4 „Ein neuer Archivar“, in: Gilles Deleuze/Michel Foucault: Der Faden ist gerissen, Berlin 1977, S. 59-85.
5 Nach den Nervous System Performances von Ken Jacobs
6 „Owen Land, Interview mit Mark Webber“, 2004, in: Mark Webber, Two Films by Owen Land, LUX
(London) und Österreichisches Filmmuseum (Wien), 2005.
7 Die Teilnehmerin Ala Younis veröffentlicht ihre Projektergebnisse in einer Ausgabe der „Cahiers de
la Cimatheque“ und markiert damit den Beginn einer langfristig angelegten Partnerschaft zwischen dem
Arsenal und der Cimatheque.
19

What has happened to this film?
Stefanie Schulte Strathaus
“The Arsenal isn’t an organization, it’s an organism.”
(Naum Kleemann, & –> Dorothee Wenner, p. 202)
Por primera vez (For the first time)
37 artists, filmmakers, performers, musicians, curators, and scholars, as well as
four awardees from the Goethe Institute had a project: to burrow into a body of
material that was in part difficult to decipher or was concealed within the structures
of an institution, almost impossible to find behind previous interpretations and
attributions. The material got changed in the process of digging it all up, but it also
got a life of its own. Levels of meaning began to arise out of the interplay of these
directions of movement, and these levels extend well beyond the archive. The old
was reclaimed, producing something new, the boundary between old and new
became the object of negotiation. And the productivity didn’t stop at the doors to the
cinema. Films, performances, installations, sound works, publications, DVDs, and
research projects.
Film archives, like all archives, present documents from a historical period.
What the objects have in common is the mandate that forms the basis for the
collection, and the criterion by which it can be judged.
But what if there is no such origin? If the only documented criterion for
collecting, and one that only applies to very few films, bears the acronym “WST”
(was suddenly there)? Where did it come from? Why did it stay here? How has
it changed? What sounds like a principle of randomness is in reality a wink to
the fundamental understanding of the archive: an accumulation of objects that
came together at one particular moment, for reasons that can only be speculated
about. Their narratives are always the stories of those who are telling them.
Perhaps like that of the nameless poet in WAXWORKS by Paul Leni (1924), who
thinks up stories about the caliph of Baghdad, Harun al-Rashid, Ivan the Terrible,
and Jack the Ripper. WAXWORKS was the first film screened by the association
“Freunde der Deutschen Kinemathek,” which was founded in 1963. Its goal
was to give public access to the film holdings of the recently created Deutsche
21

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
Kinemathek, combined with films from other archives as well as contemporary
films. This opened up an infinite playing field, where film history could be
written and rewritten.
In New York in the same year, the most successful and influential film club in the
world came to an end: Cinema 16. Amos and Marcia Vogel, who had fled National
Socialism from Vienna via Cuba to New York, had run it from 1947 to 1963. The
stated goal of the film club was to change how we see, and thus to change society.
To accomplish this, they showed films that were not yet known, many of them
from Europe, documentary and fiction films, educational films, silent films, early
avant-garde and American underground, “chosen and arranged dialectically so
as to foreground the distinctiveness of the individual films and create a ‘metafilm’
that would spark sustained thinking about cinema and its function in
society.” 1 The energy that the programmers, spectators, and critics collectively
sensed and generated themselves was drawn from the fact that there was
something new to be seen, something that radically changed everything we
were used to seeing and thinking. But not every avant-garde film was successful
right away: “Oh, you don’t like it?” was met with “We’ll show it again.”
In 1963, the task of making independent cinema visible to the public seemed
to have been achieved, after many of the films had since been shown in other
cinemas or even on television.
This assumption was perhaps a bit too optimistic. In his 1974 book Film as a
Subversive Art, Amos Vogel himself quanlified this by noting that many of
those who made subversive films were theorists, who above all had brought
like-minded critics and intellectuals under their spell. In all caps he added:
“BUT THE REAL QUESTION REMAINS: HOW TO REACH THE MASSES ‘OUT
THERE’ WITH FIVE HEAVY CANS OF 35mm FILM AND NOWHERE TO SHOW
THEM?”
Then another line of action began in the history of the “Freunde der Deutschen
Kinemathek.” Sometime during the 1960s, Jimmy Vaughan, a colleague of the
New York filmmaker Lionel Rogosin, traveled through Europe with the 17kg
heavy 35mm print of his film COME BACK AFRICA (1958) (–> Darryl Els, p. 69)–
today a classic about the politics of apartheid in South Africa–unsuccessfully
searching for distribution. In Berlin he asked Erika Gregor if he could leave
the film with her in the hopes that perhaps something would happen with it.
He could, she answered, if he would haul it up to her Berlin loft himself. From
there, it first landed on the program of the “Freunde der Deutschen Kinemathek”
and then in other film clubs and cinematheques. The process of collecting
and distributing, which would subsequently have a big influence on the
programming of the “Kommunale Kinos“ (–> Merle Kröger, p. 118,
–> Sabine Schöbel, p. 177), had begun.
22

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
The constitutive meaning of the “first sight” had been inscribed in Cuban
film history as a moment of awareness and thus as a political act. With the
statute founding the ICAIC, the Cuban Institute of Cinematographic Art and
Industry, shortly after the victory of the revolution, the history of a new Cuban
filmmaking began. With the goal of increasing the population’s ‘audiovisual
literacy,’ the government created the “cine móvil” to bring cinema to the most
remote areas of the island by means of trucks, mule-drawn wagons, and boats.
The 1967 film POR PRIMERA VEZ by Octavio Cortázar shows a film, Chaplin’s
MODERN TIMES, being screened for the first time to the inhabitants of an
isolated mountain village by means of such a mobile cinema. Beforehand the
people are asked what they imagine cinema to be. “It must be like a party,” says
one of the women there, “and something very important.” If we understand the
history of cinema as a history of seeing, not just this, but every film is an archive
both of its own history and of cinema history as a whole.
Further beginnings included the opening of the association’s own cinema in
1970 in Berlin-Schöneberg, named after the Soviet silent film ARSENAL by
Alexander Dovshenko, the instigation in 1971 of the first International Forum of
Young Film, 2 the first International Women’s Film Seminar in 1973, the fall of the
Berlin Wall in 1989 (–> Joel Pizzini, p. 148) and the subsequent rescue of the film
prints from the holdings of the withdrawing Soviet army (–> Oksana Bulgakowa/
Dietmar Hochmuth, p. 40), the opening of the new location at Potsdamer Platz in
2000, the expansion of the Forum section of the Berlin Film Festival by Forum
Expanded in 2006, a relaunch in 2008 under a new name, Arsenal – Institute
for Film and Video Art, as well as innumerable special projects, premieres, film
series, and conferences spread out over the decades.
The collection became a mirror of curatorial signatures and interests as well as
international developments in independent cinema. The focal point was always
films that were meant to further the developmental process of the medium of
film and to make visible the new social functions of film. But the meaning of this
requirement was constantly changing. If in the 1970s it was the New American
Cinema, the program in the 1980s and 1990s was marked by the discovery of
new film lands, for instance in Asia or Africa. It was also important not only to
bring the films to Berlin for a one-off screening, but furthermore to make them
visible and to keep them alive at as many locations and contexts as possible. For
this reason, many of them were provided with German subtitles and thus found
their way into the archive.
Particularly through the work of the Forum, the film stock has been increased
each year by up to 100 new films, often by still unknown directors, including
Derek Jarman, Danièle Huillet/Jean-Marie Straub (–> Ala Younis, p. 226), Theo
Angelopoulos, Manoel de Oliveira, Andrej Tarkowskij, Nagisa Oshima, Otar
Iosseliani (–> Marcel Schwierin, p. 186), Park Kwang-Su, Chris Marker
23

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
(–> Florian Zeyfang, p. 232), Jonas Mekas, Michael Snow, Joyce Wieland, Mrinal
Sen, Mani Kaul, Hou Hsiao-Hsien, Ousmane Sembène, Alexander Sokurow,
Jacques Rivette, Marcel Ophuls, Laura Mulvey and Peter Wollen (–> Winfried
Pauleit, p. 140) Frederick Wiseman, Alberto Grifi (–> Harun Farocki, p. 96,
–> Constanze Ruhm, p. 150), Robert Kramer, Ulrike Ottinger, Yvonne Rainer,
Helke Misselwit, Raymond Depardon, Kitlat Tahimik (–> Tobias Hering, p. 110).
Just to name a few.
The films began to form a network of their own amongst themselves.
Filmmakers recognized the expressive potential of such a collection policy, in
which it is not about proliferating capital, but of creating and maintaining
dialogue. They wanted to see their films in proximity with certain other films,
and for this reason they turned them over to the collection. This was the reason
behind filmmaker Riki Kalbe’s decision to leave her film work to the Arsenal
on her death in 2001 (–> Nanna Heidenreich, p. 107). The New York Plaster
Foundation also had such chosen affinities in mind in their 2009 decision to
leave to the Arsenal all the 16mm films by the queer underground icon Jack
Smith, who had died 20 years earlier. This also granted of a wish of the Arsenal
employee Alf Bold, who himself had died of complication from AIDS in 1993, and
who, due to his close association with member of the New American Cinema,
had integrated a unique collection of primarily American avant-garde films into
the collection (–> Senta Siewert, p. 196). Building on this, he was one of the first
to establish the idea of curating short film programs by including old and new
films, which did not resemble one another primarily in terms of form or content,
but which themselves were experimental compositions or discursive practices.
To this day, complete oeuvres find their way into the collection in just this way,
such as that of the artist Ludwig Schönherr (–> Marc Siegel, p. 190), or the results
of related projects such as the short film program of the Arab Shorts Festival,
which took place annually at the Goethe Institute in Cairo one year before and
two years after the overthrow of Mubarak.
Voices from the Past: The Archive is alive!
In 2010 the Deutsche Guggenheim focused on current artistic positions from
India. The exhibition “Being Singular Plural” brought together a group of artists
and filmmakers who were meant to represent innovative positions in Indian
contemporary art. The co-curator of the program and later Living Archive
participant Nicole Wolf remembers:
During my research on political documentary films in India, I kept hearing the title
of one particular film over and over again: KYA HUA IS SHAHAR KO? (What Has
Happened to this City?) by Deepa Dhanraj (1986). I became curious about the film
without ever having seen it. The film’s director wasn’t sure if her own 16 mm print
24

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
could still be screened and she herself hadn’t seen the film for quite a few years. Only
in the course of my research for the film program “Moving Politics: Cinemas from
India” did I realize that a print of KYA HUA IS SHAHAR KO? existed in the archive at
the Arsenal.
The first viewing of the film at the editing table was a real film experience, in the sense
of the heterogeneity of time coming together in a single moment. The fact that I was
seeing a film that had so far only consisted of memories and conversations–with the
filmmaker and other filmmakers that had seen the film in the mid ‘80s–and of the
ideas that had developed in my head out of all of this, gave rise to a special potential.
At the same time, the enormous timeliness of the film made a strong impression, as
did the cinematic treatment of violence, religion, and politics. (–> Nicole Wolf, p. 216)
When we became aware of this, it pointed to an urgent need for action. The film
had to be preserved. It had survived in the Arsenal because a subtitled print had
been made for the Forum in 1988. Now the only existing print, which would
have to serve as an original, had German subtitles. If it was to be made available
again, both for an Indian audience and for an international one, they would be
distracting. A solution would have to be found.
How many cases like KYA HUA IS SHAHAR KO? were there in the archive?
What was the best way to find out? How great was the need to act? Over the
course of switching over to digital projection, many of the cinemas that had
screened this film over the decades had had to get rid of their 16mm projectors.
Distribution had almost come to an end. At the same time, there was a growing
interest in films from the 1970s, ’80s, and ‘90s from the side of the visual arts, on
the internet, and on the part of younger film scholars and film educators
(–> Stefanie Schlüter, p. 168). What would have to be done to be able to comply
with this interest? An overall digitization of all the holdings was not an option.
It was neither financially feasible, not were there solutions for saving data in
such large quantities. Since there had never been a mandate for the collection
of even for the archive, and instead the films had been shown quite a lot,
they were worn out and no longer usable as base material. The rights were
another problem. For 8,000 films it was to be assumed that it was a matter of
8,000 individual cases that had to be resolved; in many cases other archives
were responsible or had already negotiated the rights. The many gestures of
friendship from the early years might become a problem. When filmmakers
left a print to the Arsenal in the 1970s, this often happened without any formal
contract. Filmmakers with contracts, whose portion of royalties had been paid
out even years after the contract expired, had previously granted rights for West
Germany and West Berlin and often only for the use of the particular existing
copy, but not for digitization, which no one even imagined at the time. Not to
mention music rights, which no one thought about at all in the 1980s.
So where to begin? Was it really the Arsenal’s task to save these films?
25

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
Irene ist many 3
If there were so many films that, independently of how well they were known,
had been collected at a particular place and were still purely analogue, then these
films would not only have something to say about themselves. They would also
tell the history of a West Berlin institution, its relation to written and unwritten
film history, to other people and places, to the rest of the world. The collection
would be able to do what that unknown poet in WAXWORKS once did: to tell
stories about familiar characters from a radically subjective point of view.
The position of this point of view fans out over all those whose work as
filmmakers or programmers had contributed something to the emergence of the
collection. The line “Irene is viele” [“Irene is many” ] from a song by the band Ton
Steine Scherben, which was used in a film by Helke Sander that was shown at
the first International Women’s Film Seminar, in fact refers to the relationship
between the personal and the political in the struggle of the women’s movement,
but we are happy to borrow it here to a different end. In view of the history of
the archive and its institution, singular and plural could no longer be separated
from each other. They formed a single murmur, at the end of white noise or a
revolutionary group speaking in chorus. A great big whole. Does the single film
exist at all without this overflow of meaning?
The task consisted in producing this overflow, of permeating it, and of seeing
which films it emphasizes. Curators, artists, and film scholars who used archival
research as part of their production process came across films that had been
considered lost or difficult to access. Didn’t it make sense, then, actively to
initiate such production processes so as to overhaul the archive? And not just
once, but many times, for preference infinitely, in order to give expression to
the innumerable interfaces between the present and history. They would all
experience what Wolf calls a “real film experience,” they would use the energy
that arose from it, from seeing something for the first time, something that
perhaps had already fallen prey to forgetting. POR PRIMERA VEZ.
Those films they encountered would be checked in each case, and if necessary
restored, digitized, have contracts renewed, or published as a DVD. At the same
time, they not only stood directly in a contemporary context at the moment of
their rediscovery, but in a production context that allowed them to become new
films.
The Arsenal invited 37 filmmakers, artists, performers, musicians, curators,
researchers, and writers to do research in the Arsenal archive and to develop
projects from their particular perspectives. Thanks to the aid of a grant program
set up by the Goethe Institute, they were joined by participants from India, South
Africa, Jordan and Brazil.
26

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
Alltogether 1,100 films have been viewed, at editing tables, or once a month
in public on a big screen. It was the first viewing for everyone or the first
re-viewing after a very long time. Following the screenings, there was time
to assemble the collective knowledge, to speculate together, or to research
publicly in the internet. Always on hand: Erika and Ulrich Gregor, cofounders
and long-term directors of the institution, who not only embody
lived history, but form the memory of independent cinema, charged with the
knowledge that you cannot find on bookshelves, not to speak of databanks.
For two years, the participants and spectators jumped from film to film, from
story to story.
The filmmaker Ulrike Ottinger, whose entire body of work is also part of the
archive, once described what she called station cinema, located between the
nomadic and the sedentary: “The model of station cinema moves and allows
communication from the inside outwards and from the outside inwards, which
can lead to the most astonishing insights and views. It’s a model that allows
for even the most complex looks back and ahead. And it’s a cinema that at the
same time makes the ordering and anarchy of images possible.”
The model is reminiscent of the cinema of the “new archivists,” which Angela
Melitopoulus introduced into the project by way of Gilles Deleuze: “The new
archivist proclaims that henceforth he will deal only with statements. He will
not concern himself with what previous archivists have treated in a thousand
different ways: propositions and phrases. He will ignore both the vertical
hierarchy of propositions which are stacked on top of one another, and the
horizontal relationship established between phrases in which each seems to
respond to another. Instead he will remain mobile, skimming along in a kind
of diagonal line that allows him to read what could not be apprehended before,
namely statements. Is this perhaps an atonal logic? It is natural for us to have
misgivings.” 4 (–> Angela Melitopoulos, p. 128)
Nervous Cinema 5
The misgivings were many, constantly. At first it was the participants
themselves, who got nervous when faced with the collection. The subjectivity
of each individual in fact described a fundamental position in relation to the
whole, which corresponded to the history of how the collection emerged, but
was nonetheless specific to each case. How to inscribe oneself into this dense
network of other subjective and above all materialized positions? Something
suddenly appeared around the archive that was like a shell that was hard
to penetrate, that showed itself in the outmoded, rudimentary condition of
the databank, in the fact that many of the subtitles and most of the written
material in the archive were in German (–> Entuziazm, p. 82), but not all of the
participants could speak German, or merely in the aura of getting old.
27

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
Once this spell was broken, it was the institution that got nervous. Overwhelmed
by an ocean of forgotten memories that suddenly rose to the surface
and called for action, it became clear that the suppression of the past always had
something to do with the apportioning of the present as well.
Irene was becoming more and more.
The opening of the archive pulled in others, such as the artist Filipa César, who
had come across an archive in Guinea-Bissau of films raw and footage from the
period of decolonization. It turned out that a print of the film ACTO DOS FEITOS
DA GUINÉ (Fernando Matos Silva, Portugal 1981) was stored in the Arsenal
archive. The film is a chronicle of the liberation struggle in Guinea-Bissau and
contains material from other Guinean films that had gone lost there.
(–> Filipa César, p. 46)
The rediscovery of some of the films therefore not only followed a historical line,
but also a geopolitical one. Already in 1999, Heiner Roß had initiated an action to
return films to Chile that had once been placed in the Arsenal as protection from
the dictatorship there (–> Florian Wüst, p. 221). But even under less repressive
conditions, many films all over the world have not survived in their countries
of origin. Digital technology makes it possible for rediscovered and restored
films such as KYA HUA IS SHAHAR KO? or a feminist classic such as Shelia
McLaughlin and Lynne Tillman’s COMMITTED (1983) (–> Heinz Emigholz, p.
76) not only to become part of contemporary culture here in Berlin, but also to
return to India or the US, closing the gaps in the writing of film history there, and
therefore also opening up new spaces of possibility.
Every project branched out and brought in more people to the plan, at first of
course the filmmakers, spread out all over the world, whose films were now the
object of the project, or in some cases, the executors of their estates. Some invited
guests, such as the discussants in Angela Melitopolous’s Möglichkeitsraum events.
Even the spectators at the public screenings become active agents, as well as the
students of the individual participants, (–> Sabine Nessel, p. 134, –> Hito Steyerl,
p. 198), technical partners such as ARRI Film & TV Services and Kornmanufaktur,
who saw the digitization of the old material as an exciting challenge. The
perspectives started branching out into infinity.
Living Archive participant Anselm Franke (–> , p. 98) commented during the
project “Möglichkeitsraum” by participant Angela Melitopolous, that the people of
Amharen in the highlands of Bolivia, Peru, and Chile have internalized a spatial
perspective according to which “what we know lies visibly before us, but the
future, which is not visible, lies behind us.” While he was speaking, he was sitting
among the shelves at the film storage space, which is housed immediately behind
the movie theater. What he said was transmitted from there to the screen outside.
28

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
More than a few of the projects went even further, abandoned the cinema
completely and relocated into the exhibition space and on stage. The works
range from exhibited archival material (Entuziazm) and video and object
installations (–> Susanne Sachsse, p. 160, Constanze Ruhm, Florian Zeyfang,
Sabine Nessel, Klasse Hito Steyerl) to performances (–> Vaginal Davis, p. 52,
–> Ian White/Johannes Paul Raether, p. 208, –> Stephan Geene, p. 102) and
sound installations (–> Eunice Martins, p. 124) and concerts (–> John Blue, p. 38).
The important thing is not the multimedial quality of the approach, but the
multiperspectival, the dispersing, and the multiplying one. The view from the
exhibition room to the cinema provides an opportunity to discover it anew.
What initially seems like a distantiation from the object on closer inspection
breaks the medium of film down to its basic components: material and
movement–space and time. To create something new in turn from these basic
elements, which can hold up to the surroundings in each case, is a challenge that
contains within it the potential for institutional critique.
Now there was another reason to get nervous. The films, which the participants
were bringing to the surface, were in part no longer the films that the
institution remembered. If the idea behind the artistic and curatorial projects
was to create a constructive dialogue between film histories and the present,
which would reinvent both, this sometimes meant that they were wrested
away from the memory that had been in place. So Martin Ebner’s objects, which
became the theme of the project poster, entirely elude recognition as being
based on the film THE EVIL FAERIE (Fluxfilm Nr. 25) by George Landow (1966).
(–> Martin Ebner, p. 63) The borders between contextualization, reinterpretation,
abstraction, and new production got blurred. Against this background, every
film appears anew and can thus be recognized for its uniqueness and historicity.
In 2004 Owen Land (formerly George Landow) even disavowed authorship of
THE EVIL FAERIE in an interview: „George Macunias had a number of films
which didn‘t have titles on them. Then he put them together into his Fluxus reel
and tried to remember who made them. It was an intentional Fluxus joke“. 6
If “WST” seems to be the only criterion for collection, so that, even out of the
pure pleasure of gossip, certain films have been kept to this day, it is nonetheless
worth looking back at the dated criteria according to which the films were once
organized. Participant Madhusree Dutta from Mumbai pointed out that in India,
buildings are not constructed with deep cellars, and so the term “underground”
is very western. Together with Ines Schaber, she took this as the starting point
for a series of booklets dedicated to the terminology used to constitute film
archives. (–> Madhusree Dutta/Ines Schaber, p. 58)
Thus, our frame of reference reaches from this termonology which shaped
our way of thinking, the programmatic dialectics of Cinema 16, which is
inseparably associated with the history of the New York underground, to the
29

STEFANIE SCHULTE STRATHAUS
view of cinema from the perspective of an art institution like the KW–Institute
for Contemporary Art, and up to the ideas of Cimatheque in Cairo 7 , which is in
the process of being founded, and which will simultaneously be a production
facility, cinema, and film archive. All three aspects will be built on top of one
another to facilitate new narratives. They and many others (–> Madeleine
Bernstorff, p. 32) are all co-creators of an open institutional framework that can
only do justice to the object film as such.
This book is a collection of texts and images by the project’s participants. It
presents projects, which allow for a living film archive to shine through. One
which has never existed before in this form, although the films contained in the
annotated filmography were almost all in existence before the project began
(–> Avi Mograbi, p. 132). Rarely could something that seemed to be historically
concluded be so freely invented anew in the present, and stabilized again
precisely because of this. We thank all the participants for taking on such an
unusual and protracted task: they had completely freedom of choice in their
projects, but were under the burden of 56,331.3 kilograms of film stock and just
as much oral transmission, as well as being surrounded by the everyday activity
of an institution. In the middle of all of this, they had to find a place to create
something new, and in doing so share in the responsibility for the material
and its surroundings. We also want to thank Ellen Blumenstein and the KW
Institute for Contemporary Art for their readyness to re-negotiate institutional
borders with us.
In the framework of the 38 Living Archive projects 30 Films have been digitized
or renewed, 25 of them published on DVD, and there is more to come. A project
such as this can never be finished. A second book is in preparation. It will
contain texts that continue to pursue, rewrite, or extend the questions that are
posed today.
Our special thanks is due to the German Federal Cultural Foundation, in
particular to Hortensia Völckers, and to the Stiftung Deutsche Klassenlotterie
for their confidence and their support for a project that, at the time of
application, was above all one thing: a big experiment. Once a journalist asked:
“Will the ‘Living Archive’ change the institution?” If this had not happened, that
would have meant that the project had failed. But it succeeded.
30

WHAT HAS HAPPENED TO THIS FILM?
1 Forward by Scott MacDonald, in Amos Vogel, Film as a Subversive Art, D.A.P. / C. T. Editions, 2005.
2 In 1971 the first International Forum of New Cinema took place–organized by the Freunde der
Deutschen Kinemathek. Its founding was preceeded by a crisis in the Berlin Film Festival in 1970, when
disputes over the screening of Michael Verhoeven’s film parable about the Vietnam War, O.K., led to
the cancellation of the festival. Under the subsequent reform, the Forum, under the direction of Ulrich
Gregor, was intended to offer a new platform to artistic and independent film.
e3 Songline from the film A BONUS FOR IRENE (Helke Sander, FRG 1971)
4 Gilles Deleuze, “A new archivist (The archaeology of knowledge),” in Foucault, Continuum, 1999.
5 After the Nervous System Performances by Ken Jacobs
6 Owen Land, Interview with Mark Webber, 2004, in: Mark Webber, Two Films by Owen Land, London
and Vienna 2005.
7 Ala Younis will publish the results of her project in an issue of the “Cahiers de la Cimatheque”, kicking
off a longterm partnership between Arsenal and Cimateque, Cairo.
31

Madeleine Bernstorff
Lasst hundert Living Archives blühen!
Gibt es einladende, freundliche (Film-)
Archive? Zugänglichkeit wird angesichts der
Internet-suggerierten scheinbar unendlichen
Zugänge mit neuer Verve von den Archiven
gefordert. Das konservative, konservierende
Bewahren, eine neoliberale Rechte-Ressourcen-
Verwertungs-Wirtschaft oder im besten
Falle der verknüpfende und gemeinschaftlich
teilende Impuls sind gar nicht immer so
leicht voneinander abzugrenzen. Und die
ökonomischen Grenzen einer politisch
verstandenen Praxis der sich öffnenden
und öffentlichen Archive kommen auch
noch dazu. Gelegentlich wedeln zudem die
Wiedergänger des exklusiven Geheimwissens
oder der fetischistischen Restauration mit ihren
institutionellen Kutten.
Nach umfangreichen Recherchen mit den
Kolleg_innen Brigitta Kuster und Sebastian
Bodirsky in zwei zentralen Archiven im
Maghreb 1 interessiert es mich besonders, wie sich
eine „Dekolonisierung hegemonialen Wissens“
als filmischer Anti-Kanon in einem transitären
Bildgebrauch in Bewegung setzen ließe. Gar
nicht so zufällig landeten wir vor und nach
unseren Reisen im Archiv des Kino Arsenal, in
dem im Fokus unseres Interesses auf eine Weise
ggesammelt worden war, die uns immer wieder
neu überraschte. Einige Filme haben nur hier
überlebt. So befindet sich die einzige, lange von
der Filmemacherin Annie Tresgot gesuchte Kopie
ihres Films LES PASSAGERS (1971) dort, worauf
uns der Filmwissenschaftler Olivier Hadouchi
hingewiesen hatte, sowie eine rare Kopie von
Assia Djebars Film LA ZERDA ET LES CHANTS
DE L’OUBLIE (1978), der einen de-kolonisierenden
Gebrauch von Archivbildern im Maghreb
unternimmt.
Das Living Archive Projekt ist tatsächlich
eine große ermutigende, multiperspektivische
Einladung zur Vergegenwärtigung und zur
spezifischen und kundigen Aktivierung
dieser Schätze und damit eine hoffentlich
unabgeschlossene Bewegung. Verbindungen
und Verschränkungen tauchen auf, die in
ihrer oppositionellen Kraft auch darauf
verweisen, was überhaupt wo gesagt werden
konnte und kann. Was sind die Impulse für
die Vergegenwärtigungen? Warum gefällt
uns diese länderspezifische Filmgeschichte
der großen Formen, der kanonisierten
Monumente so gar nicht? Und wie können wir
die Lücken der Archive denken? Die Archive
sind im Zusammenhang postkolonialer
Interdependenzen zu betrachten sowie als
Ausdruck kultureller Effekte kolonialer
Traumatisierungen und als mögliche, in die
34

A Third Version Of The Imaginary (Benjamin Tiven, Kenia/USA 2012)
S. 32-33, Sichten in der Cinémathèque algérienne, Algier
Zukunft weisende Erinnerungs-Speicher
antikolonialen Widerstands, trotz der
Kontinuitäten struktureller Zwänge. „Was ‚uns‘
da interessiert, ist ein an Kolonialismus und
am Anti-Kolonialismus sowie am Neo- und
Postkolonialismus gebrochenes und geteiltes
filmgeschichtliches Erbe: Es gibt natürlich
keine Systematik, warum welche Filme wo
‚überlebt‘ haben. Und was heißt es, wenn ein Film
‚überlebt‘?“ 2
Einfach waren unsere Recherchen nicht. Die
Widerstände der analogen Archive, zwischen
Essigsyndrom und zum Teil undurchschaubaren
administrativen Eintrittsritualen, haben durchaus
etwas Herausforderndes. Beide Male – sowohl im
Archiv des Centre Cinématographique Marocain
(CCM) in Rabat, einer ursprünglich kolonialen
Gründung, als auch in der Cinémathèque
algérienne in Algiers, die kurz nach der
Unabhängigkeit Algeriens entstand und lange
Zeit ein Zentrum der Filmkultur des gesamten
Kontinents war, wurden uns die begehrten Filme
im großen Saal unter luxuriösen Bedingungen
vorgeführt. Und wir durften in der Folge unseres
Besuchs die ausgewählten Filmkopien umsonst
ausleihen, was uns überhaupt ermöglichte, in
den Filmvorführungen in Berlin ausgehend von
Beispielen der marokkanischen und algerischen
Filmgeschichte komplexe, diachrone Erzählungen
in Verschränkung mit westlichem Filmerbe
sichtbar zu machen.
Zwei Kolleginnen arbeiten aktuell mit den
Archiven in Algier und den Konsequenzen
aus der dortigen dramatischen politischen
Geschichte: Die Filmwissenschaftlerin und
Forscherin Viktoria Metschl wendet sich für
ihr Doktorats-Projekt an der Universität Wien
– ausgehend von theoretischen Positionen
der Archivtheorie und mittels praktischer
Recherche vor Ort durch Interviews – dem
35

MADELEINE BERNSTORFF
Plakat der Cinémathèque algérienne, Algier
weitgehend zerstreuten Filmerbe Algeriens
zu als ein ‚Exempel dezentraler archivarischer
Un/Ordnung‘. Ihre Recherche stützt sich auf
die Forderung eines „right to know“ – eines
Rechts auf kollektive Erinnerung, sowie
eine Auseinandersetzung mit Fragen der
Zeugenschaft des Bildes und einer Ethik der
Bilder im Umgang mit Archivmaterial – auch
zur Aufarbeitung erlittener Gewalt. Sie begibt
sich auf die Suche nach den in ganz Europa
verstreuten Negativen algerischer Filme.
Die Kunsthistorikerin und Filmwissenschaftlerin
Yasmina Dekkar recherchiert für ihr PhD
Projekt im Rahmen der postcolonial studies am
Goldsmiths’ Institute seit 2009 zur Geschichte
der 1964 gegründeten und 2011 nach 3-jähriger
Renovierung wiedereröffneten Cinémathèque
algérienne in Algier. Diese Cinémathèque war
über 40 Jahre lang ein herausragender Ort
für offene Debatten und Kritik – ästhetischer
wie sozialer und politischer Themen. Die
Cinémathèque galt als zentraler Ort der
Begegnung maghrebinischen, afrikanischen
Filmschaffens mit dem Kino der ganzen Welt.
Die Bürgerkriegsjahre zwischen 1992 und 2002
hatten verheerende Auswirkungen – auch auf das
kulturelle Leben Algeriens. Die Cinémathèque
algérienne und ihre 13 Repertoire-Kinos im
Land spielten dennoch weiter. Yasmina Dekkar
untersucht diese Geschichte sowie den von der
Zensur verstümmelten Film Insurrectionelle von
Farouk Beloufa, der 1973 ein einziges Mal in der
Cinémathèque gezeigt worden war und danach
verboten wurde. Die beiden Forscherinnen
werden über ihre Forschungen berichten.
„In einem Maghreb, der unterworfen und völlig
auf das Schweigen reduziert war, haben uns
Fotografen und Filmemacher überrannt, um uns
abzubilden. Die ‚Zerda‘ ist dieses morbide ‚Fest‘,
mit dem sie vorgaben, uns greifen zu können.
Trotz ihrer Bilder, außerhalb des Bildes und
ihres Blickes, der uns tötet, haben wir gewagt,
andere Bilder auferstehen zu lassen, Fetzen einer
verachteten Alltäglichkeit“, sagt Assia Djebar
zu ihrem Film LA ZERDA ET LES CHANTS DE
L’OUBLIE. In diesem Zusammenhang erweitert
ein neues Video des Künstlers Benjamin Tiven
A third version of the imaginary (Kenia/USA
2013) die Frage des Archivs als prekäres Subjekt
der Erinnerung. Wir folgen einem Bibliothekar
durch eng bepackte Regale des kenianischen
Rundfunk- und Fernsehsenders KBC in Nairobi
und hören ein Gespräch zu dem (linguistischen)
Problem, das sich mit dem Begriff des ‚Bildes‘ im
Kontext der Sprache Suaheli stellt: „Auf Suaheli
heißt Zeichnung ‚kochura‘, die Fotografie ‚picha‘,
Kino ‚sinema‘, und Video ist ‚video‘. Aber es gibt
kein geläufiges Wort für ‚Bild‘. Das Bild ist ein
importiertes Konzept… Auf Suaheli kann das Bild
nicht ohne sein Medium existieren. Vielleicht
kommen wir dem ‚Bild‘ am nahesten mit dem
Wort Taswira, was Sehvermögen bedeuten
kann, aber auch ein schimmerndes Wunder, das
man sieht, aber nicht glaubt. Taswira kann ein
visueller Gedankengang sein, den eine Gruppe
teilt. Oft beschreibt das Wort die Inszenierung
eines Dramas, wie es von seinem Publikum
36

LASST HUNDERT LIVING ARCHIVES BLÜHEN!
Titel-Sequenz aus LA ZERDA ET LES CHANTS DE L’OUBLIE (Assia Djebar, Alg/F 1980),
fotografiert vom Schneidetisch.
verstanden wird: das kollektive Gefühl für
einen Ort oder eine Figur, die durch die Kraft
der Narration heraufbeschworen wird. Taswira
ist ein Bild, dessen technologisches Medium der
Verstand/die Psyche ist.“ 3 Wie macht man einen
Film ohne Bilder über ein Bild-Archiv? Wie
kann man eine visuelle Geschichte erzählen,
präsentieren oder sich sogar daran beteiligen, die
unsichtbar ist?
1 Im CCM Rabat für die Filmreihe „Kleine Pfade, verschränkte
Geschichten“ mit Brigitta Kuster – im Rahmen des Projekts In
the desert of modernity (Marion von Osten, Serhat Karakayali,
Tom Avermaete) Haus der Kulturen der Welt, Berlin 2008. Sowie
in Algier mit Sebastian Bodirsky und Brigitta Kuster für die
Filmreihe Ohne Genehmigung. Die Filme von René Vautier Cinéma
militant, Internationalismus, anti-koloniale Kämpfe. Zeughauskino
Berlin 2012. siehe www.ohnegenehmigung.com. Außerdem
recherchierten wir auch den Archives Albert Kahn/Archives de
la Planète, Boulogne-Billancourt.
2 Brigitta Kuster, April 2013
3 Zitiert nach dem Text, den der Künstler Benjamin Tiven für
sein Video auf der Grundlage von ausführlichen Gesprächen mit
dem KBC-Archivar Magambo Mwenda erarbeitet hat.
37

John Blue
The Devil’s Blind Spot
I’ve been making music to accompany film and theater for years. I’ve
contributed to art installations and dance. The chance to participate with
different kinds of artists has always taught me new ways of understanding
varying possibilities of communication.
Music can be mourning or celebration, desire or melancholic removal. Perhaps
this is the reason film has relied so heavily on music throughout its history. It
can paint what is absent in the frame. It definitely serves a purpose. Whether a
director chooses to make this a challenge for the audience or not is their choice,
in any case, the sound or silence is calculated to meet an end. Music, for me, has
never been about an end product as much as an experience between players and
audience in the moment. It is visceral and tangible. It is an experience of time
communicated through sound.
In many ways music acts as an archive as well. Music is a development of oral
histories. One form is directly connected to its predecessor, like veins, to allow
these stories to continue being told and interpreted.
In modern times the concept of plagiarism as a crime can be said to be an attempt
to put ownership on moments of this process. Isidore Ducasse says in his book
Maldoror: “Plagiarism is necessary. It is implied in the idea of progress.” The role
of sampling in music seen as storytelling in the oral tradition opens up new
possibilities in all arts, most importantly with a direct line to our common past.
I have chosen sound bites from documentaries and narrative films in this spirit.
From conversations between Lightnin’ Hopkins with his friends and fellow
musicians to Hitchcock dialogues critiquing artists’ roles in society, I have taken
bits of sound from films in the archive and processed them into musical elements
standing on their own.
Sometimes a complete phrase of words serves as material for inspiration, and
other times it may be as little as the pop in the leader of film. With the help of
guitarist Axel Scheele and drummer Daniel Grinstead I’ve used these elements
as a springboard for a performance combining samples, electronics, and live
instruments.
38

OKSANA BULGAKOWA & DIETMAR HOCHMUTH
Selected soundbites from:
MUSIC FOR THE MOVIES: TÔRU TAKEMITSU
Charlotte Zwerin, USA 1994
THELONIOUS MONK: STRAIGHT, NO CHASER
Charlotte Zwerin, USA 1988
MURDER!
Alfred Hitchcock, GB 1930
JAMAICA INN
Alfred Hitchcock, GB 1939
BOOMERANG
Richard Serra, USA 1974
TELEVISION DELIVERS PEOPLE
Richard Serra, USA 1973
SOLJARIS
Andrej Tarkewskij, UdSSR 1972
ANDREJ RUBLJOW
Andrej Tarkewskij, UdSSR 1969
STALKER
Andrej Tarkewskij, UdSSR 1979
THE MURDER OF FRED HAMPTON
Mike Gray, USA 1970
THE BLUES ACCORDIN’ TO LIGHTNIN’ HOPKINS
Les Blank, USA 1968
DIZZY GILLESPIE
Les Blank, USA 1965
POINT OF ORDER
Emile de Antonio, USA 1963
plus:
Films by Len Lye
39

Oksana Bulgakowa / Dietmar Hochmuth
Living Archive – Dying Archive
„Beute-Filme“, angekauft
Am 30. September 1994 verließen die letzten
Einheiten der einstigen Sowjetarmee das
wiedervereinigte Deutschland. In 15.000 Waggons,
die zum Abzug des Militärs benötigt wurden,
fand sich für alles Platz, nur nicht für jene 60.000
Filmkopien, die der Unterhaltung der Truppe
dienten und über viele Jahrzehnte hinweg
im Zentralen Filmlager der Sowjetarmee, in
Fürstenwalde bei Berlin, untergebracht waren. Um
dieses Strandgut vor der Vernichtung zu bewahren,
haben mehrere westeuropäische Filmarchive,
so gut sie konnten, Kopien gekauft, und auch auch
die Freunde der Deutschen Kinemathek (heute
Arsenal) nahmen diese Spur auf. Erika Gregor
hatte buchstäblich über Nacht dem damaligen
Kultursenator die dafür nötige Menge Geldes
abgerungen, denn es bestand eine gewisse Eile.
So mieteten wir einen Kleintransporter und fuhren,
zusammen mit Erika und Ulrich Gregor, dorthin.
Mehrmals.
Die Bestände lagerten in langen, flachen Schuppen
auf dem Territorium eines einstigen sowjetischen
Militärflugplatzes, tief im Wald versteckt. Dieser
wurde 1915 als Trainingsbahn für kaiserliche
Flieger errichtet, 1925 geschlossen und 1937
neu aufgebaut, um Teile des Kampfgeschwaders
Hindenburg unterzubringen. 1945 sollten sie von
hier aus die letzte Schlacht um Berlin unterstützen.
Nun waren die Tore „russischgrün“ gestrichen,
die roten Backsteinhäuser um den Tower standen
bereits leer, und nur in einem Zimmer amtierte
noch der einsame Chef des Filmlagers – vor einem
leeren Safe, in dem allein ein Sack Buchweizen
verblieben war, den er uns spontan, nach dem
Deal, schenkte. In einem Raum gegenüber saßen
mehrere russische Frauen, jede von ihnen
ausgerüstet mit einem Abakus. Ohne Hektik und
als hätten sie noch viele Jahre Zeit, füllten sie mit
einer nirgendwo sonst zu findenden violetten
Tinte in unleserlicher Schönschrift die endlosen
Listen von Filmtiteln auf einmalig sowjetischem,
gelblich-rauem Kanzleipapier, mit vorgedruckten
Tabellen darauf, aus und bewegten Film für Film
mit dicken Kugeln auf ihren Rechenmaschinen von
links nach rechts, hin und her. Im Flur standen die
blechernen Filmbehälter, „Jauf“ 1 genannt, mit den
noch zu rettenden Kopien. In jede Filmbüchse war
seinerzeit akkurat ein handschriftlich ausgefüllter
Umlaufbogen eingelegt, auf dem der Vorführer
Nr. xx versicherte, dass er alle 293 Meter Film auf
Anfang gerollt und die Kopie unzerkratzt sowie
ohne Risse zurückgesendet hatte. Vor dem Haus
lagen bereits Dutzende geöffneter Filmbüchsen
mit schwarzen Aschehäufchen darin – waren
das Filme? Es waren einmal Schwarzweißfilme,
und dies war der (gewiss nicht fachmännische)
Versuch, sie buchstäblich zu versilbern, nämlich
Silberrückstände aus ihnen zu gewinnen, denn
mitnehmen konnte die Kopien keiner, für die
zeichnete sich in der Heimat keine Verwertung
ab, anders als für verschnörkelte gusseiserne
Heizkörper aus der Kaiserzeit, die, wie uns stolz
ein Sergeant zeigte, demnächst in der Ukraine
installiert würden.
40

Die 154 auf diese Weise geretteten Kopien wurden
von den Freunden der Deutschen Kinemathek
damals archiviert, beschrieben, jedoch seitdem
kaum gezeigt. Viele dieser friedlich angekauften
„Beute-Filme“ sind Durchschnittserzeugnisse,
Alltagsproduktionen einer großen Filmindustrie.
Sie wurden weder für Festivals gemacht noch
von denen ausgewählt, schon gar nicht von
ausländischen Verleihern gekauft. Die Namen ihrer
Macher sind inzwischen selbst bei den russischen
Zuschauern in Vergessenheit geraten, auch ist ihr
Wert als heute noch funktionierende Unterhaltung
nicht sonderlich hoch. Aber sie wurden von
hunderttausenden Soldaten konsumiert, deren
Zahl die Bewohner von Fürstenwalde nur nach
den Tonnen angekaufter Kartoffeln und Mehlsäcke
erahnen konnten. Als Ersatz für Träume, wie
überall auf der Welt, nur in der Situation einer
strengen Kasernierung.
Heute vermitteln diese vergessenen Filme
Ansichten einer untergegangenen Welt, die
bis 1991 Sowjetunion hieß, und lassen Moden,
Beziehungsmodelle, Werte, Vorstellungen von
Geschichte, Gedächtnis, Gegenwart, Kindheit, Liebe,
Familie, Arbeitswelt, wie sie sich die Gesellschaft
wünschte, auferstehen. Die Bilder, Klänge und
Farben darin stehen in einem krassen Kontrast zu
den neuen Traumwelten, den sozialen Rollen und
den Film-Moden der Russen jetzt. Die berühmte
Langsamkeit der Erzählung ist dahin, die Körper
werden neuen Schönheitsidealen angepasst, und
die Ziele, die sich die Filmhelden von heute setzen
(reich und erfolgreich zu werden, zu bleiben und
sich gegen die Welt zu behaupten), stehen den
damaligen (die Wahrheit zu finden und sich mit der
Welt zu versöhnen) diametral gegenüber.
Die Geschichte des Ankaufs der sowjetischen
Filme, die so im Filmlager des Arsenals in Berlin-
Spandau (!) Aufnahme fanden – ebenso wie im
Filmmuseum München oder in der Cinémathèque
suisse in Lausanne (Jean-Luc Godard hatte den
Erwerb einiger seiner Lieblingsfilme bezahlt) –
ruft unweigerlich eine gegenläufige Geschichte in
Erinnerung – die der Verbringung deutscher Beute-
Filme, die im Mai 1945 im Sowjetischen Filmarchiv,
versteckt im russischen Wald vor Moskau,
gelandet waren. Damals hatte der Filmminister
Iwan Bolschakow einem seiner Mitarbeiter, den
Dramaturgen Iossif Manewitsch, nach Berlin
geschickt – in der Mission, deutsche Farbfilme
ausfindig zu machen und sie schnellstens nach
Moskau zu holen. Am 11. Mai bekam Manewitsch
seinen Dienstreiseauftrag samt dem Rang eines
Majors. Seine Uniform wurde dem Mosfilm-
Fundus entnommen – sie lag in der Garderobe
des gerade produzierten Films Der Schwur über
Stalins Sieg bei Stalingrad. Der frisch gebackene
Major fand das Reichsfilmarchiv im Wald bei
Babelsberg und stellte fest: „Hitlers Filmwelt war
durch kastenmäßige Abgrenzung geprägt. Die
Deutschen bekamen fast keine ausländischen
Filme zu sehen. Von den sowjetischen lief nur Die
Kinder des Kapitäns Grant. Unterdessen wurden
im Reichsfilmarchiv alle sowjetischen Filme
aufbewahrt, die je auf besetztem Territorium
erbeutet werden konnten.“ 2 Sowjetische Soldaten
haben, mit Granaten in der Hand, die Herausgabe
der deutschen Unterhaltungsfilme gefordert,
während ihr Major nicht wusste, wie er das Lager
bewachen lassen konnte, bis ein Befehl des Berliner
Stadtkommandanten eintraf und der Potsdamer
Kommandant den Schutz der Objekte sicherstellte.
Aus dem Reichsfilmarchiv wurden damals 3700
Kopien abtransportiert, darunter einige Hundert
amerikanischer Trickfilme in Farbe. 250 Kopien
sowjetischer Filme wurden für den Abspielbetrieb
in Berlin und Umgebung zur Verfügung gestellt.
Die damals nach Moskau geschafften UFA- und
Hollywood-Produktionen wurden weit und breit
gezeigt, es waren immerhin die ersten Bilder aus
einer fremden Welt, die nun in das sowjetische,
genauso hermetisch abgeschirmte, System
eindrangen. Einer Welt, die die Russen befreit
hatten, ohne mehr als nur Ahnungen von ihr zu
haben. Die badende Marika Rökk – als Mädchen
aller Träume – wurde zum ersten erotischen
Filmerlebnis der Sieger.
41

LIVING ARCHIVE – DYING ARCHIVE
Bilder wie diese haben die Imagination der
Nachkriegsgeneration tief geprägt. Joseph Brodsky
meinte ironisch, dass allein die Tarzan-Filme
für die Entstalinisierung der Sowjetunion mehr
ausgerichtet hätten als alle Chruschtschow-Reden
auf dem XX. Parteitag und danach. „Wir müssen uns
nur unsere Weiten, unsere zugeknöpften, brutalen,
verklemmten, durch die winterliche Psyche
diktierten Normen des öffentlichen wie privaten
Verhaltens vor Augen führen, um zu begreifen,
welchen Eindruck der halbnackte langhaarige
Tarzan gemacht haben muss, der die Blondine
im Dickicht des Dschungels verfolgt, mit einem
Schimpansen als Sancho Panza und Lianen
als Fortbewegungsmittel. Dazu der Anblick von
New York, wo er von der Brooklyn-Brücke springt,
und Ihnen wird klar, warum sich später beinahe
eine ganze Generation gesellschaftlich
zurückgezogen hat.“ 3 *
„Die Arbeiten zur Auslagerung von Beständen des
Reichsfilmarchivs wurden am 9. Juni begonnen und
am 4. Juli abgeschlossen“, schrieb Manewitsch im
Abschlussbericht. Seine Erinnerungen hatten wir im
Katalog der Retrospektive zur Ausstellung Moskau-
Berlin. Berlin – Moskau. 1900–1950, „Die Abenteuer
des Dr. Mabuse im Lande der Bolschewiki“,
abgedruckt. Die Eröffnung der Ausstellung selbst
sollte 1995 durch die zwei Staatschefs Jelzin und
Kohl zelebriert werden – diese blieben ihr aber
kurzfristig fern: wegen eines aktuellen Skandals in
der endlosen Geschichte des Verbleibs deutscher
Beutekunst in russischen Museen, in welcher Filme
allerdings nie eine Rolle spielten.
*
Diese zwei gegenläufigen Geschichten bringen Orte
im Umland von Berlin und Moskau zusammen,
die beim Nachdenken über das Schicksal der
Filme keine Erwähnung finden. Filme leben
als Imaginationsbilder, die in der Fantasie der
Zuschauer von projizierten Schatten entstehen,
werden kaum mit verrosteten Metallbüchsen
und kalten, auf 11 °C abgekühlten Lagerräumen
in Zusammenhang gebracht. Das Gelände in
Fürstenwalde, das auch als Filmlager diente, ist noch
heute durch Öl kontaminiert und konnte bislang
nur an einen Solarenergie-Betreiber verpachtet
werden. Die leeren Hangars rufen nicht mehr
die Bilder eines vergangenen Lebens wach, das
auf dem berühmten lichtresistenten SWEMA-
Material 4 festgehalten wurde, dessen Produktion,
lange vor Kodak, einschlief und die Schuppen und
Baracken auf dem Flugplatz, in denen sich kaum
noch russische Aufschriften finden, erinnern nur
noch andeutungshalber an jene Tonnen verrosteten
Eisens, an die Raketen und Panzer, die hier über vier
Jahrzehnte zur Abschreckung standen. Auch an die
Soldaten, die auf dieses Eisen aufpassten. Ihre Körper
sind in manchen DEFA-Streifen auf dem ebenso
verflossenen ORWO festgehalten. Denn wenn in
Babelsberg ein KZ-Film gedreht wurde, bat man oft
um sowjetische Panzersoldaten aus der Umgebung
(„im Wald steht der Freund“, hieß es damals).
Sie waren die einzig verfügbaren, glaubwürdig
dünnen Komparsen, die weit und breit gefunden
werden konnten, um ausgehungerte Häftlinge
„authentisch“ darzustellen.
So evoziert dieser Ort – ohne Leinwand und
ohne die darauf projizierten Schatten – das
schwere Kriegsmaterial und jene Träume, die die
verschwundenen Zuschauer dieser Filme bis vor
zwanzig Jahren möglicherweise erlebt haben. Nur
manchmal scheint es, als tönten hier entfernt, wie
Geister, die „Soundtracks“ russischer Kriegsfilme
über das Flugfeld und aus den gähnenden Hangars.
Ein Ort wie ein Film. Ein lebendes Archiv, fernab
von Berlin. Und Moskau.
1 Jauf (Jaschtschik dlja upokowki filma): Behälter zur
Verpackung eines Films
2 Oksana Bulgakowa (Hg.), Die ungewöhnlichen Abenteuer des
Dr. Mabuse im Lande der Bolschewiki, Berlin 1995, S. 255
3 Joseph Brodsky, „Spoils of War“, In On Grief and Reason. New
York, 1995, S. 8–9.
4 SWEMA (Swetotschuwstwitelnye Materialy) hieß der
landesweit größte Hersteller für Filmmaterial in der UdSSR;
er befand sich in Schostka, heute Ukraine.
45

Filipa César
From bronze into celluloid
Colonizers of the world, we want
everything to speak to us:
the beast, the dead, the statues.
And these statues are mute.
They have mouths and don’t speak.
They have eyes and don’t see us.
LES STATUES MEURENT AUSSI,
Chris Marker and Alain Resnais, 1953
August 2011. I entered the Living Archive project
through an emergency exit. At a dinner with
Avi Mograbi, I recounted my encounter with
an archive earlier that year – the existence of a
room full of films deteriorating in Bissau. Having
spoken with the Guinean filmmakers Sana na
N’Hada and Flora Gomes, I knew this archive
probably contained the few remnants of the birth
of Guinean militant film practice, produced in the
context of the war against Portuguese sovereignty
in the early seventies and its aftermath. Since
my return from Bissau, I had been trying to
get institutions in Portugal interested in taking
care of the material. Avi immediately told me
to get in touch with Stefanie Schulte Strathaus.
Ideally, I should also attend his event “A Night at
the Archive,” which was due to take place in the
coming weeks.
September 10th. The evening in Berlin-Spandau
was an inspiring venture: randomly generated
numbers curated a film programme out of
the Arsenal archive, which turned out to be a
very accurate engine for producing intriguing
alignments across and routes into the collection.
That was Avi’s proposal: to call on the other Living
Archive participants to propose different ways of
throwing the dice. At the end, Avi brought Stefanie
and I together.
By that time I had already drafted a potential
action with the working title “Arquivo Animado,”
which I was sending to funding institutions
in Portugal. I noticed the coincidental analogy
between this draft title and the title of the Arsenal
project. I thought about what the words meant:
Living and Animated. “Living” could suppose that
it has never been dead, while “animated” could
connote re-animation – something dead that is
resurrected by external activation. For me, the
deep, emotional meaning that was inscribed
within the signifier “animated” was the Portuguese
term “desenhos animados,” meaning hand-drawn
animations.
The draft was also my response to an invitation by
the curator Filipa Oliveira to mount an exhibition,
46

in the Autumn of 2012, for the satellite programme
at the Jeu de Paume museum in Paris. We had been
discussing the possibility of addressing the situation
that was troubling me, with the double purpose of
producing a show and engaging with the Guinean
archive and the vinegar ghosts, which I faintly
suspected could be awakened out of the cans.
October. I pick up the viewing device in Munich.
Earlier – in May – I had sought advice on the
deteriorating material from Angela Reedwisch
at ARRI, Munich. She put me in contact with her
lab director, Andreas Sollacher, who was clear in
outlining what my priorities should be. I would
need a device – cheap and portable – that I could
use to analyse and document frames from the film
reels and to make an initial catalogue.
Early December. I am feeling hopeless: all
attempts to gain funding from Portugal are
failing. Finally, the Gulbenkian Foundation have
agreed to support the series of four exhibitions
at Jeu de Paume curated by Filipa Oliveira, but
that funding is limited to the show and is not
enough to disinter the film reels from their
mausoleum in Bissau. Meanwhile, Stefan Pethke
– a fellow participant in the Living Archive
project – mentions, with regard to funding, the
Goethe Institute in Dakar, Senegal, Guinea-Bissau’s
neighbour to the north. I immediately write to
the foundation’s director, Uwe Rieken and, to my
surprise, the next morning I have two missed calls
from Dakar. The Goethe Institute will pay for two
trips to Bissau, but they have to be made no later
than January 2012.
Beginning of November. Stefanie asks me to join
a Living Archive meeting in order to present the
project to the participants. She explains to those
present that the list of participants was complete
and the funding distributed. However, if someone
were interested in incorporating my project into
an existing project they should raise their hand.
I show them the viewing device from Sollacher
and two pictures from the archive room.
The curator Tobias Hering – who, following the
meeting, invited me to work with him – had the
film ACTO DOS FEITOS DA GUINÉ by Fernando
Matos Silva on his list of Arsenal films dealing
with decolonization processes – the subject of
his research. We watch it together on the flatbed
editor. The film is new to both of us, and it is
the only film dealing with Guinea-Bissau at the
Arsenal archive. The statues that I remember
seeing in Flora Gomes’ Mortu Nega and Chris
Marker’s Sans Soleil (one of which made an
appearance in my own film The Embassy, shot
in early 2011 in Bissau) appear here once more.
Shown as part of the Berlinale Forum in 1981,
Matos Silva’s film is a sort of chronicle of the fight
for independence in Guinea-Bissau and itself
works with archival material.
Later, in December. In Lisbon I interview
Fernando Matos Silva. At the Cinemateca, in front
of the Steenbeck, the light cast by the flickering
images of his film illuminates his profile. In the
stills taken from this interview, there’s more
than one place you might find the centre of the
image: In one, mid-sentence, in three-quarter
profile, Silva is at a right angle to the frozen
actor on screen, a statue standing upright and
looking outward. Their gazes would cross, if they
could. In another, he reads the text of Arsenal’s
brochure – an interview with him from 1980 by
Viola Zimmerman. Extending from the edge to
the centre, he reads his own words on my screen.
At one point in the interview he says, “people
asked me how I could tell 500 years of history
in 85 minutes of film…”. He points to the padlock
on screen, the chains fastening a gate are slaves’
chains, reappropriated.
January 2012. Together with the Angolan film
technician Victor Lopes from the Portuguese
Cinematheque who has volunteered to join me,
I make a trip to Bissau. We notice that the film
ACTO DOS FEITOS DA GUINÉ is one of the films
making up the corpus in Bissau. It lives between
47

FILIPA CÉSAR
Viewing ACTO DOS FEITOS DA GUINÉ at Arsenal, Berlin, November 2011
Stills from ACTO DOS FEITOS DA GUINÉ,
Cinequipa, Fernando Matos Silva, 1981, INCA, Bissau
48

FROM BRONZE INTO CELLULOID
Still from Cacheu, Filipa César, 2012
Still from Guiné-Bissau, 6 anos depois, José Cobumba, Josefina Crato,
Flora Gomes, Sana na N’Hada, 1980 (unfinished film), INCA, Bissau
49

FILIPA CÉSAR
Fernando Matos Silva at Cinemateca, Lisbon, December 2011
worlds, incorporated into three archives,
which form a line – Bissau, Lisbon, Berlin: one
disintegrating and smouldering; one archived
in the stopover city, which is also the former
centre of colonial power over Portuguese
Guinea; the last – situated in the city where
in 1884–85 colonial powers re-distributed and
regulated their shares of Africa at the Berlin
Conference – an archive conscious of the need
to continuously revisit the elements that make
history, and which is poised, enthusiastic about
supporting the revivifying of the first. It should
be mentioned at this point that numerous
films on the colonial history of and political
resistance within several countries have been
shown as part of the Berlinale Forum or at
Arsenal and thus found their way into the
Arsenal’s archive as a result.
Under the technical direction of Victor and
together with four volunteers – Felismina
Tavares, Onélio Cardoso, Joaquim Gomes, and
Fátima Silva – I work for four weeks cataloguing
the archive in Bissau and have regular
consultation meetings with Flora Gomes, Sana
na N’Hada, and the director of INCA (Instituto
Nacional de Cinema e Audiovisual, the Film and
Audiovisual Institute of Guinea-Bissau), Carlos
Vaz.
It’s early February and we are done with the
work. Promises are engraved in the stills we
shot. I drive to the village of Cacheu, situated
on the shoreline of an estuary extending inland
from the northwest coast of Guinea-Bissau. I
was intrigued by an image I had found on the
internet some months before, an assemblage of
50

FROM BRONZE INTO CELLULOID
the same colonial statues stored at the Fortress
at Cacheu. 1 Joaquim Gomes and the actor Jorge
Biague accompany me and we shoot images
of what we find there. Later, I would need to
provide context for the scene: “Built in 1588, the
Fortress was one of the first bastions intended
to secure Portuguese military presence and to
establish the slave trade.”
March 2012, Berlin. Following a last-minute
invitation from Georg Diez and Christopher
Roth to participate in a day of performances
entitled “What Happened 2081?” at Kunstwerke
and together with friend and actress
Joana Barrios, I shoot the film Cacheu as a
performative lecture. The piece has grown out
of the narrative arc formed by the recurrence
of statues as spectral appearances in several
different films. Colonial representation and its
persistence in the territory, as well as onscreen,
seem to enact a power that is still latent in the
present. To me the statues seem like deputies of
an asynchronous structure left by colonialism,
which has morphed into other forms (such as
corruption, geo-strategic politics, the drugs
trade, international NGOs, or the multi-national
trade in mineral resources). They are spectres
of the past that become visible – animated –
through the medium of film.
and the Guinean. Perhaps, by attempting to
make visible this two-sided narrative, Matos
Silva produces other invisibilities and occupies
the space for Guineans to tell their own history,
in their own language with their own cinema.
All of this – particularly the neglect of the film
archive in Bissau in the aftermath of the Bissau-
Guinean Civil War of 1998/99 – may similarly
be a mine-field, but my attempts to engage in
the recuperation of these images is as much a
field full of unexploded munition and haunted
bronze statues.
12th April 2012. Guinea-Bissau suffers another
coup d’état. Despite the political instability, the
German Federal Foreign Office, after receiving
the report on the catalogue we produced, agrees
to support the digitisation of the archive, while
Arsenal commits to the coordination of the
process.
In June 2012, Natxo Checa and I pick up the
94 film rolls and bring them to Berlin for
digitisation. To read the film, the engineer
Reiner Meyer uses a prototype he has developed
himself. In the process of digitisation, the same
dismantled statues once more appear in the
footage meant for the unfinished Guinean film
Guinea-Bissau: 6 anos depois …
ACTO is explicitly about the senselessness
of war and Matos Silva utilises the twin
vocabularies of theatre – animating the bronze
– and the emotional intensity of a focus on
individuals’ bodies. The references to his film
in Cacheu are ideological and conceptual. Matos
Silva’s film is important and full of urgency, but
it walks a mine-field.
The film speaks from the Portuguese left-wing
intellectual bloc, which took part in a war
before engaging in the Carnation Revolution
and afterwards – by condemning war and
colonialism – it apologised. But it also attempts
to tell history from both sides – the Portuguese
Thanks to Anna Canby Monk for her thoughts and corrections.
1 The four statues represent: Teixeira Pinto, the Portuguese
governor of Guinea-Bissau who is best known for his 1913–1915
“Pacification Campaign”; Honório Barreto, born of a Guinean
mother and Cape Verdean father, who lived between 1813
and 1859 and traded in slaves; Nuno Tristão, the first known
European to reach Guinea’s coast in 1445; and Diogo Cão,
known as the “discoverer” of the mouth of Zaire in 1482.
51

Vaginal Davis
We Must Have Music!
Listening to the Archive
Curatorial mother Vaginal Davis has been
presenting films in a monthly program at the
Arsenal – Institute for Film and Video Art since
2007. In 2012, under the auspices of the Living
Archive project, she relaunched the series and
changed the focus from silent films to music.
Rather than looking in the archive, Ms. Davis
started to listen to it, quite literally, for what it
might have to say to her. Sometimes it’s easy.
Some films wear their musicality on their sleeve,
like traditional musicals and concert films. But
in other cases, you have to listen more carefully,
more creatively, or when you’re not really
supposed to.
One day in Neukölln, Ms Davis was chatting
with her collaborator/pianist Daniel
Hendrickson, and they started reminiscing
about their earliest experiences of seeing
musical films.
52

My very first exposure to the Hollywood musical
was as a child in 19…
You don’t need to tell us the year.
The soundtrack?
Yeah, I still have it. So I knew the songs really well
’cause I had the album.
Let’s just say it was a very long time ago. In the
last, well, the other century. Every year they would
show on television–in the Los Angeles market it
was CBS–they would always broadcast The Wizard
of Oz.
Oh, I completely forgot about that. Of course. The
Wizard of Oz is the primal musical of childhood
in America.
Yes, and every year around Easter time, they
would always show it. And the very first time I
saw it, I was mesmerized by it. I loved the Wicked
Witch of the West.
What’s her name, I forget.
The Wicked Witch of the West.
No, the actress.
Oh, Margaret Hamilton. In the B&W scenes that
are in Kansas she’s the evil school marm. A lot
of people have said that they were afraid of her
because she was green, but I loved her green color.
Her and those flying monkeys. I didn’t find that
scary at all as a small child. I was actually more
afraid of Glenda the Good Witch.
Well, she is scary.
Billie Berke, she was the wife of Flo Ziegfeld,
Florence Ziegfeld of Ziegfeld Follies fame. And
the way she talked … well, to me she seemed more
scary than the Wicked Witch.
Well, for me to learn the songs from The Wizard of
Oz, I had one of those old fashioned tape recorders.
So I would tape, not only the songs, but also some of
the dialogue that would lead into the song.
We’re off to see the wizard
The wonderful wizard of Oz
I hear he is a whiz of a wiz
If ever a wiz there was.
The wizard of Oz is one because
Because, because, because, because, because…
You know, that odd rhyming with Oz, ‘becoz.’ And
that was my start in trying to learn the lyrics of
musical film, having that cassette recorder that
belonged to my brother-in-law.
And The Wizard of Oz started my love of
Hollywood musicals and my fascination with Judy
Garland in particular. I was just mesmerized by
her. ’Cause she just had this quality about her that
seemed not very, um…
Sane?
Well, it was a sort of non-naturalisticness. I’ve
never been attracted to naturalism. And she acted
in such a non-natural way.
I think that may have been natural for her.
But for some reason, there was something about
her that really ignited something in me.
You know, I honestly don’t remember if I was
scared, but I do remember, we had the album.
53

VAGINAL DAVIS
I remember one of my primal TV musical
moments. At the time, a Hollywood movie
would have its first run, and then at some point,
the movie would come to TV. And sometimes,
when that happened, it was a big deal, with big
splashy commercials announcing it on TV and
everything.
Oh, yeah, it was a big, big deal. It was very
advertised. Now movies don’t stay in the theaters
for very long at all.
So I remember when Fiddler on the Roof was
being shown on TV for the first time.
Me too, that was very momentous.
And it was a Sunday night. And I remember it
was a big crisis in the family because we had
church on Sunday night. We didn’t just have
morning church, we had Sunday night church.
And my parents actually allowed me to stay
home from church to watch Fiddler on the Roof.
Well, why were you so into Fiddler on the Roof?
I’m sure there were commercials on TV
announcing it, and I liked the music, or I don’t
know. I don’t remember, I liked Jewish boys.
So you just wanted to see a movie with a lot of hot
Jewish boys.
Little did I know, it’s not really that kind of
movie…
Well, Topol, the Israeli star…there was something
kind of sexy about him. I love that song from
Fiddler on the Roof, Matchmaker, matchmaker,
make me a match… But you’re reminding me,
when Fiddler on the Roof first came on television,
it was a really big deal.
Well, you and I were probably watching the
same broadcast.
We probably were.
Even though I’m much younger than you.
Even though you’re 30,000 years younger than
me. You know, Fiddler on the Roof was theatrically
released in 1971, but I don’t think it came to TV
until the mid to late seventies. Back then it took a
while for movies to come to TV. I remember when
Cabaret came on television for the first time. I
actually saw that one in the movie theater before
it was on television with my sisters.
The only two musicals that I remember seeing
in the theater, because we didn’t go to the
movies that much, were The Sound of Music…
Oh, yeah, I didn’t see that one until it came on
television, and it was a long time before it did.
And it may have been a re-release of it that I saw.
It could’ve been, because they did that a lot back
then.
And the other movie that we all went to see
was Jesus Christ Superstar.
Oh! I didn’t see that until it came on television
either. But I saw Bedknobs and Broomsticks, with
Angela Lansbury, and I loved that. There was just
something about her, she was just so sweet. And
the other movie was Chitty Chitty Bang Bang,
which is not very good.
Yeah, but these are all later musicals, and
I think that what’s more crucial to both
of our television musical viewing was the
re-broadcast of old Hollywood musicals,
sometimes in the context of the 4 o’clock movie.
Did you have the 4 o’clock movie?
54

WE MUST HAVE MUSIC!
You were living in Detroit and I was in Los
Angeles and ours was usually 3 o’clock. So I saw a
lot of Hollywood musicals at 3 o’clock after coming
back from school on channel 7.
Ours was channel 7 too!
Or on channel 11, KTTV, which doesn’t exist
anymore–Movie Greats, which was usually on
the weekends around 6 p.m. And I would have
my tape recorder ready. That’s where I saw the
majority of the great MGM musicals starring Judy
Garland. Like I saw Easter Parade, For Me and My
Gal, Words and Music, In the Good Old Summertime.
Easter Parade’s pretty good…
Right, the tragic period.
That was really tragic. But earlier, when I was
watching musical films on TV, and then recording
them, I would try to re-enact the scenes by myself.
And that’s why I know some of these songs by
heart.
You mean, like Over the Banister Leaning?
Yes, like Over the Banister Leaning from Meet Me in
St. Louis. You were shocked that I knew that song.
I wasn’t shocked that you knew it, I was
shocked about the manner in which you were
reproducing it.
Easter Parade is amazing!
…even though it has the unspeakable in it.
I know you hate Fred Astaire.
You mean, in the context of a rock’n’roll band
onstage at Club Sucker?
It took Marc and I a couple of minutes to figure
out what song that was.
I said ‘the unspeakable.’
I know, but I spoke it. I spoke the unspeakable.
It has Ann Miller doing Shakin’ the Blues Away,
which is really incredible, and she’s so snooty
in the movie. And Peter Lawford before he was
JFK’s pimp, he was really charming in the movie
as a stage door Johnny. And then there was this
character actor that was in a lot of MGM films,
what was his name? Jules Munshin, he played
the waiter, and people kept coming in and leaving
very abruptly and he would say, Thank you for
coming.
I never liked 20th Century Fox musicals. They
never seemed as interesting. And they didn’t show
them as much on TV. There were very few Betty
Grable movies that were shown, for instance.
Then there was a period in the late seventies
when they just stopped having old movies
altogether on television.
You two and Mark Simon were probably the only
ones who even knew what that song was.
But the first time I started to see Hollywood
musicals in the theater was in Los Angeles in the
seventies with the revival houses. And in the
seventies in LA we had quite an assortment of
very interesting revival house. It was the heyday
of the revival house cinema scene in Los Angeles.
And one of those theaters was this movie house
located in MacArthur Park, that was called the
Vagabond Theater, and they showed a lot of
Hollywood musicals from the ‘30s, ‘40s, and ‘50s.
And it was always a packed house, although I was
usually the youngest person there. And that was a
completely different experience from seeing these
films on television.
And then I saw that some of the musical scenes
had been butchered for commercials on TV. I
remember seeing a Fred Astaire/Jane Powell film
Royal Wedding.
55

VAGINAL DAVIS
There you go mentioning him again.
Okay, well, there was also another revival house
where I spent a lot of time on the Sunset Strip
called the Tiffany Theater. It was on the corner of
La Cienega and Sunset Boulevard. It’s still there,
but now it’s a 99-seat equity waiver live theater,
but it was a revival house in the seventies. And it
was the first time I got to see the 3D version of Kiss
Me Kate.
So when I discovered the revival house culture, I
spent a lot of time at the Vagabond Theater, which
was not very far from where we lived in South
Central, and the Tiffany, which was very far.
And the other place was Melnitz, the screening
venue for the UCLA Film and Television Archives,
which was like a second home. Every Saturday
was their movie marathon, from 12 noon to 12
midnight. And you’d get the Melnitz crazies
there. I mean people even crazier than me. Every
Saturday I was there from 12 noon to 12 midnight.
It was a major commitment.
The first time I saw a Louise Brooks silent film was
at the Vista, in Silverlake. The Vista was a revival
house before it became a second run house. There
was also another revival house in Hollywood
on Melrose near Western, across the street from
Paramount Pictures. There was the Fox Venice
on the west side. And that was an adventure to go
way out of my neighborhood. I saw Oliver there
for the first time. And then of course there was
the Nuart in West LA. So I did make special trips.
There was one in one of the beach towns, but it
was the kind of place that would show Rocky
Horror on the weekend.
Usually I would drag my older sister to go with
me, and she liked old movies. My mother hated old
musicals, and she couldn’t stand Judy Garland. She
just didn’t like that old-fashioned style of singing.
She hated Ella Fitzgerald, she hated Billie Holiday,
she did not like anything old. So I was usually able
to drag my older sister to revival houses, but I also
didn’t mind going by myself, I always thought it
was an adventure. And I always liked going to
movies by myself.
I love going to movies by myself.
I still do see a lot of movies by myself. And it’s
weird that my mother would actually let me go,
at night, by myself. But there were a lot of revival
houses at the time.
Well, LA used to be a really good movie town.
Oh, it was an amazing movie town. In the sixties
me and my family would go downtown on
Broadway to the old movie palaces, and they were
kind of in disrepair in the late sixties. But we
would go there, and somehow I’d escape from my
mother and my sisters and somehow I would find
my way into the projection booth, and I would be
fascinated by the room and the projectionist.
The Nuart was the first revival house I went to
in LA, when I was still living in Orange Country.
Weren’t there any revival houses in Orange
Country?
56

WE MUST HAVE MUSIC!
April 2012
PORGY AND BESS
Otto Preminger, USA 1959
May 2012
THE KILLING OF A CHINESE BOOKIE
John Cassavetes, USA 1976
June 2012
GOLDEN EIGHTIES
Chantal Akerman, Belgium 1985
July 2012
BABES ON BROADWAY
Busby Berkeley, USA 1941
August 2012
ST. LOUIS BLUES
Dudley Murphey, USA 1929
THE BLANK GENERATION
Amos Poe, USA 1975
September 2012
LES PARAPLUIES DE CHERBOURG
Jacques Demy, France 1963
October 2012
TAGEBUCH EINER VERLORENEN
G.W. Pabst, Germany 1929
November 2012
PYAASA
Guru Dutt, India 1957
December 2012
TOCA PARA MÍ
Rodrigo Fürth, Argentina 2001
January 2013
PERMANENT VACATION
Jim Jarmusch, USA 1980
March 2013
ZEYNAB
Muhammad Karim, Egypt 1950
April 2013
SALOME’S LAST DANCE
Ken Russell, GB 1988
May 2013
BROADWAY MELODY OF 1940
Norman Taurog, USA 1940
57

Madhusree Dutta / Ines Schaber
KEYwording
Ines Schaber: Madhusree, I think my starting
point for our keyword project was your public
appearances in Berlin, where you, pretty much
every time you spoke, challenged a term that we
commonly use here. The relation between words
and things or actions touched other questions in
our project, namely in the tagging of films in an
archive and in the search for terms that are able
to describe our contemporary practices. But let’s
start with the first field. One of the terms that
you commented on was ‘underground.’ Could
you say something about the term and why you
challenged it?
Madhusree Dutta: The word underground simply
means under the ground, below the surface. In
Western cultures it denotes radical movements,
subversive activities, anti-hegemonic practices,
certain cult formations, etc. In the colder climate
and within the architecture of the region,
basement is understood as the x-site of subculture
and alternative living. But in India and
many other Asian-African civilizations basements
are not a prevalent architectural practice.
Subversion in these cultures is practiced not in the
closeness of the basement of a building but in the
openness of the street. A fugitive does not hide in
the basement but veils the self under the cover of
the public. More of the cultural subversions take
place within the open and porous sites in the
public domain than in the intended seclusion
of designated spaces. The difference in the
demographic patterns in the two societies too
causes this difference in strategies. It also happens
because housing in poorer societies is scarce, and
the warmer climate encourages and facilitates
people to stay outside. Hence while sites of the
normative remains indoors the subculture
unfurls in the labyrinths of the street.
Another factor that comes to play in this is the
structure of state agencies and family units. I am
dividing the sites by a simple logic – the outdoor
under the state agencies and the indoor under
the individual residents-citizens. In Eastern
civilization mostly people live in hierarchical
families of different sizes and thus the indoor
space remains much more under patriarchal
vigil. On the other hand much of the times the
state agencies in non-welfare societies are not
too alert in their vigil on the streets. Especially in
a country like India, with a multi-ethnic, multilingual,
and multi-cultural populace of varied
degrees of literacy, identity papers as a device to
control the public place is not very useful. Hence
the public place, in some sense, offers more space
58

to the non-normative identities and activities than
the private domain.
Yet underground is often used in India too
to the same effect as in western countries –
underground cinema, underground literature,
underground cadre, underground mobilization,
and so on. It comes from our need for a common
adjective that can be used in the trans-lingual
context of the country. Hence underground,
without any experiential backing and visual
reference, has come to stay in circulation, and
then we begin to worry as to why we lack the
culture of underground the way it is in the west.
IS: Which were the other terms that you felt
needed to be challenged according to our different
cultural contexts?
MD: Avant-garde could be one such word.
As you know very well, the term came into
circulation out of the European and American
radical art practices mainly in the post-war
years. But that time period, for India and also
many other countries, coincided with the last
phase of colonialization. In opposition to the
homogenizing agenda of modernism perpetuated
by the colonialists, what was thought forward
looking at that point was to re-visit and
foreground various local cultural languages and
practices. Of course it was an overtly nationalist
agenda and was conducive to revivalist
discourse, and later it indeed became an
ideological quagmire. But the point to remember
is that the broad framework of intellectual
activities was steeped in the discourse of the
post-colonial nation building. My discomfort
towards the term stems from the fact that unlike
the western avant-garde, the forward looking
practices in post-colonial countries like India, to
a great extent, cannot detach themselves from
the pedagogical agenda of nation making. The
nation-state relationship in this context is not
all that umbilically related. For some related
reasons, antagonism between critical practices
and popular culture too are not as sharp as those
in the European context.
Subculture could be another term. In our
experiences terms such as public culture, hybrid
culture, street culture, and community culture
would be broadly covering the same space.
And the political action will be to protect these
practices from being categorized as ‘sub.’
Looking at it from the other end, squatter would
be a term that needs to be adopted in this side
of the globe. While in a city like Bombay a very
large number of people live in what can be best
termed as unauthorized dwellings, the official
word to identify them is dreadful – encroacher.
The political connotation of squatting is
completely lost in the word encroaching. The
vertical and definitive physical movement
of squatting is killed in the horizontal and
uncertain crawling movement of encroaching.
IS: The question of giving something a name
received another connotation here in Berlin,
in the context of the Arsenal as well. When
they published their last analogue distribution
catalogue in 1987, it carried a description of the
films as well as a series of indexes that were
meant to make the films accessible through
various ordering schemes. Besides the lists of
films sorted by directors, countries, and a register
of the German titles, the catalogue included a list
of keywords. Maybe due to the translation from
an analogue list to a data bank or due to a doubt
about the terms used in the list – the distribution
catalogue of 1987 was the last document that
offered a search by keywords. The current
data bank is based on author names, film titles,
countries, years of release, and technical formats.
The abandonment of keywords equaled the
doubt about the terms used. As Arsenal’s film
curator Stefanie Schulte Strathaus has explained,
standard categorizations used to sort films and
59

MADHUSREE DUTTA / INES SCHABER
make them accessible in a popular form would
exclude many films, as the given categories do
not and cannot be applied to many of the films
the Arsenal collects. To apply the given formats
and conventions would mean to consciously
simplify the films’ approaches and shrink their
scope. Schulte Strathaus’s remark might be a
reminder that our use of language in annotating
our practices is far more complex than the dayto-day
dealing in the archive suggests. However,
I found that many of the words that were used
in the ’87 catalogue were signaling the Arsenal’s
political agenda – they retrospectively stand as
keywords for the practice and program of the
institution: disarmament, alternative life forms,
poverty, labour, outsiders, homosexuality,
colonialism, feminism, war/peace, etc.
Thus, picking up on the practice of tagging
films, or inventing new words in relation to
contemporary and past practices, is also a
question of where we position ourselves today.
MD: Are we to make a distinction between
keywording and categorization? Is categorization
more typological and thus universally accessed
whereas keywords are more idiomatic and
thus subjective? Practice-enabling vocabulary,
as you suggested, could be a key here. Does
that mean that the pre-mediated cultural
memory of the words can be challenged
by aligning them to contemporary ‘actionbased’
practices? Could we collate the various
memories of a word as a precursor to the search
or, formulating it differently, dislodging the
value-neutrality of the search tool by collating
various memories and narratives around the
keywords themselves? Are we to achieve this by
deliberately disassociating the words from the
normative usage and attempting to expand their
elasticity by the agenda of ‘action’?
IS: I think there are maybe two things at stake
here: one is the question of tagging with its
relation between films and language, the other
one being a vocabulary of a group of people that
acts in a specific time at a certain place.
The problem of the hierarchization of words
and other forms of data has become massive
through the World Wide Web in these last
decades. But I think that archives had already
posed that question much earlier. What might
be equally important to remember though are
projects that are searching for other ways to
find ‘things’ in archives. One important example
here is Farocki’s work. In films such as Der
Ausdruck der Hände, Arbeiter verlassen die Fabrik,
or Gefängnisbilder, he collected and assembled
‘expressive gestures’ that are cinematic, and that
recur throughout the history of film. Through
his spoken commentaries and cinematic
editing, Farocki attempts to read these gestures
and find out why and how a specific visual
language recurs within the most disparate of
epochs, political situations, or cultural contexts.
According to Farocki, there exists in our culture
no visual vocabulary comparable to a linguistic
vocabulary. We lack the ability to genuinely
associate in a visual sense, for in our textbased
culture, despite its entire audiovisual
media, there is no competence in thinking or
communicating filmographically or ‘within the
medium.’ Thus Farocki repeatedly made the
demand for a new way of sorting and indexing
images that could, in the first place, enable
locating them in archives.
The second thing for me is different. The Arsenal
has, in my understanding, always opposed the
idea of an archive as a neutral storehouse. They
have been highly politicized, specific, and openly
subjective. Their understanding was never to
collect ‘all’ films, but to act according to a certain
agenda. That this ‘agenda’ is attached to films
might not be the most elegant solution, but it is
very helpful for us today to be able to read it.
Maybe this is why we, in our project, intuitively
separated the keywords from films.
60

KEYWORDING
MD: I think word-practice does not, or cannot
change at the same pace as experiential notations
evolve. So there is always an issue of sync that
works between experiences and words. We need
to deal with both—the lack of new words and
the inadequacy or even ambiguity that evolves
around the standard words at every twist in the
world order.
IS: I found it interesting to look at all the
keyword projects in the last four decades, where
we saw that the reasons why people used the
scheme of the alphabet changed massively.
Raymond Williams’s keywords project in the
‘70s was meant to be an inquiry into a Marxist
vocabulary–a record of a body of problem-laden
words and their meanings. The Arsenal’s list
seems not only to have been (as one could expect)
a tagging of films to enable access to a collection,
but a vocabulary for action of a cultural
institution. In the case of World Social Forum-India
Social Forum the role of the document has been,
as you write, “to facilitate and consolidate the
diverse political energies that had emerged in the
wake of globalization and invasion of Iraq in the
first decade of the 21st century within a loosely
formatted organism.” And the Dictionary of War,
or the Atlas of Transformation turn the ‘key’ into
a concept, marking the search for words that
might enable practice and action rather than a
search for meaning. There is a massive shift from
the search for meaning in language towards a
practice-enabling vocabulary, one that organizes
writing, but also one that tries to invent action.
MD: I am tempted at this point to propose that
the organism of words in this kind of project
can be read as a self-sustained text, maybe even
as a manifesto and not as a tool. A manifesto
identifies its agenda at the very beginning and
then proposes strategies to actions. But tool
as in artisanal (and pre-modern) practice is
much supple. As Richard Sennett has argued
so elegantly in The Craftsman, artisanal tools
have the ability to respond to every material
shift in the society and modify themselves ever
so slightly at each juncture so that the changes
mostly go unnoticed. I am aware of the fact
that discursively artisanal practices are not
considered to be critical practice. But it has the
ability to modify itself in response to differences
in location, climate, requirement, and societal
structure. Since it does so without any palpable
agitation, it goes unnoticed and thus does not get
recorded as critical or political.
For the sake of argument at this juncture I would
keep image-making in the artisanal category and
word-making in the modernist category. Though
I must admit that at times this arrangement
may also get reversed, for example, in a set up
where the image is iconic and the language is
hybrid. Thus what we are debating is a possible
methodology of weaving a modernist parameter
into an artisanal practice.
IS: It is interesting that you mention the
manifesto. As part of the Living Archive
project, it was often mentioned that we should
try to formulate a manifesto regarding our
contemporary practice(s). But maybe one should
think about a different form of manifesto
regarding a living archive, where things, as
you say, might “modify themselves at each
juncture” to stay or become alive, again. In the
introduction to his book Delirious New York, Rem
Koolhaas joined two distinct terms: evidence and
manifesto. He argues that the fatal weakness
of manifestos lies in their “inherent lack of
evidence” and that Manhattan’s problem is that
“it is a mountain range of evidence without
manifesto.” What would be needed, in his view,
would be a retroactive manifesto—one that
would make use of the piles of unused evidence
to develop a prospect. In a similar way, one
could say that the Arsenal links the practice
of collecting evidence to the production of an
activity from it. At the beginning, or at the end,
61

MADHUSREE DUTTA/INES SCHABER
an arsenal is a storehouse for weapons. Do you
have other suggestions for terms?
MD: Warmed up by the above exchanges, at
this point, I would bring in some words that, in
my opinion, either have potential for hybridity,
a kind of capability of expanding and altering
themselves or that are produced retroactively.
Obviously, at some other juncture the choice
of words may change completely. Absence
Analogue 1 Bazaar/Market 2 English 3 Fake Food 4
Hand Homeland Islamophobia Light Paper
Plastic Repay Secondhand Transit 5 Veil 6
What would be your words?
IS: I guess in the context of this project, reflecting
the archive as well as the actions of the Arsenal,
my terms would be: arsenal 7 , Gelände / terrain 8 ,
Geschichten erzählen / story telling 9 , Streik
/ strike 10 , Gesture, Property, Screen 11 , and
Verhältnisse / relations 12
1 Analogue, Rajula Shah
2 Bazaar/Market, Kaushik Bhaumik
3 English, Arundhathi Subramanium
4 Food, Nanna Heidenreich
5 Transit, Madhusree Dutta
6 Veil, Flavia Agnes
7 Arsenal, Erika and Ulrich Gregor
8 Gelände/terrain, Riki Kalbe, Wolfgang Kil
9 Geschichten erzählen/storytelling, Merle Kröger
and Philip Scheffner
10 Streik/strike, Sergej M. Eisenstein
11 Screen, Erik Göngrich
12 Verhältnisse/relations, Florian Wüst
All booklets are part of the Living Archive project, Arsenal
Publications.
62

Martin Ebner
Film ohne Film
Filme als Objekte gedacht
Ausgehend von der Überlegung, dass das
Medium Film sich in den letzten 40 Jahren von
seiner analogen, zelluloidbasierten materiellen
Form in eine parallel existierende digitale
Informationseinheit übertragen hat, interessiert
mich, was passiert, wenn man den Weg wieder
rückwärts geht: vom „psychischen Objekt“, das
als Einheit in der Erinnerung vielleicht existiert,
zum physischen Objekt, das Raum einnimmt –
und Zeit beinhaltet.
FILM OHNE FILM ist der Titel einer Serie von
kettenförmigen Holz- und Kunststoffobjekten
in Längen von bis zu 5 Metern und einem
Durchmesser von bis zu 20 Zentimetern, bemalt
und beliebig im Raum verteilbar, die ihre
individuelle Struktur und Farbmuster aus den
Schnittmustern und Szenenfolgen einzelner
Experimentalfilme der 60er und 70er Jahre im
Archiv des Arsenal beziehen. Diese Objekte
verhalten sich zu den eigentlichen Filmen wie
Stellvertreter in einem anderen Medium, es gibt
ein Wiedererkennen.
In der Ausstellung liegen sie eher beiläufig
dekorativ herum. Man kann sie betrachten und
vergleichen, man kann sich vorstellen, was
in ihnen vorgeht. Im Prinzip könnte man sie
auch zerlegen, herumtragen, kombinieren und,
wenn man wollte, neue Objekte daraus bauen,
sie neu benennen, neue imaginäre Filme, deren
Idee wieder an einem anderen Ort gesammelt
wird, archiviert, betreut, beschrieben, verkauft,
verschenkt, verliehen...
Es gibt eine Methode, den zeitlichen Verlauf
eines Films als farbigen, digitalen Filmstreifen
darzustellen. Ähnlich der Slitscan-Fotografie
werden viele einzelne vertikale schmale Streifen
als Farbrepräsentationen der einzelnen Szenen
aneinandergereiht. Auf diese Weise kann man
sich schnell über den zeitlichen Ablauf des Films
orientieren und es ist leicht, mit dem Cursor an
eine bestimmte helle, dunkle oder farbige Stelle
zu springen. 1
Die bildhafte Repräsentation des Mediums
Film als farbiger Streifen im „Metamedium“
des Computers erinnert unwillkürlich an die
minimalistischen, konzeptuellen Holzobjekte
des rumänischen Künstlers André Cadere,
genannt Barres de bois rond (1979–78). Diese Stäbe
bestanden aus handgefertigten, farbig bemalten,
zylindrischen Segmenten, die nach immer
wieder unterschiedlichen mathematischen
Reihenfolgen aneinandergereiht waren und
63

MARTIN EBNER
jeweils einen inneren Fehler in dieser Reihe
aufwiesen. Die Objekte waren als Kommentar
und Erweiterung der Malerei gedacht, als eine
„peinture sans fin“; sie besitzen kein Oben und
Unten, Vorne und Hinten, Cadere trug sie von Ort
zu Ort, man konnte ihre Position verändern.
Ein (Film-)Archiv unterliegt gewissen
Ordnungskriterien. Objekte werden gesammelt,
sortiert, geordnet, verwaltet. Die Erinnerung an
den Inhalt des Archivs und dessen Bedeutung ist
jedoch häufig höchst subjektiv. Dennoch wird die
Integrität des einzelnen Films so weit wie möglich
zu erhalten versucht, das gilt im Besonderen auch
für komplizierte Urheberrechtsfragen.
Die Filme selbst sind auf Spulen gerollt,
beschriftete Filmdosen werden in Regalreihen
gestapelt. Ein einfaches Ordnungssystem erlaubt
das schnelle Auffinden der jeweiligen Filmrolle.
Seine bestmögliche Aufführung erlebt der
Film unter den standardisierten Bedingungen
des Kinos, hier kann das Publikum kollektiv
die in einem Film linear organisierten und
gespeicherten Bild- und Tonereignisse in einem
Zeitablauf von Anfang bis Ende erfahren.
Die Leinwand ist groß, der Ton ist raumfüllend.
Ins Kino gelockt wurde man durch ein
Filmplakat, einen Hinweis in der Zeitung oder
ein Gerücht in der Stadt. Wenn die Menschen
den dunklen Kinoraum verlassen, sind ihnen
die sensuellen und emotionalen Eindrücke noch
anzusehen, sie bewegen sich manchmal noch
etwas unsicher, versuchen das eben Erlebte in
Worte zu fassen.
Filmkopien können reisen. Sie werden mit
der Post verschickt und hoffentlich gehen sie
nicht verloren. Mit jeder neuen Aufführung
wird eine neue Verbindlichkeit über die im
Film gespeicherte, ursprüngliche Information
hergestellt, ein neuer Zusammenhang, eine neue
Möglichkeit der Interpretation.
Filmkopien können auch zerlegt werden,
im einfachsten Fall, indem einzelne Kader
herausgeschnitten werden, aus technischen
Gründen vielleicht.
Das Filmarchiv des Arsenal beinhaltet auch
ein bedeutendes Segment mit historischen
Experimentalfilmen. Hier finden sich meist eher
kurze Werke nicht narrativen, experimentellen
Charakters, häufig entstanden in Opposition zu
den Produkten der industriellen Filmproduktion.
Manche der diesen Filmen zugrundeliegenden
Strategien sind für eine Auseinandersetzung
mit den aktuellen Problematiken, die aus der
Digitalisierung entstehen, durchaus interessant.
Zum Beispiel der amerikanische, surrealistische,
30-minütige Film ROSE HOBART von Joseph
Cornell aus dem Jahr 1936.
Joseph Cornell hatte sich eine auf dem Flohmarkt
gefundene Kopie des Hollywood Films East of
Borneo angeeignet, den Film neu geschnitten,
verkürzt, um zusätzliche Bilder erweitert und mit
einem neuen Ton kombiniert, um so eine gänzlich
neue und eigenständige Aussage herzustellen
– eine Methode, die in radikaler Weise das
Konzept eines Films als unverletzbare Einheit
„geistigen Eigentums“ in Frage stellt. Man könnte
diese Stategie als eine Art frühes „Sampling“
bezeichnen.
Außerdem hatte Cornell den ursprünglich
schwarz-weißen Film blau eingefärbt, indem
er ihn bei seiner ersten Vorführung durch
ein blaues Glas projizierte. Dazu spielt er
sentimentale Tanzmusik von Schallplatte. Für die
Kopie, die er Jahrzehnte später mit Jonas Mekas
für die Anthology Film Archives in New York
herstellen ließ, entschied er sich allerdings für
eine rötlich-violette Färbung, und diese weiterhin
provisorische, oder nun doch endgültige Version
findet sich auch im Arsenal-Archiv. Die Tonebene
besteht in dieser Version aus einer Audio-
Cassette bzw. mp3/CD mit Mambo-Musik aus
den 1960er Jahren, die bei jeder Aufführung
parallel zur Projektion des Films (nicht
synchron) abgespielt wird. ROSE HOBART, so die
64

FILM OHNE FILM
Information auf der Filmdatenbank des Arsenal,
ist 142 Meter lang und wiegt 0,95 kg.
Ein zweiter, in diesem Zusammenhang für mich
interessanter Film im Archiv ist THE EVIL FAERIE
von George Landow aka Owen Land. Dieser
Film ist 4 Meter lang und wiegt 0,05 kg, hat also
nur etwa 5 Prozent der Länge und des Gewichts
von ROSE HOBART aufzuweisen. Entstanden
1966 im Rahmen der Fluxfilm Initiative von
George Maciunas und Teil des sogenannten Flux
Reels, zeigt dieser Film nach einer ausführlichen
Titelsequenz nur eine einzige Geste eines
unbekannt gebliebenen Darstellers. Dieser Film
hat reinen Informationscharakter, es ist nur diese
einzige, nicht eindeutig zu entschlüsselnde Geste,
die transportiert wird. Doch möglicherweise
beinhaltet die Existenz dieses Films zusätzlich
einen Fehler: Manche Quellen behaupten, dass
Owen Land die Autorschaft bestreitet und der
Film entgegen der allgemeinen Behauptung
und Annahme von John Cavanough stammt,
einem amerikanischen Bildhauer (der schon in
den frühen 1960er Jahren mit Flicker-Filmen
experimentiert hatte und ebenfalls auf der
Fluxfilm-Rolle vetreten ist).
Wenn Judith Hopf und Henrik Olesen in ihrem
Remake von The Evil Faerie (2008) also die
exakte Struktur und Form des Originals kopiert
haben, um gleichzeitig eine andere Lesart der
im Zentrum stehenden Geste vorzuschlagen,
so handelt es sich um eine aktualisierende
zwischenfilmische Brücke von 42 Jahren, und der
Fehler, die Verfehlung ist Bestandteil des Spieles.
Ephemere Filme, fehlerhafte, fragmentarische
Filme, Filme ohne Autoren, Filme nicht fürs Kino
gemacht, Filme, die aus konkreter Aneignung
entstanden sind: diese Praxis findet heute ihre
Plattform im Internet.
Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass viele
dieser experimentellen, jetzt als kanonisch
beschriebenen Filme an der Schnittstelle
von Film und bildender Kunst entstanden
sind. Die Geschwindigkeit der Verbreitung
der Information über die Existenz und das
Wesen eines Werks hat im 20. Jahrhundert
stets zugenommen und kulminierte mit der
rapiden Ausbreitung und Internationalisierung
immaterieller, konzeptueller Ideen bereits
Anfang der 1970er Jahre parallel zur
Entwicklung des Microcomputers und digitaler
Netze. 1
Wenige Jahre später bricht die revolutionäre,
erregende Energie der experimentellen Kunst-
Filmbewegung. Der „Avantgardefilm“ befindet
sich in der Krise, sieht sich mit unangenehmen
Tatsachen konfrontiert, grundlegende
Zweifel erfordern eine Anpassung der
ursprünglich radikalen Konzepte – Feminismus,
Perfomance und die Verfügbarkeit und
Manipulationsfähigkeiten von Video stellen
neue Herausforderungen dar. An diesem Punkt
taucht kurz die Vorstellung von Film ohne Film
auf – filmische (Zeit-)Erfahrung wird über die
Ränder von „expanded cinema“ hinaus gedacht
und auf leere Räume (Long Film For Ambient
Light, Anthony McCall, 1975) übertragen oder
auf bemalte, sich über einen langen Zeitraum
verfärbende Leinwände (Yellow Movies,
Tony Conrad, 1972/2009).
Die Auseinandersetzung mit der semantischen
Überschreitung von Bedeutungsgrenzen
hat sich für die bildende Kunst als produktiv
herausgestellt (fountain, pipe). Es ist interessant,
sich einen leeren Raum, der nur durch das sich
verändernde Raumlicht moduliert wird, als
„Film“ vorzustellen. Doch ein gelb bemaltes Stück
Leinwand gilt unter allgemeinen Kriterien noch
nicht als Film und hat wahrscheinlich deshalb
auch nicht Eingang in ein entsprechendes
Filmarchiv gefunden.
Das Konservieren, Zur-Verfügung-Stellen und
Verbreiten der Information über historisch
experimentelle Filmarbeiten und ihre
65

NO.
The Evil Faerie
Series title: Flux Film (Film 25)
Director: George Landow
Country: USA
Year: 1966
Tags: Experimental film
25
FILM
FLUX
Format: 16mm
Rental status: rental upon request
Version: original language version
Language: without dialogue
Running time (minutes): 1
Color: b&w
Sound: Silent
Aspect ratio: 1:1,37
Frame rate: 24
Length in metres: 4
Weight: 0.05
Number of reels: 1
4m

BY GEORGE LANDOW
THE EVIL FAERIE
STARING
STEVEN M. ZINC

MARTIN EBNER
Konzepte ermöglicht ein Weiterschreiben an
einer utopischen „Subgeschichte“ des Films
(Ernst Schmidt Jr. / Hans Scheugl). Dass dieses
Weiterschreiben häufig auch mit einem Zerlegen,
Zerreißen und Umschreiben verbunden ist, ist
Bestandteil der Selbsterneuerungsfähigkeit des
ästhetischen Felds. Wieder liegt der Vergleich mit
dem Sampling im Bereich der Musik nahe (man
könnte auch die DNA-Sequenzanalyse als Beispiel
anführen).
Mit der Vergegenständlichung von Filmen als
Objekten im Zusammenhang des Living-Archive-
Projektes möchte ich auf die Existenz dieses
prekären Zusammenhangs in plastischer Form
hinweisen. Den Objekten haftet etwas formal
Gemeinsames an, das macht sie zu einem „Set“,
einer gedanklichen Einheit. Sie tragen eine
gewisse, individuelle Information über ihre Länge,
Struktur – auch wenn man sie in Teile zerlegt oder
neu kombiniert, ist im einzelnen Segment noch
die Rückführung auf ihre originale Existenz als
reale, konservierte Filme möglich.
Sie sehen im Kontext einer Auseinandersetzung
mit audiovisuellen Medien etwas ungewöhnlich
aus, man kann sie herumtragen. Sie sollten
biegsam sein, nicht völlig starr.
“Art that does not show change within our
time-space of attending to it we tend to regard as
‘object’. Art that does show change within our
time-space of attending to it we tend to regard as
‘event’. Art that outlives us we tend to regard as
‘eternal’. What is a issue is that we ourselves are
the division that cuts across what is essentially
a sliding scale of time-bases. A piece of paper on
the wall is as much a duration as the projection
of a film. A static thing, in terms of impulses to
the brain, is a repetitive event. Whether the locus
for consideration is ‘static’ or ‘moving’, we deal
with time-spans of attention, the engagement
of cognition and memory within the context of
art-behaviour.
Neither objects nor events are for the most part
accessible. They are rarely ‘on show’. Since they
are intentional, meaningful signs, this is of no
consequence: once an idea is established ‘in mind‘,
it has entered the circuit of (art) ideas, and it
won’t go away, except through debate within that
circuit.“
Anthony McCall, „Notes on Duration“, Festival of Expanded
Cinema catalogue, ICA, London, 1976
1 Siehe: http://0xdb.org/0189133/timeline
2 Vgl.: Lucy R. Lippard, Six Years – The Dematerialization of the
Art Object from 1966 to 1972 oder Paul Schimmel (ed.):
Out of Actions: Between Performance and the Object, 1949–1979
68

Darryl Els
Shifting Grounds: Reflections on National Identity in the Archive
The concept of nation and cinema has long
been a central facet of film studies. That
the subject has remained fiercely contested
theoretical terrain is evidenced in its numerous
conceptualisations, be it “production, audience
reception, textuality, national-cultural specificity,
the cultural specificity of genres [or] nation-state
cinema movements,” to name but a few (Hjort &
Mackenzie 2000). The role of a film archive in the
formulation of national identity is still one to be
questioned and I will explore this inquiry using
the Arsenal – Institut für Film und Videokunst
and its collection of films.
Film archives are, more often than not, national
in construct and, as repositories where a nation’s
audio-visual heritage is stored and ordered, are
key sites of national narration and mythology.
The film archive as national institution gained
prominence in the late 1930s with the advent
of the Fédération Internationale des Archives
du Film (FIAF). In both the pre and post Second
World War eras the archival approach was
decidedly canonical, with archivists and curators
concerned primarily with the archive as it related
to historiography (Ballhausen, 2008). In other
words, film archivists generally strove to create
a complete and chronological account of their
respective national film histories and cultures.
Given the importance of archives as storehouses
of national narratives, the fostering of a sense of
national identity as an explicit function of the film
archive sits at the core of policy governing most
national audio-visual collections today.
When considering how a film archive such as
the Arsenal – Institut für Film und Videokunst
might relate to national identity, one of the first
observations is the ‘disrupted’ and ‘ad-hoc’ nature
of the collection. This has much to do with the
various entry points into the holdings (such
as the International Forum of New Cinema,
films donated from private holdings etc.) and it
offers the perspective of viewing this archive as
decidedly ‘transnational’ in nature. I will return to
this point in greater detail at the end of this article,
but suffice it to say that the institution since its
beginnings in the early 1960s as the Freunde
der Deutschen Kinemathek (the Friends of the
German Film Archive) has stood in stark contrast
to the concept of the national film archive, and as
such has served as a counterpoint to the archive as
a “locus of a static idea of nation” (Creet, 2011).
Mapping National Identity in the Archive
The Arsenal – Institut für Film und Videokunst
as a site of contestation of nation and national
identity is informed both by the films in the
collection as well as the various circulation
processes of the institution. Both the actual
texts of the films and their distribution and
69

DARRYL ELS
Film Programme
LA NACIÓN CLANDESTINA
Jorge Sanjinés, Bolivia 1989
Much like Zachariah in Come Back, Africa, the film’s
central character, Sebastian Mamani (Julio Baltazar)
is caught in modernity’s grand narrative - the conflict
between the urban and the rural. A disgraced coffin
maker fed up with living in La Paz, Sebastian decides
to return to his rural village in the Altiplano. On his
journey back, his memories of his past behaviour,
alienation and betrayals of his community are
revealed in flashbacks. Having consciously divorced
himself from his roots, he now seeks to atone for his
past sins by dancing himself to death in an Aymara
ritual. Against the backdrop of the Bolivian Andes,
the film explores the impact and changes to the
indigenous communities in Bolivia, showing the
way these play out in the identities and collective
memories of these societies (Restrepo, 2011).
LA NACIÓN CLANDESTINA, Bolivia, 1989
exhibition invariably function to create counter
publics and alternative narratives of nationhood.
The central purpose of this project is to map
the concept of national identity as it relates to
both the film collection and function of Arsenal
archive. This will be done in two ways; by firstly
linking certain films in the collection through
several identified textual thematics into a film
programme and secondly, through a reflection on
the transnational origins of the archive.
There are ‘many ports of entry’ into the discourse
of nation and cinema (Manning, 2008) and here
I use the themes of mobility, landscape, and
memory to develop a conceptual framework so
as to explore how these themes come together
to create specific national narratives. These
themes are central dynamics in the construction
of national identity with all three informing our
notions of home/lessness and belonging. The
concept of mobility for example is a significant
factor in how individuals and communities are
IMAGES OF ASIAN MUSIC: A DIARY FROM LIFE
Peter Hutton, USA 1974
The theme of mobility is poetically expressed in
Peter Hutton’s silent IMAGES OF ASIAN MUSIC:
A DIARY FROM LIFE, a film which stems from the
filmmaker’s nomadic experiences as a merchant
seaman. Compiled from footage taken when Hutton
was living in Thailand,the film functions as a kind of
diary - recording life at sea and on land and evoking
the loneliness of travel. The constant movement
between Southeast Asian landscapes, cities and
sparse hotel rooms evokes a sense of nomadism
which stands in contrast to the other filmic
portrayals of mobility and is one which ‘dispenses
altogether with the idea of fixed home or centre’
(Peters, 1998).
GOING HOME
Pola Chapelle & Adolfas Mekas, USA 1971
GOING HOME provides a particular reflection on
exile and what Salman Rushdie has called “a dream
of a glorious return” (Rushdie, 2000). The film, which
marks the return to Lithuania by both Jonas and
Adolfas Mekas after an absence of 27 years since
going into exile, follows Mekas as he journeys through
the Lithuanian hinterland of his childhood, searching
for and reconnecting with family and friends. Here,
one sees a moving realisation of the ‘fantasy of
return’, a dominate theme in exilic literature and
cinema. The themes of personal memory relate to
GOING HOME though the voice-over narration
which was taken from Mekas’ childhood diaries. This
device creates a temporal link between the states of
pre-exile, exile and the restoration of return.
70

SHIFTING GROUNDS: REFLECTIONS ON NATIONAL IDENTITY IN THE ARCHIVE
WAS BLEIBT, Austria/Bosnia-Herzegovina, 2009
constantly reimagining themselves in society
and is a “key force of social transformation in
the contemporary world” (Berghan & Sternberg,
2010). The second theme of memory has a
complex relationship to national identity. Rooted
in common experience and shared histories
(Bell, 2003), memory is as much about forgetting
as it is remembering and the films in the series
represent a diverse set of narrative constructs
encompassing these aspects. Finally the trope
of landscape has been routinely employed since
the late 18th century as a signifier of national
identity in the visual arts. Landscape and its
visual representations serve as the embodiment of
“place attachment and its symptoms of nostalgia,
homesickness, patriotism and nationalism”
(Harris, 2008).
GIRL FROM MOUSH
Gariné Torossian, Canada 1993
Exploring and complicating the concept of collective
memory and experience, the film consists of
interwoven and meshed images of Armenian
landscapes, churches, faces and so forth. All the
while off camera, a woman speaks of what it means
to be Armenian even though she has never been to
the country. Torossian creates a disjunctive sense
of shared memory and history by not fixing the film
as either expressly Armenian or Canadian (Curtis).
This “problematising of both referents terms“ in turn
reveals that “collective memory and the experience
of ethnicity are processes of perception rather
than a means of accessing a symbolic and essential
source” (Curtis, 2001).
WAS BLEIBT?
Clarissa Thieme, Austria/Bosnia-Herzegovina 2009
In WAS BLEIBT? (What Remains?) the relationship
between cinema and public memory is directly
explored in a film which functions as a kind of ‘filmic
memorial’ in the oblique narration of a national
trauma. The piece is comprised of long static shots
of places in Bosnia-Herzegovina where war crimes
were committed during the Bosnian war. Here we
see images of city markets, long-lensed cityscapes
and crumbling, bullet-scarred edifices which evoke
an extraordinary sense of anxiety.
As one curator has noted “Is the camera waiting for
something more “to happen”? Is this a celebration
of the capacity of people to re-establish their lives
in the wake of tragedy or a comment on how easy
it is to forget?” It is this ambiguity that creates the
tension running throughout the film, calling into
question the nature of film and public memory
through the representation of landscape.
Perhaps more than any other film, Lionel Rogosin’s
COME BACK, AFRICA (1959) illumes the manner
in which the film collection of the Arsenal and the
institution itself allows for a revising of cinema
and its connection to national identity. The film is
discussed below as it relates to mobility, landscape,
and memory and in the right-hand column, the
other films in the series are discussed in parallel
to briefly illustrate the myriad of ways in which
the same themes are addressed in the archive
and the films themselves. This approach is so the
reader (and viewer) can get an overall sense of the
programming concept.
COME BACK, AFRICA
Lionel Rogosin
South Africa/USA 1959
COME BACK, AFRICA (1959) is a cornerstone of
South African cinema heritage as well as the
very first film to be acquired by the then Freunde
der Deutschen Kinemathek. Lionel Rogosin,
an American director, filmed COME BACK,
AFRICA in the late 1950s in Johannesburg. Due
to restrictions he was forced to do so illicitly,
convincing the South African authorities into
71

DARRYL ELS
COME BACK, AFRICA, South Africa/USA 1959
believing he was making a music documentary.
The result was a film that is exemplary in its
depiction of the black urban experience of the
time. In brief, the film tells the story of Zachariah
(Zacharia Mgabi) who leaves his rural home to
find work in Johannesburg. As the film progresses
Zachariah moves from job to job, working in the
mines, as a domestic worker and at a car garage.
At a local tavern in Sophiatown 1 he befriends
a group of intellectuals and political activists
but also comes into conflict with Marumu, a
local gangster. Later, his wife arrives and finds
employment in a white home as a domestic
worker. One night while staying together in
her room and in violation of apartheid’s racial
pass laws, the police raid the house and arrest
Zachariah. Once out of prison, he returns to
Sophiatown only to find that Marumu has
murdered his wife. In the film’s final scene we
see a montage of the urban landscape and mine
dumps of Johannesburg as a distraught Zachariah
beats his fist in despair.
With its narrative of a migrant worker who
arrives in Johannesburg to work on the mines,
the theme of migration and the critique of the
migrant labour system lie at the crux of
COME BACK, AFRICA. Rogosin critically reflects
on both the mining industry and the migrant
labour system it fostered, two fundamental
elements in understanding South Africa’s entry
into modernity and the subsequent formation of
apartheid ideology. Through the theme of rural/
urban migration, Rogosin invokes a pervasive
literary and cinematic trope in South Africa
often generically referred to as the ‘Jim Comes
to Jo’burg’ story (from the Donald Swanson film,
African Jim / Jim Comes to Jo’burg, 1949). The film
CANADIAN PACIFIC I
David Rimmer, Canada 1974
In David Rimmer’s structuralist landscape study,
the Vancouver harbour was filmed over a period of
three months with a stationary camera through the
window of his second floor studio. The film shows
the transformation of the landscape as the seasons
change and ‘documents’ the interplay of nature (the
sky, mountains, water) and infrastructure including
the Canadian Pacific Railway, an important Canadian
national symbol.
Rimmer’s landscape films stand counter to
traditional Canadian landscape painting and what
Gaile McGregor calls the “Wacousta Syndrome” –
where the paintings have an “anxiety of the horizon,”
depicting nature as something “threatening and
monstrous” (Russell, 2006). Instead, Rimmer’s
films undermine traditional nationalist landscape
practices by representing nature as ‘inhabited’
or ‘domesticated’ (Russell, 2006) and providing
an alternative to the “nationalisations of nature”
representation.
CANADIAN PACIFIC I, Canada, 1974
also explicitly deals with the concept of mobility
in apartheid urban space, portraying the lack of
access, dispossession, and control of space in the
South African city. This early representation of
migration in South African cinema illuminates
how representations of mobility can serve to
72

SHIFTING GROUNDS: REFLECTIONS ON NATIONAL IDENTITY IN THE ARCHIVE
“challenge national and ethnocentric myths
by revisiting and revising traditional historical
narratives” (Berghan & Sternberg, 2010). With
COME BACK, AFRICA, arguably the first antiapartheid
film, Rogosin’s depiction of blackness
and dispossession creates a contrary narrative of
the black South African urban experience of the
1950s.
Linked to this, a striking aspect of the film is
Rogosin’s continual use of the urban landscape
of Johannesburg and its surrounds as a critical
element in his counter narration of apartheid
South Africa. From its opening montage
of buildings, mine dumps, and the city of
Johannesburg under seemingly constant
construction, the land/urban scape is a dominant
motif throughout the film. If landscape can be
viewed as a “spatial expression of citizenship”
and identity (Harris, 2008), then Rogosin’s urban
imagery provides a re-representation of the
apartheid city, one which reveals the mechanisms
of access, inclusion and exclusion upon which
such a repressive regime was premised. As
Jacqueline Maingard writes, “the film’s focus
on city buildings is a dominant thematic stand.
Juxtaposed against the flimsiness of Sophiatown,
as its demolition increasingly saturates the frames,
there is the constant return to imagery of the city
centre itself. This is the space that workers have
constructed, and are engaged in constructing,
yet it is a space that they cannot inhabit, nor whose
wealth they can share” (Balserio, 2003
in Maingard, 2007).
The theme of landscape as a political and cultural
entity and signifier of national identity runs
throughout all the films in the series, albeit in
different contexts and filmic forms. Post-colonial
studies connects landscape and mobility in
positing that identities are “spatially constructed”
through migration, diaspora, and exile (Bhabha
in Harris, 2008). To this we can add the notion of
cultural memory, an inherent aspect of national
identity production since it forms a way in which
one imagines and creates narratives of self, place,
and history.
Due to restrictions, COME BACK, AFRICA
was filmed as a documentary-fiction hybrid
as well employing the use of non-actors to
escape censorship. The resulting scenes with
the Drum magazine 2 writers, Lewis Nkosi, Can
Themba, et al. as well as Miriam Makeba (before
her international career) provide a rare visual
record of black intellectual life in the late 1950s.
Likewise, the vérité footage of street musicians
in Johannesburg and Sophiatown creates a
similar sense of cultural memory through these
representations. This is especially pertinent when
considering the lack of audio-visual material that
exists on the protagonists in the film and indeed
on the Johannesburg suburb of Sophiatown, an
epicentre of black culture which was destroyed
under the Natives Resettlement Act of 1954.
The complex interplay of these aspects renders
the film a kind of memorial to place, with the
characters of the time lending the film an
‘archival value’ (Modisane, 2010). This underlines
its importance as a work that allows for the
constant revision and reflection on both current
and past cinematic representations of South
African identities.
COME BACK, AFRICA & the Creation of a
Transnational Film Archive
In addition to the themes of identity and home
illustrated above, the story of COME BACK,
AFRICA’s entry into the collection is also a
powerful reminder of the role and function of the
Arsenal – Institut für Film und Videokunst as an
oppositional and transnational cinematic public
sphere. Lionel Rogosin completed COME BACK,
AFRICA in the late 1950s and it was banned
from the outset, only receiving its first public
screening in South Africa as late as 1988, some 30
years after it was released. Likewise, due to the
73

DARRYL ELS
apparent efforts of the apartheid government,
which initiated an international smear campaign
against Rogosin by branding him a communist,
the film struggled to find distribution both in the
United States and in Europe. Indeed as Litheko
Modisane writes:
“COME BACK, AFRICA addressed a public that
was outlawed, and therefore could not be, and
in so doing, constituted a public in the conditions
of its own absence. Projected to a public that
significantly includes local Africans, its failure
to circulate in South Africa meant that its
actual publics were exclusively transnational.
Consequently, the absence of black publics
underwrote its publicness.” (Modisane, 2010)
Shortly after the film was made, however,
the founders of the Freunde der Deutschen
Kinemathek (FDK), Erika and Ulrich Gregor came
into contact with Jimmy Vaughn, an associate
of Lionel Rogosin. Vaughn, who would later cowrite
the film, Good Times Wonderful Times (1965),
arrived in Berlin with the reels of COME BACK,
AFRICA, which had just won the Italian Critics
award at the Venice Film Festival. Despite this
acclaim, Vaughn and Rogosin had little success
in finding a European distributor pleading to
the Gregors to “Please do something for the film”
(Arsenal, n.d.). They replied that they would keep
the film for him if he “could lift and fit the film
reels into the tiny storage space above the front
door of their Berlin apartment” (Gregor, 2011).
As the international public interest in COME
BACK, AFRICA grew, no doubt influenced by
major political events occurring in South Africa
such as the Sharpeville Nassacre 3 in 1960, the
Gregors would subsequently receive numerous
requests to screen the film and so both archival
and distribution aspects of the institution came
into being.
Through the acquiring of COME BACK, AFRICA
and the subsequent formation of both an archive
and a distribution platform, the FDK facilitated
the production of a counter public sphere
throughout Germany and Western Europe. In the
absence of its intended public due to censorship,
the distribution of the film to transnational
publics allowed for a critical engagement with
the politics of apartheid South Africa. This
created the possibilities in the formation of new
kinds of publics but also, importantly prompted
critical engagement with the film in South Africa
(Modisane, 2010).
Conclusion
Mobility, memory and landscape are a useful set
of themes through which to explore the nature of
national narration in the Arsenal archive. In each
film the relationship between place, filmmaker
and subject is a site where the confluence of these
themes creates complex and contested identities
and ideologies. Linked together in a programme,
these films provide “counter-narratives of
[the] nation that continually evoke and erase
its totalizing boundaries—both actual and
conceptual—disturb those ideological manoeuvres
through which ‘imagined communities’ are given
essentialist identities”. (Bhabha, 1990).
Likewise, the anecdote of COME BACK, AFRICA’s
entry and key role in the formation of the archive
illustrates both the transnational nature of the
institution as well as its role as a site of reception
and formation of cinematic counter publics.
Indeed the same analysis of COME BACK, AFRICA
can be extended to other films that are in the
collection such as Nana Mahomo’s LAST GRAVE
AT DIMBAZA (1975), a documentary on life under
apartheid, as well as numerous Latin American
and East European films from the same period.
These transnational origins of the Arsenal archive
allow it to be understood as space where notions
of national identity are contested and in which its
collection of films are in the “constant narration
and re-narration of national identity, historical
crisis and transformation” (Creet, 2011).
74

SHIFTING GROUNDS: REFLECTIONS ON NATIONAL IDENTITY IN THE ARCHIVE
1 From the late 1950s the apartheid state pursued a policy of
large-scale forced removals of neighbourhoods and communities.
The destruction of Sophiatown, an epicentre of jazz, politics and
intellectual life and one of the few urban areas where black South
Africans could own land, took place from early 1955 to 1959.
Many of its residents were relocated to the township of Soweto.
2 Founded in the early 1950s, Drum Magazine quickly became
an important publication for a new generation of African writers
and intellectuals. In creating new representations of blackness, the
magazine reflected the shifting urban identities of the time. Upon
completion of the film, many of the characters including Lewis
Nkosi and Miriam Makeba went into exile and were only to return
to South Africa in the post-apartheid era.
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home, and identity in Canada. Minneapolis: University of
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3 One the largest atrocities carried out by the apartheid state,
the Sharpeville Massacre took place on 21 March 1960 when
South African police opened fire on protestors causing the deaths
of 69 people.
Cited and Related Literature
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Routledge.
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166). New York: Taylor & Francis.
75

Heinz Emigholz
Vorwärts und nicht vergessen…
INSIDE OUT
USA 1976/78, 16mm, s/w, stumm, 25 min (18
Bilder/Sek)
Film von Sheila McLaughlin
mit Lizzie Borden, Mary Rattray, Mirien Soto
Internationales Forum des Jungen Films 1979
COMMITTED
USA 1980–84, 16mm, s/w, 77 min
Film von Lynne Tillman & Sheila McLaughlin
Mit Sheila McLaughlin, Victoria Boothby, Lee
Breuer, John Erdman a.o.
Buch Lynne Tillman
Regie Sheila McLaughlin & Lynne Tillman
Kamera Heinz Emigholz
Schnitt Sheila McLaughlin
Musik Phillip Johnston
Internationales Forum des Jungen Films 1984
SHE MUST BE SEEING THINGS
USA/BRD 1987, 16mm, Farbe, 92 min
Film von Sheila McLaughlin
Koproduziert von ZDF (“Das kleine Fernsehspiel”)
mit Sheila Dabney, Lois Weaver, Kyle DeCamp,
John Erdman u.a.
Buch, Regie Sheila McLaughlin
Kamera Mark Daniels und Heinz Emigholz
(„Catalina“)
Schnitt Ila von Hasperg
Musik John Zorn
Dass ich an Gedankenflucht leide, ist seit meinem
Film NORMALSATZ von 1981 bekannt. Darin
wurde sie ja analysiert. Auch wurden in dem Film
die Versuche dokumentiert, mit Memorier- und
Aufzeichnungstechniken gegen sie anzugehen.
Später kam das Vergessen hinzu, das sich auch auf
die so angesammelten Artefakte erstreckte. Die Zeit,
sie zu durchforsten, war nicht vorhanden, allein
schon, weil eine gewisse Produktionsbesessenheit
jeden Rückblick versperrte. Blickst du zurück, wird
sich die Gesellschaft an dir rächen, also sieh nur
nach vorn, solange du kannst. Sei immer ein paar
Ecken weiter und immer dort, wo man dich nicht
vermutet, und lass dich auf dieser Flucht nicht von
deinen Zuschauern einholen. Wer oder was dabei
auf der Strecke bleibt, ist klar.
Im Zusammenhang mit Living Archive habe ich
mich gefragt, wo und zu welchem Zeitpunkt ich die
Weichen hätte anders stellen können oder sollen.
Erste Weiche, richtig gestellt: Der Filmemacher
Larry Gottheim hatte 1973 auf der Hamburger
Filmschau meinen Film SCHENEC-TADY gesehen
und mich in die USA eingeladen, wo ich ab Mitte
1974 in NYC lebte. Der Kern meines Freundeskreises
bestand aus Studierenden und Ex-Studierenden
von Larry Gottheim und Ken Jacobs, die dort
1973 das Collective for Living Cinema gegründet
hatten, das für zehn Jahre an wechselnden
Orten zu einem Kristallisationspunkt für ein
künstlerisches Arbeiten mit Film werden sollte.
Die Anthology Film Archives waren schon damals
unter Jonas Mekas zu einer eher verkrusteten
Institution geworden, die sich vornehmlich
darauf konzentrierte, den Heldenstatus des schal
gewordenen New American Cinema zu schützen
und zu wahren. Von dort war wenig Living zu
erwarten.
76

Zweite Weiche, 1977: Der Film DEMON
bezeichnet für mich das Ende einer
grundlegenden, experimentellen Beschäftigung
mit den energetischen Möglichkeiten der
Filmform und den Übergang in sehr offen
angelegte, auch dokumentarische, quasinarrative
Konstrukte, in denen ich die eigene
Existenz und deren verquaste Bedingungen
und Verstrickungen thematisieren wollte. Der
von 1978 bis 1981 in Manhattan und Hamburg
produzierte Film NORMALSATZ war so ein Film.
Dass ich darin das in den vorherigen Filmen
gestartete, kinematografische Erkenntnisinteresse
fortsetzte, ist für mich bis heute verbindlich.
NORMALSATZ wäre ohne das Zusammenspiel
mit amerikanischen Freunden nicht
zustande gekommen. Die Filmemacherin und
Schauspielerin Sheila McLaughlin und die
Schriftstellerin Lynne Tillman spielen darin
ebenso mit wie Marcia Bronstein, Peter Blegvad,
Carla Liss, David Marc, John Erdman, Martha
Wilson u.a. Eine Sequenz des Films beruht auf
Lynne Tillmans Text The Interpretation of Facts,
eine andere Sequenz, die zu Soaps und Sitcoms,
auf dem extra für den Film geschriebenen Text
Specimen of Table-Model Talk von David Marc
und Daniel Czitrom. Der Dichter Hannes Hatje,
der Hauptdarsteller des Films, übersetzte Lynne
Tillmans ersten Roman Haunted Houses später
für den deutschen Verlag, für den ich auch Art
Spiegelmans Breakdowns übersetzt hatte.
Die lose und freie Produktionsform von
NORMALSATZ inspirierte auch den
Produktionsstart von COMMITTED von
Lynne Tillman und Sheila McLaughlin und
den Ensemblefilm Macumba von Elfi Mikesch.
NORMALSATZ und Macumba hatten 1982 auf
dem 12. Internationalen Forum des Jungen Films
Premiere. Die bürgerliche Presse, die sich gerade
bis zur Idiotie in Betroffenheitsfilme verliebt
hatte, kritisierte uns als „bourgeoise Flaneure".
Sheila McLaughlin spielte dann auch in Filmen
von Elfi Mikesch mit. Elfi wiederum löste mich
bei den Szenen von COMMITTED, in denen ich
mitspielte, an der Kamera ab. Ich hatte aus meiner
aus Hamburg mitgebrachten geblimpten Bolex
Pro-Kamera den Quartz ausgebaut, was zu dem
von Jim Hoberman so gepriesenen Period-Look
beitrug. Für Sheila McLaughlin brachte der 1984
auf dem Forum in Berlin uraufgeführte Film
den Kontakt zum Kleinen Fernsehspiel, dessen
Redaktion damals noch nicht an der später
selbst auferlegten Provinzialität litt. Und der
American Independent Film war noch nicht der
Szene-Götzendienst, zu dem er später mit Hilfe
westdeutscher Produktionsförderungen verkam.
Dritte Weiche, 1985: Lynne Tillman hatte ein
Drehbuch nach dem Roman Two Serious Ladies
von Jane Bowles geschrieben, das sie mit Carola
Regnier und Magdalena Montezuma in den
Hauptrollen verfilmen wollte. Ich sollte die
Kameraarbeit übernehmen und hätte es gern
getan. Leider scheiterte das Projekt trotz Zusagen
von Paul Bowles an Rechteproblemen, weil eine
deutsche Produktionsfirma inzwischen Gelder
für einen Film von Sara Driver nach dem gleichen
Roman aufgetrieben hatte. Der Film kam nie
zustande. Lizzie Borden, die in INSIDE OUT von
Sheila McLaughlin mitgespielt hatte, plante nach
ihrem großen Erfolg mit BORN IN FLAMES
von 1983, in dem wiederum Sheila McLaughlin
und Kathryn Bigelow mitgewirkt hatten, mit
Miramax den Film Working Girls, bei dem ich
Director of Photography werden sollte. „Going pro"
war angesagt. An diesem Punkt musste ich mich
entscheiden. Die Gesetze der Arbeitsteilung und
die damalige, im Gegensatz zur BRD, in den USA
vorherrschende Praxis einer strikten Trennung
zwischen „professionellem“ und „experimentellen“
Kino, hätte mir mit der Entscheidung für eine
Karriere als Kameramann in den USA jede
Möglichkeit, dort eigene Filme zu machen,
verbaut. Die Erfahrung von John Erdman, dem
von der „Industrie“ eine Besetzung in ihren
Spielfilmen verweigert wurde, weil er in Filmen
von Yvonne Rainer mitgespielt hatte, waren mir
77

Warnung genug. Ich sagte also ab und arbeitete
in Deutschland an DIE BASIS DES MAKE-UP
(mit John Erdman in der Hauptrolle) und an DIE
WIESE DER SACHEN. Für Sheila McLaughlin
übernahm ich dann noch die Kameraarbeit für
den „Film im Film“ in SHE MUST BE SEEING
THINGS von 1987, in dem Kyle deCamp „Catalina“
spielt. Kyle spielte dann wiederum zusammen mit
John Erdman in meinem Film DER ZYNISCHE
KÖRPER von 1990.
Über die Arbeit an SHE MUST BE SEEING
THINGS veröffentlichten Petra und Uwe
Nettelbeck im September 1986 in Die Republik
Nr. 76-78 einen Text, der so beginnt: „Kamera,
am 16. Mai 1986. Nachmittags in einem Raum
ohne Fenster aufgewacht. In der Nacht zuvor
hatte ich fast durchgehend die Handkamera
vor dem rechten Auge gehabt, das linke war
mit einer Klappe verschlossen. Jetzt bekam
ich die Möbel des Zimmers im Kopf nicht mehr
zusammen. Die vergangene Arbeit kam mir
vor wie ein Trancezustand, eine Traumhöhle,
in dem ich als Person nur in der Funktion der
Augen und in dem geometrischen Raum, den
sie in die Landschaft projizierten, existierte.
Eine mehr oder weniger bildbeschreibende
Kommunikation mit dem Filmteam war wegen
der Handkamera, die ein Mitsehen ausschloss,
zusammengebrochen. Das Team wusste nicht
mehr, was ich tat. Die Produktion schwebte im
Dunkeln. Die Bilder auf der Retina schickten
ihre unsichtbaren Konstruktionsstrahlen in den
künstlich beleuchteten Drehort. Im Moment
seines Entstehens ist dieser Vorgang nicht
vermittelbar. Meistens wird diese Tatsache
durch die Produktionslüge verdeckt, dass Bilder
etwas in aller Sicherheit Einzukassierendes
seien. Man kennt die Bilder, in denen sich nichts
als der Schreibtisch dessen spiegelt, der sie sich
ausdachte…“. Es war die Szene, in der Catalina
sich nachts mit einem Mann duelliert. Hier ist
die Skizze der Auflösung, die ich in meinem
Drehbuchexemplar gefunden habe:
Ursprünglich wollte ich für Living Archive die
Filme COMMITTED und NORMALSATZ gekoppelt
als Beispiele für eine 30 Jahre alte, transatlantische
Kooperation auf DVD herausbringen. Jetzt
erscheint es mir naheliegender, die drei Filme von
Sheila McLaughlin und Lynne Tillman zusammen
mit dem Video-Interview, das Stefanie Schulte
Strathaus und ich am 21. Dezember 2012 mit
Sheila McLaughlin im Arsenal aufgenommen
haben, und dem Interview, das ich mit Lynne
Tillman im Januar 2013 per E-Mail geführt
habe, zugänglich zu machen. Die Filme stehen
in unserem Projekt für eine in den 70er und
80er Jahren stattgefundene Entwicklung des
Experimentalfilms – weg von einer radikal
materialbetonten, selbstreflexiven Filmform, hin
zu den Erzählweisen des Independent Films, in
denen neue Formen filmischer Repräsentation
und Dokumentation erarbeitet wurden. Meine
Trilogie der 70er Jahre, zu der NORMALSATZ
gehört und die mit einem ähnlichen Impetus
angetreten ist, erscheint dann demnächst ebenso
bei Filmgalerie 451.
78

VORWÄRTS UND NICHT VERGESSEN…
About COMMITTED
Q&A between Heinz Emigholz and Lynne Tillman, January 2013
Heinz Emigholz: How did you come up with
the topic “Frances Farmer”, was her life story of
general interest in those days?
Lynne Tillman: In the late 1970s, because, in
part, of feminism and feminist theory, many
of us were seeking out women in history who
had been under the radar or forgotten. In 1978,
I saw a photograph of Frances Farmer in a film
or in actuality – in any case, it was a framed
picture of Frances Farmer that sat on film-maker
Bette Gordon’s mantlepiece. I wondered what
had happened to Frances. I suppose I’d read
some salacious material about her years before,
in Kenneth Anger’s Hollywood book, and it
surfaced again, seeing her picture.
HE: How did you develop the story with Sheila
McLaughlin, why did you want to work on the
project together?
LT: I wanted to make a super 8mm sound movie
with Sheila, because I liked her first film, INSIDE
OUT. It had a quality I felt would work with the
extreme circumstances of Farmer’s life. Also,
Sheila and I both were very engaged in issues
about mothers and daughters, and in a very basic
sense, COMMITTED is a film about a daughter
and a mother.
I was and am a novelist, a writer, it’s who I am,
what I do. But I had a background in experimental
film; I had made a few short films, nothing terrific,
but had also shown experimental film. I knew
its history, too. I thought that Sheila and I could
combine our talents and make a compelling
film, an experimental narrative. My initial
thought was to make a short film, in super 8mm
sound. There were a lot of people in downtown
Manhattan in the late 70s into the 80s who’d
taken up the technology. I thought Sheila and I
could have fun making it. But Sheila wanted to
do it in 16mm, and that changed the nature of the
project, into something more serious which took
a lot of time.
HE: Was the script done before the first shooting
period or did you develop it further during the
years of production?
LT: I think much of the script was done before we
began filming. I know that changes were made,
additions were made, over the five years it took
to make. The first thing we filmed was about ten
or 15 minutes of the film, the beginning, and we
made it to show to grant-giving organizations.
Sheila and I worked on the story together, then I
wrote it, then showed it to her, then there were
changes. The usual process.
HE: How did you find these great media inserts –
psychiatrist's convention, educational film, radio
play? Did you plan to include them in the film
from the beginning?
LT: I’m not sure how we found everything we
used. We wanted Frances and her mother to
listen to the radio when they sat in the living
room, and we went to record stores and sought
out records of radio plays. As for the Congress on
Mental Hygiene, I think Sheila found out there
was such a thing, and we tracked down the two
volumes from that Congress, which had been
held in Washington, DC. The volumes were in a
small library branch, a branch of the New York
Public Library, on West 43rd street, I think. That
material was a treasure, and all quite insane. We
used as much as we could, by having the radio
announcer speak it.
79

HEINZ EMIGHOLZ
HE: COMMITTED seems to be the first
independent movie filmed as a “period” piece, or
am I wrong?
LT: We were aware of using time, slowing
everything down, and both of us liked that. For
instance, the mental hospital scene, in which the
women are sitting around, sluggish, doing nothing.
Time for inmates is painfully hard and slow, filled
with doing nothing much at all. Also, the slowness
seemed a part of its time, film then was slower,
scenes longer, and there was more talking. We
made a “period film”, although I don’t think we
began by saying that to each other. As it came
together, as it was about to be shot, our choices
were shaped by keeping period, and I think it does.
Or anyway, it doesn’t feel contemporary.
Your photography, Heinz, was crucial, essential
to the film. I suppose that is obvious, but I want
to underscore it. Your eye. The look of the film
depended on that eye. There were three major
shoots over a period of several years. Because of
that continuity, your coming from Germany to
shoot the majority of it, the film maintained its
integrity.
HE: The movie is quite didactic. Is that a sign of
those times? Do you still like it?
LT: It is a didactic film, which has a number
of causes or reasons. One, Sheila and I were
concerned about telling Frances’s story, because
people wouldn’t know it or her. Though a
biography had recently come out, William Arnold’s
Shadowland, Frances Farmer was not on people’s
minds. Most thought she was the American candymaker,
Frances Farmer Chocolates. So, we thought
the audience needed to be informed. Looking back,
I think less would have been more, and I, as the
scriptwriter, made a mistake. There are scenes
that just don’t work, because I’m obviously writing
lines to explain events of the time. Also, I got it
into my head to write soliloquies or monologues
for Frances and her mother, as in a Shakespearean
play. In retrospect, I think that, though we came up
with some amazingly unusual scenes, performing
monologues or soliloquies is extremely taxing on
the actor, trained or untrained. But with all its
defects, I still like COMMITTED, and think there’s
nothing else like it.
Another cause or reason for the didacticism: it
was part of experimental film then. Not all of
experimental film. Peter Wollen, in his essay The
Two Avant Gardes, clearly showed the differences
between, say, a Godard, Frampton, and a Brakhage.
But there were many film-makers working with
the idea of teaching and telling in a rather direct
way. Yvonne Rainer’s films, JOURNEYS FROM
BERLIN, for one, is a great example.
HE: How did the avant-garde establishment react
to the movie?
LT: I don’t think COMMITTED made much
headway in the avant-garde, certainly not then.
It first showed in the States in 1985, and by then a
certain kind of feminist film-making, of which we
were a part, was dying. Also, the fact that it was a
narrative film would immediately exclude it from
certain readings of what avant-garde is. I think
by now narrative is not seen that way. But back
then! From my point of view, its renunication was
ridiculous. And of course short-sighted. I’ve written
often about the importance of narrative, what it
can do. An early line of mine that gets quoted now:
“Stories are a way to think.” I think that’s true.
HE: Was the film included in film collections? If not,
why not, what do you think?
LT: I don’t know if it’s in film collections, I hope
so. Recently, I was on a panel about Cindy
Sherman’s work at the Walker Art Center. I
represented writing, Tom Kalin, film-making,
et al. Tom told me later that, to him and other
film-makers, COMMITTED, when it came out,
was very important because it was the first
experimental film of that time to merge narrative
80

VORWÄRTS UND NICHT VERGESSEN…
Poster for COMMITTED by Barbara Kruger, 1984
and experimental techniques. I was really happy to
learn that.
HE: Did you work on other films after
COMMITTED?
LT: After COMMITTED, I finished my novel
Haunted Houses (in the German translation it’s
called Verwunschene Häuser) and wrote a script for
Jane Bowles’ novel, Two Serious Ladies. I wanted to
direct it. I got two grants to make it, from NYSCA
and the Jerome Foundation. The script was based
closely on the novel, using its dialogue as much as
possible. But I was stopped, legally, from making it.
A long, sad story. After a year of trying, including
going to Tangiers to speak with Paul Bowles, I
gave up. And I returned the money to the Jerome
Foundation. They were startled. Then, since being a
fiction writer was my first priority, and always had
been, I gave up the idea of directing films altogether.
But in the early 90s, I wrote a script for Jane
Weinstock. And with it, she got into Sundance’s
Director’s Lab (1993). But Jane finally shelved it,
and went on to make a different feature, working
on the script with Gloria Norris. It's called Easy.
I’m glad that I couldn’t make Two Serious Ladies. I
thought I could do everything, but actually writing
a novel, which is my first and most precious love,
takes everything from me. I learned I can’t do
everything.
HE: I liked that we exchanged “jobs” (acting,
writing, camera) for each other in those days. I say
that in regard to NORMALSATZ in which I used
your text The Interpretation of Facts for a sequence,
and my camera work on Committed.
LT: Working on NORMALSATZ was a huge amount
of fun. It was a crazy time. But you took care of
everything and made sure all of us were fed and
housed. NORMALSATZ, as a record of time, and
the movements back and forth among a group of
people, is very dear to me. I’m very glad you made it
and included me, though I’m a terrible actor.
81

Entuziazm (Michael Baute, Volker Pantenburg, Stefan Pethke)
Das Geschäftsjahr 1978
In einem Filmarchiv, sei es von langer Hand
geplant oder – wie das Archiv des Arsenal –
eher beiläufig als Produkt enthusiastischer
Kino- und Festivalpraxis entstanden und stetig
gewachsen, liegen nicht nur Filmkopien. Das
Archiv besteht aus diversen Objekten (Filmrollen,
Dialoglisten, Fotografien, Briefwechsel, Staub,
Büroklammern), und zugleich sind diese Objekte
Zeugnis von Handlungen und Vorgängen (Filme
ordern, Rechnungen bezahlen, Publikationen
vorbereiten, Briefe schreiben, Telefonnotizen
machen, Buch führen).
Als wir uns für die Beschäftigung mit dem
Geschäftsjahr 1978 entschieden, hofften wir
darauf, durch die Konzentration auf einen
überschaubaren und zufällig gewählten Zeitraum
einen Blick auf den unspektakulären Alltag des
Archivs vor 35 Jahren zu bekommen. Gerade
in der Routine und Normalität müsste sich
etwas über die Besonderheit dieses Archivs
herausfinden lassen. Es stellte sich bald heraus,
dass dies nur bedingt möglich ist. Ein Brand im
Keller der Welserstraße 25, an dessen genaues
Datum in den 80er Jahren sich niemand mehr
erinnert, vernichtete einen Teil der Akten;
der Umzug an den Potsdamer Platz im Jahr
2000 erforderte die Ausmusterung weiterer
Archivbestände. Ohnehin ist die gesetzlich
vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist von zehn
Jahren für steuerlich relevante Dokumente
längst vorbei. Und trotz dieser Einschränkungen
lassen sich aus den Beständen des Jahres 1978,
erfasst in Mappen zu einzelnen Filmen, in
Hängeregistraturen mit Arbeitsdokumenten,
in Ordnern mit Verträgen und Notizen,
verstreut über die Büroräume der Arsenal-
MitarbeiterInnen, Linien und Schwerpunkte
erkennen.
Im Folgenden 12 Dokumente, die das Arsenal
als Kino, Lernort, Verleih, Veranstalter des
Internationalen Forum des Jungen Film,
Publikationsplattform und vieles mehr zeigen:
Das Geschäftsjahr 1978, vertreten durch ein
Dokument pro Monat.
Postscriptum: Zur Archivsuche gehört auch,
dass man anderes findet als vermutet oder
gesucht. Durch einen Zufall stießen wir bei
unseren Recherchen auf einen Film, der mit
1978 nur am Rande zu tun hat, weil seine lange
Produktionsgeschichte in diesem Jahr endete:
ORG (1967–1978), von Fernando Birri unter dem
Künstlernamen FERMAGHORG gedreht, ist
ein kaum gezeigter, zerklüfteter „Non-Film“
(Birri), 26.625 Schnitte in 177 min, Hauptrolle
und Produktion Terence Hill. Der Film rückte
unverhofft ins Zentrum unseres Projekts, das
sich von da an nicht mehr nur auf das Archivjahr
1978, sondern auch auf die Digitalisierung und
analytische Erschließung von ORG konzentrierte.
82

JANUAR
Die Freunde der Deutschen Kinemathek
eröffnen das Jahr 1978 mit einem „Monat des
amerikanischen Films – Von ‚Citizen Kane‘
(1941) bis ‚Harlan County, USA‘ (1976)“. Einen
Monat lang werden ausschließlich Filme aus
den USA vorgeführt. Das Ein-Satz-Manifest der
Kommunalen Kinos in Deutschland – „Andere
Filme anders zeigen“ – ist hier so ausgelegt, dass
sich US-amerikanische Filmgeschichte und ihr
Formenreichtum zur Kenntnis genommen sehen.
Das Programm setzt eine im Januar 1977
begonnene Reihe fort, als amerikanische Filme
von 1895 bis 1940 gezeigt wurden. Dieser zweite
Teil betont sechs Schwerpunkte: „Geschichte
des amerikanischen Avantgardefilms in sieben
Folgen“, „Orson Welles“, „Preston Sturges“,
„Schwarze Serie“, „Nicholas Ray“, „John
Cassavetes“.
Unter „Umfrage“ benennt das Programmblatt
einige der Lücken dieses Versuchs von
Geschichtsschreibung. Wie die Begründung
für die Auslassungen per Klammersetzung zur
Selbstverständlichkeit degradiert wird, lässt
erkennen, dass wir 2013 in einer anderen Kino-
Zeit leben. Auf der Strecke von „Programmkino“
über „Off-Kino“ zum heutigen „Arthouse“ ist dem
Geschäft der Filmauswertung etwas abhanden
gekommen, was einmal gängige Praxis gewesen
zu sein scheint: regelmäßig nicht-aktuelle
Produktionen vorführen.
Einzige Ausnahme im Monat des amerikanischen
Films: Michael Kliers Die erfolgreichen Piraten von
1976 („über privates Radio und TV in Italien“).
Direkt darunter steht die Ankündigung für Der
rote Korsar (Robert Siodmak, USA 1952), in der
Rubrik „Abenteuer für Kinder und Erwachsene“.
Unter gleicher Flagge segelt 20 000 Meilen
unter dem Meer (Richard Fleischer, USA 1954).
Ihn schauen am 28. Januar 176 Menschen an
(und am Folgetag nochmal 91). Damit ist er der
bestbesuchte Film des gesamten Monats, noch
vor Easy Rider (Dennis Hopper, USA 1969) mit 150
und … denn sie wissen nicht, was sie tun (Nicholas
Ray, USA 1955) und The Lady from Shanghai
(Orson Welles, USA 1946) mit je 126 Zuschauern.
Diverse handgeschriebene Aufstellungen
der Besucherzahlen stimmen zahlenmäßig
nicht exakt überein, doch scheint der Januar
der Monat mit den meisten Vorführungen
1978 gewesen zu sein (die Angaben variieren
zwischen 107 und 120). Was die absoluten
Besucherzahlen angeht (5.067 bis 5.457) waren
höchstens zwei Monate besser besucht. Der
Schnitt lag knapp um den ausgewiesenen
83

ENTUZIAZM
Jahresdurchschnitt von 47 Zuschauern pro
Veranstaltung (bei 185 Plätzen eine Auslastung
von 25%).
Reaktionen des Arsenal-Publikums auf die Umfrage
liegen nicht vor. Im Mai 1978-Programm
finden sich drei US-amerikanische Filme,
alle unter „Kino für Kinder und Erwachsene“
firmierend: Robin Hood, König der Vagabunden
(Michael Curtiz, 1938, 5./6. Mai, 68/62
Zuschauer), Sindbad, der Seefahrer (Richard
Wallace, 1947, 13./14. Mai, 48/54 Zuschauer),
Der gebrochene Pfeil (Delmer Daves, 1950, 20./21.
Mai, 24/31 Zuschauer).
FEBRUAR
Das Internationale Forum des jungen Films
dauerte 1978 eine Woche, vom Freitag, den
24. Februar, bis Freitag den 3. März. Es war
ein recht warmer Februar in Berlin, mit
Durchschnittstemperaturen um die 10 Grad.
Insgesamt wurden 41 Filmprogramme gezeigt,
teilweise beinhalteten sie mehrere Filme, so ein
Block mit Arbeiten des japanischen Regisseurs
Shuji Terayama aus den Jahren 1975 und 1977,
vor allem aber die beiden Serien, „Neue Deutsche
Filme“ (13 meist lange Filme) und die Übernahme
vom New Yorker Whitney Museum, „New
American Filmmakers“, ihrerseits unterteilt
in zehn Film- und acht Videoprogramme. Ein
Schwerpunkt galt den populären Filmen des
sowjetischen Regisseurs Wassilij Schukschin, der
1974 45-jährig verstorben war.
Der älteste gezeigte Film stammte von 1933,
RWANYIE BASCHMAKI (DIE ZERRISSENEN
STIEFEL) von Margerita Barskaja, „der erste
Tonfilm für Kinder“ aus der UdSSR. Erika Gregor
dazu in einem Gespräch vom Juni 2012: „Den habe
ich durch Zufall entdeckt, den kannte niemand
mehr. Das Gute war, dass wir zum Moskauer
Filmfestival fuhren, das war immer in ungeraden
Jahren. Den Film haben wir also 1977 dort
gesehen und dann beim Gosfilmofond bestellt.“
Der Großteil der 1978 gezeigten Filme ist jedoch
zwischen 1975 und 1978 realisiert worden.
Weitere Schwerpunkte waren Filme des
„Filmkollektivs Zürich“, Filme der „Hochschule
für Film und Fernsehen der DDR“ sowie Filme
aus der BRD, die von Frauen realisiert worden
waren (DAS ZWEITE ERWACHEN DER CHRISTA
KLAGES von Margarethe von Trotta; DIE
ALLSEITIG REDUZIERTE PERSÖNLICHKEIT –
REDUPERS von Helke Sander; SING, IRIS, SING
– FRAUEN LERNEN MÄNNERBERUFE von
Monika Held und Gisela Tuchtenhagen).
Die in der Woche gezeigten Filme stammten aus
insgesamt 20 Produktionsländern: Australien,
BRD, Chile, DDR, Frankreich, Großbritannien,
Indien, Iran, Italien, Japan, Kuba, Neuseeland,
Norwegen, Polen, Schweiz, Spanien, UdSSR,
Ungarn, USA und Venezuela.
In einem Bericht des Senats an den Vorsitzenden
des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten
des Berliner Abgeordnetenhauses vom 15. April
1978 ist in Bezug auf die Leistungen des Forum
außerdem noch von einem Programm die
84

DAS GESCHÄFTSJAHR 1978
Rede, das aus 27 zum Teil nur in Ausschnitten
gezeigten Jazz filmen besteht. Diese gehörten
einem privaten Filmsammler aus Berlin und
wurden zu mitternächtlicher Stunde im Arsenal 2
vorgeführt.
Die in der Anzeige erwähnte Ausstellung Film als
Film hatten Birgit Hein und Wulf Herzogenrath
bereits 1977 parallel zur documenta 6 kuratiert.
Nach Kassel machte sie in mehreren deutschen
Städten Station – zwischen 19. Februar und 18.
März 1978 in der West-Berliner Akademie der
Künste – und reiste dann weiter nach London
sowie durch die USA und Kanada.
Arsenal-Schwerpunkte im Februar 1978:
Woche des neuen französischen Films –
Eisenstein/Brecht/Kluge – Filme nach Werken
Hermann Hesses
MÄRZ
Die Ausrichtung auf das Kino in Ländern jenseits
der Zentren westlicher Produktion bildet ein
tragendes Element in der Konstruktion der
Freunde der Deutschen Kinemathek, des Forum
und des Arsenal.
Beispielhaft für den kontextualisierenden
Ansatz dieser Filmbetrachtung kommt das
Vorwort zu Das Neue Venezolanische Kino vom
ökonomisch-politischen Großzusammenhang
zur Lage einzelner Filmemacher. Andeutungen
von Sympathie für populäre Formen lassen
beginnende Haltungsänderung anklingen. Von
2013 aus lassen sich in den Text Zweifel an linker
Belehrungskultur hineinlesen – auch wenn die
Wortwahl geprägt bleibt von Tropen soziologischinhaltistischen
Zugriffs.
Peter B. Schumann, ausgewiesener Lateinamerika-
Spezialist und dem Forum seit seiner Gründung
u.a. als Berater für die Region verbunden, hat die
Gesamtredaktion der Publikation inne. Er gliedert
sie in drei Teile: Dem eigenen Einführungstext
„Kino zwischen Kommerz und Engagement“
folgen acht Filmbeschreibungen und bio-/
filmographische Angaben. Schließlich fünf
Überblicks- und Einordnungsbeiträge (darunter
drei von lateinamerikanischen Autoren sowie ein
Gespräch unter Mitwirkung des Schriftstellers
Hubert Fichte).
85

ENTUZIAZM
Die Veröffentlichung wird von den Freunden
als Nummer 9 der Reihe „Materialien zur
Filmgeschichte“ herausgegeben (neben
Schumann zeichnet Stefan Arndt, heute
Mitbetreiber der Produktionsfirma X Filme, für
Übersetzungen verantwortlich).
Die „Materialien“ sind 1978 gerade mal ein Jahr
alt, gedacht als unterstützendes Instrument bei
den Bemühungen, ein Nachdenken über Film
weiter zu systematisieren.
So geschehen bei der Nachfolgenummer 10 vom
Juni 1978: „Der Dokumentarfilm – ein Modell-
Seminar“, Redaktion: Wilhelm Roth. Roth war
Redakteur u.a. der WDR-Filmredaktion sowie
der Zeitschriften Filmkritik und epd Film und
gehört zum engeren Kreis um die Freunde-
Gründer, bspw. als langjähriges Mitglied des
Auswahlgremiums für das Forum.
Die Schriftenreihe „Kinemathek“, ebenfalls
von den Freunden herausgegeben, existiert seit
deren Gründung 1963. 1978 erscheinen in diesem
Rahmen drei Nummern: im Mai die Nummer
55 „Valeska Gert“ (herausgegeben von Erika und
Ulrich Gregor); im Juni die Nummer 56 „Jean
Rouch“ (herausgegeben von der Ethnologin und
DFFB-Absolventin Heike Behrend-Engelhardt)
und im Dezember die Nummer 57 „Film in
Algerien ab 1970“ (hg. von dem algerischen
Journalisten Abdou B). Dem entsprechen
Schwerpunkte im Arsenal-Programm, textlich
exponiert in den jeweiligen Programmblättern.
Zitat aus einem Senatsbericht zur Filmförderung
in Berlin vom 15.4.1978 (bezogen auf 1977):
„Die Arsenal-Programmankündigung ist die
wichtigste Publikation der ‚Freunde …‘ und
zugleich ihr bedeutendster Werbeträger. Sie
erscheint monatlich in einer Auflage von zur Zeit
18.000 Exemplaren und bietet ein Kalendarium
der Veranstaltungen, begleitende Texte zu
den Veranstaltungen sowie Fotos. (…) Weitere
Publikationen sind die Informationsblätter des
‚Internationalen Forums des Jungen Films‘ …
sowie der Verleihkatalog.“
Arsenal-Schwerpunkte im März 1978:
Venezuela – Márta Mészáros – Vera Chytilová –
Luis Buñuel – Wiederholungen aus dem Forum 78
APRIL
„At that time [ca. 1974], I did what I believe
to have been the right thing to do: I watched
as many films as possible, trying to absorb
all the images and to digest them as well as I
could. It was not only experimental films and
not only the classical cinema, but I discovered
Vertov and Nekes at the same time, and
Eisenstein and Jonas Mekas. I saw everything
simultaneously and I was able to make sense
of each element in relation to each other.“(*)
Alf Bold (gestorben im August 1993), wie viele
aus der südwestdeutschen Provinz nach Berlin
gezogen, um der Bundeswehr zu entgehen,
hatte bei der Gründung des Arsenal 1970 als
Kartenverkäufer angefangen. „I was allowed
86

DAS GESCHÄFTSJAHR 1978
to sit in the auditorium after having taken
the tickets, and I got my education through
watching innumerable films – my practical
education, that is.“ Mit der Zeit wurde er zum
Film-Programmierer und sorgte dafür, dass die
große Sammlung von Experimentalfilmen im
Bestand der Freunde der Deutschen Kinemathek
regelmäßig gezeigt wurde. Im April 1978 bekam
dieser Schwerpunkt einen festen Termin, an
den sich Bold im Juli 1989 im Gespräch mit Noll
Brinckmann so erinnert: „For a number of years,
we had a regular experimental film night at
the Arsenal every Monday. People could arrive
informally any time during the program, which
was attractive and worked weIl for a while. But
ideas like that begin to fail when they become
an automatic procedure, and so we discontinued
the Monday night routine.“ Abgelöst wurde
der Montagstermin durch ein bis zwei
Experimentalfilm-Nächte im Jahr, bei denen
bis ca. 3 Uhr morgens Filme gezeigt wurden.
Nur wenige Filme standen im Vorhinein fest,
über den jeweils nächsten Film entschied
Bold (ähnlich einem DJ) spontan, je nach dem
Gefühl des Augenblicks und der Reaktion des
Publikums. Der 16-mm-Projektor stand im Raum,
zahlreiche Rollen von potentiellen Filmen zur
Auswahl hatte er neben sich aufgestapelt.
Arsenal-Schwerpunkte im April 1978:
Retrospektive Kenji Mizoguchi – Renato Berta –
Seminar: Zur Kritik des Politischen Films
In der Praxis, jeweils „alte“ und „neuere“ Filme
gemeinsam zu zeigen und von einem weiten
Begriff der Avantgarde auszugehen – ähnlich
wie Jonas Mekas (Anthology Film Archives) und
Peter Kubelka (Österreichisches Filmmuseum) –
mag sich auch der Wunsch ausdrücken, die 1975
von Peter Wollen auseinander dividierten Two
Avantgardes (Godard, Straub etc. vs. die Co-op-
Bewegungen) zusammenzudenken.
(*) Alle Zitate von Alf Bold aus dem Gespräch
mit Noll Brinckmann: The Art of Programming.
An Interview with Alf Bold, July 1989, in:
Millennium Film Journal 23/24 (Winter 1990–91),
S. 86-100.
MAI
Das Seminar „Atomenergie im Film“ (Freitag bis
Sonntag) springt wohl auch deshalb ins Auge,
weil das Thema nach der Reaktorkatastrophe
von Fukushima plötzlich erneute Aktualität
bekommen hat. Der hier abgedruckte
Programmtext fand nur teilweise Eingang ins
Arsenal-Programm vom Mai 1978; vermutlich
aus Platzgründen mussten die Angaben zur
Geschichte der Diesterweg-Hochschule (die bis
heute in der Ahornstraße 5 in Berlin-Schöneberg
steht) und die Hintergründe der Etatkürzung
durch den Berliner Senat gestrichen werden.
87

ENTUZIAZM
Verfasser des Texts ist Lutz Mez, der das
Seminar auch leitete. Später war er Mitgründer
und Geschäftsführer der „Forschungsstelle
für Umweltpolitik“ der FU Berlin. Zahlreiche
Publikationen zu Energie- und Umweltpolitik,
insbesondere Atomenergie. Das Seminar war
in vier Blöcke unterteilt: „Reaktortechnologie
und Strahlenschutz“, „Atom-Industrie Komplex“,
„Widerstand gegen Atomkraftwerke“ und
„Alternativen zur Atomenergie“. Einige der Filme,
die im Rahmen des Seminars gezeigt wurden:
Grohnde, 17. März 1977 (Regie: Fritz Poppenberg,
DFFB-Student 1974 bis 1978), LOVEJOY’S
NUCLEAR WAR (1975, Regie: Dan Keller, gezeigt
im Forum 1976), Kaiseraugst (CH 1975, Regie:
Kollektiv der Filmcooperative Zürich, 16mm,
Farbe, 24 min)
Das Kino als Bildungsanstalt: Seminare fanden
in den siebziger Jahren regelmäßig im Arsenal
statt. Weitere Beispiele im Jahr 1978: Zur Kritik
des Politischen Films (mit Peter Nau anlässlich
der Publikation seines gleichnamigen Buchs bei
DuMont, April 1978), Verbotene Filme 1933 bis
1945 (mit Kraft Wetzel, Mai 1978).
Arsenal-Schwerpunkte im Mai 1978:
Valeska Gert – PIROSMANI – Verbotene Filme 33
– 45 – Ousmane Sembène – Seminar Atomenergie
im Film – Filme von Frauen – Japan – Kuba
JUNI
Wenige Monate nach Ende der Berliner
Filmfestspiele 1978 bedankt sich Georg Siemoneit,
Geschäftsführer von Pahl-Film (Inhaberin: Beate
Pahl) bei den Freunden für die Bereitschaft, ihre
Auswertungsrechte an Nanni Morettis erstem
Langfilm IO SONO UN AUTARCHICO an die
Firma abzugeben.
Simoneit und Pahl gehören beide zum Stab
von Corinna. Auch dieser Film, ein Werk der
Produktionsgemeinschaft Tübingen, lief 1978
im Forum, in der Reihe „Neue Deutsche Filme
1977/1978“.
Die Vermutung liegt nahe, dass sich bei der
Gelegenheit nicht nur die beiden Filme, sondern
auch ihre Macher begegnet sind. Doch was
sehen Menschen, die gerade das Porträt einer
verschlossenen Heranwachsenden aus biederer
88

DAS GESCHÄFTSJAHR 1978
westdeutscher Provinz gezeichnet haben, im
überdrehten Ironisieren von Widerstandsgesten
aus der kulturlinken Szene Roms? Vielleicht ja
gerade das von den flagranten Unterschieden
verdeckte Gemeinsame: Arbeit im Kollektiv, mit
Laien, ohne öffentliche Mittel; Arbeit auch an der
Darstellung von Gemeinschaft, von Alltag, von
den Mühen der Auflehnung.
In jedem Fall ist natürlich auch das die Funktion
eines Festivals: Handel ermöglichen.
Polytel (auf die Pahl-Film von den Freunden
zur endgültigen Klärung der Lizenzabgabe
verwiesen wird) gibt sich im PR-Material betont
professionell, fast schon arrogant unangemessen
für diesen sichtbar unabhängig hergestellten,
von Super-8 auf 16 mm aufgeblasenen Film.
Die Spur von Polytel verläuft bereits Mitte der
1980er Jahre im Sande. Von Pahl-Film ganz zu
schweigen. Im Internet hat die Firma praktisch
nie existiert. Dem zögerlichen Realismus
der Tübinger Produktionsgemeinschaft war
offenkundig auch keine Zukunft beschert:
Nach Aktivitäten über Corinna hinaus sucht
man vergeblich. Laut filmportal.de ist Corinna-
Kameramann Blahacek der einzige, der (sogar bis
2006) kontinuierlich Arbeit in der Film- bzw. TV-
Wirtschaft gefunden hat.
Die überbordende Energie des Solo-Performers
Moretti hat sich dagegen in ein anerkanntes
Cineasten-Schaffen transformiert. Mit La Messa è
finita kommt er 1986 wieder nach Berlin, diesmal
als Gast des Wettbewerbs. Dafür erhält er den
Silbernen Bären (Spezialpreis der Jury).
Arsenal-Schwerpunkte im Juni 1978:
Retrospektive Murnau – Tanner – Visconti –
Godard – Film und Ethnographie: Jean Rouch –
Zur Lage der Indianer – Achternbusch/Valentin
JULI
Die zwei Medienutopien der 1970er Jahre sind
Video und Super-8. Beide sind im Arsenal-
Programm des Jahres 1978 prominent vertreten.
Im Dezember ausdrücklich als Schwerpunkt
„Super 8 und Video“, zu dem das Kalendarium
vermerkt: „Wochenende des Super-8 und
Videofilms: Der Club ‚Berliner Filmamateure‘
zeigt Super 8-Filme aus den Jahren 1975–1978
von Klaus Tuschen, Lothar Peter, Hubert Blenk,
Kurt Baumgart u.a. Dazu spielt die Amateur-
Rock-Gruppe ‚Summit‘. Diskussion!“ Im Oktober ist
Super-8 durch eine Reihe mit Filmen von Hellmuth
Costard präsent („Hellmuth Costard: Arbeit für das
‚Andere Kino‘“). Das Interesse für Video wird an
etlichen Stellen deutlich: im Sonderprogramm des
Internationalen Forum des jungen Films, für das
John Hanhardt vom Whitney Museum unter dem
89

ENTUZIAZM
Titel New American Filmmakers „Eine Serie von
Filmen und Videobändern“ zusammengestellt hat
(24. Februar bis 3. März); durch ein mehrtägiges
Videoprogramm von Frauen (Programmtext:
„Vom 1.6. – 4.6. zeigen Vroni Bauriedl und
Rosemarie Blank im Arsenal 2 Videobänder, die
in Zusammenhang mit Christa, Lagerarbeiterin,
und Inge, Hausfrau, von 1976–78 entstanden sind.“)
Interessant am letztgenannten Programm ist
auch, dass zu den ersten beiden Tagen nur Frauen
eingeladen waren, zu den verbleibenden zwei
Tagen „Frauen, Kinder und Männer“.
Arsenal-Schwerpunkte im Juli 1978:
Katalanische Filmwoche – DER UNTERTAN –
Wedekind – 1933 – 45: Wie es dazu kam
Bei dem abgedruckten Dokument handelt es sich
um eine Notiz von Manfred Petersen – „unser
damaliger (leider inzwischen verstorbener, aber
unvergessener) Kinovorführer, Techniker und
Lagerverwalter“ (Ulrich Gregor). Es geht um
die technische Vorbereitung einer zweitägigen
Veranstaltung am 12. und 13. Juli: „Experimente
mit dem Video-Synthesizer“. Der Programmtext
dazu: „An zwei Tagen demonstriert der
Wolfsburger Komponist und Pädagoge Walter
Schröder-Limmer in Form einer Ausstellung und
eines Workshops die Möglichkeiten des Video-
Synthesizers. Das ist ein Gerät, das elektronische
Signale erzeugt, welche als abstrakte Formen
und bewegte Muster, ‚patterns‘, auf Bildschirmen
(Monitoren) sichtbar gemacht werden können.
Das Gerät vermag jedoch auch alle Arten von
Ton-Signalen (Geräusche, Musik, Sprache) sowie
die Real-Bilder einer elektronischen Kamera
zu ‚verarbeiten‘. Schröder-Limmers Aktionen,
offen in ihrer äußeren Form, sind ebensosehr
Ausstellung wie Konzert. ‚Video-Musik‘ oder
‚Musik-Objekte‘: Diese Stücke bilden eine neue Art
von ‚selbständiger‘ elektronischer Kunst, da durch
interne Steuerung aller Elemente untereinander
ein ästhetisches System entsteht.“
Schröder-Limmers Video-Arbeiten Video-
Synthesizer (1976) und Debatte (1978) befinden
sich heute in der Sammlung des Neuen Berliner
Kunstvereins (n.b.k.).
AUGUST
Ein dialogisches Sichtungsprotokoll:
Stefan Pethke: Der Kollektivfilm CINÉMA MORT
OU VIF zeigt die Entstehung eines Films von
Alain Tanner – Jonas qui aura 25 ans en l’an 2000
(CH 1976). Der wird von der Konzipierung über
die Dreharbeiten bis zur Postproduktion anhand
einer Szene nachgezeichnet. Aus einer Geschichte
mit mehreren autonomen Protagonisten wird
die einzige Szene betrachtet, in der alle Figuren
zusammenkommen, eine Sequenzeinstellung.
Michael Baute: Tanners Film scheint mir einer
zu sein, der sich als Erinnerungsritual an den Mai
90

DAS GESCHÄFTSJAHR 1978
1968 versteht. Die Filmausschnitte verströmen
eine mich empörende Mattigkeit, Schlaffheit,
Lethargie. Alles wirkt schlapp, selbst das Wetter,
und vor allem die Bewegungen, als hätten die
Leute sich schwere Gewichte in die Kleider
genäht.
SP: 35 Jahre später weiß man: JONAS wurde zum
Kultfilm einer Späthippie-/Frühöko-Generation,
europaweit. Tanner, mit seiner cineastischen
Herkunft im britischen Free Cinema, steht
mittlerweile eher für Arthaus-Wegbereitung und
deren selbstbespiegelnde Ausprägung.
MB: Die Sozialdemokratisierung des Autorenfilms.
SP: Das Geraune von Tanner und Co. über
„Plansequenzen“ als Verfremdungseffekt gegen
simplen Realismus wirkt altbacken und naiv,
selbstüberschätzend und nicht zuletzt „like Punk
will never EVER happen“.
MB: Das Beleidigtsein des Autorenfilmers
scheinen alle unhinterfragt zu teilen. Von
heute aus gesehen meint man Verwöhnte zu
beobachten, denen nichts mehr Anlass zum
sich wundern oder zu Fragenstellerei bietet.
In Erinnerung bleiben mir die vier unscharfen
Außenaufnahmen von Züricher Kinos, in denen
der Film läuft.
SP: Ziemlich beiläufig ordnet Kameramann
Renato Berta das ganze Unternehmen ein, indem
er sagt: Solche Projekte ermöglichen ihm die
Mitwirkung an weit schlechter finanzierten,
wirklich radikalen Filmen und meint damit
u.a. Straub/Huillet. Ein schöner Moment, wenn
dem halblanghaarigen, Krawatte tragenden
Jungproduzenten plötzlich aus dem Off eine Katze
auf die Schulter springt.
Arsenal-Schwerpunkte im August 1978:
13 Filme von François Truffaut – Die
Wanderschauspieler – Rohmers „Moralische
Geschichten“ – Milestones – Syberberg
SEPTEMBER
Das Jahr 1978 war kein Schaltjahr, das Arsenal
in der Welserstraße 25 war 364 Tage geöffnet.
Nur am 24.12. blieb das Kino geschlossen.
1978 gab es im Arsenal drei Programmschienen,
die um 18.30, 20.30 und 22.30 Uhr begannen,
was 1.071 Vorstellungen ergab (abzüglich der
Forumwoche Ende Februar/Anfang März).
Hinzu kam die 16-Uhr-Programmschiene an den
Wochenenden (meist samstags und sonntags,
bisweilen auch freitags), in der „Filme für Kinder
und Erwachsene“ gezeigt wurden, im September
waren das in deutschen Synchronfassungen
Richard Fleischers Jules-Verne-Verfilmung
20.000 Meilen unter dem Meer (USA 1964), Henry
Hathaways Prinz Eisenherz (USA 1954) und
Buster Keatons DER KAMERAMANN (USA
1928).
91

ENTUZIAZM
Die Bestellung der Kopie des Films Aus einem
deutschen Leben wurde vom Filmverlag der
Autoren in München am 28.9.1978 bestätigt, sechs
Wochen vor ihrer Vorführung im Arsenal (am
Mittwoch den 8.11.1978). Die Mindestgarantie für
den Verleih betrug 100,00 DM.
Der Film wurde in einer Reihe anlässlich des 40.
Jahrestags der sogenannten „Reichskristallnacht“
(vom 9. November 1938) vorgeführt. Die Reihe
mit 13 Filmen, die vom 1. bis zum 12. November
jeweils um 18.30 Uhr im Arsenal zu sehen
war, zeigte Filme „über Themen der deutschen
Vergangenheit und des Hitlerfaschismus,
die kritisch mit dieser Zeit abrechnen und
notwendiges Grundlagenwissen vermitteln“.
Neben Aus einem deutschen Leben waren das
unter anderem die deutsche Fassung von Alain
Resnais‘ NACHT UND NEBEL (Frankreich 1956),
Helmut Käutners IN JENEN TAGEN (D 1947),
Ulrich Leinewebers Nazis, gibt’s die noch (BRD
1977) und Frank Beyers NACKT UNTER WÖLFEN
(DDR 1963).
Aus einem deutschen Leben erzählt die fiktive
Geschichte des Franz Lang (dargestellt von Götz
George), die auf der Biografie von Rudolf Höß,
dem Kommandanten des KZs Auschwitz basiert.
Theodor Kotulla (1928-2001), der Regisseur des
Films, war vom Schreiben zum Film gekommen.
Er gehörte (mit Ulrich Gregor, Enno Patalas und
andern) zu den ersten Autoren der Zeitschrift
Filmkritik (1957-1984).
Arsenal-Schwerpunkte im September 1978:
Retrospektive Federico Fellini – Hellmuth
Costard – Chilenisches Exilkino – Widerstand und
Anpassung: Deutscher Film 1933-1945
OKTOBER
Die in diesem Programmblatt vorgestellten
zwei Abende mit Maria Lassnig sind Zeichen
der langjährigen und bis heute anhaltenden
Zusammenarbeit mit dem DAAD. Lassnig, 1919
in Österreich geboren und 1968 nach New York
gezogen, nahm 1978 ein DAAD-Stipendium
in Berlin wahr. Ihre Filme beschreibt sie im
Arsenal-Programm als „im Sujet, in der Technik
der Zeichnung und im Text experimentell; mit
Humor oder einem traurigen Auge werden
Vorurteile, Aberglauben und andere menschliche
Verhaltensweisen vorgeführt.“ Der zweite
Abend, an dem Filme der New Yorker „Women
Artist Filmmakers“ gezeigt wurden, zu denen
92

DAS GESCHÄFTSJAHR 1978
Lassnig gehörte, zeigt die Präsenz aktueller
feministischer Positionen im Arsenal. Das erste
Frauenfilmseminar, konzipiert von Helke Sander
und Claudia von Alemann, zugleich Auftakt
zur Zeitschrift „Frauen und Film“ (gegründet
von Sander 1974) fand 1973 im Arsenal statt. Im
Gespräch erinnert sich Erika Gregor an 1978 als
„Das Jahr der Frauen“: „Das war von Anfang an
mein Thema. Dass ich als Frau diskriminiert bin,
weiß ich, seit ich fünf bin. Seit ich zehn bin erst
recht. Ich habe nach Filmen von Frauen gesucht.
Nicht nach Frauenfilmen, sondern Filmen von
Frauen.“ 1978 spiegelte sich dies unter anderem
in den folgenden Programmen: Márta Mészáros
und Vera Chytilová (März 1978), Retrospektive
Valeska Gert (Mai 1978), „Filme von Frauen“
(Marguerite Duras, Helke Sander, Safi Faye,
Vera Chitylová, Laura Mulvey / Peter Wollen,
(17. bis 25. Mai)). Sanders Film DIE ALLSEITIG
REDUZIERTE PERSÖNLICHKEIT – REDUPERS
lief 1978 im Programm des Internationalen
Forums. Auch der monatliche Avantgarde-Termin
im Arsenal 2 (siehe April 1978) zeigte regelmäßig
Filme von Frauen. In diesen Zusammenhang
gehört auch ein „Monatliches Treffen Berliner
Filmarbeiterinnen“, das immer am ersten
Mittwoch des Monats um 20.30 Uhr im Arsenal 2
stattfand.
Alle am 25. Oktober 1978 gezeigten 16mm-Filme
von Maria Lassnig liegen im Arsenal-Archiv.
Arsenal-Schwerpunkte im Oktober 1978:
Jean-Luc Godard – Der Kameramann Robby
Müller – Maria Lassnig – Lettische Filme – Neues
Filmland Rumänien – Iran: Kino der Opposition
93

ENTUZIAZM
NOVEMBER
Der am 14.11.1978 mit Zusendung eines
Verleihkatalogs beantwortete Brief des JVA-
Insassen (die Justizvollzugsanstalt war seit
1977 Deutschlands einzige „Jungtäteranstalt“)
verweist auf die Verleihtätigkeiten der Freunde
der Deutschen Kinemathek. Die Verleihkosten bei
Spielfilmen betrugen 1978 1,50 DM pro Minute;
„ein Film von einer Laufzeit von 90 Minuten kostet
mithin DM 150,00“ (S. I des Verleihkatalogs 1978/79).
Der Verleihkatalog 1978/79 erschien im Oktober
1978. Es ist die vierte Auflage, die dritte war 1977
erschienen. Der Katalog umfasst 305 Seiten im DIN-
A4-Format. Die Filmtitel sind alphabetisch geordnet
und jeweils mit ausführlichen Texten (Interviews,
Produktionsnotizen, Rezensionen, etc.) versehen.
Der erste Film (S. 1) ist LAS A.A.A. SON LAS TRES
ARMAS (deutscher Verleihtitel: ZEUGNIS DES
TERRORS; Argentinien 1978; Regie, Produktion,
Kamera, Schnitt: Cine de la Base Argentina; 18
Minuten, 16mm, s/w, Lichtton, deutsche Fassung);
der letzte (S. 275f): ZORN’S LEMMA (USA 1970;
Regie: Hollis Frampton; 60 Minuten, 16mm,
Lichtton, Farbe).
Die nachfolgenden Seiten, auf gelbem Papier
gedruckt, beinhalten mehrere Register, darunter
ein alphabetisches Verzeichnis der Regisseure (von
Tengis Abuladse bis Christian Ziewer) sowie der
Filmgruppen und Kollektive (von der „Abteilung
Filmkunst der Universität Chile“ bis zum
„Winterfilm-Kollektiv“ aus New York).
Die Funktionsweise des Verleihs sowie dessen
Verzahnung mit dem Forum verdeutlicht der
Bericht der Freunde der Deutschen Kinemathek an
den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten von
Berlin vom 15. April 1978:
„(…) Die meisten Kopien der ‚Forums‘-Filme
verbleiben nach dem Festival in Berlin und
sind für die filmkulturelle Arbeit in der
Bundesrepublik verfügbar. Das Forum bildet also
zugleich die Basis für eine weiterführende Arbeit,
die das ganze Jahr hindurch von den ‚Freunden
der Deutschen Kinemathek‘ in ihrem eigenen
Verleih geleistet wird. (…) [D]ie Zahl der Ausleihen
(auch nach Österreich und in die Schweiz) betrug
1976 1.945 und weist 1977 eine stark ansteigende
Tendenz auf. (…)“
Die Anzahl der Ausleihen 1978 ließ sich nach
35 Jahren nicht mehr recherchieren.
Arsenal-Schwerpunkte im November 1978:
Ukrainische Filmwoche – Retrospektive
Dowshenko – November 1938 „Die Kristallnacht“
– Kino-Erstaufführung: Tarkowskijs „Der Spiegel“
– Ivens – Dreyer – Spanien: „El Caudillo“
94

DAS GESCHÄFTSJAHR 1978
DEZEMBER
Brief vom 17.12.1978 an Herrn Gregor.
Absender: Heinz Emigholz c/o The Collective for
Living Cinema, New York City.
1973 von Filmstudenten gegründet, hat sich die
Künstler-Kooperative rasch zur wichtigen Adresse
für Avantgarde-Kino entwickelt. 19 Jahre lang
hat man Filme nicht nur gezeigt, sondern auch
hergestellt und Diskursarbeit betrieben. Alf Bold
verbrachte hier ein Jahr und stellte u.a. eigene
Programme zusammen.
Emigholz schlägt in dem Brief vor, seine
Filme ARROWPLANE, Stuhl und DEMON zu
einem vollständigen 60-Minuten-Programm
zusammenzustellen. Zur Vergütung wird
statuiert: „Nettoverleihpreis, also das, was für
mich pro Ausleihe überbleibt, darf nicht unter
DM 100,- für das gesamte Programm liegen; die
gängige billigere Verleihpraxis gründet sich
anscheinend auf eine voll durchsubventionierte
Produktionspraxis, die sich mit der meinigen
nicht vergleichen läßt.“
DEMON ist der letzte von 46 Filmen, die 1978
Aufnahme in den Verleih der Freunde finden.
Sein Lizenzbeginn liegt auf demselben Tag,
an dem der Brief aus New York aufgesetzt ist.
Man kann das auch als Festivalvorbereitung
betrachten: Im Februar 1979 läuft DEMON auf
dem neunten Forum als deutsche Erstaufführung.
Uraufgeführt wurde er in Amsterdam, und
zwar bereits 1977. 1978 gewann er beim Festival
International du Jeune Cinéma in Hyères (das seit
1963 besteht und möglicherweise Pate stand bei
Namensgebung und Ausrichtung des Forum)
den Spezialpreis der Jury, einem illustren Trio:
Marguerite Duras; Annette Michelson, 1976
Mitbegründerin der einflussreichen New Yorker
Zeitschrift October (und schon zu ihren Zeiten als
Artforum-Redakteurin Apologetin des Collective
for Living Cinema); Deke Dusinberre, britischer
Film Co-op-Aktivist, Kritiker und Übersetzer.
Heute hätte die Einreichung eines Films mit
vergleichbarer Vorgeschichte beim Forum
keine Aussichten auf Erfolg. Zugelassen sind
mittlerweile nur noch Werke, die innerhalb von
12 Monaten vor Beginn des Festivals fertiggestellt
wurden. Deutsche Filme müssen Weltpremieren
sein. An Stelle des kollegialen Austauschs
zwischen den Festivals: Konkurrenz.
Arsenal-Schwerpunkte im Dezember 1978:
Französische Filmwoche – Film in Algerien
– Frederick Wiseman – Super 8 und Video
– Werner Herzog – Herbert Achternbusch –
Visionäre und Anarchisten
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Harun Farocki
La Verifica Incerta
LA VERIFICA INCERTA (Gianfranco Baruchello, Alberto Grifi, Italien 1965) ist ein
Zusammenschnitt aus Spielfilm-Stücken. Aus Spielfilmen verschiedener Genres.
Und beim ersten Sehen wird uns bewusst, wie streng die Genre-Regeln sind. In
einem Western kann es eine Badeszene geben, aber sie darf nicht wie aus einem
Urlaubsfilm aussehen, in einem Urlaubsfilm darf es eine Schießerei geben, aber
die darf nicht wie aus einem Kriminalfilm oder Kriegsfilm aussehen, und so fort.
LA VERIFICA INCERTA montiert elegant und polemisch. Der Schuss-
Gegenschuss erfährt hier die heitere Demontage.
LA VERIFICA INCERTA ist ein Vorläufer vieler Arbeiten, die Filme neu montiert
haben. Es lohnt sich zu untersuchen, wie das kompilierte Material etwas Neues
ergeben kann und die Materialien dennoch einen Eigenwert behalten können.
Mitstudenten an der dffb brachten diesen Film 1966 oder 67 aus Italien mit.
Damals lag die Deutung nahe, hier werde der Untergang des Storyfilms, des
Genrefilms und der feststehenden Filmausdrücke, fröhlich manifestiert. Bald
werde es eine neue Filmsprache geben. Das hat sich nicht erfüllt wie erwartet.
Aber Mitte der 1960er Jahre hat sich doch allerhand geändert: Vermehrt
werden seither Filme verschiedenster Art hergestellt und nicht länger nur in
den Monopolbetrieben. Seit damals ist die Welt-Filmproduktion nicht mehr
übersehbar. Es ist kaum noch möglich, eine Filmgeschichte zu schreiben und
kanonische Listen aufzustellen und ist seither auch kaum versucht worden.
96

To Begin with the Archive
Im Rahmen des Forum Expanded 2013 wurde, angelehnt an Avi Mograbis
zufallsgesteuerte Filmauswahl im Filmlager des Arsenal in Spandau im Sommer
2011 (S. 132), ein weiteres Zufallsprogramm produziert. Diesmal gab Harun Farocki,
gemeinsam mit der niederländischen Künstlerin und Filmemacherin Wendelien
van Oldenborgh, die Spielregeln vor: Aus speziell ausgewählten Büchern suchte
das Publikum per Fingerzeig einzelne Worte aus, die dann in die Suchmaske
der Arsenal-Filmdatenbank eingegeben wurden. Ausschnitte der so ermittelten
Filme wurden direkt gesichtet – projiziert aus dem Vorführraum oder auf einem
Schneidetisch im Kinosaal.
Bücher und Texte:
L’etranger, Albert Camus
Absolute Beginners, Colin MacInnes
Erziehung als Praxis der Freiheit, Paulo Freire
Un Coup des Dés, Stéphane Mallarmé
Mut und Wahl, Ludwig Hohl
Ausgewählte Filme:
ONLY THE BEGINNING (Newsreel
Collective, USA 1971)
SOLL SEIN. JIDDISCHE KULTUR IM
JÜDISCHEN STAAT
(Henryk M. Broder, Frans van der Meulen,
BRD 1984–1990)
LA RÉGION CENTRALE (Michael Snow,
Kanada 1971)
YEK ETTEFAGHE SADEH
(Ein einfaches Ereignis/A simple event,
Sohrab Shahid Saless, Iran 1973)
NORMALSATZ (Heinz Emigholz, BRD
1981)
THE MAN WHO COULDN’T FEEL AND
OTHER TALES (Joram ten Brink, GB 1996)
97

Ken Jacobs, Capitalism: Slavery, 2006
Videoprojektion, Farbe, kein Ton, 3 min. transferiert auf DVD
98

Anselm Franke
Meridiane
Ken Jacobs’ Video Capitalism: Slavery von
2006 war die erste Arbeit, die der Besucher
in der Wanderausstellung Animismus (2010-
2013) zu sehen bekam. Die Arbeit basiert auf
einer Stereoskopie, die durch raschen Wechsel
zwischen den beiden Aufnahmen und der
minimalen Verschiebung des Blickwinkels auf
die Szene gleichsam animiert wird: diese dem
Flicker-Prinzip ähnliche Methode der Animation
mit absolut minimalen Mitteln ist eine Spezialität
des Experimentalfilmpioniers Ken Jacobs. Die
Methode produziert ein halluzinatorisches
Seherlebnis, das einen gleichsam in einen
deliriösen Bildraum hineinzieht, der immer
auch über 3-Dimensionalität verfügt. Dabei
verwendet Jacobs historisches Bildmaterial als
Ausgangspunkt, die Motive dieses Materials
werden dabei zu einer exemplarischen Szene, die
gleichzeitig animiert und fixiert wird, die durch
die Bewegung zum Leben erweckt wird, aber
gleichzeitig in endloser Wiederholung in sich
gefangen bleibt. Man kann Jacobs Arbeit als eine
Form der Medienarchäologie bezeichnen, wobei
der Gegenstand der Archäologie das Verhältnis
von Technologie, menschlichem Sensorium und
den jeweiligen historischen Szenen selbst ist.
Es entsteht so eine Form des halluzinatorischen
Eingedenkens an Momente der ursprünglichen
Begegnung von Körpern, Technologien
und Medien, aus denen eine neue Realität
hervorgegangen ist.
Im Falle von Capitalism: Slavery ist das
verwendete Motiv eine Baumwollplantage
in den USA mit schwarzen Arbeitern, und
einem Aufseher zu Pferde im Hintergrund. Die
Bewegung zwischen den Bildern, die durch
minimale Verschiebung der Perspektive den
Effekt der Quasi-Animation hervorruft, wird
zur Analogie zur repetitiven Gesten der Arbeit
der Plantagenarbeiter bei der Baumwollernte.
Die Plantage ist die Urszene von Kapitalismus,
Kolonialismus und Sklaverei, aber auch der
späteren Fabrikarbeit und des Taylorismus,
aus ihr geht nichts Geringeres als eine neue
Physis und eine neue Welt hervor. Auch die
Illusionsmaschine des Kinos wird von Jacobs
so in ein Verhältnis zu dieser Maschine der
Produktion gesetzt, in ein historisches Kontinuum
von Fixierung und Animation, Unterwerfung
und Mobilisierung, der Objektivierung und
Verdinglichung auf der einen Seite, aus der die
Animation der Warenwelt und hegemoniale
Subjektivitäten hervorgehen, aber auch
widerständige Subjektivitäten, die Träger
einer Erinnerung an eine Differenz sind, deren
Widerstand immer der Widerstand gegen die
Naturalisierung und das Vergessen sein wird.
Die Differenz, auf die sich diese - wie überhaupt
jede - widerständige historische Erinnerung
beruft wird zu einer ontologischen Differenz,
einer Differenz gegenüber einer Seinsordnung,
die immer dazu auffordern wird, der Realität die
99

ANSELM FRANKE
Möglichkeit des Anders-Seins abzuringen. Ihre
Widerständigkeit misst sich nicht zuletzt daran,
sich der Gettoisierung dieses Anderen als Fiktion
zu widersetzen.
Ken Jacobs Arbeit ist eine Arbeit am Bildraum der
Geschichte, ein Aufsuchen solcher dialektischer
Bilder wie sie die Geschichtsphilosophie eines
Walter Benjamin zu mobilisieren suchte. In
diesem Bildraum der Geschichte geht es um
Produktion und ihre historischen Variablen. Es ist
ein Bildraum der Immanenz, der nur aus der Mitte
der Medialität heraus aufgebrochen werden kann,
aus der Mitte der dialektischen Umschlagpunkte,
jenen Punkten der Vermittlung zwischen den
forcierten und essentialisierten Gegensätzen,
die hier wieder zu einem Kontinuum werden,
jenen Punkten der Symmetrie, durch die
Asymmetrien überhaupt erst in den Blick
gelangen können. Diesen Bildraum aufzusuchen
bedeutet, Geschichte so vollständig wie möglich
zu vergegenwärtigen, die Effekte der Medialität
dort zu fixieren, wo sie einen Meridian am Zenith
des Horizonts bilden. An diesem Meridian, so
ließe sich vorstellen, tritt Medialität in allen
ihren Registern überhaupt erst als solche zum
Vorschein, und zwar in dem jedes Bild zu einer
Kippfigur wird - jenen Figuren, in denen Figur
und Grund sich bedingen und doch austauschbar
sind, die eine Differenz in gleichzeitig
vorhandenen Motiven aufweisen, von denen
immer nur eines wahrgenommen werden
kann, und in denen der Aspektwechsel in der
Betrachtung so die Implikation des Betrachters in
den Bildraum verdeutlicht.
Ken Jacobs Arbeit ist eine solche
Vergegenwärtigung des historischen Bildraums,
indem Sensorium und Technologie, sowie
Vergangenheit und Gegenwart zu Kippfiguren
werden, Figur und Grund sich abwechseln, und
eben jene Gegenwärtigkeit des Betrachters im
und durch das Bild erst produziert wird. Der
Körper wird zum Effekt des Bildes, das Bild zum
Effekt des Körpers: davon ausgehend öffnet sich
entlang des Meridian permanenter Kippmomente
der Geschichtsraum hin zu seinem Anderen,
indem er als verifizierte Geschichte, in denen
sich die Unterscheidungen, Gegensätze und
Differenzen sedimentiert haben, negiert wird.
Dieser Meridian ist der Meridian der Medialität
schlechthin, der Nexus der Vermittlung zwischen
dem Aktiv und dem Passiv im weitesten und
allgemeinsten Sinn, der Fall des Mediums,
in anderen Worten, wo die Unterscheidung
zwischen Machen und Gemacht-Sein temporär
unmöglich wird und so als Variable der
historischen Produktion hervortreten kann.
Lässt sich eine solche Hypothese eines
Meridian der Kippfiguren im Inneren der Bilder
methodisch auf ein Archiv anwenden, und
dessen Gegenwärtigkeit dadurch ermessen? Lässt
sich ein Archiv durch einen solchen Meridian
durchqueren? In diesem Sinne möchte ich den
deliriösen, hallizunatorischen Bildraum, den Ken
Jacobs nur dadurch produziert, in dem er uns als
Betrachter in den Meridian von Animation und
Fixierung einschreibt, als methodisches Vehikel
für eine Reise durch das Archiv benutzen.
Das daraus entstandene Programm verschränkt
drei Unterscheidungen miteinander, die durch
Institutionen, Diskurse und Ästhetik sorgsam
bewachte Differenzen und Grenzen sind, die
aber auch der historischen Transformation
unterworfen sind, insbesondere in Bezug auf
die Produktion von „Moderne“. Lassen sich
Transformationen dieser Grenzen anhand von
Filmbeispielen der letzten 40 Jahre nach vollziehen?
Welche unterschiedlichen Strategien und
Konzepte gab und gibt es, um eine Grenzziehung
und ihre sozialen Ein- und Ausschlüsse in einen
dialektischen Bildraum zu übersetzen? Die erste
Unterscheidung ist die Differenz der Normalität
zur Pathologie oder zum Wahnsinn, die zweite
Unterscheidung die von Moderne und dem Präoder
Nicht-Modernen.
100

MERIDIANE
Der historische Moment der vielleicht
weitreichendsten, radikalsten Kritik der sich
in auch im Archiv des Arsenal wiederfindet, ist
der Diskurs der Anti-Psychiatrie. Seit der Anti-
Psychiatrie gab es keinen kritischen Diskurs
mehr, der die Herausforderung der ontologischen
Differenz radikaler und umfassender begegnet
wäre. Dazu kommt, dass der Meridian der
medialen Kippmomente der Schizophrenie, die
im Zentrum der Kritik der Anti-Psychiatrie
steht, nur zu bekannt ist: Die Schizophrenie ist
auch eine Herausforderung an das Denken der
Meridiane von Medialität. Der Anti-Psychiatrie,
wie sie in einem Experiment wie der Kommune
Kingsley Hall unter dem zentralen Einfluss von
R.D. Laing praktiziert wurde (Kingsley Hall im
Film ASYLUM von Peter Robinson), möchte
ich eine weitere Differenz hinzufügen, die den
Kern der sogenannten Ethnopsychiatrie bildet:
Die Differenz der Moderne zu ihrem Anderen,
dem vormals als Primitiv bezeichneten.
Die Ethnopsychiatrie konfrontiert die
Herausforderung der ontologischen Differenz
innerhalb der kolonialen Matrix, sie sucht
ein Außen zu dieser Matrix aus der Mitte der
Differenzen heraus zu artikulieren, die diese
Matrix erst konstituieren. Das ist eine Matrix
deren Medialität zu vermessen sich Jean Rouch
sein Leben lang gewidmet hat.
eines Archivkörpers zur Sprache bringen? Lässt
sich ausgehend von dieser Reflektion isolieren,
was als strukturelle Problematik den Gesten
der Politisierung eingeschrieben ist, die das
Archiv des Arsenal durchziehen und animieren;
jenen Gesten der Politisierung, die die Kritik der
Exklusion anhand dialektischer Filmpraxis zu
betreiben suchen?
Die konkrete Praxis des Heilens aber verlangt
mehr als Negation in Bezug zu den Systemen,
die die Symptome als ihre medialen und
verkörperten Effekte erst produzieren. Die Praxis
des Heilens muss die Negation der Negation
suchen, sie ist der Struktur nach affirmativ, sie
muss ihren Bezugsrahmen in Bezug auf ihre
Möglichkeiten der Transformation benennen
und beschränken, sie muss die Heilung über
den Ruf nach Revolution stellen. Wie lässt
sich also das Schicksal jener Kritik fassen, das
was von der radikalen Herausforderung und
Öffnung zu ontologischer Differenz geblieben
ist, wie lässt sich dadurch die Gegenwärtigkeit
101

Stephan Geene
If Sex Takes No Time (and was kein lebendes Bild)
Ein Film In Diesem Archiv
Das Archiv, dem im Living Archive Lebendigkeit zugesprochen oder
zugemutet wird, enthält einen französischen Film von 1978, L’HYPOTHÈSE
DU TABLEAU VOLÉ des Filmemachers Raúl Ruiz. Ruiz, der gerade aus Chile
geflohen war, traf in Paris auf Pierre Klossowski. Eine eigenwillige Begegnung,
der politische Flüchtling mit dem Altlateiner, Ex-Mönch, Nietzsche-Exegeten,
Benjamin-Übersetzer.
Der Film zeigt eine fiktive Suche nach einem (fiktiv) verlorenen Bild, Malerei
des 19. Jahrhunderts. Das gesuchte Bild wird mit Hilfe von Tableaux vivants
rekonstruiert. Ein Erzähler führt durch die Räume, durch den Film. So aufregend
kann seine Führung nicht sein, er schläft ein, mitten im Erzählen, er geht in
seinen eigenen Traum.
Der Film ist ein Film von circa 8.000 Filmen aus dem Archiv des Arsenals. Die
pure Existenz all dieser Filme ruft Fragen nach der Zeit auf, die es kosten würde,
sie – oder auch nur einen Teil davon – anzusehen. Die Zeit, die jemandem noch
bleibt; bleibt, wozu, zum Filme schauen? Was ist das eigentlich, etwas schauen,
noch dazu einen Film? Ein Film, der in der Vergangenheit spielt (was, in gewisser
Weise, jeder Film tut).
In einem Tableau vivant, einem lebenden Bild, stellen Personen ein Bild nach. Sie
stellen es nach, indem sie in einer Geste verharren, sich nicht bewegen.
D.h., sie versuchen, sich nicht zu bewegen. Man kann sich nicht vollständig nicht
bewegen. Das geht nur beim wirklichen Bild. Die Körper bzw. Personen atmen
weiter. Ein Tableau vivant, das gefilmt wird, ist eine besondere Anordnung, in
102

103

STEPHAN GEENE
104

IF SEX TAKES NO TIME
105

STEPHAN GEENE
der zwei gegenläufige Zeitmaße aufeinandertreffen: Die Figuren stehen still, sie
imitieren ein Bild, ein Foto, in dem keine Zeit mehr vergeht, in dem die Zeit fixiert
ist, stillsteht. In dem die Körper nicht mehr atmen, die Atome sich nicht mehr
bewegen. Die Körper des Tableau vivant nähern sich dem Zustand der Nicht-
Bewegung an (insofern ist jede Spielfilmleiche ein ziemlich perfektes Tableau
vivant). Und die Kamera, die ein lebendes Bild filmt, misst ein leeres Intervall.
In diesem leeren Intervall kommen wir, diejenigen, die zuschauen, selber vor.
Es saugt die Unsichtbarkeit der Zuschauenden in umgedrehter Weise an. Es
vergegenständlicht passive Zeit. Ist es tote Zeit, wie die Spektakel-Hasser schon
immer gesagt haben (diejenigen, die Unterhaltung hassen als Zeit-Diebstahl oder
Enteignung, die solchen Diebstahl schon im Buch sahen, im 18. Jahrhundert,
später Film hassten, dann natürlich und vor allem Fernsehen und was sie jetzt
hassen, ist mir auch nicht ganz klar)? Die Passform dieses Intervalls jedenfalls,
die stillgestellten Körper des Tableaus, die Personen sind, sie sind nicht tot, das ist
es ja eben, sie leben noch.
Aggressive Zeit
Künstlerische Produkte, Filme zumal, setzen voraus, dass sie gesehen werden.
Sie fordern dieses Gesehen-Werden, sie existieren erst, wenn sie gesehen werden
(selbst wenn das Gesehen-Werden auf die Zukunft verschoben wird). Der Kampf
um Aufmerksamkeit ist – aufs Ganze gesehen, auf all die Vielen, die produzieren,
die über das Gut Publikum nicht oder nicht ausreichend verfügen – aggressiv.
Es geht ja auch um alles. Aber alle, die zuschauen könnten, sie produzieren doch
selber ...
Klossowskis Bildbegriff
Pierre Klossowski steht, sagt er, unter dem Diktat des Bildes. Die Unergründlichkeit
des Bildes entspricht dem Unkommunizierbaren, das dem Subjekt
zugrunde liegt. Klossowski, der Autor, gab das (philosophische) Schreiben auf
und zeichnete nur noch. Meist große Bleistiftzeichnungen, die theatrale Szenen
inszenieren. Klossowski kommt dabei immer wieder auf eine spezifische
Anordnung zurück, die eine Figur in den Mittelpunkt stellt, die oftmals aus dem
Bild herausschaut und die von fremden Kräften gehalten wird, hingehalten, ins
Bild gestellt, gerahmt, gestützt. Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit halten sich
in der Schwebe. Der Körper der sich zeigenden Person wird gehalten, wie ein
Gegenstand, ein Tauschobjekt. Und der Tausch ist möglich zwischen der Person,
die gehalten wird, die ihren eigenen Körper als Objekt erlebt, der Person, die
den Körper (fest)hält und denen, die da stehen, wohin der festgehaltene Körper
schaut: die Betrachter und Betrachterinnen.
Tausch ist sexualisierbar. Aber Tausch dauert nicht, der Gebrauch ist vom Tausch
ausgeschlossen.
106

Nanna Heidenreich
Riki Kalbe – 15 Filme (DVD)
IM PRINZIP HABEN WIR NICHTS GEGEN MÄDCHEN
Riki Kalbe, Theo Kondring, Gunter Stallmann
BRD 1976, 16mm, Schwarzweiß, 13min
„Wenn natürlich ein Mädchen einen echten
Männerberuf erlernen möchte dann steht ihr dies
natürlich frei zu äußern.“ / “When a girl wants to learn
the trade of a real men‘s job, she can of course say so.”
DER LETZTE KUSS
Riki Kalbe, Eva Hammel, Heide Breitel, Christel Sudau
BRD 1977, 16mm, Schwarzweiß, 25min
„Die Schokolade ist weich, Kühlung funktioniert nicht,
die Deckelmaschine auch nicht.“ / “The chocolate
is soft, the a/c doesn‘t work, neither does the lid
machine.”
HEXENSCHUSS
BRD 1978, 16mm, Farbe, 29min
„Meint Ihr nicht, dass es Zeit wird nach 1000jähriger
Herrschaft den Vater zu stürzen?“ / “Don’t you think it’s
about time to overthrow the father after a thousand
years of his rule?”
DIE OPTISCHE INDUSTRIEGESELLSCHAFT ODER
DARF‘S EIN VIERTEL PFUND MEHR SEIN?
BRD 1983, 16mm, Farbe, 47min
„Und der Teilnehmer hatte nur die Möglichkeit, einoder
auszuschalten.“ / “And the user’s only options are
to switch on or off”.
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NANNA HEIDENREICH
BODENPROBEN
BRD 1987, 16mm, Farbe, 31min
„1. Herr: Sie fürchteten doch nicht? 2. Herr: Ja, die
Erde ist eine dünne Kruste. Man muss mit Vorsicht
auftreten.“ / “1. Gentleman: You weren’t frightened?
2. Gentleman: I was. The earth is a thin crust. You‘ve got
to step warily, it might break under you.”
OHNE NACHTIGALLEN
BRD 1987, 16mm, Farbe, 28min
„Das ist Bettina von Arnim mit Goethe im Hintergrund.“
/ “This is Bettina von Arnim, with Goethe in the
background.”
KNOTEN SONNBORN
Riki Kalbe / Barbara Kasper
BRD 1988, 16mm, Farbe, 45min
„150 Millionen für 14 Fahrspuren über-, unter- und
nebeneinander.“ / “The 14 traffic lanes on top,
underneath and next to each other cost 150 million.”
KAMEN-SÜD
Riki Kalbe / Barbara Kasper
BRD 1989, 35mm, Farbe, 7 min
„Lumpen, Eisen, Papier!“ / “Rags, iron, paper!”
ZWEI ZU EINS
D 1991, 35mm, Farbe, 3min
„Tip. Top. Tip. Top. Tip. Top. Tip. Top. Tip. Tip. Tip. Tip.
Tip. Top.“
VON DER REICHSKANZLEI BIS PARAGUAY
Riki Kalbe/Barbara Kasper
D 1992, 35mm, schwarzweiß, 7min
„An einem Pferd von Torak turnten die Kinder.“
/ “Children would climb on a horse by Thorak.”
108

RIKI KALBE – 15 FILME (DVD)
DENKMALPFLEGE
D 1993, 35mm, Farbe, 8 min
„Und deshalb wollt ich den Mao auch nicht im Keller
verrotten lassen.“ / “That‘s why I didn‘t want the Mao
to rot in the basement.”
FUSSVOLK
D 1994, 35mm, Farbe, 4min
„Anspannen, anspannen, anspannen, anspannen
und fallenlassen.“ / “Flex, flex, flex, flex – and
release!”
BERLINER LUFT
Barbara Kasper / Riki Kalbe
D 1996, 35mm, Farbe 7min.
„Unter dem Aktenzeichen 95MR2171MZ wird die
Original-Berliner Luft als Geschmacksmuster beim
Amtsgericht Charlottenburg eingetragen.“ / “The
original air gets filed as registered design number
95MR2171MZ at the local court of Charlottenburg.”
DER HORIZONT
D 1996, 35mm, Farbe, 4min.
„Aber da ist nicht unendlich. Da ist Dänemark“.
“But this is not infinity. This is Denmark”
EIN GLEICHES
Riki Kalbe / Barbara Kasper
D 1998, 35mm, Farbe, 3,5min
„Die Vögelein schweigen im Walde.“ / “The birds
in the forest are silent.”
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Tobias Hering
Gespenster der Freiheit
in Zusammenarbeit mit Catarina Simão
und Filipa César
Das Projekt Gespenster der Freiheit widmet sich Filmen, die während einer
Phase politischer Umbrüche entstanden sind und diese dokumentieren oder
selber als Ausdruck einer „neuen Zeit“ gesehen werden können. Filmen, die
Bilder und Tonspuren für eine sich ankündigende oder bereits gewonnene neue
Freiheit suchen, die es dabei aber oft auch mit den Gespenstern der Freiheit
zu tun bekommen. Mit der Wiederkehr des scheinbar Überwundenen in
neuem Gewand, mit dem Müllhaufen der Symbole, Bilder und Parolen und
einer plötzlich anachronistisch gewordenen Sprache, mit einer Zukunft, die
einstweilen mehr beschworen als gelebt wird. Im Verlauf der Recherchen
konkretisierte sich das Interesse auf Filme, die als Beiträge zu einem Kino der
Dekolonisierung gesehen werden können.
Der Titel Gespenster der Freiheit verweist auf das latent Gespenstische, das
alle Filme an sich haben, insbesondere wenn sie aus dem Archiv kommen und
dann in einer Projektion zum Leben erweckt werden. Ihre Fähigkeit, uns jäh zu
erinnern an vergangene Euphorien, an die unerfüllten Hoffnungen derer, die vor
uns da waren und für die wir und unsere Zeit noch in einer Zukunft lagen, nach
der ihre Filme manchmal wie im Traum schon zu greifen scheinen.
Jedes Kunstwerk, so interpretierte Gilles Deleuze eine Bemerkung Paul
Klees, richte sich an ein noch nicht existierendes „Volk“ und erheische seine
Legitimation erst vor einem zukünftigen Adressaten. Insbesondere das
moderne politische Kino, so Deleuze, könne es nur geben „auf der Basis, dass
das Volk nicht mehr oder noch nicht existiert ... das Volk fehlt.“ 1 Wenn man in
diesen Anachronismen ein Wechselspiel von Antizipation und Erbschaft am
Werke sieht, dann stellt sich bei der Archivarbeit immer die Frage nach diesem
fehlenden Volk. Ob man selber an die Stelle dieses antizipierten Blicks getreten
ist, oder ob man nur stellvertretend schaut für die Abwesend-Anwesenden, die
einem über die Schulter blicken.
110

Erst allmählich wurde mir bewusst, dass meine Recherchen in den
Hängeregistern und die Sichtungen am Steenbeck ihrerseits von einem Gespenst
begleitet wurden: dem Gespenst eines Dritten Kinos. Zum einen in dem bewusst
gewählten Sinn eines Kinos der Dekolonisierung, des Widerstands und der
Emanzipation, wie es Octavio Getino und Fernando Solanas definierten. Zum
anderen aber auch in dem eher tastenden Verständnis eines Kinos, das sich auch
dort, wo es sich vermeintlich frei artikulieren kann, nicht auf den Pakt einlässt,
der so oft der Preis dieser Freiheit ist. Der Pakt ist ein zivilrechtliches Instrument,
das eine gewisse bürgerliche Freiheit und ein Eigentumsrecht voraussetzt. Wie
jedes Eigentumsrecht ist er jedoch ungerecht, weil er alle anderen ausschließt
und beraubt – die Abwesenden, die Zukünftigen, den Dritten.
Ein Kino, das sich diesem Pakt widersetzt, ist ein Kino, das stets bereit ist, die
Hand zu beißen, die es füttert. Ein Kino, das sich nicht damit zufriedengibt,
„von Angesicht zu Angesicht“ zu funktionieren, sondern das den Dritten
ins Spiel bringt, der die traute Zweisamkeit stört und immer schon in ihr
enthalten ist. Der Dritte ist nie derjenige, der Recht gibt, sondern derjenige, der
das vermeintliche Recht in Frage stellt. „Der Dritte ist das, was mich im Von-
Angesicht-zu-Angesicht befragt, was mich plötzlich fühlen lässt, dass die Ethik
als Von-Angesicht-zu-Angesicht Gefahr läuft, ungerecht zu sein, wenn ich nicht
dem Dritten Rechnung trage, der der Andere des Anderen ist.“ 2 Ein Drittes Kino
ist ein Kino, in dem sich diese Beunruhigung ereignet.
1 Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild: Kino 2, Frankfurt 1997, S. 279. Um den im Deutschen fast
unvermeidlichen Beigeschmack des Völkischen zu neutralisieren, hilft es, die französische
Originalformulierung im Kopf zu behalten: „le peuple qui manqué“.
2 Jacques Derrida, Eine gewisse unmögliche Möglichkeit, vom Ereignis zu sprechen, Berlin 2003.
111

TOBIAS HERING
Setaufbau für die Dreharbeiten zu Med Hondos Film WEST INDIES - LES NÈGRES MARRONS DE LA LIBERTÉ
(West Indies – Die entlaufenen Neger der Freiheit / Frankreich, Mauritanien 1979)
Filmarchiv des “INCA – Instituto Nacional de Cinema e Audiovisual de Guinea-Bissau” in Bissau, August 2012
112

GESPENSTER DER FREIHEIT
28 May 1977
Dear Mr. and Madame Gregor,
Enclosed are the entry and information papers concerning my film. As you have
told me on the telephone that you are not completed the selection for the last
open spaces of the festival, I am submitting my film for consideration. I feel my
film is strong enough to have a fighting chance -- as long as the door is not yet
completely closed for the last spaces.
Although you indicated to me that the next festival will be in February, let me
stress that I am entering my film for this festival, for the following reasons:
--- I shall already have returned to the Philippines. I cannot survive another winter
(psychologically and financially) in Germany.
--- Your regulations specify films not yet shown publicly or on television. I cannot
hold back such opportunities to earn a little money from the film as I am now
under pressure of feeding my family (I have already sold my camera and philippine
taxi to finish the film independently) and paying some debts.
--- Having worked two years on this film, I am hungry for audience feedback which
is a goal of your forum. I believe my film has a multi-national appeal which I would
hope to confirm at your public discussions.
The commentary of the film is in English and I am sure you will find the texts simple
enough for your type of audience to understand. Please note that there are a few
sound holes -- 2 or 3 second gaps because of a bad transfer to the magnetic stripe.
I am re-mixing some parts next week and will fix these. Also, I have just filmed the
film titles and credits which later will be added to the copy.
[…]
Cinematically yours,
Kidlat TAHIMIK
Brief von Kidlat Tahimik an die Leitung des „Internationalen Forum des Jungen Films“
anlässlich seines Films MABABANGONG BANGUNGOT (Der parfümierte Alptraum, Philippinen 1977).
113

TOBIAS HERING
Der Gesang des Ungehorsams
Chant de l’insoumission
Der Blick, den der Emir Abdelkader auf uns richtet aus seiner Verbannung
Welche Erinnerung wird von ihrem ersten Algerienkrieg bleiben?
Was wird außer diesem Bild übrig bleiben?
Außer diesem Blick, diesem Blick in einem Ozean des Vergessens
Während des gesamten neunzehnten Jahrhunderts folgten
die Führer der Aufstände einander lückenlos, Welle auf Welle
Auf dem Land, als die Städte eingenommen waren,
In den Bergen, als die Ebenen unterworfen waren
Nachher kommen immer die Maler und Fotografen,
nach der Niederlage
Ihr Blick, der unser Vergessen maskiert
Der Ungehorsam zieht sich zurück hinter die Grenzen des Blickfelds,
entzieht sich eurem Blick und kauert sich in die Höhlung unseres Vergessens
Massaker im Dunkeln, Moritate hinter der Maske
Der erste der fünf „Gesänge des Vergessens“ aus LA ZERDA ET LES CHANTS DE L’OUBLI
(La Zerda und die Gesänge des Vergessens), Algerien 1978–1982 von Assia Djebar.
Übersetzung Jordane Maurs.
MUEDA, MEMORIA E MASSACRE (Ruy Guerra, Mosambik 1979).
114

GESPENSTER DER FREIHEIT
Before Six Years After
One always writes from memory, especially when writing about images.
It is virtually impossible to write while one sees, because the eyes won’t let you.
First one sees, then one writes. While I write, the images move on, some of them
escape me. Maybe others see them, but I don’t, because I am taking notes about
the images I saw before. When I look again I know that I missed something, but I
hope that my notes will later help me bridge the gaps – remember, in a way, that
which I haven’t seen. Memory is not a storage room to enter and choose from.
Images come and go, and only when we remember them do we notice that we
have seen them before. Some will never return. We will forget to remember
them. And when we forget, we also forget that we forgot.
[...]
From the bare facts of this archive it can be concluded that most of the images
it holds were never shown. They never had an audience. How can an unseen
image be part of a collective memory? Is it an image at all, if nobody has ever
seen it? This question might be irrelevant now concerning those images which
have been salvaged and digitised in the meantime. But it is a haunting question
with regard to those images already dissolved by the vinegar syndrome,
literally erased from the film strips or turned into a sticky paste over the years,
as you described it. An archive is always erected on the soft ground between
memory and amnesia. Just as an image can erase memory, an erased image can
commemorate amnesia. But where do unseen films go in the memories of those
who shot them?
Auszug aus „Before six years after“,
in: Filipa César: Luta ca caba inda, Paris (Jeu de Paume), 2012.
Text von Tobias Hering.
115

Thousands of people attending the screening of
the film “These are the weapons”
Thousands of people were at the bullfight arena
yesterday to see the premiere of the mediumlength
film “Estas são as armas” [These are the
weapons], a film produced by the National Institute
of Cinema. This debut screening (the first in the
country) comprised several continuous sessions
starting at 6:30pm and lasting up to 11pm, which
allowed the film to be seen by many people.
Meanwhile, a special session for guests was
simultaneously held at Manuel Rodrigues
Theater, with the Minister of Transport and
Communications, José Luís Cabaço, representing
the Party Directorate and the State.
Let us remember that “These are the weapons”
is the third film entirely produced in our country
and that it is based on archival footage. Among
other aspects, it focuses on how imperialism acts
against our People, particularly through constant
aggression and massacres, using for that matter
the illegal regime of Ian Smith.
Artikel aus der Zeitung Notícias (Maputo) vom Montag,
25. September 1978.
116

GESPENSTER DER FREIHEIT
5.11.2012
MUEDA, MEMORIA E MASSACRE
(Mueda: Erinnerung an ein Massaker)
Ruy Guerra, Mosambik 1979, 35 mm, 75 min, OmU
A QUEDA (Der Sturz)
Ruy Guerra, Brasilien 1978, 35 mm, 110 min, OmU
6.11.2012
MONANGAMBEE
Sarah Maldoror, Algerien 1969, 16 mm, 15 min, OmeU
DEIXEM-ME AO MENOS SUBIR ÁS PALMEIRAS
(Let me at least climb the palm trees)
Joaquim Lopes Barbosa, Mosambik 1972, Digibeta, 71 min,
OmeU
7.11.2012
LA ZERDA ET LES CHANTS DE L’OUBLI
(La Zerda und die Gesänge des Vergessens)
Assia Djebar, Algerien 1978, 16 mm, 59 min, OmU
REASSEMBLAGE Trinh T. Minh-ha, USA 1982, 40 min, OF
5.11.2012 – 12.11.2012
THESE ARE THE WEAPONS (Installation)
Catarina Simão, Off Screen Project 2012, HD video, 50 min
27.11.2012
O 2° CONGRESSO DO P.A.I.G.C. 18 – 22 JULHO 1973,
BOÉ
(Fragment) Kollektiv, Guinea-Bissau 1973, ca. 10 min
PROCLAMACÃO DO ESTADO, 24 SETEMBRO 1973, BOÉ
(Fragment) Kollektiv, Guinea-Bissau 1973, ca. 6 min
ACTO DOS FEITOS DA GUINÉ
(Bericht über die Ereignisse in Guinea)
Fernando Matos Silva, Portugal 1980,
16 mm, 85 min , OmU
ATAQUE A IEMBEREM
(Fragment) Flora Gomes, Guinea-Bissau 1972, ca. 5 min
LUTA CA CABA INDA
(Fragment) Kollektiv, Guinea-Bissau 197?, ca. 5 min
MORTU NEGA (Those Whom Death Refused)
Flora Gomes, Guinea-Bissau 1988, BetaSP, 93 min, OmeU
28.11.2012
ESTUDANTES GUINEENSES DESEMPENHANDO
TRABALHO VOLUNTÁRIO
Kuba 1969, ca. 5 min
AÑO 7
Santiago Alvarez, Kuba 1966, 18 min
NOTICIERO
Santiago Alvarez, Kuba, ca. 1967, ca. 4 min
LA BATAILLE DES DIX MILLIONS
(Die Schlacht der 10 Millionen)
Chris Marker, Frankreich, Kuba 1970, 16 mm, 55 min,
deutsche Fassung
O REGRESSO DE CABRAL
Kollektiv, Guinea-Bissau 1976, ca. 25 min
GUINÉ-BISSAU, 6 ANOS DEPOIS
(Fragmente) Kollektiv, Guinea-Bissau, 1980, stumm
LUTA CA CABA INDA
(Fragment) Kollektiv, Guinea-Bissau 197?, nur Ton,
ca. 10 min
13.6.2013
LE PRÉSIDENT (The President)
Jean-Pierre Bekolo, D/Kamerun 2013, HD, 63 min, OmeU
LADONI (Handflächen)
Artur Aristakisjan, UdSSR 1990, 35 mm, 145 min, OmU
14.6.2013
SADY SKORPIONA (The Scorpion’s Gardens)
Oleg Kowalow, UdSSR 1991, 35 mm, 100 min, OmE
15.6.2013
LA GRAMMAIRE DE MA GRAND-MÈRE (Grandma‘s
Grammar)
Jean-Pierre Bekolo, Kamerun 1996, DVD, 8 min, OmE
LE FRANC
Djibril Diop Mambety, Senegal 1994, 46 min, OmU
MABABANGONG BANGUNGOT (Der parfümierte
Alptraum)
Kidlat Tahimik, Philippinen 1977, 35 mm, 94 min, OmU
WEST INDIES – LES NÈGRES MARRONS DE LA LIBERTÉ
(West Indies – Die entlaufenen Neger der Freiheit)
Med Hondo, Frankreich, Mauretanien 1979, 35 mm,
116 min, OmU
117

Merle Kröger
Plädoyer für eine kommunale, kulturelle Filmarbeit
Als Produzentin habe ich seit 2007 fünf
abendfüllende Dokumentarfilme für das Kino
hergestellt. Die Finanzierung haben wir aus
Filmförderung und Koproduktionen mit ARTE
oder dem Goethe-Institut zusammengepuzzelt.
Wir konnten die Filme so machen, wie wir
wollten, ein vergleichsweise luxuriöses Arbeiten
im harten Alltag dokumentarischer Filmemacher.
Unsere Filme vertreten einen „denkenden“
Dokumentarfilm, der Fragen in die Welt setzt, statt
sie zu beantworten.
Die Filme sind Teil des Living Archive im Arsenal.
Ein solches Archiv ist ihr künstlerisches Zuhause.
Doch Filme werden nicht gemacht, damit sie
zu Hause auf der Couch sitzen. Wir arbeiten
mit engagierten Verleihern daran, sie auf die
Leinwände zu bringen. Auch hier geht nichts
ohne Verleihförderung. Einen Dokumentarfilm
zu verleihen erfordert hohe Professionalität,
Leidenschaft an der gesellschaftlichen Debatte und
viel Zeit. Zeit, die sich am Ende nicht in prozentuale
Erlöse umrechnen lässt.
Schließlich kommt der Film ins Kino.
2012 standen wir vor einem Dilemma: Ein Film
war fertig, Premiere auf der Berlinale. Viele
kommunale Kinos und Programmkinos wollten
den Film zeigen, und zwar nicht um 18.00 Uhr
unter „ferner liefen“, sondern im Hauptprogramm.
Der Starttermin lag weder im Sommerloch
noch in den Semesterferien. Es gab weder
eine späte Hitzewelle noch einen vorzeitigen
Wintereinbruch. Der Film wurde quer durch alle
Feuilletons positiv rezensiert. Und floppte. Ist es
ein Publikums-Killer, wenn man von der Kritik
das Label: „ein schmerzhafter, aber wichtiger
Film“ erhält? Ein Kinomacher tröstete uns: „Wir
werden eure Filme zeigen, auch wenn keiner
kommt. Bitte macht weiter so.“ Die Zuschauer
und Zuschauerinnen, die kamen, verließen den
Kinoraum und das Filmgespräch selten vor Ende
des angesetzten Slots. In diesen Gesprächen
erlebten wir das, wofür unsere Filme gemacht
werden: die Verlängerung des filmischen Raums
in den gesellschaftlichen Raum. Kino als „sicherer“
Ort, in dem ohne Angst debattiert wird. So was
geht nicht gut am Laptop.
Nach dem Kinodebakel läuft der Film jetzt viel
auf Veranstaltungen, meistens in Kooperation
lokaler Gruppen mit einzelnen Kinos. Oft ist
er ausverkauft, und Leute müssen nach Hause
geschickt werden. Obwohl derselbe Film in
derselben Stadt vorher vor leeren Sälen lief.
Ich habe für dieses Phänomen keine Erklärung
außer Allgemeinplätzen: zunehmende
Entertainment-Gesellschaft, sich ändernde
Sehgewohnheiten oder Kino als Teil
kapitalistischer Produktverwertung. Doch ich
sehe darin die Bestätigung, dass wir eine
kommunale und kulturelle Filmarbeit brauchen.
Nicht, weil ich mehr Leute dazu bringen will,
118

unsere Filme zu sehen – auch wenn das schön wäre
–, sondern weil ich diesen Moment im Kinoraum
für wertvoll und wichtig halte.
2007 habe ich im Rahmen eines filmkuratorischen
Projektes über 40 Kinomacher und –macherinnen
quer durch Deutschland besucht und interviewt.
Ich habe erlebt, unter welchen Bedingungen sie
Kino machen, oft genug in ihrer Freizeit oder in
Selbstausbeutung. Ich finde, alle Produzenten
sollten solche Besuche machen bei denjenigen, die
ihre Filme zeigen. Es rückt die Dinge in ein anderes
Licht.
Meine Entscheidung, mit WORLD IN PROGRESS
dezentrale, kuratierte Filmarbeit innerhalb
des Gesamtprojektes von Living Archive zu
verankern, entspringt der Vorstellung, dass das
Archiv als Zuhause von Filmen ein Netzwerk
braucht, in dem sie sich entfalten können. Sonst
werden sie zu Nesthockern.
Der für Ende 2012 angekündigte Weltuntergang
ist ausgeblieben. Grund genug, darüber
nachzudenken, was nun aus uns werden soll.
Aktuelle gesellschaftliche Debatten ins Kino zu
bringen, Strömungen des Weltkinos sichtbar zu
machen – dafür stehen seit Jahrzehnten das Kino
Arsenal in Berlin und das Internationale Forum
des Jungen Films der Berlinale. Im Rahmen
des Projekts Living Archive – Archivarbeit
als künstlerische und kuratorische Praxis der
Gegenwart werden 2013 Filmprogramme und
-reihen in zehn kommunalen Kinos in ganz
Deutschland initiiert. Seit ihrem Entstehen
Anfang der 70er Jahre kommt den kommunalen
Kinos eine Sonderrolle in der bundesdeutschen
Kinolandschaft zu. Auch die Anfänge des
Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V.
(ehemals Freunde der Deutschen Kinemathek),
das in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen
feiert, sind eng verbunden mit der Geschichte der
kommunalen Kinos.
WORLD IN PROGRESS ist ein einzigartiger
Filmpool aus über 30 Kurz- und Langfilmen,
die seit 2007 von arsenal distribution erworben
wurden. Filme aus aller Welt, die sich formal
und inhaltlich mit dem Leben und dem
Überleben, mit Arbeit, Identität und Vision
auseinandersetzen. Alle teilnehmenden Kinos
erhalten einen Zuschuss zu ihrer kuratorischen
Arbeit und können wahlweise zwei Langfilme
oder Kurzfilmprogramme kostenfrei leihen
und vorführen. Darüber hinaus wird auf der
Website von Living Archive eine gemeinsame
Internetpräsenz entstehen, auf der man über den
Verlauf des Projekts informiert wird.
WORLD IN PROGRESS ist eine Plattform
für kommunale und kulturelle Kinoarbeit in
Deutschland: eine Hommage an das Programmkino
und die aktive Unterstützung kuratierter
Filmprogramme. Aus den Fotografien von Rainer
Schleßelmann, die im Jahr 2007 in 40 deutschen
Kinos und Filminitiativen entstanden, können
lizenzfrei Ausstellungen zusammengestellt und die
Fotos zum Selbstkostenpreis erworben werden.
WORLD IN PROGRESS ist die Einladung zum
aktiven Netzwerken zwischen den einzelnen
Veranstaltern, zum inhaltlichen Austausch und
zur logistischen Zusammenarbeit, mit Anbindung
an das Projekt Living Archive – Archivarbeit
als künstlerische und kuratorische Praxis der
Gegenwart.
119

MERLE KRÖGER
Das Thema Afrika ist nicht erst seit der
Kolonialisierung des Kontinents interessant, wie
unsere filmische Annäherung an das Thema zeigt.
Weitgehend unbeachtet in der jüngeren deutschen
Geschichte ist die Rückführung ehemaliger
afrikanischer Flüchtlingskinder aus der DDR nach
Namibia, die dem Thema Migration eine neue
Wendung gibt.
So wie der Film ABSENT PRESENT Flüchtlingsund
Fluchtgeschichten miteinander assoziativ
verknüpft, so verbindet die Regisseurin Caroline
Kamya in ihrem Debütfilm IMANI die Schicksale
dreier Menschen im eigenen Land, zeigt
Klassengegensätze in Uganda auf und lässt uns
teilhaben an einem Stück jungen afrikanischen
Kinos, das sich nicht mehr primär an westlichen
Vorbildern orientiert.
Cinema Quadrat freut sich, zwei Filme aus dem
einzigartigen Filmpool der Arsenal Distribution im
Rahmen von „World in Progress“ zeigen zu können.
Film ist die Konzeption einer Vergangenheit
als Hier-und-Jetzt. Als lebendiges Archiv kann
Kino wiederum die Nachbilder des Erlebens
in Vor-Bilder für Gegenwartskonzeptionen
transformieren.
Eingebettet sowohl in das reguläre Programm als
auch in die im Haus kuratierte Reihe GRENZEN
DES FILMS, weisen wir BESPRECHUNG und
WONDERFUL TOWN hier als unterschiedliche,
Gegenwart konstituierende Perspektiven diese
Spiegelfunktion zu.
Das Kommunalkino Bremen/CITY 46 hat sich als
Beitrag zum von Merle Kröger kuratierten Living-
Archive-Projekt die beiden Filme DE ENGEL
VAN DOEL und SWEETGRASS ausgesucht. Die
beiden Filme verbindet eine ausgesprochen
konsequente Auseinandersetzung mit dem,
was gerne als Fortschritt bezeichnet wird und
schildern angenehm konservative Varianten von
Widerständigkeit. Dabei stehen Fragen von Leben
und Überleben im Mittelpunkt, und die Menschen
(bzw. Tiere) werden als organischer Teil ihrer
Lebensumwelt gezeigt.
Das Filmhaus Nürnberg hat erfreulicherweise viele
der im WORLD IN PROGRESS-Pool versammelten
Filme schon zeigen können. So haben wir einen
Langfilm und zwei Kurzfilmprogramme ausgewählt
mit Filmen, die bislang hier noch nicht zu sehen
waren und die nicht nur durch ihr Engagement und
ihre Fantasie überzeugen, sondern auch durch ihre
experimentelle künstlerische Umsetzung.
OS RESIDENTES
Brasilien 2010, 120 Min., OmU,
Regie: Tiago Mata Machado
WORLD IN PROGRESS KURZFILMPROGRAMM
1: Ägypten, Spuren einer Reproduktionsfabrik und
ein koreanisches Science-Fiction-Raumschiff in
Berlin.
WORLD IN PROGRESS KURZFILMPROGRAMM
2: Ein philosophischer Schneider im Iran, eine
jordanische Wüstenkomödie und der Bau des
Rietbergmuseums in Zürich.
120

PLÄDOYER FÜR EINE KOMMUNALE, KULTURELLE FILMARBEIT
Das Kommunale Kino Hannover ist ein „anderes
Kino“.
Seit seiner Gründung 1974 sieht das Kino seinen
Auftrag darin, die ganze Bandbreite des deutschen
und internationalen filmkünstlerischen Schaffens
jenseits des kommerziellen Mainstreams
abzubilden.
Es versteht sich zum einen als Werkstatt für den
unabhängigen und innovativen zeitgenössischen
Film, für das engagierte, avantgardistischkünstlerische
Kino, als ein Fenster zur Welt der
globalen Kinematografien.
Die andere Seite dieser Kinoarbeit ist die gezielte
Reflexion und Präsentation von Filmgeschichte.
Seit Bestehen widmet sich das Koki – ganz im Sinne
eines Filmmuseums – der Aufarbeitung einzelner
Aspekte und Epochen der Filmgeschichte, sei es
in thematischen Zyklen, in Retrospektiven oder
Werkschauen.
Das öffentliche Bewusstsein dafür zu fördern,
dass Film eine ganz eigenständige kulturelle
Ausdrucksform, eine Kunstform ist, erfordert ganz
notwendig den retrospektiven Blick in die frühe,
aber auch in die jüngste Kinogeschichte. – Eine in
der heutigen Film- und Medienlandschaft absolut
unverzichtbare Aufgabe, die letztendlich nur von
Einrichtungen wie einem Filmmuseum oder einem
Kommunalen Kino wahrgenommen werden kann.
Und diese Arbeit korrespondiert mit der Arbeit der
Archive. Dort, wo „das Archivarische“ mehr ist als
die Verwaltung eines Erbes, wo sie aktiv eingreift,
kuratorisch, auswählend Stellung bezieht, da
verstehen wir uns als Partner. Und darüber hinaus
gilt: Das Kommunale Kino und das Archiv – eine
produktive und kreative Partnerschaft!
Wir haben versucht, mit unserer Filmauswahl
aus dem WORLD IN PROGRESS-Pool
die Vielgestaltigkeit und Globalität des
zeitgenössischen filmkünstlerischen Schaffens
exemplarisch zu verdeutlichen: Taiwan,
amerikanische Independents, unabhängiges
deutsches Kino, Fiktionales, Dokumentarisches,
Essay … das Leben, unsere Welt …
Zu unserem kuratorischen Konzept kommunaler
Filmarbeit gehört, einzelne Filme nicht
nur auszustellen, sondern den Zuschauern
Verbindungen zu ermöglichen, historische
Zusammenhänge deutlich zu machen und
ästhetische Entwicklungen aufzuzeigen. Da
dieser programmatische Ansatz auch das Projekt
Living Archive bestimmt, ist es für uns eine sehr
willkommene Unterstützung der inhaltlichen
Arbeit eines Kommunalen Kinos.
Wir haben uns aus dem Programm World in
Progress mit UTOPIANS und OS RESIDENTES für
zwei Filme entschieden, deren Protagonisten zu
den gesellschaftlichen Außenseitern zählen. Beide
Filme zeichnen sich durch ein soziales Bewusstsein
aus. Der zweite befragt darüber hinaus politische
Protestformen der 1960er und 70er Jahre auf ihre
Relevanz für die Gegenwart.
Bereits seit längerem stellen wir aktuelle Arbeiten
des amerikanischen Independent-Kinos vor,
die sich bei allen thematischen und stilistischen
Unterschieden durch einen neuen Realismus
auszeichnen. Der Film UTOPIANS des Regisseurs
Zbigniew Bzymek ist ein gutes Beispiel für
diese Richtung, da er für die Beschreibung einer
komplexen Wirklichkeit eine eigenständige
filmische Form findet.
Als zweiten Film aus dem Programm WORLD
IN PROGRESS haben wir die brasilianische
Produktion OS RESIDENTES des Filmemachers
Tiago Mata Machado ausgewählt, sozusagen als
Pendant aus dem südlichen Teil des amerikanischen
Kontinents. Ein Film, der nicht zuletzt durch seine
Experimentierlust bei der formalen Gestaltung
beeindruckt.
121

MERLE KRÖGER
Was nützen Filme allein im Regal? – Nicht alles,
was sie nützen könnten, wenn sie erst gesehen
werden.
Dazu müssen sie aber gezeigt werden. So simpel
das klingt: Es ist nicht immer so selbstverständlich
und einfach. Deswegen sind die Living-Archive-
Projekte des Arsenal-Instituts Berlin und aktuell
hierbei WORLD IN PROGRESS so wichtig: Sie
lassen die Filme in den Archiven wieder lebendig
werden. Wichtig für uns Kinomacher, wichtig für
das Publikum, dem letztendlichen Adressaten.
Und weil wir „verborgene Schätze“ auch für unser
Publikum „flüssig“ und „produktiv“ werden lassen
wollen, haben wir uns auch als kleineres unter den
kommunalen Kinos diesem Projekt angeschlossen.
Für das Kommunale Kino Weitwinkel in Singen
haben wir zwei Dokumentationen ausgewählt und
zueinander in Beziehung gesetzt: DE ENGEL VAN
DOEL und SWEETGRASS. Zwei unterschiedliche
dokumentarische Filme über scheinbar sehr
verschiedene Orte und Menschen, denen sich
die Filmemacher mit „dokumentarischem“ Blick
zuwenden – und doch verbindet sie etwas, das
sich wiederum mit dem Medium Film selbst
kurzschließt:
Es sind gleichsam Filme vom „Verschwinden“ der
Dinge. Und das meint immer auch einen Prozess,
der auch filmisch repräsentiert werden kann. In
den ausgewählten Filmen wissen wir schon vom
(absehbaren) Verschwinden, und somit schärft
sich der Blick auf den „Gegenstand“ der Filme
nochmals: Das Dörfchen Doel in Belgien mit
seinen Bewohnern soll einem Seehafen weichen.
Und die Schafrancher/Schafhirten in Montana
werden ihren Beruf in seiner bisherigen Form bald
nicht mehr „vererben“. Ein Ort und eine berufliche
Existenzform, die beide bald nicht mehr sichtbar
sein werden.
Ein Stück weit, vielleicht, können sie aber unter
den Bedingungen des Mediums Film errettet
werden, für die neue Zeit der Erinnerung.
„Filme vom Verschwinden“ haben wir also unser
Doppel-Programm genannt.
Und wir danken allen Personen und Institutionen,
die WORLD IN PROGRESS mit ermöglicht haben.
Im Rahmen des Living-Archive-Projekts von Merle
Kröger haben wir, das Kommunale Kino Freiburg,
aus dem WORLD-IN-PROGRESS- Filmpool ein
Programm mit zwei Filmen kuratiert, die unseren
Zuschauern Einblicke in zwei (Kunst-)Welten
ermöglichen, wie sie unterschiedlicher nicht
sein könnten: Während SUPER ART MARKET
den aktuellen Kunstmarkt beleuchtet, der –
gekennzeichnet durch immer exorbitantere
Preise – sich letztlich um sich selbst dreht, steht
in TRAUMFABRIK KABUL eine mutige Frau
im Mittelpunkt, die sich mithilfe ihrer Kunst als
Filmemacherin, Regisseurin und Schauspielerin
aktiv für das Recht auf Selbstbestimmung der
afghanischen Frauen einsetzt.
Die Idee des Projektes von WORLD IN
PROGRESS, aktuelle gesellschaftliche Debatten
ins Kino zu bringen und Strömungen des Weltkinos
sichtbar zu machen, passt wunderbar zu unserem
Verständnis von Kinoarbeit. Viel zu oft ist
auch unser Kinoalltag aufgrund mangelnder
öffentlicher Zuschüsse von wirtschaftlichen
Zwängen geprägt. Die Kunst des Kinomachens
besteht deshalb für uns darin, Wege zu finden,
unseren eigenen Anspruch an das Programm
immer wieder deutlich zu machen.
Exemplarisch haben wir deshalb aus dem
Filmpool zwei Filme ausgewählt. Das Bahnhofsund
Hafenviertel – also das Gebiet in dem sich
122

PLÄDOYER FÜR EINE KOMMUNALE, KULTURELLE FILMARBEIT
auch unser Kino befindet – ist zurzeit heftigen
Veränderungen unterworfen. Langjährige
Bewohner_innen und Gruppen, wie zum Beispiel
der Oldenburger Wagenplatz, werden verdrängt
zugunsten hochpreisiger Wohnanlagen. Im
Anschluss an den Film DE ENGEL VAN DOEL
werden deshalb Bewohner_innen der Oldenburger
Wagenburg und eines besetzten Hauses über ihre
Situation berichten.
Junges afrikanisches Kino ist ein traditioneller
Schwerpunkt unseres Programms und wir
freuen uns, mit IMANI einen Film aus Uganda
präsentieren zu können.
haben, ausgewählt: LIVERPOOL von Lisandro
Alonso und UMDEINLEBEN von Gesine
Danckwart. Ein einsamer Matrose unterwegs
in Feuerland, am Ende der Welt, und „hippes“
Großstadtleben von sechs Frauen in Deutschland,
sind Geschichten aus der Nähe und aus der
Ferne, Gegensätze aus der globalen Welt, aus
WORLD IN PROGRESS. Bei der Wahl der Filme
war uns auch der Aspekt der Vermittlung an die
Zuschauer wichtig; deswegen suchten wir nach
lokalen Kooperationspartnern und fanden sie bei
der Hispanistik an der Universität des Saarlandes
und bei der FrauenGenderBibliothek Saar. Wir
haben auch Gesine Danckwart zu der Vorstellung
ihres Films nach Saarbrücken eingeladen, um
Begegnung und Diskussion, zu ermöglichen. Das
ist Teil von Living Archive.
Als kommunales Kino schätzen wir
außerordentlich das Filmarchiv des Arsenals.
Es war und ist für uns eine Fundgrube
bei der Konzeption vieler Reihen und
Sonderveranstaltungen. Deswegen freut es
uns, dass Living Archive die Filme des Archivs
der Öffentlichkeit in neuem neuen Kontext
präsentiert. Durch die kuratorische Arbeit der
Teilnehmer des Projekts werden neue Bezüge zu
den Filmen und zwischen den Filmen hergestellt.
Es entstehen neue Interpretationen, neue
Diskurse, das „Archiv beginnt zu leben“.
Merle Kröger bringt mit ihrem Filmpool WORLD
IN PROGRESS ausgewählte Filme aus dem
Archiv des Arsenals in die kommunalen Kinos.
WORLD IN PROGRESS betont die Verbindung
der kommunalen Filmarbeit vor Ort mit der
Archivarbeit des Arsenals: dem künstlerisch
innovativen, politisch relevanten Film jenseits des
Kinomainstreams eine Präsenz zu verschaffen. Das
ist auch unser Ziel in der Programmarbeit im Kino
achteinhalb (schon der Name ist verpflichtend).
Deshalb machen wir bei dem Projekt mit. Wir
haben zwei Filme, die eine ungewöhnliche Form
und ästhetische Mittel für die Erkundung der
Seelenleben ihrer ProtagonistInnen gefunden
123

124

125

Eunice Martins
Pieces for the Archive I & II
The Sounding Archive
Das Arsenal-Archiv umfasst 8.000 Filme – visuelle Welten und Klangwelten,
gelagert in Dosen auf vielen Regalmetern. Der klanglose Körper der Liste der
Filmtitel bestehend aus Buchstaben und Zahlen gehört zusammen mit dem
physikalischen Körper der Filme zum Kern des Archivs.
Die beiden Live-Kompositionen PIECES FOR THE ARCHIVE I (Juni 2012) und
PIECES FOR THE ARCHIVE II (Juni 2013) sowie das Stück THE SOUNDING
ARCHIVE sind zwei unterschiedliche Annäherungen an und Interaktionen
mit den Filmen des Arsenal-Archivs bzw. der Gesamtheit des Bestandes.
Während THE SOUNDING ARCHIVE eine Sonifikation des gesamten
Datenmaterials des Archivbestandes mittels Programmierung und Sampling
ist, hörbar als Klanginstallation (ab Juni 2013), sind die beiden Stücke PIECES
FOR THE ARCHIVE I & II live entstehende, korrespondierend eigenständige
Kompositionen, die mit der Vorführung ausgewählter Kurzfilme in Interaktion
treten.
PIECES FOR THE ARCHIVE I & II
In den beiden Performances PIECES FOR THE ARCHIVE I & II geht es um eine
Auseinandersetzung mit dem Klangraum des Films und dem Raumklang
des aktuellen Ortes der Aufführung und seinem Publikum. Es geht um
die Aktualisierung der Filme und um Korrespondenzen, die sich in den
Klangräumen der Filme und dem spezifischen Aufführungsraum entwickeln.
Für Pieces for the archive I arbeitete ich mit dem Komponisten und Musiker
Mehmet Can Özer zusammen.
126

Pieces for the archive I (Juni 2012)
Eine Live-Komposition mit Kurzfilmen aus dem Arsenal Archiv. Ausgehend
von einer Auswahl an Kurzfilmen, die mit Bild und Ton und deren Kombination/
Abwesenheit experimentieren, entsteht live im Kinoraum ein Stück mit
Eunice Martins (Piano) und Mehmet Can Özer (Live-Elektronik).
SUSAN THROUGH CORN von Kathleen Laughlin, USA 1974, ohne Dialog, 2 min
TAILS von Paul Sharits, USA 1976, stumm, 4 min
4000 FRAMES – AN EYE OPENER FILM von Arthur & Corinne Cantrill, Australien 1970,
ohne Dialog, 3 min
RAILROAD TURNBRIDGE von Richard Serra, USA 1975/76, stumm, 17 min
LA MARCHE DES MACHINES von Eugène Deslaw, Frankreich 1928, stumm, 7 min
EYE MYTH EDUCATIONAL von Stan Brakhage, USA 1972, stumm, 2 min
LIGHTS von Marie Menken, USA 1964/65, stumm, 6 min
SAILBOAT von Joyce Wieland, Kanada 1968, ohne Dialog, 3 min
Pieces for the archive II
Im Juni 2013 treten die Komponistinnen, Performerinnen/ Musikerinnen
Miriam Akkermann, Laura Mello und Eunice Martins mit Live-Elektronik und
zwei Klavieren in Austausch mit einem ausgewählten Kurzfilmprogramm aus
dem Arsenal-Archiv.
THE SOUNDING ARCHIVE
THE SOUNDING ARCHIVE ist eine Sonifikation der Archivdatenliste, die
als Klanginstallation im Juni 2013 zu hören sein wird. Die Eigenschaften,
Buchstaben und Zahlen jedes einzelnen Datensatzes der 8.000 Einträge werden
durch Programmierung spezifische Klangereignisse generieren, die sich in Dauer,
Dynamik, Frequenz, Dichte, Klanggestalt und Tempo unterscheiden und durch
Spatialisierung bestimmter Merkmale nicht nur in der Zeit, sondern auch im
Raum entwickeln.
Das Programmieren in Super Collider besorgt bei diesem Projekt maßgeblich der
Komponist Andre Bartetzki.
127

Angela Melitopoulos
Möglichkeitsraum (2/4/5)
Eine Archiv-Installation über das Erfinden und Hervordrängen
neuer Subjektkonstellationen des Arsenal-Archivkinos
Der MÖGLICHKEITSRAUM ist eine
performative Live-Montage für das Sichten
von Bild- und Filmarchiven. Das, was im
MÖGLICHKEITSRAUM diskutiert wird, ist die
mögliche Aussage eines Kulturproduzenten,
der die Materialität seines Archives kennt. Sie
bewegt sich weder lateral noch vertikal – sie ist
weder Serie noch Schichtung, sondern verläuft
diagonal zwischen den Konstruktionsplänen
und Segmentierungen des Archives, entlang den
daraus entspringenden Figuren, Pathologien und
Ordnungen im Raum. Der „diagonale Schnitt“
durch das Archiv wechselt und improvisiert
zwischen Maschinenkonstellationen und
Erzählung. Dieser diagonale Schnitt ist es, der in
der Installation über den MÖGLICHKEITSRAUM
dokumentiert wird.
Mit einem Videoessay und einer „Live-
Digitalisierung“ am 16-mm-Schneidetisch,
auf dem zur Zeit der Ausstellung einmal
in der Woche die Filme aus dem Archiv in
langsamer Ablaufgeschwindigkeit abgefilmt
werden, dokumentiert diese Installation die
Kinoperformances Möglichkeitsraum 2 und 4, die
zwischen 2009 und 2013 in unterschiedlichen
Konstellationen entwickelt wurden. (Datum
und Filmtitel der Aktion im Ausstellungsraum
werden auf der Website angekündigt).
Der MÖGLICHKEITSRAUM verschaltet
Kinoraum, Theaterbühne und das Archiv als
Montageraum. Das Kino wird zum Schnittund
Schaltraum mit Doppelprojektionen,
Bild- und Tonmischern und Piano. Es wird zum
Postproduktionsraum, der in den Kinoraum
zurückgeführt wird und damit das Zeitgefüge,
das vor der Präsentation liegt, in den Raum der
Präsentation zurückholt.
Die archaische Funktion des Theaters als Feld
der Verknüpfung unterschiedlicher Sprachmodi,
Gesten und Publika wird zum psychotechnischen
Plateau mit medial schaltbaren
Zu- und Ausgängen. Die Produzenten des
128

MÖGLICHKEITSRAUMES nehmen die Rolle des
„Neuen Archivars“ ein, der, so Gilles Deleuze
in dem gleichnamigen Artikel über Michel
Foucault, die „Regeln des Übergangs“ einer
Aussage aus einer Raum-Zeit-Konstellation in
die nächste betrachtet, um das Mögliche vom
Wirklichen unterscheiden zu können. Der „neue
Archivar“ arbeitet mit einem neuen ästhetischen
Paradigma. Er setzt seine Aussage einer
Dynamisierung aus (ein Film wird z.B. immer
wieder in unterschiedlichen Programmen
gezeigt) und folgt dem Ereignis, das sich mit der
Aussage verknüpft, in seiner Bewegung.
Die Bedeutungshierarchien zwischen Zeitbild,
Tonflüssen, Publikumsraum etc. sind nicht
festgeschrieben. Die Diskussion zwischen
verbalen und nichtverbalen Zeitebenen des
Ereignisses wird Teil des Gefüges. Die
Inter pretation des Bildes ist an ein gegenwärtiges
Publikum gebunden.
Das Format des MÖGLICHKEITSRAUMES
begann mit dem Konzept einer Raummontage.
Eine Plakatinstallation im noch unbebauten
und verwilderten Mauerstreifen des Berliner
Skulpturenparks wurde mit Blick auf die
umliegende Architektur montiert.
Der zweite Möglichkeitsraum wurde für das
Berlin Documentary Forum 2010 konzipiert.
Drei Archiv-Performances wurden aus der Sicht
des „neuen Archivars“ in Szene gesetzt. Für
das Arsenal – Institut für Film und Videokunst
kamen Stefanie Schulte Strathaus, Heide
Schlüpmann, Karola Gramann, Marc Siegel,
Nanna Heidenreich und Gesine Strempel, um
drei Kinoereignisse vorzustellen, die das Archiv
des Arsenals beschreiben. Da war zuerst das
„Frauenfilmseminar“ von 1973 (organisiert
von Helke Sander und Claudia von Alemann),
dann das Festival „…es kommt drauf, sie zu
verändern“ von 1997 und zuletzt das Jack-
Smith-Festival „LIVE FILM! JACK SMITH!
Five Flaming Days in a Rented World“ von
2009. Im Frauenfilmseminar 1973 wurde die
Filmpraxis zum Werkzeug: Die Analyse der
politischen Ausbeutungsverhältnisse zeigte
den immer enger werdenden Beziehungsraum
zwischen unterbezahlter Frauenarbeit, den
patriarchalen Ordnungen affektiver und
sexueller Beziehungen im Privaten sowie im
öffentlichen Raum, den unmittelbaren und
machtvollen Körperpolitiken der medizinischen
Institutionen und der daraus entstehenden
Heteronormativität und Ökonomie. Das
„Frau-Werden“ der Arbeit benennt seit den
80er Jahren diese Entwicklung der prekären
Arbeitsverhältnisse. Es manifestierte sich im
Frauenfilmseminar 1973 mit Filmen wie THE
WOMAN’S FILM (Newsreel Film, USA 1970),
ES KOMMT DRAUF AN, SIE ZU VERÄNDERN
(Claudia von Alemann, BRD 1973), JANIE’S
JANIE (Newsreel, Geri Ashur, USA 1971) ,
SUBJEKTITÜDE (Helke Sander, BRD 1970)
und LA LOTTA NON E FINITA (Collettivo
Femminista di Cinema, Italien 1973), die mit
Strategien der Verkettung das Gefüge zwischen
Klasse, Rasse, Geschlecht und Subjektivität
im europäischen und US-amerikanischen
Raum beschreiben. Die dokumentarischen
Grenzen dieser politischen Filme wurden mit
experimentellen Filmen beantwortet. In der
Projektion zeigten wir HANDTINTING (Joyce
Wieland, USA 1968), CHARMING FOR THE
REVOLUTION (Pauline Boudry, Renate Lorenz,
D 2009), TOSS IT, BABY (Beate Rathke, Justin
Time, USA 2007) und JACK SMITH, COLOGNE
1974 (Birgit Hein, BRD 1974). Mit GRANDMA
THREADING HER NEEDLE (George Albert Smith,
GB 1900) und einem Fragment des Films Die
Filmprimadonna (mit Asta Nielsen, D/DK 1913).
Das Gefüge der Machtverhältnisse von Bild
und Produktion wurde im Möglichkeitsraum 2
durch den Stummfilmstar Nielsen eingeführt.
Sie bestimmte durch ihr performatives Wirken
nicht nur die Produktionsverhältnisse vor der
Kamera sondern auch in der Postproduktion und
Distribution.
129

ANGELA MELITOPOULOS
Das Arsenal arbeitet mit der Lebendigkeit und
Vergänglichkeit des Filmbildes und betrachtet
jedes Screening als ein Ereignis, in dem die
Blicke, Gesten und Sprachen des Publikums
das Archiv und seinen Ort mitbestimmen und
erweitern. Der Zusammenhang zwischen dem
Singulären des Kinoereignisses (jeder Film, der
als Kopie im Archiv liegt, bekommt durch seine
Vorführung Spuren, jedes Festival erzeugt durch
seine Programmierung Genealogien) und der
Rückkopplung auf die Arbeit mit dem Archiv
erzeugt ein memorisch-kosmologisches Kraftfeld,
das über Personen, Netzwerke, Dokumente
hinaus Relationen zur Institution aufbaut
und damit eine Agentur zwischen Publikum,
Produzenten und dem Filmbild herstellt.
Der bildliche Vorstellungsraum der Geschichte
als periodische Wiederkehr oder Genealogie
filmischer Aussagen macht die Kino- und
Archivpraxis zu einem lebendigen metahistorischen
Subjekt. Das Archiv beinhaltet das
Neue in seiner virtuellen Form, die ohne die
narrativen Zwangsvorstellungen vergangener
politischer Zensursysteme gesehen werden kann.
Der Möglichkeitsraum des Arsenals wird zur
vielfältigen Räumlichkeit, zum strategischen
Raum einer sich immer wieder verändernden,
politischen Bildpraxis.
Der Möglichkeitsraum 4 – Access: Diamonds,
Enter, Fin untersuchte die Genealogien und
Transformationen des politischen Filmbildes
anhand des Forum-Programms von 1972.
Im Rahmen des Forum Expanded 2012 entstand
in Zusammenarbeit mit Constanze Ruhm eine
Kinoperformance, in der die Architektur des
Arsenals am Potsdamer Platz in den Kinosaal
eingeführt wurde (hinter der Leinwand von Kino
1 liegt das Produktionsstudio der dffb). Kinound
Archivräume liegen örtlich zusammen,
woraus der Schaltplan für diese Performance
auf der Kinobühne entstand. Zwischen
Schneidetischsichtung, Filmvorführung und den
projizierten „Montagen“ der Filmrollen aus dem
Programm des Forumjahres 1972 kommentierten
Erika und Ulrich Gregor, Stefanie Schulte
Strathaus, Anselm Franke und Senta Siewert
die Frage des Zugangs zu Filmen und ihre
programmatischen Entscheidungen. Sie saßen
inmitten der Filmrollen im Archivraum
neben Kino 1, der per Videokonferenz als
Splitscreen in das Kino 1 zugeschaltet wurde.
Auf dem Proszenium im Kino stand ein 16-mm-
Schneidetisch, der mit Video abgefilmt wurde.
Harun Farocki kommentierte die Sichtung
am Schneidetisch, auf dem Flügel und den
damit verbundenen, elektronischen
Instrumenten erweiterten Eunice Martins
130

MÖGLICHKEITSRAUM
mit Mehmet Can Özer den Klangraum zu Filmen
wie z.B. HANDTINTING und BREAK AND
ENTER (Newsreel Collective, USA 1971) .
Die Tür, „die sich schließt, wenn ein Kapitel
der Filmgeschichte geschlossen wird, wie zum
Beispiel am Ende der Nouvelle Vague“, so Anselm
Franke in seiner Rede aus dem Archivraum,
könnte auch bedeuten, dass neue Sichtweisen
eine neue zeitliche Verschränkung sichtbar
werden lassen, die unsere Subjektivität bearbeitet
und als kommende Bildpolitiken Zugang suchen.
„Access/Zugang“ beschreibt die politische
Geschichte einer institutionellen Praxis
eines Filmarchives. Die Ethik und Politik des
Filmarchivs sind an Lebendigkeit gebunden.
Ohne eine lebendige Ökologie des Geistes würde
das Filmarchiv an seinen eigenen Potentialen
implodieren.
Die Frage des Zugangs zum Filmarchiv mit den
Mitteln der Kunst bedeutet also die Einführung
eines ästhetischen Paradigmas in den Raum der
Politik.
Das Filmarchiv sollte also immer zugänglich sein
und eine alltägliche Praxis der Sichtung erlauben.
Das „Archivkino“ des Arsenals ist mit dem
Living-Archive-Projekt ein paradigmatischer
Ort der Reflektion über die Wunsch- und
Affektmaschinen, die unsere Politik bestimmt
haben und bestimmen werden. Es ist eine
experimentelle Praxis, in der die künstlerische
Produktion ihr politisches Feld erfährt. Das
Arsenal ist oder wird ein postmoderner,
„sakraler“ Ort, der es erlaubt, über den Ritus der
Filmprojektion hinaus die Kosmologien unserer
urbanen Gesellschaft zu orten, die sich ständig
de- und reterritorialisieren. „Politisch ist nicht
der Film, sondern das Kino“ oder eben das
„Archivkino“.
geht es um die Politik der Zeitwahrnehmung,
Fluchtwege und kinematische Strategien, durch
die Vergangenheits- und Zukunftsvektoren zum
archivarischen Materialität werden. Angela
Melitopoulos aktualisiert ihr Videoessay Passing
Drama als Life-Sound-Mix. Passing Drama
ist das verwobene Hörbild einer sich über
Generationen zusammensetzenden Flucht- und
Familiengeschichte. Zusammen mit Brigitta
Kuster und Vassilies Tsianos werden Filme über
die griechische Geschichte aus dem Arsenal
Archiv in diesen neuen Raum der Aussage
gestellt. Passing Drama wird als beginnende Form
des Möglichkeitsraumes thematisiert.
Im der zweiten Vorstellung performt die
Philosophin Elisabeth von Samsonow die
totemistische, preödipale Subjektposition der
Anti-Elektra. In sechs feministischen Filmen
tauchen für Anti-Elektra Fragen erst dann auf,
wenn sie bereits alle beantwortet gewesen sein
wollen. Ihre Position ist im Reich des invertierten
Blickes aufzuspüren, in den immersiven
Technologien, durch die Affekte überspringen
und immer neue trans-maschinelle und transplantische
Allianzen hervorbringen.
Die letzte Performance des Möglichkeitsraum 5
mit Bettina Knaup verkettet eine Filmauswahl
aus dem Arsenal Archiv mit der Ausstellung
re.act.feminism #2 – a performing archive, die ab
Ende Juni in der Akademie der Künste in Berlin
zu sehen sein wird.
Auch im Abschlussprogramm des Living
Archive Projektes wird das Kino Arsenal 1
wieder zum Schalt- und Montageraum für
‚neue Filmarchivare‘. In der ersten Performance
131

132

Avi Mograbi
A Night at the Archive
“Sometimes, in our daily life, we experience an unexpected float of a memory
item, such that we cannot attribute to a thematic ‘search’. I propose an evening of
unthematic hazardous retrieval in the Arsenal archive.
For the NIGHT AT THE ARCHIVE event I propose a programmation that will ignore
the logic inherent in the archive – I propose a programmation based on the arbitrary,
that will be generated via spontaneous chance operations. Neither the audience nor
the curators or the archivists will know in advance what films will be selected to be
screened. And for this reason the event will have to take place close to where the films
take their nap until showtime – the storage warehouse in Spandau.
We will gather there, audience, cinephiles, curators and archivists, around this
treasure chest, close our eyes and pick a jewel. Then we will open our eyes wide and
watch this jewel until our urge to dive into the chest again will send us to another
chance-pick from the treasure. Hopefully Groucho’s spirit will turn it to an even more
anarchic evening than we can fore-un-plan.” (Avi Mograbi, Summer 2011)
Living Archive participants were asked to come up with systems of determining
random numbers, which were then used to pick films from the vault.
Participants:
Harun Farocki, Nanna Heidenreich,
Stefanie Schulte Strathaus, Marc Siegel,
Angela Melitopoulos
Films chosen:
LA HORA DE LOS HORNOS
Fernando Ezequiel Solanas,
Argentina 1968
PERWY UTSCHITEL
(The first Teacher)
Andrej Michalkow-Kontschalowski
Kyrgyzstan 1965
GHETTO
Thomas Imbach
Switzerland 1997
POLICE
Charlie Chaplin
USA 1916
TWELVE ANGRY MEN
Sidney Lumet
USA 1957
ARSENAL
Alexander Dowshenko
UdSSR 1928
133

Sabine Nessel
Kinoarchäologie
Ausstellung: Verena Elisabet Eitel, Borjana Gakovic,
Lena Hoffmann, Sabine Nessel, Thomas Scherer
Rahmen
Die Öffnung eines Archivs bedeutet auch, über das Archiv hinauszugehen. Es
bedeutet, Bezüge herzustellen, die sich nicht nur aus dem spezifischen Bestand
des jeweiligen Archivs ergeben, sondern ebenso auf Kontexte verweisen.
Diese stets im Wandel begriffenen Verbindungen wirken implizit auf das
Archiv zurück, dessen Grenzen damit durchlässig werden. Diese Auffassung
eines lebendigen Archivs hat auch Konsequenzen für das Verständnis
filmarchäologischer Arbeit. Was passiert, wenn man einen Film aus seinem
Kokon des Zusätzlichen herauslöst und in den Mittelpunkt stellt? Wo kommt
man hin? Was gräbt man aus? Welche Details von Film- und Kinogeschichte
kommen dabei zum Vorschein? Welche Verbindungen (von der Philosophie
über die Film – und Kinogeschichte bis hin zur Warenwelt) ergeben sich?
Gegenstand dieser kinoarchäologischen Forschung war die 16-mm-Kopie des
Dokumentarfilms WERNER HERZOG EATS HIS SHOE (Les Blank, USA 1980)
aus dem Archivbestand des Arsenals. Der Film zeigt den Filmemacher Werner
Herzog beim Kochen und anschließenden Verspeisen seiner Wüstenstiefel im
Rahmen einer öffentlichen Performance in einem US-amerikanischen Kino. Im
Unterschied zu verschollen geglaubten oder anderweitig gefundenen Filmen,
bei denen das Öffnen rostiger Filmdosen, die Rettung von Filmkopien aus
feuchten Kellern oder das dem Vergessen-Entreißen eine Rolle spielen, und die
von daher eine archäologische Perspektive nahelegen, ist WERNER HERZOG
EATS HIS SHOE ein typischer „Bonusfilm“. Anstatt verschollen zu sein, hat der
Film eine Karriere als Zusatz gemacht. In Filmprogrammen, im Kino sowie auf
dem DVD-Markt fungiert er vornehmlich als Fußnote. Er ist gewissermaßen
verschollen im Zusätzlichen.
Zugleich gibt der Film Aufschluss über einen Zeitgeist und eine Bewegung
rund um das Pacific Film Archive der University of California. Er reflektiert
134

Tom und Jerry Episode His Mouse Friday,
William Hanna, Joseph Barbera, USA 1951, Screenshot
vielfältige Bezüge zur Filmgeschichte, ist im Kontext einer Medienkritik zu lesen
und ist nicht zuletzt beispielhaft für eine spezifische Dokumentarfilmtradition
und Handschrift, repräsentiert durch Les Blank. Dieses umfangreiche, stets
erweiterbare Geflecht von (Quer-)Verweisen offenzulegen, den Film ins
Zentrum zu rücken, anstatt sein Verschwinden im Zusätzlichen zu beklagen
oder im Sinne eines Meisterwerks neu zu bewerten, war eine der Prämissen
dieser filmarchäologischen Arbeit.
Recherche
Ausgehend von WERNER HERZOG EATS HIS SHOE als Verbindungspunkt
zum Archiv des Arsenals folgten wir dem Ansatz, in einer breit angelegten
Recherche unterschiedlichen Fluchtlinien nachzuspüren, methodisch
Lücken und Unklarheiten bewusst zuzulassen, mögliches Scheitern zu
thematisieren und unterschiedliche Quellen – seien sie flüchtig oder subjektiv
– heranzuziehen. In Anlehnung an Michel Foucaults Begriff der Archäologie
wurden Widersprüche weder als „zu überwindende Erscheinungen, noch
geheime Prinzipien, die man herauslösen müsste“ 1 begriffen und das Zufällige
und Willkürliche als mögliches Leitmotiv nutzbar gemacht. Die sich daraus
ergebenden Funde sollten nicht als Grundlage für textuelle Analysen dienen,
sondern als offene Materialsammlung am Ende der Recherche stehen. Diese
zielte keineswegs nur darauf ab, per se unzugängliche Dokumente aufzudecken.
Vielmehr wurden Diskurse, Orte und Personen in den Blick genommen,
die den Film flankieren, Hintergrundinformationen liefern und vielfältige
Bezüge herstellen. Diese Bezüge zeigten sich während der Recherche anhand
von verschiedenen Quellen: Momentaufnahmen aus Film- und Kinogeschichte
standen neben philosophischen Texten und forensischen Gutachten,
Zeitzeugenaussagen neben Werbeanzeigen und YouTube-Videos.
135

SABINE NESSEL
WERNER HERZOG EATS HIS SHOE, Les Blank, USA 1980, Filmstill
Manche der Verknüpfungen führten wieder zurück ins Archiv des Arsenals –
beispielsweise über die Filme Les Blanks – oder zum mittlerweile geschlossenen
UC Theater in Berkeley und den Erinnerungen seiner Stammbesucher. Andere
brachten Themenkomplexe hervor, die zunächst eher fremd und fern wirkten,
wie der tragische Siedler-Treck der Donner Party im späten 19. Jahrhundert oder
die Brotteiggebilde von Daniel Spoerri.
Präsentation
Der Ausstellungsbeitrag zeigt keine Thesen oder Ergebnisse. Im Mittelpunkt
stehen die recherchierten Materialien selbst. Etwa werden in einer Recherche
die am Film beteiligten Personen Tom Luddy und Alice Waters sowie die
triadische Verbindung der Filmemacher Les Blank, Werner Herzog und
Errol Morris ins Zentrum gerückt. Andere Ansätze provozieren mögliche
Synergiefelder, indem sie der performativen Handlung des Schuh-Essens
Impulse aus der Performance- oder Kunstgeschichte gegenüberstellen, wobei
sich Analogien zur sogenannten Eat Art ergeben. Daneben werden unter
dem Stichwort „Performance“ die Mechanismen der medienwirksamen
Selbstdarstellung Werner Herzogs ins Visier genommen. Verweist das Kochen
und Essen des Schuhs hier auf Paradigmen der Performancegeschichte, lassen
sich daneben Verbindungen in der Filmgeschichte aufspüren, wobei sich
Anspielungen auf kannibalische Akte finden lassen: Charlie Chaplin und
Werner Herzog treffen so unter anderem auf Tom & Jerry sowie Trey Parker.
1 Foucault, Michel (1981 [1969]): Archäologie des Wissens. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 216.
136

KINOARCHÄOLOGIE
Auszug aus Dossier „Eine Archäologie von WERNER HERZOG EATS HIS SHOE“
Die Materialrecherche sowie die Erarbeitung der Dossiers, die in der Ausstellung
auszugsweise präsentiert werden, war eine gemeinsame Produktion im Rahmen
eines Seminars an der Freien Universität Berlin.
Mitgewirkt bei der Recherche haben: Christian Blumberg, Felix von Boehm,
Tamara Eble, Verena Elisabet Eitel, Sabrina Firley, Borjana Gakovic, Silke Hilbers,
Lena Hoffmann, Alina Impe, Sarah Kleffner, Sebastian Matthias Kolinski,
Sonja Krvavac, Heide Langhammer, Annika Lenz, Ilja Lochmann,
Maciej Peplinski, Martin Petrick, Maïlys Porracchia, Stefan Sabrautzky,
Thomas Scherer. Die einzelnen Dossiers sind im Besitz dieser Autorinnen. Ihnen
möchten wir für die Bereitstellung des Materials für die Ausstellung danken.
137

SABINE NESSEL
Mindmap_3.tiff
138

KINOARCHÄOLOGIE
Auszüge aus dem Dossier „Eine Archäologie von WERNER HERZOG EATS HIS SHOE“
139

Notizen zum achten 360°-Shot in der Mall mit Vermerken u.a. zur
räumlichen Anordnung (grüne, orange, rote Zeichnung), schwierigen
Lichtsituation (blaue Schrift) und zur choreographischen Abstimmung
örtlicher Begebenheiten mit der Kamera
140

Winfried Pauleit
Riddles of the Sphinx
Die Filmarbeit von Laura Mulvey und Peter Wollen
zwischen Counter-Strategie und Dekonstruktion
Laura Mulvey und Peter Wollen sind nicht in erster Linie Filmemacher. Sie sind
Theoretiker, Kritiker und Denker des Kinos. Die Texte von Mulvey und Wollen
aus den 1970er Jahren zielen auf utopische und revolutionäre Perspektiven.
Mulvey betont die Geste eines Befreiungskampfs des Kinos. Wollen setzt auf die
Kraft der Fantasie und gewinnt das Kino als Modell für eine neue Avantgarde.
Beide schreiben mit an einem Manifest für ein anderes Kino, das seine Militanz
aus einer radikalen Arbeit an den Symbolisierungsprozessen (des Kinos) gewinnt.
Die gemeinsame Arbeit an RIDDLES OF THE SPHINX und einer Reihe von
weiteren Filmprojekten lässt sich als Versuch begreifen, die geschriebenen
Postulate für ein anderes Kino in der eigenen Filmarbeit einzulösen. Die
Arbeit von Laura Mulvey und Peter Wollen war zugleich Teil einer sozialen
Bewegung in England, die im Zeitkolorit der 1970er Jahre und unter dem
Einfluss post-strukturalistischer Theorien aus Frankreich (Barthes, Derrida,
Lacan) insgesamt eine neue gesellschaftliche Praxis anvisierte. Während sich
jedoch in Frankreich der Begriff der Dekonstruktion durchsetzt für Strategien,
die die klassische Unterscheidung zwischen Text und Kommentar unterlaufen,
halten Mulvey und Wollen am Begriff der „counter strategy“ fest. Dieser Begriff
steht sowohl den Konzepten der künstlerischen Avantgarde näher als auch
einem Politikverständnis, das die Unterscheidung von Theorie und Praxis nicht
nur im Schreiben aufzuheben sucht, sondern konkret in der Alltagskultur
gesellschaftliche Veränderungen anstrebt. Was sich aus heutiger Perspektive in
RIDDLES OF THE SPHINX findet, ist weniger der Versuch einer Zerstörung der
Codes des klassischen Hollywood-Kinos, wie er von den Autoren intendiert war,
als eine Fortsetzung der Kritik an diesem Kino mit filmischen Mitteln.
141

WINFRIED PAULEIT
Die Sphinx ist in unserem Verständnis ein rätselhaftes, undurchschaubares
Wesen. In der ägyptischen Bedeutung bezeichnet sie auch eine lebende Statue.
Diese alte Bedeutung nimmt etwas vom lebenden Bild des Kinos vorweg, das
seinen Flux-Charakter des Werdens den statischen Bildern, der Apparatur des
Kinematographen und der Teilhabe der Zuschauer verdankt. Insofern ließe sich
der Filmtitel RIDDLES OF THE SPHINX auch in einem erweiterten Sinne als
Rätsel des Kinos übersetzen. Das Kino ist heute aber nicht mehr das Medium, mit
dem Mulvey und Wollen ihre Hoffnungen in den 1970er Jahren noch verbinden
konnten, und der Film RIDDLES OF THE SPHINX ist kein häufiger Gast der
Leinwand, sondern er lagert schwer zugänglich in den Archiven. Neben den
vielen Vorteilen, die Wollen fürs Kino aufzählte, hat es in seiner Bindung ans
Zelluloid auch einen entscheidenden Nachteil, man kann seine Werke nicht
einfach aufschlagen, wie ein Buch.
Im Rahmen von Living Archive wurde RIDDLES OF THE SPHINX in
Zusammenarbeit mit dem British Film Institute digitalisiert und auf DVD
veröffentlicht. Es ist die Aufgabe dieser DVD, die Filmarbeit von Laura Mulvey
und Peter Wollen neben ihren theoretischen Schriften für ein Studium
zugänglich zu machen. Die Möglichkeiten der DVD machen RIDDLES OF
THE SPHINX als Text lesbar, als Lehrstück, um einen Brecht’schen Begriff zu
verwenden oder auch als ein Stück kinematographischer Ecriture, um es in den
Worten zu sagen, die der Dekonstruktion näherstehen. Eine solche Edition allein
kann die Effekte der Leinwandpräsenz natürlich nicht gewährleisten. Hierzu
bedarf es nach wie vor der Kinos – und der kulturellen Gelegenheiten, die einen
solchen Film noch einmal zum Ereignis werden lassen.
142

RIDDLES OF THE SPHINX
Abmessungen und die Dekor-Ordnung vermitteln eine filmräumliche
Vorstellung der Küche für den ersten 360°-Shot, die den bordürenartigen
Ausschnitt des Kamerabildes um räumliche Tiefe erweitert.
143

144

145

Die Bilderfächer wurden aus den 360°-Einstellungen aus „Louise’s story“ erstellt. Der
Verräumlichung liegt eine andere Narration der Story zugrunde, die durch die Länge der
Einstellung in den Hintergrund tritt. Gleichzeitig werden die Räume somit rekonstruiert.
146

147

Joel Pizzini
Virtwall
Proposal for an installation
“The Berlin Wall is long and short”
Jean-Luc Godard
VIRTWALL is a video installation project for the cinema Arsenal, evoking the
sense of the Berlin Wall.
The Wall, a potent geo-political sign, is revisited trough its representation in
the history of the cinema, making use of classic and independent films, as
well as records on Super 8 and 16mm produced by amateurs. The installation
engages with its subject in three phases : “phantasmagoria”, “construction” and
“deconstruction”.
The images of these phases are articulated through a deconstruction of some
notions which have crystallized about the Berlin Wall, such as the dichotomies
communism/capitalism, modernity/post-modernity, totalitarianism/democracy
and even their presence/fall. They address a semiotic dimension of the Wall, that
speaks of its existence today, beyond its physicality and territorial dimension,
explaining the historical wound that accompanies a universe of “mental walls.”
Two additional screens are to be installed on the right and left of the main
cinema screen, creating different overlapping and interacting temporalities and
layers of meaning. Using archival footage, the work intends to oppose the rigidity
of the concrete structure at its core by conveying an idea of the absence of
gravity and evoke absences and gaps in the Wall’s history, as well as open spaces
for issues still to be formulated and the possibility of creating new sounds and
images.
An integral part of the video installation is a VJ, who manipulates and mixes
images in real time in which images are projected and also recombined randomly.
148

The work gives emphasis to an epochal imaginary involving the authors of
cinema whose countries occupied Berlin after World War II, dividing it into four
sectors. It will incorporated films that address the Berlin Wall produced in the
United States, Britain, France and Russia (USSR), and authors such as Hitchcook
and A. Dovshenko, as well as German classics such as Nosferatu, FAUST and
M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER, as an allusion to the “ghosts” that
foreshadowed the War.
The soundtrack of the video installation will have a dreamlike tone, almost
whispery, as opposed to the heavy sounds of history. The music will also quote
movies of the period.
The title VIRTWALL, juxtaposes the words “virtual” and “wall”. It talks, on the
one hand, of these crystallized “unreal” images, and secondly, of the inscription,
through art, of a new meaning that goes beyond those walls.
149

Constanze Ruhm
Replay: ANNA
Invisible Producers / Appétit d’oiseau
Ein filmischer Essay über Archive, Filmfiguren, Kinos,
Projektoren, Projektionen, Clouds und über einen Vogel
Replay: ANNA ist eine Installation, die das Konzept zur geplanten Produktion INVISIBLE PRODUCERS
als räumliche Erzählung im Ausstellungsraum konfiguriert. INVISIBLE PRODUCERS ist ein Essayfilm,
der im Rahmen des Living Archive-Projekts entwickelt wird. In seinem Zentrum steht der Film ANNA
(Italien 1972–75) von Alberto Grifi und Massimo Sarchielli.
Die zentrale Fotografie, um die herum die Installation angeordnet ist, zeigt eine Aufnahme der
Piazza Navona in Rom (einer der Hauptschauplätze von ANNA) als Wiederholung einer filmischen
Einstellung. Die Auslassung im Bild entspricht dem Ort, an dem die Protagonistin Anna zu sehen
ist; diese Auslassung ist symptomatisch für den Ansatz von INVISIBLE PRODUCERS, der von Anna
handelt, ohne sie zu zeigen. Gleichzeitig werden die ausgelassenen Bildelemente zum Hintergrund
eines Displays, das verschiedene Materialien zu INVISIBLE PRODUCERS versammelt.
Wenn man in der Wüste ist, hat man Sehnsucht
nach Kuchen, nach dem Kino,
nach Menschen...
(Massimo in ANNA)
Der italienische Film ANNA von Alberto Grifi
und Massimo Sarchielli, der zwischen 1972
und 1975 in Rom entstanden ist, erlebte seine
Uraufführung am 6. Juli 1975 im Rahmen
der Berlinale-Sektion Internationales Forum
des Jungen Films. Im Zuge meiner Recherche
im Archiv des Arsenals stieß ich auf diesen
Film, der zuvor lange Jahre in Vergessenheit
geraten war. Ursprünglich ein zentrales Werk
der (Post)-68-Bewegung in Italien 1 , wurde
dieser erstmals wieder auf dem Filmfestival
von Locarno im Jahr 2002 vorgeführt. Nach
seiner Restaurierung durch die CSC Cineteca
Nazionale und die Cineteca di Bologna erlebte
ANNA eine Renaissance: der Film lief in der
Sektion Orizzonti 1961–1978, der Retrospektive
der 68. Filmfestspiele von Venedig, die sich dem
italienischen Experimentalkino der Sechziger
und siebziger Jahre widmete; im Anschluss
wurde er auf dem Filmfestival Rotterdam
2012 und in der Londoner TATE Gallery
gezeigt, und im Jahr 2012 im Rahmen einer
Werkschau der VIENNALE zu Alberto Grifi.
INVISIBLE PRODUCERS will nicht zuletzt einen
differenzierten Beitrag zur Rezeptionsgeschichte
dieses Films leisten, indem Fragen nach der
Repräsentation und nach jenen (Macht-)
Verhältnissen zwischen Kamerablick und
Akteurin kritisch beleuchtet werden, die dem
151

CONSTANZE RUHM
ANNA (Alberto Grifi und Massimo Sarchielli, Italien 1972-75)
Film zutiefst eingeschrieben sind. Im Forumsblatt
ist zu dem Film einleitend Folgendes nachzulesen:
„ANNA ist ein Video-Band, das 1972–73 mit einer
AKAI-Apparatur im Viertelzollformat aufgenommen
wurde und das Alberto Grifi 1975 mit einem Apparat
seiner Erfindung, dem Vidigrafo, auf 16-mm-Film
übertrug. ANNA existiert in drei Versionen: einer
langen (11 Stunden) auf 1/4-Zoll-Videoband und einer
kürzeren (4 1/2 Stunden) auf 1/2-Zoll-Videoband.
Die dritte Version ist die 16-mm-Filmversion (3 1/2
Stunden). Der Film entstand in Zusammenarbeit
von Alberto Grifi mit Massimo Sarchielli, einem
Schauspieler, der eine wichtige Rolle als Vermittler
zwischen der Kamera und der ,Heldin‘ spielt. Er
zeigt die reale Situation Annas, eines 16 Jahre alten
drogenabhängigen Mädchens, das schwanger ist,
Massimo Sarchielli auf der Piazza Navona kennenlernt
und von ihm zu Hause aufgenommen wird. Zur
gleichen Zeit filmten die Regisseure das, was sich in Rom
im Milieu der Randgruppen ereignete.“
Adriano Aprà, L’Art Vivant, Paris, Februar 1975
Projektionen
Der Film ANNA bildet das Gravitationszentrum
von INVISIBLE PRODUCERS, der so zuallererst
ein Film über einen anderen Film ist. Gleichzeitig
wirft INVISIBLE PRODUCERS die Frage nach dem
Begriff der „Projektion“ als zentrales Thema auf:
die Projektion einerseits als konstitutiver Anteil
des kinematografischen Dispositivs (Projektor,
Projektionsfläche, der Übergang von analoger
zu digitaler Projektion...); andererseits – vor
dem Hintergrund der zeitgleichen Entstehung
der Institutionen der Psychoanalyse und des
Kinos – im psychoanalytischen Sinn: die
Projektion auf etwas, auf jemanden, die immer im
Zusammenhang mit Formen des Begehrens steht
und so auch das Verhältnis des Publikums zum
Geschehen auf dem Screen strukturiert.
Zwischen diesen beiden Bedeutungen des
Begriffs der Projektion wird entlang eines
essayistischen Narrativs ein medienhistorischer
Bogen geschlagen, der – ausgehend von ANNA
– durch Filmgeschichte(n) und -theorien, aber
auch durch die Geschichten von Filmfiguren und
kinematografischen Aufführungsorten führt.
Erzählt wird von drei sehr unterschiedlichen
Kinostätten (Le Panthéon in der Rue Victor Cousin
in Paris; ein im Jahr 1911 gegründetes Kino im
Dorf Niigata in Japan, das heute noch von der
lokalen Dorfgemeinschaft betrieben wird; und
das Kino Arsenal in Berlin); von drei Geschichten
zu Projektionen (von einer Kinovorführerin,
die sich aus Liebe weigert, zu projizieren; von
152

REPLAY: ANNA
Anna Karina als Nana, die ins Kino geht und dort
Dreyers Film Jeanne d’Arc sieht; und von der Rolle
des Projektors in den Frühzeiten des japanischen
Kinos); und von drei Figuren, die alle Anna heißen
– Anna Karina, die (ansonsten namenlose) Anna
aus Alberto Grifis Film, und eine dritte Anna, die
nicht so heißen will.
Begleitet und kommentiert wird dieser
filmische Essay einerseits von Ausschnitten
aus weiteren Filmen, die aus dem Archiv des
Arsenals stammen, und durch welche der
Begriff der Projektion im Zusammenhang
mit unterschiedlichen Formen filmischer
Aufzeichnung und Repräsentation erweitert wird;
auch wird eine Reihe von Textbeiträgen den Film
strukturieren. Der Frage des Verhältnisses von
Projektor und Projektion, von fotografischem
Einzelbild und Bewegung auf der Leinwand,
von Standbild und Sequenz und von der damit
verbundenen Rolle des Publikums geht der Text
Le Défilement 2 von Thierry Kuntzel nach, der eine
weitere Bezugsgröße von INVISIBLE PRODUCERS
darstellt. Der Untertitel Appetit d’oiseau bezieht
sich auf diesen Text, der die Beziehung zwischen
dem Filmstreifen im Projektor, der Projektion auf
der Leinwand und dem dazwischen entstehenden
Raum anhand der Analyse eines Zeichentrickfilms
von Peter Foldes mit dem Titel Appétit d’oiseau
näher zu bestimmen versucht. Und nicht zuletzt
verhandelt INVISIBLE PRODUCERS die Beziehung
von Regie und Schauspiel als spezifischen Fall von
Projektion zwischen Liebe und Arbeit, zwischen
Ausbeutung und Selbstermächtigung.
All diese Koordinaten werden schließlich entlang
der Funktionselemente und -weisen eines
analogen Filmprojektors als Modell so zueinander
in Beziehung gesetzt (im metaphorischen Sinn
auf den Projektor „projiziert“), dass der Apparat
gewissermaßen zum Grundriss der einzelnen
Kapitel des Films wird. Jedes Kapitel entspricht
so in metonymischer Weise einem Teil des
Projektionsgeräts. Der Film reflektiert in seiner
Bauweise symbolisch die Struktur eines Projektors
selbst; und wird in einem Spiegelverfahren ebenso
in seinen Teilen „auf“ den Projektor rück-projiziert.
Gleichzeitig wird auch die Frage danach
aufgeworfen, in welcher Weise die Funktionen
des analogen Projektionsapparates sich auf
zeitgenössische digitale Praxisformen übertragen
lassen: wie also eine „alte“ Maschine als Gespenst
innerhalb neuer Medien wieder erscheint. Was
wird im digitalen Zeitalter aus den einzelnen
Teilen des analogen Projektors? Was wird aus
seinen Spulen, Führungen, Lampen und Linsen,
den mechanischen Bauteilen? Und wie, wenn
153

CONSTANZE RUHM
Cinéma Le Pantheon, Paris
Kino Arsenal, Welserstraße
154

REPLAY: ANNA
überhaupt, unterscheidet sich analoges von
digitalem Licht?
Der Rückbezug auf Fragen archivarischer
Praxis in künstlerischen Produktionen entsteht
durch die Auswahl der Filme, die einem Archiv
angehören, das selbst wieder, in Analogie zu den
angesprochenen psychoanalytischen Diskursen
und psychischen Konstellationen der Figuren,
als „Psyche“ einer Institution aufgefasst werden
könnte, die hier symbolisch für „Kino“ schlechthin
gesetzt wird. INVISIBLE PRODUCERS versteht
sich als Annäherung an ein flüchtiges Bild, das
- um Kuntzel zu paraphrasieren -, „immer im
Begriff steht, sich selbst auszulöschen“:
Between the space of the film-strip and the time of
the projection, the film rubs out: movement erases
its signifying process, and eventually, conceals
some of the images which pass by too rapidly to
be ‚seen‘, without, nevertheless, failing to produce
a subliminal effect.
(Thierry Kuntzel, Le défilement)
Projektion, Liebe, Wiederholung
Der Titel INVISIBLE PRODUCERS geht auf
einen Vortrag zurück, den die britische
Filmtheoretikerin Laura Mulvey im Mai 2012
im Rahmen einer Pariser Konferenz 3 zum
Werk von Morgan Fisher gehalten hat. In
diesem Vortrag untersuchte Mulvey, ausgehend
von der Arbeit Projection Instructions (1976),
die Rolle des Projektors in Fishers Filmen.
Projection Instructions ist ein Werk, welches die
– sonst vernachlässigte, verborgene – Rolle der
Projektionistin innerhalb des kinematografischen
Dispositivs in den Mittelpunkt rückt. Der
Film selbst stellt eine Handlungsanweisung
für seine eigene Aufführung dar, welcher die
Projektionistin zu folgen hat. Insofern ist jede
Projektion des Films ein einmaliges Ereignis unter
Live-Bedingungen, das einer Performance gleicht.
In diesem Zusammenhang sprach Mulvey von
Filmprojektoren als „invisible producers“, also
„unsichtbaren Produzenten“, die dem Blick der
KinogängerInnen entzogen bleiben, während sie
gleichzeitig das diesem Blick gewidmete Lichtbild
produzieren. Da das Kinopublikum, nach Mulvey,
bloß das sehen möchte, was es begehrt, muss der
mechanische, laute und voluminöse Projektor
verdrängt werden und bleibt so unsichtbar in der
Projektionskabine eingeschlossen. Das Begehren
spielt also nicht nur bei der Produktion von
Projektion, sondern auch bei der Produktion von
Verdrängung eine wesentliche Rolle:
„The cinema’s most repressed mechanism is also
the site of the manipulation of human perception
that makes its marvelous effects come into being.
It is there [in the projection process, C.R.] that the
film receives a further layer of inscription in the
form of scratches and dirt, bearing witness to the
repetitive and ultimately damaging process of
projection so that the ‘magic’ and the ‘illusion’ are
overlaid by the film’s own aging. (...) In a normal
cinema screening, the projection scratches give a
historical dimension to the process of watching
a film: the indexical, celluloid recorded images
are degraded by other equally indexical marks,
but ones without representational significance
except as traces of film strip’s physical movement
through the projector.“ 4
Zugleich stellt die Projektion den Ort endloser
Repetition dar: nicht zuletzt durch die
Wiederholung von Einzelbildern 24 Mal pro
Sekunde. Zur Beschreibung des Modells der
kinematografischen Projektion zog Mulvey das
berühmte Diktum von E.T.A. Hoffmann heran,
der in seiner Novelle Der Sandmann von „einer
verführerischen Erscheinung, die von einem
mechanischen Inneren belebt wird“ gesprochen
hat. Diese spezielle Art der Mechanik, so die
Autorin, könne symbolisch für „alle Maschinen“
stehen – so auch für die filmische Erzählung, und
ebenso, zumindest ist das hier die Behauptung, für
die Psyche und das Unbewusste, das, mit Deleuze
155

CONSTANZE RUHM
gedacht, ebenfalls als Maschine, als Fabrik, als
Ort der Produktion des Verdrängten verstanden
werden kann. Gleichzeitig wird dieser Raum der
Projektion, in welchem sich das kinematografisch
Verdrängte konstitutiert, zum Ausgangspunkt der
mysteriösen Magie des Kinos:
When questioned about his 1976 film Projection
Instructions by Scott MacDonald, Fisher replied:
„But the projector has remained enshrined as an
objective, almost scientific, instrument. Normal
projection is a hidden assumption even in the few
examples of avant-garde work that have taken
projection as a subject, where, for example, the
projector serves as a device that extrudes light
or inflects the space through which the beam
passes before it strikes the screen. Even then,
the projector’s autonomy as a mechanism that
functions of itself remains inviolable. There’s
obviously nothing wrong with conventional
projection, but I still find it strange that work of
every kind, including advanced work, relies on
correct projection. I wanted to see what could
be done by bringing that standard into question:
there is no correct way to show Projection
Instructions. It is, so to speak, an objective film
that gives the projectionist a chance to be an
interpretive artist. 5
Thomas Elsässer schreibt in seinem Buch
Einführung in die Filmtheorie (mit Malte
Hagener, 2010) 6 zum Verhältnis von
kinematografischer und psychoanalytischer
Projektion:
Das Kino als Spiegel des Unbewussten war das
zentrale Paradigma der Filmtheorie von Mitte
der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre. Dies lässt
sich wiederum in zwei Ansätze einteilen, die sich
allerdings überlagern und nicht immer klar zu
trennen sind: zum einen die Anwendung von
Sigmund Freuds Theorien des Unbewussten (des
imaginären Signifikanten) bei Jean-Louis Baudry
und Christian Metz, zum anderen die Aneignung
von Jacques Lacans Idee des Spiegelstadiums
(jener Phase in der frühen Kindheit, die für die
Formung der Subjektivität entscheidend ist)
vor allem durch die feministische Filmtheorie.
Zugrunde liegt all diesen psychoanalytisch
geprägten Ansätzen der Gedanke, dass der Körper
im Kino in eine früheren Zustand regrediert: In
der dunklen Umgebung des Kinosaals geht der
Realitätsbezug verloren, und die Projektion, die
bei Freud noch in der Vorstellung stattfindet, wird
im buchstäblichen Sinn veräußerlicht.
In diesem Absatz wird die Verbindungslinie
zwischen der kinematografischen Projektion und
dem psychoanalytischen Begriff der Projektion
klar gezogen: „In der dunklen Umgebung des
Kinosaals geht der Realitätsbezug verloren,
und die Projektion, die bei Freud noch in der
Vorstellung stattfindet, wird im buchstäblichen
Sinn veräußerlicht.“ Diese Bewegung von innen
nach außen ist es, entlang welcher INVISIBLE
PRODUCERS seine visuellen und diskursiven
Konstellationen entfaltet.
Wolken, Schafe, Musen:
Der Traum Eines Wachen Menschen...
Das heißt (und darauf kommt man immer wieder
zurück), der Traum eines wachen Menschen, eines
Menschen, der weiß, dass er träumt, und der deshalb
weiß, dass er nicht träumt; der weiß, dass er im Kino
ist, der weiß, dass er nicht schläft: Wenn nämlich ein
Mensch, der schläft, ein Mensch ist, der nicht weiß, dass
er schläft, dann ist ein Mensch, der weiß, dass er nicht
schläft, ein Mensch, der nicht schläft.
Christian Metz, Traum und Film
In welchem Verhältnis steht das transparente
Zelluloid des 35-mm-Streifens beispielsweise
zur Cloud zeitgenössischer digitaler Netzwerke?
Wenn früher, um die Analogie weiter zu treiben,
die Wolken den Göttern vorbehalten waren, so
156

REPLAY: ANNA
Im Archiv des Arsenal
gehören sie heute den Menschen, die in sozialen
Netzwerken leben und deren Wolken aus
Datenkonstellationen bestehen. Die Filmspule
selbst wird zur Cloud: visuelle Information, die
sich einst in aufeinanderfolgenden Einzelbildern
organisieren ließ, wird heute Teil einer formlosen,
veränderlichen Wolke am Himmel der social
networks. Der Loop des Projektors selbst ist als
Mechanik zwar im Verschwinden begriffen, aber
möglicherweise ins filmische Erzählverfahren
eingegangen, um in manchen Filmen
(beispielsweise von David Lynch) wieder zu
erscheinen: in Filmen, die häufig auf loopenden,
kreisförmigen Narrationen beruhen, ohne
Anfang und Ende bleiben, sondern – wie manche
Computerspiele – vielmehr die Ebenen wechseln
und in offenen, kreisenden Schleifen von den
Schichten und den unaufgelösten Verhältnissen
des Unbewussten erzählen.
Hier kommt Hollis Frampton ins Spiel. Wolken
und Schafe: Es war Frampton, der einstmals
feststellte, dass das Kino nun endlich seine eigene
Muse hervorgebracht (oder vielmehr: „attracted“,
also „angezogen“) hätte. Ihr Name sei: Insomnia,
Schlaflosigkeit. Framptons allererster Film aus
dem Jahr 1962 hieß: Clouds like White Sheep und
ist verloren gegangen. Wolkenformationen, die
den Umriss von Schafen evozieren, erinnern
an die unter Schlaflosen verbreitete Technik
des Schafe-Zählens, um den ersehnten Schlaf
herbeizuführen. Insomnia, die neue Muse des
Kinos, jedoch hält die Schlaflosen wach. Deswegen
bleibt es dem Filmemacher vorbehalten, die
ephemeren Schafe in einem Akt der Magie oder
der Beschwörung auf Zelluloid zu bannen: so, als
würden sie Insomnia geopfert, damit der Zuseher
endlich in Schlaf versinken kann. Framptons
verschollener Film erscheint als Anrufung einer
Muse, und Schlafende brauchen weder Schafe
noch Projektoren: denn sie träumen.
In Übereinstimmung mit dem Titel des Films,
INVISIBLE PRODUCERS, bleibt der Projektor
als Gegenstand unsichtbar, selbst wenn er den
Bauplan des Films vorgibt – so wie auch Grifis
Anna, die der Regisseur in seinem Film so
erbarmungslos mit seiner Kamera verfolgt, hier
nicht gezeigt werden soll, damit ein anderes Bild
von ihr entstehen kann.
Wir gingen häufig ins Kino. Das Licht ging an, und
ein Schauer überfiel uns. Aber für gewöhnlich waren
Madeleine und ich enttäuscht. Die Bilder flackerten.
Marilyn Monroe sah furchtbar alt aus. Wir waren
traurig. Das war nicht der Film, von dem wir geträumt
hatten, dieser komplette Film, den jeder von uns in
sich trug, der Film, den wir selbst machen, oder im
Geheimen, selbst leben wollten.
Georges Perec, Les Choses (1965)
1 Der Film wurde im Jahr 1975 auf der Berlinale und bei der
Biennale von Venedig präsentiert; in Cannes lief er 1976 und
galt als Underground-Klassiker.
2 Vgl. Thierry Kuntzel, „Le Défilement“, in: Dominique Noguez,
Cinéma: Théories, Lectures, Paris: Klincksieck 1973, S. 97-110.
3 Autour de Morgan Fisher : Un cinéma hors-champ?, organisiert
von Christa Blümlinger und Jean-Philippe Antoine an der
Université Paris 8 gehalten wurde.
4 Aus einem unveröffentlichten Vortrag, der von Mulvey
am 11. März 2012 im Rahmen der Konferenz Autour de
Morgan Fisher : Un cinéma hors-champ?, organisiert von Christa
Blümlinger und Jean-Philippe Antoine an der Université Paris 8
gehalten wurde.
5 Laura Mulvey, ebd.
6 Thomas Elsaesser/Malte Hagener, Filmtheorie zur
Einführung. Hamburg, Junius Verlag, 2008
157

CONSTANZE RUHM
SO IS THIS (Michael Snow, Kanada 1982)
158

REPLAY: ANNA
159

REPLAY: ANNA

Filme von Philip Scheffner:
The Halfmoon Files & Der Tag des Spatzen
Nanna Heidenreich
Philip Scheffner realisiert in seinen Filmen eine
ganz eigene Art des politischen Denkens, durch
das Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten neu
verteilt werden. Er lässt vielschichtige Seh- und
Hörräume entstehen, verwebt Geschichten und
betreibt intensive Spurensuchen mit stets offenen
Anschlusspunkten.
Scheffner, geb. 1966 in Homburg an der Saar,
lebt seit 1986 in Berlin. Er war Mitglied des
interdisziplinären Projekts Botschaft e.V.,
von 1991–1999 war er Teil der Berliner
Autorengruppe und Produktionsfirma dogfilm.
2001 gründete er zusammen mit Merle Kröger
die Produktionsfirma pong, eine Plattform „für
Film, Text, Klang und all die Dinge dazwischen“
www.pong-berlin.de.
Auf der im Rahmen des Living Archive-Projekts
realisierten Doppel-DVD werden seine ersten
Langfilme veröffentlicht (u.a. mit englischen
Untertiteln). Beide mehrfach ausgezeichneten
Filme feierten jeweils beim Forum der Berlinale
Premiere und sind im Verleihprogramm des
Arsenal – Institut für Film und Videokunst.
THE HALFMOON FILES (2007, 87 min) folgt den
Spuren des Halbmondlagers in Wünsdorf bei
Berlin und deckt wie ein Memory-Spiel Bilder und
Töne auf. Seinen Ausgang nimmt der Film bei der
Tonaufnahme eines indischen Kolonialsoldaten,
der während des Ersten Weltkriegs in diesem
Kriegsgefangenenlager inhaftiert war. Das
Rauschen und Knistern dieser Schellackplatte,
die im Lautarchiv des Helmholtz-Zentrums
der Humboldt-Universität eingelagert ist, wird
zum Soundtrack einer Reihe von Gespenstern
der Vergangenheit, deren Präsenz in unserer
Gegenwart durch den Film sicht- und hörbar
wird.
Zum Themenkomplex des Films hat Philip
Scheffner gemeinsam mit der Autorin und
Wissenschaftlerin Britta Lange auch eine
4-Kanal-Sound- und -Video-Installation realisiert.
Seit 2007 sind zudem zum Film, der Installation
oder zu einzelnen Aspekten der Thematik
zahlreiche wissenschaftliche Artikel, Essays
und andere Texte auf Englisch und Deutsch
erschienen, von denen einen Auswahl auf der
Webseite des Films zur Verfügung steht.
www.halfmoonfiles.de
DER TAG DES SPATZEN (2010, 100 min) ist ein
politischer Naturfilm. Er handelt von einem
Land, in dem die Grenze zwischen Krieg und
Frieden verschwindet. Am 14. November 2005
wird im holländischen Leeuwarden ein Spatz
erschossen, nachdem er 23.000 Dominosteine
umgeworfen hat. In Kabul stirbt ein deutscher
Soldat infolge eines Selbstmordattentates. Das
Nebeneinander der Schlagzeilen wird zum Anlass
für Philip Scheffner, sich mit den Methoden der
Ornithologie auf die Suche nach dem Krieg zu
machen. www.dertagdesspatzen.de
163

NANNA HEIDENREICH
Nicole Wolf
THE HALFMOON FILES
Wenn es spukt
THE HALFMOON FILES ist ein Geschenk – ein
großzügiges Geschenk und eine Einladung.
Eine Einladung zum Reisen in ferne Länder, die
dann doch ganz nah sind, zum Forschen nach
etwas, was wir nicht erwartet haben, zum Hören
auf die Geräusche einer alten Baracke oder
einer Landschaft, die langsam aus dem Nebel
auftaucht, und zum ganz genauen Betrachten
der vielen möglichen Bilder einer Stimme. Ein
Film als Einladung, den Geistern zu folgen, und
gleichzeitig eine zurückhaltende und dennoch
eindringliche Aufforderung zum Mitdenken.
Anfangs zeigt sich alles ganz einfach und klar,
aber bald werden wir heimgesucht: von Geistern,
von Stimmen, von vielen Geschichten und
schließlich von Strategien und der Macht der
Geschichte. Am Ende kommt alles ganz anders,
und das ist auch gut so.
Einerseits sind wir mitten im Ersten Weltkrieg und
in Wünsdorf, einer kleinen Stadt in der Nähe von
Berlin. Hier befindet sich das „Halbmond Lager“,
ein Sonderlager für feindliche Kolonialsoldaten.
Wir erfahren von der Ausrufung des Djihad, des
Heiligen Krieges, als deutscher Kriegsstrategie
im Jahr 1914, und hören von kleinen und großen
Geschichten, die mit einer Postkarte beginnen.
Diese Postkarte zeigt eine Moschee, und sie hängt
in der Kneipe „Zum Zapfenstreich“ in Wünsdorf,
im Jahr 2006. 2006 sind wir auch im Lautarchiv
der Humboldt-Universität Berlin. Aber zugleich
befinden wir uns im Jahr 1914, in dem die Idee eines
Tonarchivs „sämtlicher Völker der Erde“ entsteht;
bald darauf leitet der Sprachwissenschaftler
Wilhelm Doegen die „Königliche Preußische
Phonographische Kommission“. Ab und zu sind wir
auch in Indien. 1892 wird in dem nordindischen
164

FILME VON PHILIP SCHEFFNER
Dorf Ranasukhi im Distrikt Ferozpur/Punjab der
Sikh Mall Singh geboren.
„Am 11. Dezember 1916 um vier Uhr spricht Mall
Singh einen kurzen Text in seiner Muttersprache in
einen Phonographentrichter. Das Ganze dauert exakt
eine Minute und 20 Sekunden.“
Das ist in Wünsdorf. Die Stimme des Filmemachers
führt uns von Bildmaterial zu Tonmaterial und
lässt uns meist eine Zeitlang dabei verweilen.
Diese Stimme spricht nach dem ersten Anschein
reduziert, faktisch, klar, ohne Wertung. Nach einer
Weile scheint das Gesagte jedoch Schwingungen
auszusenden und Spuren für den Zuhörer zu legen.
Anhand der Maßangaben der Innenarchitektur des
Lautarchivs entwickelt man ein Verständnis für
die Tiefe und Fülle eines Archivs. Töne, Stimmen,
Knistern und Rascheln – neben, mit, hinter oder
ohne Bild – eröffnen Resonanzräume. Eine immer
wiederkehrende Tonspur scheint schon rein
formal mit den Geistern in Verbindung zu stehen,
denn auch hier findet man gleichermaßen Latenz
und Tiefe.
Durch die Individualisierung jedes einzelnen
Bestandteils des Films entstehen vielschichtige
Denkräume. Alle Materialien sind gleichwertige
Protagonisten beim Nachdenken über Fragen
und beim Aufwerfen neuer Fragen, alle sind
Teil der Dramaturgie. Das Impliziertsein des
Filmemachers, der dadurch selbst zum Material
wird, und die Übergabe der Filmdramaturgie an
das Material wird zur formalen Argumentation
gegen die Instrumentalisierung von indischen
Soldaten als Statisten im Kriegsprojekt. Das
koloniale Vorhaben von Wissensproduktion
durch Vermessen, Nummerieren, Einordnen
und Festschreiben sowie das Zurschaustellen
des Fremden wird unterlaufen – und zwar
nicht durch eine Gegendarstellung, sondern
durch das Vorführen von Geschichtlichkeit auf
andere Weise. Das filmische Reflektieren über
mögliche Beziehungen zum Archivmaterial
führt so zu Erzählweisen, die unaufdringlich und
doch umso nachhaltiger unser Verhältnis zum
Archiv und seiner Geschichte belebt. Gleichzeitig
wird hierdurch aus dem Blick auf Indien eine
Begegnung, bei der man sich auf halbem Wege
entgegenkommt.
Dieses politische Moment: Die Möglichkeit,
gegenwärtiges Denken mit Hilfe der Geister der
Vergangenheit zu verändern, verbindet sich hier
mit dem politischen Potential des Kinos. THE
HALFMOON FILES nimmt das kinematografische
Potential für eine andere Zeitlichkeit an und
erweitert es; Geschichte, Gegenwart und
Zukunft kollabieren. Filmischer Mehrwert
entfaltet sich aus der Herausforderung an das
Medium Film selbst. Die Suche auf dem Weg
zum Film mindert dabei nicht die jedem Medium
eigenen inhaltlichen, materiellen und sinnlichen
Qualitäten, sondern lässt sie zu noch größerer
Geltung kommen. Eine mehr als 90 Jahre alte
knisternde Tonaufnahme einer eindringlichen
Stimme belebt ein Bild, das so schwarz ist wie eine
Schellackplatte. Eine Filmszene wird nacherzählt
und spielt mit unserer Erinnerung. Der zugleich
handwerkliche und enigmatische Charakter einer
Abfolge unbekannter Dias – Porträts indischer
Soldaten während des Ersten Weltkriegs – steht
neben ruhigen Einstellungen vom heutigen
Wünsdorf. Ein fragmentarisches Erzählen, Erleben
von Geschichte und Betrachten des Lebens, das
aber auch Verantwortlichkeit beinhaltet: Kein
Schnitt in diesem Film ist willkürlich.
Daneben stellt THE HALFMOON FILES eine
Herausforderung des Dokumentarfilm-Genres
dar. Das dokumentarische Material animiert uns
zum Fabulieren, und das als real Empfundene
wird angestoßen, um die Grenzen des als möglich
Denkbaren zu erweitern. Das Politische dieses
Films liegt gleichermaßen im Sehen, Hören, im
sinnlichen Erfahren und im Denken in Vielfalt.
Und auch ohne konkrete Vermerke über
gegenwärtige politische Strategien im Zuge von
Geschichtsschreibungen merken wir sehr wohl,
dass es vielerorts spukt.
165

NANNA HEIDENREICH
Nicole Wolf
DER TAG DES SPATZEN
Der filmische Überschuss
(…) DER TAG DES SPATZEN ist also ein Tierfilm
und folgt genregetreu Vögeln in ihre Lebensräume
und gibt Einblick in ihr Territorialverhalten. Er
führt uns zu Flusswindungen an der Mosel, zu
kleinen Ortschaften und Wäldern hinter hügeligen
Feldern in der Eifel, zu blumigen Wiesen, ruhigen
Seen in Wäldern, zu langen Sandstränden und
offenem Meer an der Ostsee sowie in Städte
wie Bonn, Berlin oder Leeuwarden. Oft blicken
wir lange ins vielschichtige Weite, teils auch gen
Himmel – doch bevor die Leinwand zum abstrakt
idyllischen Landschaftsgemälde werden kann,
zieht ein Detail unsere Aufmerksamkeit auf sich
oder der Schnitt bringt uns zum nächsten Closeup,
um jetzt einen Vogelschwarm ganz genau zu
zeigen oder das Landen eines Tornado-Fliegers.
Der Beobachter muss oft geduldig auf der Lauer
liegen und gemäß der ornithologischen Lehre auf
nahe Geräusche ebenso achten wie auf ferne;
vielleicht nicht ganz unähnlich dem Soldaten,
der dem Feind auflauert – aber das war zu einer
anderen Zeit.
Nach und nach entwickelt sich ein Daneben, ein
Dahinter, Davor oder Dazwischen. Orte, die nicht
betreten werden dürfen, Filme, die nie gemacht
wurden, Gespräche am Rande, Fragen und
Antworten, zu Krieg, Sicherheiten, Militarisierung,
Frieden, Beteiligung, Schweigen und Handeln,
Afghanistan. Bild und Tonspur arbeiten mit- und
gegeneinander; Konzentration, Reibung, die
Wahrnehmungssinne werden irritiert, stetig,
durch Akkumulation. Ohne spektakuläre Bilder
oder dramatische Höhepunkte erreicht die
Kontinuität der unscheinbar wirkenden, aber
166

FILME VON PHILIP SCHEFFNER
genau gesetzten und unaufhörlich beobachtenden
Kamerablicke und der sensible Aufbau eines
fragmentarischen und doch pointierten Netzes
an Gedanken und Perspektiven eine Intensität
und Anspannung, die uns wie beim Aufbau eines
Kartenhauses den Atem anhalten lässt. Es entsteht
der filmische Überschuss, das wunderbare
Mehr, das wir im allerbesten Fall im Kino erleben
können; es lässt sich vielleicht umschreiben als
ein Von-den-Rändern-Denken und -Sehen, ein
kinematografisches Experiment im Zeigen dessen,
was nicht wirklich bezeichnet werden kann.
Aus der Gleichzeitigkeit des Todes eines Spatzen
und eines deutschen Soldaten im Krieg in
Afghanistan und wie zufällig erscheinenden
Überschneidungen entsteht ein durchdachter
Balanceakt, der unerwartete Parallelen nicht in
Deutungen einschließt, sondern unaufdringlich
und dennoch fundamental unsere Wahrnehmung
in Frage stellt. Dabei wird weder durch die
Möglichkeiten, die im teils stillen Bild der Totalen
eröffnet werden, noch durch das Nahdransein
Konkretes festgelegt. Das Insistieren auf
Stillhalten, Beobachten, Immer-wieder-Hören und
das Angebot, unsere gewohnte Wahrnehmung
entgleisen zu lassen, führt zu einer filmischen
Öffnung, die Perspektivenwechsel möglich
macht. Die Beziehung zwischen Beobachter und
Beobachteten verschwimmt auch, weil uns trotz
des Blicks aus der Distanz ein reines Außen- und
Unbeteiligtsein genommen wird. Wenn somit
die Kamera auf zwei Bundeswehrsoldaten
gerichtet ist, die langsam ihr Areal hinter Zäunen
abschreiten und beobachtend abwägen, ob es sich
hier um ernst zu nehmende Eindringlinge handelt,
enthält diese Situation weit mehr, als Blick und
Gegenblick beschreiben könnten.
Wenn die Krise des Dokumentarfilms einerseits
beinhaltet, dass keine neuen Bilder mehr gemacht
und keine wirklich neuen Geschichten mehr
erzählt werden können, und uns im Zeitalter
der permanenten Medienkonfrontation mit
Konfliktzonen die Empathie durch die fehlende
Beziehung zum Gegenstand verlorengegangen
ist, dann ist DER TAG DES SPATZEN ein ruhig
insistierendes Beispiel dafür, dass gerade der
Dokumentarfilm, jedenfalls ein besonderer
Dokumentarfilm über die Beschreibung der Welt,
wie wir sie heute sehen, hinauswachsen kann.
Wenn nach dem Film vertraute Landschaften eine
körperlich erlebbare Verfremdung erfahren haben
und unser Eingebettetsein in gelebte Bild- und
Tonzusammenhänge irritiert ist, liegt hierin das
faszinierende Potenzial der Politik der Ästhetik,
das politisches Denken und Handeln erst möglich
macht. (…)
Am Ende sind wir konfrontiert mit aktuellen
Fragen des Handelns, mit der Frage, wie das
Handeln mit dem Sehen verknüpft ist oder das
Sehen mit dem Erkennen oder Erkennen mit Nähe
oder Nähe mit Beteiligtsein – oder wie wir uns ins
Verhältnis zu dem setzen, was vermeintlich nur
von fern unseren Frieden stört?
167

Stefanie Schlüter
Bildungsspuren
Living Archive für Kinder, mit Kindern
Ein Filmmuseum, eine Kinemathek, ein Filmarchiv
sind Institutionen für Filmbildung. Den
Bildungsauftrag des Arsenals beschreibt Ulrich
Gregor etwa zehn Jahre nach Gründung des
Vereins Freunde der Deutschen Kinemathek so:
„Es kam ihnen [den Freunden der Deutschen
Kinemathek] darauf an, eine spezifische
Bildungs- und Informationsarbeit zu leisten,
indem sie Filme nicht isoliert, sondern als Teil
eines über den einzelnen Film hinausgreifenden
Zusammenhangs präsentierten. [...] Filme
sollen nach dieser Konzeption nicht als
vereinzelte ‚Kunstwerke’ vorgestellt werden,
sondern als Produkte eines Mediums, die aus
bestimmten Faktoren zu erklären sind – aus
gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen
Faktoren, aus Faktoren der künstlerischen
Tradition oder der Ablehnung künstlerischer
Tradition.“ 1
Von Beginn an hat das Arsenal seinen
Vermittlungsauftrag darin gesehen,
Zusammenhänge herzustellen und diese sichtbar
zu machen: Zusammenhänge sowohl zwischen
einzelnen Filmen, in Filmprogrammen als auch
zwischen einem Film und seiner historischpolitischen
sowie ästhetisch-kulturellen
Umgebung. 50 Jahre nach Gründung der Freunde
der Deutschen Kinemathek stellen sich Fragen
der Bildung im und durch das Filmarchiv
noch einmal neu. Es geht nicht allein um die
Einbettung von Filmen in diskursive Kontexte,
sondern auch um die Frage der Vermittlung
eines Filmarchivs an diejenigen, die nicht mit der
Kulturtechnik Film und Kino aufgewachsen sind.
Die Frage der Zukunft von Filmarchiven wird
nicht zuletzt beim Film- und Kino-Nachwuchs
entschieden: Damit die Digital Natives von heute
die Filmfreunde von morgen werden können,
bedarf es einer umfassenden Filmbildung, zu der
notwendig auch die Materialgeschichte des Films
gehört.
Was wäre, weitete man den Bildungsbegriff
eines Filmarchivs auf schulische Kontexte aus?
Wie wäre es, ließe man Kinder die Bestände
des Archivs in Augenschein nehmen? Lässt
sich aus den Filmbeständen des Arsenals ein
Filmarchiv für Kinder einrichten: ein Filmarchiv,
das überhaupt erst durch die Mitwirkung von
Kindern entsteht?
169

STEFANIE SCHLÜTER
SUPERFILMSHOW! Film as Art for Kids
Experimentalfilme eignen sich nicht nur in
besonderer Weise für die Vermittlungsarbeit
mit Kindern. 2 Sie stellen auch einen
Sammlungsschwerpunkt des Arsenal-Archivs
dar, auf den sich das Living Archive für
Kinder konzentriert. Experimentalfilme auch
Kindern zugänglich zu machen ist keine neue
Idee, aber sie wird vergleichsweise selten
umgesetzt. Im Arsenal-Archiv findet sich
eine historische Spur der Vermittlung von
amerikanischen Avantgardefilmen an Kinder:
Die SUPERFILMSHOW!, von Marilyn Singer und
ihrem Mann Steve Aronson für die American
Federation of Arts (AFA) kuratiert, wurde 1981
im 11. Internationalen Forum des Jungen Films
gezeigt. Die damalige Kuratorin des Programms
erinnert sich:
„The film department [of the AFA] circulated
packages of avant-garde films and films on
art to museums, the most notable of which
was ,A History of Avant-Garde Film.‘ My
husband and I think that in 1979, there was a
show of contemporary art for children at the
Hudson River Museum in Yonkers, NY called
,SuperShow!‘ So, AFA decided to put together a
program of avant-garde films to accompany it
and to be circulated on its own. I was beginning
my writing career at the time, and Steve and I
selected and programmed the films with kids in
mind and I wrote the notes.“ 3
Neben der Zusammenstellung der Filme ist
auch das von Marilyn Singer geschriebene
Programmblatt bemerkenswert. Verblüffend
einfach bereitet die Autorin die Kinder auf die
besondere Erfahrung von Experimental- und
Avantgardefilmen vor:
„Die Filme in diesem Programm sind anders als
Filme, die ihr sonst im Fernsehen oder Kino seht
(es sei denn, ihr hättet großes Glück gehabt). Sie
unterscheiden sich dadurch von anderen Filmen,
daß sie keine Geschichte erzählen [...]. Und anders
als die Filme von Sesame Street und Das feuerrote
Spielmobil wollen euch die Filme nicht beibringen,
wie man zählt, buchstabiert oder euch zeigen,
[...] wie eine Schallplatte hergestellt wird. Aber sie
können euch beibringen, Dinge auf eine neue Art
zu sehen, auch ganz gewöhnliche Dinge [...], ihr
müßt nur etwas Geduld aufbringen. Deshalb müßt
ihr euch auf die Dinge konzentrieren, die auf der
Leinwand vor sich gehen. Achtet auf das Licht, die
Farben, die Formen und Bewegungen und nicht
nur auf die Objekte, die zu sehen sind. Überlegt
einmal auf wie viele verschiedene Arten man eine
Sache – einen Vogel zum Beispiel – ansehen kann.
Dann seht einmal, wie der Filmemacher ihn sieht.
[...] Noch etwas, das diese Filme so anders macht,
ist die Anzahl eigenwilliger und interessanter
Techniken, die sie benützen, um neue Sehweisen
zu finden. [...]“ 4
Kein Geringerer als Stan Brakhage hat
die Autorin dazu motiviert, die Kinder im
Programmtext zur SUPERFILMSHOW! direkt zu
adressieren:
„I spoke with a number of the filmmakers. One
of my favorite recollections is talking with Stan
Brakhage, who told me to write all catalog copy
about avant-garde film as if I were talking to a
smart eight-year-old.“ 5
Stan Brakhage als Filmvermittler: Kaum ein
anderer Filmemacher hat sich so intensiv
mit „childhood, primal sight, the beginning
of consciousness, and the phenomenological
discovery of the world“ 6 beschäftigt und somit
mit Fragen, die im höchsten Maße relevant sind
für die Vermittlung von Filmen an Kinder. In
Amerika zirkulierte die SUPERFILMSHOW!
sehr erfolgreich in Museen und Archiven.
Hierzulande tut man sich (noch immer) schwer
damit, Kindern Experimentalfilme zu zeigen. Als
Stefanie Schulte Strathaus und Birgit Kohler die
SUPERFILMSHOW! vor einigen Jahren erneut
für Kinder ins Programm genommen haben,
kamen fast nur Erwachsene ins Arsenal.
170

BILDUNGSSPUREN
Einige der Filme aus der SUPERFILMSHOW!, so
etwa Red Grooms’ LITTLE RED RIDING HOOD
(USA 1979), haben ihre Zeit nicht überdauert:
Die Filmkopie ist rotstichig geworden. Andere
hingegen kommen auch jetzt noch zum Einsatz,
wenn ich Kindern Filme im Arsenal und
anderswo zeige; so zum Beispiel Standish Lawders
CATFILM FOR KATY AND CYNNIE (USA 1973).
Es gibt kaum einen Film, der die Leinwand als
zweidimensionale Fläche auf so spielerische und
zugleich spektakulär einfache Weise zum Thema
macht: Wenn, wie hier, zunächst eine milchigweiße
Leinwand gezeigt wird und das eigentliche
Bild erst nach und nach durch die emsige Aktivität
schleckender Zungen freigelegt wird, wenn
am Ende dieser Schleckerei für einen kurzen
Moment die Köpfe von drei Katzen erkennbar
werden, dann ist das nicht nur für Kinder eine
kleine Sensation. Wegen der ungewohnten
Perspektive, aus der die Katzen zu sehen sind, ist
es für Kinder eine spannende Herausforderung
sich vorzustellen, wie der Film gedreht wurde.
Eine Kindertheorie zum Catfilm geht so: „Der
Filmemacher hat Milch auf seine Kamera geschüttet
und die Katzen schlecken sie nun von der Kamera ab.“
DWIGHTIANA und FADENSPIELE
DWIGHTIANA (USA 1959) gehörte zu den ersten
Filmen von Marie Menken in der Sammlung des
Arsenals und er kam vermutlich zuerst mit der
SUPERFILMSHOW! ins Archiv. Die Anschaffung
aller weiteren verfügbaren Filme von Marie
Menken wurde durch die Filmemacherin Ute
Aurand initiiert. Dem tatsächlichen Ankauf
der Filmkopien ging allerdings eine Kette von
Entdeckungen und Tätigkeiten voraus, die
Zeugnis davon ablegen, wie verschlungen die
Wege mitunter sind, bis Filme Eingang in eine
Sammlung finden:
„Liebe Stefanie, [...] Du fragst nach den Menken
Kopien – Als ich im Winter 89/90 an der dffb
unterrichtete und ein Mekas-Seminar machte,
las ich sein Movie Journal und fand seine
171

STEFANIE SCHLÜTER
zwei Menken-Texte, die mich begeisterten.
Das Arsenal hatte schon eine Kopie von
DWIGHTIANA, die ich irgendwie entdeckt hatte
und die Blickpilotin zeigte Notebook auf ihrer
Gründungsveranstaltung [im] Dezember 89 und
ich wollte mehr Menken-Filme sehen. Als ich die
Filmarbeiterinnen Abende im Juni 90 begann
und Mekas im August 90 nach Berlin eingeladen
hatte, wurde die Möglichkeit Kopien zu kaufen
konkreter ... Das Arsenal stimmte zu, alle Kopien
zu kaufen für 1.200 DM! [U]nd endlich – ich
glaube es war Herbst 92 kamen die Kopien nach
Berlin. Zusammen mit Regina Schütze von der
Blickpilotin machten wir das Menken-Heft und
organisierten Vorführungen.“ 7
Als Milena Gregor vor einigen Jahren vorschlägt,
DWIGHTIANA in einem Animationsfilm-
Programm für Kinder im Rahmen von Was ist
Kino? 8 zu zeigen, besuche ich Ute Aurand, um
von ihr mehr über Marie Menken zu erfahren.
Spontan zeigt sie mir ihren Film FADENSPIELE
(D 1999), den die Schwestern Detel und Ute
Aurand gemacht haben und den es, so Ute, ohne
DWIGHTIANA nicht gäbe. Ute projiziert den
Film zwischen Küche, wo der 16-mm-Projektor
steht, und Arbeitszimmer, wo sich eine Leinwand
befindet; irgendwo in der Mitte dieser Anordnung
sitze ich. Wie toll, diesen Film zum ersten Mal und
im Dialog mit DWIGHTIANA zu sehen! Als ich
die Arbeit am Living-Archive-Projekt aufnehme,
beschließe ich, eine 16-mm-Filmkopie von
FADENSPIELE (D 1999) anzuschaffen, denn der
Film befindet sich bislang nicht in der Sammlung
des Arsenals. 9
Bei einer meiner ersten Kindervorführungen
mit DWIGHTIANA fragt ein Kind, wovon der
Film handele, denn er erzähle keine Geschichte.
Aus der Kindergruppe von Erstklässlern gibt
es sogleich eine spontane Antwort: „Ich glaube,
der Film handelt davon, dass man schöne Filme
machen kann mit lauter Sachen, die jeder zu
Hause hat. Buntstifte, Perlen, Steine ...“. Die
tollsten Momente der Vermittlungsarbeit sind
die, in denen sich – wie hier – der Geist eines
172

BILDUNGSSPUREN
Films von selbst vermittelt. Marie Menken hätte
es vermutlich nicht anders ausgedrückt. Als
Grund für ihr Filmschaffen gab sie einmal an,
dass ihr das Zwitschern der Bolex-Kamera gefiele,
und DWIGHTIANA habe sie gedreht, um einem
kranken Freund eine Freude zu machen.
Versteht man Filmvermittlung als eine Form der
ästhetischen Bildung, bietet sich das Arbeiten
mit Avantgarde- und Experimentalfilmen
geradezu an, denn hier fällt sehr häufig die
experimentelle Anordnung des Films mit den
Wahrnehmungsprozessen der ZuschauerInnen
zusammen: aisthesis experimental. Außerdem
ermöglicht das Arbeiten mit Experimentalfilmen
und Archivkopien einen nahtlosen Anschluss an
die Materialgeschichte des Films.
Spuren am Material
Dem Living Archive für Kinder gehen viele
Jahre intensiver Vermittlungsarbeit mit
unterschiedlichen filmischen Einflüssen und
Kontakten zu Filmemachern voraus, mit denen
ich Workshops an Schulen durchgeführt
habe. Als Ute Aurand, Robert Beavers,
Dirk Schaefer und ich 2010 eine Serie von
Experimentalfilmworkshops planen, nimmt die
Arbeit mit Kindern und Experimentalfilm Fahrt
auf. Das Gleiche gilt für die Arbeit am Material
des Films. Mit dem direkten Malen und Kratzen
auf 35-mm-Filmmaterial, dem Filmen mit einer
16-mm-Bolexkamera und mit der anschließenden
digitalen Vertonung ausgewählter Sequenzen
haben rund 50 Berliner Kinder und Jugendliche
ihre Tonspuren am und ihre Spuren im
Material hinterlassen. Sie taten es, zu unserer
Überraschung, in überschäumender Begeisterung
für den analogen Filmstreifen.
Während wir die Workshop-Serie durchführten,
war noch nicht absehbar, wie rasant die digitale
Umrüstung der Kinos durchgesetzt würde. Schon
drei Jahre später existiert das Kino in seiner
früheren Form nicht mehr; immer häufiger hört
man von schließenden Kopierwerken und davon,
173

STEFANIE SCHLÜTER
dass die Zukunft der Produktion von analogem
Filmmaterial ungewiss sei. Das heißt auch, dass
Filmmuseum, Kinemathek, Kunstausstellung
und Filmarchiv zu den exklusiven Orten der
Begegnung mit dem analogen Film werden.
Analoges Filmmaterial ist, das lässt sich in
zahllosen Vermittlungssituationen erfahren, eine
unerschöpfliche Quelle für die Filmvermittlung;
und weder die Anziehungskraft noch die
Anschaulichkeit des Filmstreifens lässt sich durch
ein digitales Medium ersetzen. Als unabdingbares
Zeugnis für die Geschichte des Bewegtbilds
muss der analoge Film im Vermittlungsprozess
weiterhin sichtbar, anfassbar und erfahrbar
bleiben – und das gerade weil er im Verschwinden
begriffen ist. Anders ausgedrückt: Die Arbeit am
und mit dem Material des Films ist in kurzer Zeit
prekärer denn je geworden. Genau das macht sie
umso wichtiger und interessanter.
Memoryspiele: Kinder ins Archiv!
Der Ansatz des Living Archive für Kinder ist
einfach: Aus der Filmsammlung des Arsenals
extrahiere ich ein Korpus von kurzen,
überwiegend experimentellen Filmen. Hier eine
unvollständige, ungeordnete Liste:
CATFILM FOR KATY AND CYNNIE (USA 1973)
und COLORFILM (USA 1982) von Standish
Lawder; FADENSPIELE II (D 2003) von Detel
und Ute Aurand; KRATZIG 1 (D 2010) von
SchülerInnen der Hunsrück-Grundschule in
Kreuzberg; DWIGHTIANA (USA 1959), GO! GO!
GO! (USA 1963), NOTEBOOK (1962), LIGHTS
(USA 1965), MOON PLAY (USA 1961) von Marie
Menken; IMAGINATION (USA 1957), MOOD
CONTRASTS (USA 1953), SPOOK SPORT
(USA 1939) von Mary Ellen Bute; STILL LIFE
(GB 1976) von Jenny Okun; LOOSE CORNER
(USA 1986) von Anita Thacher; MOTHLIGHT
(USA 1963) von Stan Brakhage; FREE RADICALS
(USA 1958), RAINBOW DANCE (USA 1936),
A COLOUR BOX (GB 1935), COLOUR FLIGHT
(GB 1938), TUSALAVA (GB 1928) von Len Lye;
RHYTHMUS 21 (D 1921), RHYTHMUS 23
(D 1923), VORMITTAGSSPUK (D 1928) von Hans
Richter; FANTASMAGORIE von Emile Cohl
(F 1908); 33 YO-YO TRICKS (USA 1976) von
P. White; PP II (USA 1986) von M.M. Serra;
GERTIE THE DINOSAUR (USA 1914) von Winsor
McCay; POR PRIMERA VEZ (Kuba 1967) von
Octavio Cortázar; A MAN AND HIS DOG OUT
FOR AIR (USA 1957) von Robert Breer etc. etc.
Statt sie mit kuratierten Filmprogrammen zu
konfrontieren, beteiligen sich die Kinder im
Living Archive an der Auswahl der Filme. Für
jeden infrage kommenden Film habe ich eine
Karteikarte mit Filmbild und (technischen)
Informationen angelegt, sodass die Kinder mit
einem Pool von Filmkarten spielen können. Dabei
sind die Spielregeln flexibel: So können die Kinder
mit den Karten einen Zeitstrahl – vom ältesten bis
zum jüngsten Film – legen; sie können die Filme
nach Ländern, nach Farb- und Schwarz-Weiß-
Filmen oder nach Stumm- und Tonfilmen ordnen.
Auf vielfältige Weise lässt sich ein Filmcluster
gestalten, das die einzelnen Filme zueinander
bringt, sodass sie miteinander Kontakt aufnehmen
können. In der spielerischen Auseinandersetzung
mit den Filmkarten beginnen die Kinder auch
auszuwählen: Sie greifen Filmkarten heraus, die
sie neugierig machen, und legen andere beiseite.
Danach nehmen sie im Archiv die Suche nach
den Wunschfilmen auf und holen sie selbst aus
dem Regal. Schließlich legen sie mit den Karten
eine Reihenfolge fest und schauen die Filme
gemeinsam im Kino an. Auf der Grundlage von
Kinderneugierde und -neigungen ist ein kleines
Filmprogramm entstanden!
Das Sichten von Archivfilmen ist zugleich
Entdeckungs- und Erinnerungsarbeit.
Um die Affekte dieser Arbeit offenzulegen,
ist das Filmgespräch nicht immer der beste Weg.
Daher zeichnen die Kinder nach einer Living-
Archive-Veranstaltung aus dem Gedächtnis
ein Filmbild auf eine leere Karteikarte. Diese
174

BILDUNGSSPUREN
„Memory-Karten“ geben Auskunft über starke
Sehmomente der Kinder, und sie zeichnen
die Spuren nach, die einzelne Archivfilme im
Gedächtnis jedes einzelnen Kindes hinterlassen
haben. Einige Spuren führen auch in das Kino
(zurück): Die Leinwand, die Projektoren, die
Sitze der ZuschauerInnen – all das gehört zu den
Seherfahrungen der Kinder dazu.
Spuren im Archiv
Jeder Workshop mit Kindern und jede Arbeit
am Material hinterlässt Spuren, die sich bis ins
Arsenal-Archiv zurückverfolgen lassen: Die
in den Experimentalfilm-Workshops entstandenen
Kinderfilme liegen unter dem Titel KRATZIG 1
und KRATZIG 2 (D 2010) mit Nummern versehen
im Archiv des Arsenals. KRATZIG 1 (16 mm)
ist bereits in der Welt herumgekommen:
In Kanada reist die Kopie im Rahmen eines
Experimentalfilm-Programms umher. 10 Das Living
Archive für Kinder, mit Kindern initiiert einen
Austausch zwischen Kindern und Archiv: In
Auseinandersetzung mit Archivfilmen entsteht
ein gezeichnetes Mosaik von Filmerinnerungen
der Kinder, das selbst wieder zu einem kleinen
Archiv wird. Damit die Erinnerungszeichnungen
aus Kinderhand selbst wieder ins Filmarchiv
wandern können, werden sie zur Grundlage für
einen 16-mm-Film, den Ute Aurand für die
Sammlung des Arsenals realisiert. Kinder
sehen, erinnern und zeichnen Archivfilme; die
Zeichnungen werden selbst wieder filmisch und
hinterlassen eine weitere Kinderspur im Archiv:
memory back and forth.
***
Um ein Archiv lebendig zu halten, braucht es
Nachwuchs. Ein lebendigeres Archiv als ein
Kinderarchiv kann ich mir schwer vorstellen. Mit
den Experimentalfilmen der Sammlung hat das
Living Archive für Kinder einen Anfang gemacht:
Für ein Kinderarchiv bleiben noch viele Filme zu
entdecken.
175

STEFANIE SCHLÜTER
1 Ulrich Gregor zitiert nach: Stefanie Schulte Strathaus:
„Andere Filme anders zeigen. Kino als Resultat filmischen
Denkens.“ S. 89-103: 90. Zuerst veröffentlicht in: Ulrich Gregor:
„Das Berliner Arsenal“. In: Theorie des Kinos. Hrsg. von Karsten
Witte. Frankfurt: Suhrkamp 1972. S. 257.
2 Vgl. dazu ausführlicher: Stefanie Schlüter/Volker
Pantenburg: „Experimentalfilme vermitteln. Zum praktischen
und analytischen Umgang mit dem Kino der Avantgarde.“ In:
Oliver Fahle, Vinzenz Hediger, Gudrun Sommer (Hrsg.): Orte
filmischen Wissens. Filmkultur und Filmvermittlung im Zeitalter
digitaler Netzwerke. Schüren Verlag Marburg 2011. S. 213-236.
3 Marilyn Singer in einer E-Mail an Stefanie Schlüter (4.
März 2013). Steve Aronson arbeitete damals als Leiter des
Filmprogramms der American Federation of Arts, Marilyn Singer
stand am Anfang ihrer Karriere als Kinderbuchautorin. Vgl.:
Susan Sollins, Elke Solomon, Independent Curators Incorporated,
Hudson River Museum (Eds.): Supershow: a travelling exhibition
organized by Independent Curators Incorporated. New York:
Independent Curators Inc. 1979.
4 Zitiert nach der deutschen Übersetzung: Marilyn Singer:
„SUPERFILMSHOW! Experimentalfilme aus den USA für
Kinder (Film als Kunst für Kinder) – ab 6 Jahren.“ In: 11.
Internationales Forum des Jungen Films. Berlin 14.-24.02.1981.
Informationsprogramm Nr. 18. (Übersetzung nicht ausgewiesen.)
Download der deutschen Fassung des Programmblatts über die
Verleihdatenbank des Arsenals:
http://films.arsenal-berlin.de/index.php/Detail/Object/Show/
object_id/417 (Zugriff: 13.03.2013)
5 Marilyn Singer in einer E-Mail an Stefanie Schlüter (4. März
2013).
6 Vgl.: Suranjan Ganguly: „Stan Brakhage – The 60th Birthday
Interview.“ In: Film Culture 78/1994. S. 18-38:18.
10 Das von Larissa Fan kuratierte Programm Radical Recess:
Avant Garde Films for Children! wurde 2011 auf dem Images-
Festival in Toronto gezeigt und tourt gegenwärtig im Rahmen
der „Images across Canada – 25th Anniversary Tour“: http://
www.imagesfestival.com/calendar.php?event_id=645&month=y
(Zugriff: 13.03.2013.)
Mitwirkende
SchülerInnen der Ludwig-Hoffmann-Grundschule, Berlin-
Friedrichshain (1. Klasse)
SchülerInnen der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule
(JÜL Klassen 4-6)
(„Kulturagenten für kreative Schulen“, Berlin-Pankow,
Kulturagentin: Mona Jas)
SchülerInnen der Anna-Seghers-Gemeinschaftsschule (Klasse 5)
(„Kulturagenten für kreative Schulen“, Berlin-Adlershof,
Kulturagentin: Carolin Berendts)
Workshops
„Film ohne Kamera“: SchülerInnen der Heinz-Brandt-Schule
(Lehrer: Lars Degen),
Ute Aurand, Robert Beavers (FilmemacherInnen)
(„Kulturagenten für kreative Schulen“, Berlin-Pankow;
Kulturagentin: Mona Jas)
„Raumklang wird Klangraum: Spuren des analogen Tons im Film“:
SchülerInnen der Fichtelgebirge Grundschule, JÜL-Klasse 1-3
(Lehrer: Enno Ebbert)
Eunice Martins (Komponistin, Stummfilmpianistin)
(„Kulturagenten für kreative Schulen“, Berlin-Kreuzberg,
Kulturagentin: Silke Ballath)
7 Ute Aurand in einer E-Mail an Stefanie Schlüter
(11.11.2012). Ute Aurand und Regina Schütze haben anlässlich
der ersten Retrospektive des Gesamtwerkes von Marie
Menken in Deutschland (im Kino Arsenal) eine Textsammlung
herausgegeben: Ute Aurand, Regina Schütze (Hrsg.): Marie
Menkens Filmpoesie. Berlin 1992.
8 Was ist Kino? ist ein im Arsenal stattfindendes
Filmvermittlungsprogramm für Schulen, das von Milena Gregor
(Arsenal), Anke Hahn (Deutsche Kinemathek) und mir iniitiert
wurde. Schwerpunktmäßig werden Filme aus den Beständen des
Arsenals sowie der Deutschen Kinemathek gezeigt.
Film aus Kinderzeichnungen: Ute Aurand
Filmvermittlungs-Assistenz: Milena Gierke
Kaderfotografien: Marian Stefanowski
Konzeption, Leitung, Durchführung des Projekts:
Stefanie Schlüter
Ein besonderer Dank gilt den VorführerInnen des Arsenals,
die Kindern in zahllosen Veranstaltungen auf eindrückliche
Weise zeigten, was sich im Vorführraum des Kinos abspielt:
Anselm Heller, Axel Lambrette und Sophie Watzlawik
Bilder
9 Einzig der Folgefilm FADENSPIELE II (Detel und Ute Aurand,
Deutschland 2003) ist Teil der Sammlung. Gegenwärtig arbeiten
Detel und Ute Aurand an FADENSPIELE III.
S. 168, CATFILM FOR KATY AND CYNNIE, Standish Lawder
S. 171–175, Kinderzeichnungen:
1. Klasse der Ludwig-Hoffmann-Grundschule,
Berlin-Friedrichshain, Juni 2012
176

Sabine Schöbel
Das andere Spanien wird sichtbar
Nachrichten vom Ende einer Diktatur und dem Aufbruch
einer Gesellschaft in Europa (1967–1978)
Seit dem Spanischen Bürgerkrieg, an dem in
internationalen Brigaden Freiwillige aus einer
Vielzahl von Ländern teilgenommen hatten, um
die junge Republik im Kampf gegen Militärs und
Falange zu unterstützen, ist Spanien ein Fixpunkt
nicht nur der westdeutschen Linken gewesen.
Ein für Jahrzehnte gewissermaßen erstarrter
Bezugspunkt, an dem die Geschichte stillzustehen
schien. Denn erst nach dem Tod des Diktators
Franco 1975 neigt sich die Zeit der politischen
Verfolgungen, Verbote und gesellschaftlichen
Tabus dem Ende zu. Im Dezember 1978 wird
nach einem Referendum die Verfassung einer
repräsentativen Monarchie verabschiedet, schon
‘77 wird die staatliche Zensur abgeschafft.
Mitte der 70er Jahre schaute die Weltöffentlichkeit
also nach Spanien. Und mit ihr sowohl
die Internationalen Filmfestspiele Berlin als
auch das Arsenal (damals noch Freunde der
Deutschen Kinemathek): So vergab 1978 die Jury
des Berlinale-Wettbewerbs unter der Leitung von
Patricia Highsmith den Goldenen Bären an die
spanischen Beiträge in ihrer Gesamtheit. 1 Und
so kommt es, dass der größte Teil der aus Spanien
stammenden Filme in der Sammlung des Arsenals
aus dieser Zeit stammt. In diesen Archivfilmen
bildet sich die Phase des politischen und
gesellschaftlichen Übergangs von der Diktatur
zur Demokratie, die sogenannte „Transición“, aus
einer linken, systemkritischen, politisch und
ästhetisch subversiven Perspektive ab.
Das vorliegende Projekt einer Filmreihe für
den Bundesverband kommunale Filmarbeit
e.V. 2 konzentriert sich auf eine Auswahl von
elf Arbeiten unterschiedlichster Formate und
Provenienz aus dem Zeitraum 1967 bis 1978.
In ihnen wurde damals etwas sichtbar, das
offenbar nur darauf wartete, ans Licht und auf
die Leinwand zu kommen. Etwas, das in den
Jahren der schlimmsten staatlichen Repression
nie ganz verschwunden war und das mit
wachsendem politischem Widerstand und
zunehmender Renitenz der Kulturschaffenden
sich aufs Neue entfaltete: die filmische
Darstellung eines „anderen Spanien“. Heute – in
der historischen Rückschau – wird in diesen
Undergroundfilmen, unabhängigen Produktionen
und Kinoproduktionen, diesen kurzen und langen
Experimental-, Dokumentar- und Spielfilmen
etwas in einer Dichte sichtbar, das exemplarisch
ist für die Verschränkung von Film, Politik und
ästhetischem Programm, für die die Freunde
der Deutschen Kinemathek standen. In dieser
Konstellation – fast möchte man sagen „Montage“
– unterschiedlichster Filme überliefert sich
möglicherweise aber auch ein gesellschaftliches
Universum im Aufbruch, das sich in dieser
Prägnanz und Prägung bisher filmhistorischen
Betrachtungen entzogen hat. 3
Das Programm als Ganzes lädt ein zu einer
kuratorischen Gratwanderung zwischen
ge schichtlicher Rekonstruktion eines
177

178

DAS ANDERE SPANIEN WIRD SICHTBAR
gesell schaftlichen Umbruchs und seiner
(erneuten) utopischen Aufladung. Angesichts der
großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme,
in denen sich das EU-Land Spanien im Moment
befindet bekommt dieser Blick zurück an den
Ausgangspunkt seiner „Reise nach Europa“ ein
besonderes Gewicht. Er vergegenwärtigt noch
einmal die Integrität, das enorme Potential
und die großen Hoffnungen dieser kollektiven
Bewegung und macht deutlich, wie stark man
sich von den damals virulenten Diskursen doch
entfernt hat.
Underground Barcelona
Dreh- und Angelpunkt der ausgewählten Filme 4
ist bis auf einige Ausnahmen das katalanische
Barcelona und nicht, wie man vielleicht erwarten
könnte, die Landeshauptstadt Madrid. 1967 stellt
dort der Avantgardekünstler und Filmproduzent
Pere Portabella NO COMPTEU AMB ELS DITS
vor, einen surrealen Experimentalfilm von großer
Schönheit. Dem „cine clandestino“ Kataloniens,
der unabhängigen Kino- und Filmemacherszene
im Untergrund, gehört auch Llorenç Soler 5 an.
Von ihm stammen die beiden Filme CARNET
DE IDENTIDAD und 52 DOMINGOS aus dem
Jahr 1970. Der erste ein im Stil der klassischen
Avantgarde montierter systemkritischer
Experimentalfilm. Der zweite eine Milieustudie
über junge, aus dem Süden des Landes stammende
Arbeiter in den Armutsquartieren der Vorstadt,
die in ihrer Freizeit das symbolgeladene Metier
des Stierkämpfers lernen. 6
In Barcelona entstehen auch LA TORNA (1978),
OCAÑA, RETRAT INTERMITTENT (1978) und die
Serie NOTICIARI DE BARCELONA, eine Initiative
des Institut del Cinema Catalá, das sich 1975
aus der antifranquistischen Opposition heraus
gründet. Diese alternativen Wochenschauen sind
an der Zensur vorbei für Aufführungen in Kinos
in Barcelona produziert worden.
Antoní Padros SHIRLEY TEMPLE STORY
ragt wie ein Monolith von subkulturellem
Eigensinn aus den unabhängig produzierten
und systemkritischen 16-mm-Filmen dieser
Zeit hervor. Der vierstündige Underground-
Marathon von 1976 ist ein Kommentar
auf die jüngste Geschichte in Form eines
frechen, unterhaltsamen und musikalischen
Schurkenstücks in Schwarz-Weiß. Darin spielt
Rosa Morata mit großen Locken eine Shirley-
Temple-Lolita-Figur, die sich als Allegorie auf
die spanische Nation in den Südstaaten der
USA auf die Suche nach dem Zauberer von
Oz, einem Vampir (!), macht. Sie wird begleitet
oder heimgesucht – je nachdem – von anderen
allegorischen Gestalten: drei nervtötenden,
herausgeputzten Damen der Gesellschaft, Pit,
Pot und Put, die eindeutig für die franquistische
Reaktion stehen, und drei jüngeren Männern,
Paco, Jesus und Luis, die in zeitgenössischem
Outfit – auch nicht ganz ernst zu nehmen – die
Revolution, die fortschrittlichen Kräfte der
spanischen Gesellschaft verkörpern.
Auf Leben und Tod
Die Tatsache, dass Mitte der 70er eine solche
Funken sprühende und subversive Arbeit wie
SHIRLEY TEMPLE STORY auf den Weg gebracht
wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass
trotz der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Liberalisierung in den letzten Jahren der Franco-
Diktatur die Machtfrage in der Regel noch
immer auf Leben und Tod gestellt wird: So findet
1970 etwa der „Prozess von Burgos“ statt, ein
Schauprozess gegen 16 Mitglieder bzw. Anhänger
der baskischen Untergrundorganisation ETA 7 .
Und 1973 wird der zum Franco-Nachfolger
bestimmte Regierungschef Luis Carrero Blanco
von der ETA getötet. Noch 1974 und 1975 werden
mehrere politische Häftlinge 8 zum Tode verurteilt
und hingerichtet. Zwei Filme der Reihe handeln
von der tödlichen Repression des Regimes:
Iñaki Nuñez, Vertreter einer sich neu
formierenden baskischen Kinematografie,
inszeniert ausgehend von den im Sommer 1975
179

SABINE SCHÖBEL
vollzogenen Hinrichtungen in TOQUE DE QUEDA
die Geschichte der Widerstandskämpferin Marta.
Ebenfalls inhaftiert und zum Tode verurteilt,
wird sie nur deswegen begnadigt, weil sie von
einem ihrer Genossen ein Kind erwartet.
LA TORNA von Francesc Bellmunt ist die
filmische Dokumentation der „bitter-bissigen“
politischen Parabel von Albert Boadella und
dem Ensemble Els Joglars. Ein Bühnenbild
aus Brettern, Akteure mit weißen Masken
und Dialoge, die einem das Lachen im Halse
stecken bleiben lassen. Das Stück handelt
vom Strafverfahren gegen den polnischen
Straßenmusiker Heinz Chez 9 . Er hatte gestanden,
einen Guardia Civil erschossen zu haben und
wurde im März 1974 mit der Garotte hingerichtet.
Um den politischen Mord an dem Anarchisten
Salvador Puig Antich mit der Hinrichtung eines
„normalen Kriminellen“ zu bemänteln, wurden
die beiden am gleichen Tag getötet. Daher der Titel
LA TORNA: die „Zugabe“. Das Stück wurde 1977
nach etwa 40 Aufführungen verboten, Albert
Boadella sowie drei weitere Personen verhaftet.
Diese Willkürmaßnahme löste eine große
internationale Protestwelle aus, in Barcelona
streikte die Gewerkschaft der Film- und
Theaterarbeiter. Davon zeugt die Wochenschau
LIBERTAT D´ESPRESSIÓ (1978) von Antoni
Ribas. – Ulrich Gregor, der Leiter der Freunde der
Deutschen Kinemathek, schmuggelte eine 16-mm-
Kopie im Koffer aus dem Land, um LA TORNA im
Forum der Berlinale 1979 zeigen zu können.
Geschichte der Massen
Am Ende der Theorie des Films 10 betont Siegfried
Kracauer noch einmal seine Überzeugung, dass
das Kino keineswegs ein Medium der Revolution
sei. Das hält ihn aber nicht davon ab, eingangs
darzulegen, dass es sehr wohl das Privileg des
Films gegenüber den anderen Künsten sei, das
„Riesengeschöpf der Masse“ – etwa im Wechsel
von Nahaufnahmen und Totalen – abbilden
zu können. „Worauf es ankommt ist, dass der
Zuschauer in eine Bewegung einbezogen wird,
die es ihm ermöglicht, die Straßendemonstration
(...) wirklich zu erfassen.“ Etwas später in
seiner Auflistung der „spezifisch filmischen
Gegenstände“ kommt er zu den „Phänomen,
die das Bewusstsein überwältigt“, darunter die
„Greuel des Krieges“.
Bei der Sichtung im Arsenal musste ich darüber
oft nachdenken, denn in den ausgewählten
Filmen haben Staatsgeschichte, Krieg und
gesellschaftlicher Aufruhr eine solche Präsenz,
dass man sich ihr kaum entziehen kann. Und
das rührt natürlich zum einen daher, dass
ein Epizentrum dieser Filme das in ihnen
bewahrte Bild der gesellschaftlichen Massen
ist. Zum anderen führt die gleichzeitige
Präsenz von Geschichte und Gegenwart in
ihnen, zu einer schwer zu beschreibenden
Gemengelage zwischen dem „Erfassen“ und dem
„Überwältigtsein“.
Nach 1975 entsteht eine Vielzahl von Kinofilmen,
die die Geschichte gegenüber der jahrzehntelang
alleingültigen Version des Regimes zurechtrückt.
Dabei geht es um Tabus, etwa die Zerstörung der
Stadt Guernica durch die nationalsozialistische
Legion Condor, oder um die Frage, wie es zu einem
Sieg der Militärs um Franco kommen konnte.
In ihrer Summe unternehmen die Filme aus
der zweiten Hälfte der 70er Jahre zugleich eine
Revision der Ereignisse der 30er Jahre und sind
Zeugnisse für die Neukonstitution des Landes
durch den Druck der Straße und im öffentlichen
Raum. Sie produzieren so eine Art Widerhall von
Geschichte.
In LA VIEJA MEMORIA (1978) von Jaime Camino
etwa werden zum einen Zeitzeugen beider Seiten
befragt, u.a. die Kommunistin Dolores Ibárruri,
die Anarchisten Abad Santillán und Ricardo
Sanz, der Falangist Raimundo Fernández Cuesta,
der Militär Federico Escofet und José María Gil
Robles (CEDA 11 ). Zum anderen konfrontiert der
Film mit einer langen Kette von Filmaufnahmen
aus den 30er und 40er Jahren, deren Subjekt in
der Regel die „Masse“ ist. Im steten Wechsel zu
180

DAS ANDERE SPANIEN WIRD SICHTBAR
den in privaten Räumen Befragten sehen wir
Staatsempfänge, Versammlungen in Stadien,
Demonstrationen, Soldatenformationen,
marschierende Falangisten, Kriegsereignisse.
Eine neue historische Dimension erhalten
diese Bilder in der heutigen Zusammenschau
mit Aufnahmen, die die Massenereignisse
der 70er Jahre bezeugen. Die beiden Beispiele
der Noticiari de Barcelona im Programm sind
solche Dokumente: LA DIADA DE CATALUNYA
(Albert Abril, Jordi Cadena) handelt von
der Demonstration zum katalanischen
Nationalfeiertag am 11.9.1977, die als „eine der
größten Kundgebungen der Nachkriegszeit in
Europa“ gilt. Die bereits genannte Wochenschau
LIBERTAT D´ESPRESSIÓ (1978) zeigt die Proteste
der „Asamblea Permanente de los trabajadores
del espectaculo“ gegen die Verhaftung von Albert
Boadella und das Verbot von LA TORNA.
Der Kunsthistoriker Francisco Calvo Serraller
hat die Jahre des Aufbruchs, insbesondere die der
Madrider „Movida“, schon in den 80ern als ein
„verdadero fenómeno de masas“ 12 bezeichnet. Mit
den Filmdokumenten aus der zweiten Hälfte der
70er Jahre des 20. Jahrhunderts werden wir zu
Zeugen eines Zeitpunkts in der Kinogeschichte
der westlichen Welt, an dem vermutlich zum
letzten Mal die Zuschauer des Massenmediums
Film sich selbst als (triumphierende) Masse auf der
Leinwand begegnen konnten.
Sexuelle Identität
Die beiden Filme des Programms, die sich dem
Thema der sexuellen Identität widmen, beziehen
sich beide auch auf den 1936 von Falangisten
ermordeten Schriftsteller Federico García Lorca.
Dieser international anerkannte homosexuelle
Künstler wird gewissermaßen zur Leitfigur des
Neubeginns. Mit der Thematisierung seines
Schicksals und der vielfachen Wiederbelebung
seines Werks wird nicht nur ein Intellektueller
und sozial engagierter Repräsentant der
Republik rehabilitiert, es steht damit auch die
Anerkennung einer sexuellen Identität auf dem
Programm, die der katholisch-franquistischen
„Zwangsheterosexualität“ diametral entgegensteht.
In Jaime Chavarrís A UN DIOS DESCONOCIDO
ist der verehrte Dichter auch Teil des Plots. Der
schwule Zauberkünstler José unternimmt hier
eine Reise nach Andalusien in das herrschaftliche
Haus, in dem er in den 30ern als Dienstbotenkind
aufgewachsen ist. Diese Reise provoziert auch eine
Rückblende in die verdrängte Geschichte Spaniens:
Wie der mit dem Sohn des Hauses befreundete
und von José angebetete Lorca wurde auch Josés
Vater in einer Nacht des Jahres 1936 Opfer der
mordenden Falangisten.
Für den Maler, Performancekünstler und Transvestiten
Pepe Ocaña, ist Lorca ebenfalls ein großes
Vorbild. Der Protagonist des Dokumentarfilms
OCAÑA, RETRAT INTERMITTENT (1978) von
Pons Ventura, war eine Ikone der Barceloneser
Subkultur, auch er ein Arbeitsmigrant aus
Andalusien. Ausführlich berichtet er von den
erdrückenden Verhältnissen auf dem Land, seiner
schon frühen Liebe zur Theatralik und zu den
Männern. Zugleich radikal und verletzlich erleben
wir diesen außergewöhnlichen Menschen in
seiner Wohnung, in seinem Atelier, auf der Bühne
und – zumeist in Frauenkleidern – auf den Straßen
Barcelonas.
Die Filme der Reihe sind in Spanien keineswegs alle
unbekannt. Ocaña und A UN DIOS DESCONOCIDO
sind längst auch zu Ikonen der filmischen
„Transición“ geworden. LA VIEJA MEMORIA
gilt als ein Standardwerk des historischen
Dokumentarfilms. 13 In den letzten Jahren hat
auch der katalanische Film-Underground die
nötige Anerkennung in der Öffentlichkeit
bekommen: mit der TV-Doku Crónica d´una
mirada. Historia del cinema independent 1960–1975
zum einen, zum anderen mit dem Programm-Titel
Clandestí. Invisible Catalan Cinema der New Yorker
Institution PRAGDA 14 . Selbst Antoni Padros
SHIRLEY TEMPLE STORY wurde kürzlich von der
Filmoteca de Catalunya digitalisiert.
181

SABINE SCHÖBEL
182

DAS ANDERE SPANIEN WIRD SICHTBAR
183

SABINE SCHÖBEL
Die 16-mm-Kopien, die über 30 Jahre im Archiv
des Arsenals „schlummerten“, sind in ihrer
Mehrheit in einem problematischen Zustand. Auf
schlechtes Material kopiert haben sie die Farbe
verloren. Und die verbleibenden Varianten von
Lilarot bis Orangerot schlagen auf der Leinwand
einen alarmierenden Ton an. Das hat anfangs
sehr irritiert, mittlerweile betrachte ich es als
Teil des Programms. Denn Living Archive ist ein
Projekt, das mitten im historischen Umbruch
von der analogen zur digitalen Bildtechnologie
realisiert wird. Der sichtbare Verfall des
Filmmaterials ist Teil der Historizität von
Film. Das Programm im Juni wird deswegen
auch Kopien beinhalten, die diesen Verfall
dokumentieren.
Josefina Martínez konstatiert in ihrer
Untersuchung zum spanischen Kinofilm der
Jahre 1978–1983, dass in diesen „Momenten
künstlerischer Freiheit“ zwischen der
Abschaffung der Zensur und der sogenannten
„ley Miró“ sich „paradoxerweise“ keine eigene
Filmsprache herausgebildet hat 15 . Die Filme
des vorliegenden Projektes stammen aus der
Zeit vor und unmittelbar nach 1975 und es
sind keineswegs ausschließlich Kinofilme,
sondern auch Untergrundfilme und Filme, die
privat an der Zensur vorbei im Kunstkontext
entstanden sind. Schon deswegen kann
man hier keine formalen Gemeinsamkeiten
ausmachen. Aber etwas anderes wird vielleicht
in dieser genreübergreifenden Zusammenschau
einer spezifischen Epoche der spanischen
Kinematografie sichtbar: ein ästhetisches
Programm, das schon in der Sammlungspolitik
von Erika und Ulrich Gregor angelegt ist, und
das aufgrund seiner Offenheit gegenüber
allen filmischen Ausdrucksformen wie ein
Seismograph gesellschaftliche Umwälzungen in
viel größerer Bandbreite abbildet. Die Autoren
des Programms betreten mit ihren Filmen
allesamt unbeirrt Neuland. Sie haben mehr
Fragen als Antworten und mit diesen Fragen
wollen sie die eigene Zukunft bestreiten.
Diese radikal offene Haltung zum Gegenstand
verbindet die Autoren der Filme mit den
Westberliner Kino- und Festivalmachern, die ihre
Filme auswählten, sammelten und bewahrten.
An diesem Punkt ist der deutschen Kinogeschichte
und der spanischen Filmgeschichte
ein kleines Kapitel zugewachsen, das sich
möglicherweise auch beschreiben ließe als ein
Kapitel in der (imaginären) Geschichte eines
internationalen „cine imperfecto“ 16 . Aber diese
Vorstellung steht auf einem anderen Blatt.
1 Preisträger waren Ascensor von Tomas Munoz, Las Palabras
de Max von Emilio Martinez Lázaro und Las Truchas von José
Luis García Sánchez. Die weiteren Jury-Mitglieder waren Theo
Angelopoulos, Antonio Echza Sausinenea, Frieda Grafe, Sergio
Leone, Jacques Rozier, Larissa Schepitko, Ana Carolina Teixeira
Soares und Konrad Wolf.
2 Es ist geplant, dass die Reihe spätestens 2014 in einem
gesonderten Projekt durch einige der im Bundesverband
kommunale Filmarbeit e.V. organisierten Kinos tourt. Dafür
sollen, basierend auf den vorliegenden Recherchen, Info-
Materialien erstellt werden und Kooperationspartner in Schulen
bzw. Hochschulen gewonnen werden.
3 Seit November 2011 habe ich mit einer ganzen Reihe von
Filmfachleuten und Zeitzeugen über das Projekt, die Zeit nach
dem Tod Francos und die im Arsenal befindlichen Filmkopien
gesprochen. Den folgenden Personen möchte ich an dieser Stelle
explizit für ihre Unterstützung, Hinweise und Kommentare
danken: Pedro Alvarez, Teresa Delgado, Tanja Horstmann,
Ralf Junkerjürgen, Maria Jose Lasaosa, Ignacio Mendiguchía,
Concha García, Karola Gramann, Ulrich Gregor, Erika Gregor,
Willhelm Roth, Markus Ruff, Heide Schlüpmann, Stefanie Schulte
Strathaus, Marian Stefanowski.
4 Wie auch der gesellschaftlichen Ereignisse unmittelbar vor
und nach 1975. Erst später übernimmt Madrid diese Rolle und
wird Zentrum der sogenannten „Movida".
5 Die Datenbank führt den Filmemacher in zweierlei
Schreibweisen: Es findet sich dort in Kastilisch der Name
„Lorenzo" und in Katalan „Llorenç Soler". Auch das ein Hinweis
auf die sukzessive Emanzipation der katalanischen Sprache im
(internationalen) Kulturbetrieb.
6 Die 1970 wohl im DDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde
(Website Llorenç Soler).
7 „Euskadi Ta Askatasuna" (Baskenland und Freiheit)
184

DAS ANDERE SPANIEN WIRD SICHTBAR
8 Nämlich Salvador Puig Antich, (MIL – Movimiento Ibérico
de Liberación), Xosé Humberto Baena Alonso, José Luis Sánchez
Bravo, Ramón García Sanz (FRAP-Frente Revolucionario
Antifascista y Patriota) sowie Juan Paredes Manot und Ángel
Otaegui (ETA).
9 Das war der Wissensstand zum Zeitpunkt der
Forumsaufführung 1979. Heute weiß man, dass der
Angeklagte Georg Michael Welzel hieß, aus der BRD stammte
und in der DDR mehrfach wegen Republikflucht inhaftiert
war. Die spanischen Behörden hatten schon während des
Verfahrens einen Hinweis auf die Staatsbürgerschaft des
Angeklagten, gingen ihr aber nicht nach, da sie Probleme mit
den westdeutschen Behörden vermeiden wollten. Zu Polen
bestanden damals wohl keine diplomatischen Beziehungen.
15 Josefina Martínez: „Tal como éramos... El cine de la Transición
política española“. In: Historia Social, Nr. 54, Jg. 2006, S. 73-
92. „A partir de 1977 varían las señas del cine español que
practicamente no se habían modificado desde la guerra civil.
Lo paradójico del caso será que en estos momentos de libertad
creativa no surgirán propuestas estéticas radicales y rupturistas
sino que genera un cierto acomodo de la industria, una búsqueda
que se centra en abordar la representación de la nueva situación
sociopoloitica y la diversidad ideológica con formulas realistas y
poco arriesgadas.“, S. 92.
16 Julio García Espinosa: Por un cine imperfecto. Kuba, 1969.
http://www.cinefagos.net/index.php?option=com_
content&view=article&id=434:por-un-cine-imperfecto&catid=3
0:documentos&Itemid=60
10 Siegfried Kracauer: Theorie des Films. Die Errettung der
äußeren Wirklichkeit. Frankfurt am Main 1964. Original: Theory of
Film. The Redemtion of Physical Reality. New York 1960.
S. 178, oben, SHIRLEY TEMPLE STORY
(Antoni Padros, Spanien 1976)
11 Confederación Española de Derechas Autónomas
12 „Ein echtes Massenphänomen“. Francisco Calvo Serraller:
Medio siglo de vanguardia. Bd.I, Madrid 1985. S. 101.
13 Alle drei Filme waren zeitweise als VHS oder DVD erhältlich.
14 Das 2011 und 2012 auch in der Cinémathèque Française in
Paris und im Programm von Instituto Cervantes und Babylon
Mitte in Berlin zu sehen war.
S. 178, unten, LA DIADA DE CATALUNYA
(Albert Abril/Jordi Cadena, Spanien1977)
S. 182, OCAÑA, RETRAT INTERMITTENT
(Ventura Pons, Spanien 1978)
S. 183, NO COMPTEU AMB ELS DITS
(Pere Portabella, Spanien 1956)
S. 185, CINCUENTA Y DOS DOMINGOS
(Llorenç Soler, Spanien 1970)
185

Marcel Schwierin
Das Kino der Republiken
Manchmal wird das Kino zu einer existentiellen
Erfahrung, die die eigene Wahrnehmung der
Welt verändert, so dass man sich als Betrachter
nicht nur sein ganzes Leben an den Film, sondern
auch an den Moment erinnert, in dem man ihn
sah. SAJAT NOVA war für mich ein solcher
Film. Ich war am Anfang meines Filmstudiums,
hatte den Namen Sergej Paradschanow noch
nie gehört und war von meinem Tagesjob als
Schnittassistent so müde, dass ich während der
Vorführung immer wieder kurz einschlief. Die
ohnehin schon traumartigen Bilder verwoben
sich so mit meinen eigenen Träumen und ließen
mich gleichermaßen fasziniert wie ratlos zurück.
Solche Bilder hatte ich noch nie gesehen. Ich
sah mir alles von Paradschanow an, konnte mir
aber immer noch nicht erklären, aus welchen
Quellen sich die besondere, die einzigartige
Magie seiner Filmsprache speist. Sehr viel später
hatte ich ein ähnliches Erlebnis mit Artawazd
Peleschjans MENK (Wir), auch hier schien es mir,
als sei ich einer völlig anderen Form des Films
begegnet, die keine Entsprechung in der übrigen
Kinogeschichte habe.
Den offiziellen Namen „Union der sozialistischen
Sowjetrepubliken“, hat im Westen niemand
so richtig ernst genommen. Die Sowjetunion,
das war Russland, erweitert um ein paar
unterdrückte und ausgebeutete Provinzen
drumherum. Tatsächlich bestand sie jedoch
aus 16 Republiken, die insgesamt über 100
verschiedene Nationen repräsentierten. In
seiner Analyse des Zusammenbruchs der
Sowjetunion verweist Manuel Castells darauf,
dass der politischen Unterdrückung der
Republiken durch Moskau eine ökonomische
Unterstützung derselben entgegenstand. 1 In der
sowjetischen Filmproduktion entstand dadurch
ein weltweit einmaliges System. Während sich
die nationalen Filmproduktionen wegen ihres
enormen logistischen Aufwandes normalerweise
auf wenige Orte konzentrieren – zum Beispiel
Bombay, Kairo, Hollywood, Paris oder Tokio
–, hatte die Sowjetunion in jeder Republik
mindestens ein Kinofilmstudio, in manchen
sogar mehrere. Die Geschichte dieser Studios
unterschieden sich wesentlich, während zum
Beispiel Armenien, Georgien, Russland und
die Ukraine schon vor der Oktoberrevolution
Kinostudios und eine eigene, wenn auch
notwendigerweise kurze Filmtradition besaßen,
war das Medium Film für die zentralasiatischen
Republiken völliges Neuland. Natürlich wäre
es naiv, diese Förderung des Kinos in den
Republiken als ein altruistisches Instrument zur
Erhaltung lokaler, gar unabhängiger Kulturen
zu sehen; Kino galt der jungen Sowjetunion als
ideales Medium der Propaganda, gerade auch
weil es mit dem verbreiteten Analphabetismus
und der Vielfalt der Sprachen einfacher war,
die Menschen über ein visuelles Medium zu
erreichen. So blieb Moskau auch immer das
Zentrum der sowjetischen Filmkultur, hier saß
die zentrale Zensur, hier wurde entschieden,
welche Filme aus den Republiken regional
186

Ihr
alle
seid die Herren
der sowjetischen
Erde
In euren Händen liegt
der sechste
Teil
der Erde
Vom Kreml
bis zur chinesischen Grenze.
Von der Matotschkin-Meeresenge
bis nach Buchara
Von Noworossijsk
bis Leningrad
Vom Leuchtturm am Polarkreis
bis zu den Bergen des Kaukasus
Vom Steinadler auf dem Arm des Kirgisen
zu den Eiderenten auf den Felsen des Eismeers
zu den Eulen des Nordens
zu den Möwen des Schwarzen Meers
alles
ist in euren
Händen
Dsiga Wertow, Shestaya Chast Mira (Ein Sechstel der Erde)
und welche unionsweit oder gar im Ausland
eingesetzt werden sollten – und natürlich auch,
welche Filme für immer ins Regal verbannt
wurden. Und hier war auch die zentrale
Filmschule, die berühmte WGIK (Staatliches
All-Unions-Institut für Kinematografie). Junge
Studenten kamen aus allen Republiken, um dort
zu studieren, und sie trafen dort nicht nur auf die
sowjetische Filmtradition, sondern auch, soweit
zugelassen, auf den internationalen Film. Nach
ihrem Studium kehrten viele in ihre Republiken
zurück und schufen dort eigene, oft einzigartige
Filmsprachen, die regionale, sowjetische und
internationale Bildtraditionen miteinander
verwebten. Dieser sehr fruchtbare Austausch
fand auch zwischen den nichtrussischen
Republiken selbst statt, so drehte die Ukrainerin
Larissa Schepitko, die bei Oleksandr Dowschenko
studiert hatte, ihren Abschlussfilm Snoj (Hitze) für
das Studio Kirgizfilm und Peleschjans OBITATELI
(Die Bewohner) entstand in Weißrussland.
Trotz dieser Einmaligkeit blieb das Kino der
Republiken im Ausland aus mehreren Gründen
relativ unbekannt. Zum einen wurden die
regional produzierten Filme immer über
Sovexport in Moskau exportiert und als
Produktionsland uniform „UdSSR“ angegeben.
Nur sehr wenige Datenbanken, wie die zum
Beispiel das Lexikon des Internationalen Films,
187

MARCEL SCHWIERIN
erwähnen zumindest das Produktionsstudio,
man kann hier nach „Armenfilm“ oder „Odessa
Kinostudio“ suchen. Das Archiv des Arsenals
gibt zwei Produktionsländer an, also „UdSSR“
und „Georgien“ für einen Film, der in der
Georgischen SSR produziert wurde. Weiterhin
gab es innerhalb des russisch dominierten
sowjetischen Films durchaus Vorbehalte
gegenüber den „Provinzen“. Sergej Paradschanow
war mehrfach im Gefängnis, Otar Iosseliani und
Michail Kobachidze emigrierten schon vor der
Perestroika und selbst noch 2004 erklärte mir ein
Filmemacher in Moskau, dass nur die schlechten
Regisseure nach dem Studium in die Republiken
zurückgeschickt worden wären, die fähigen
hätten in Moskau gearbeitet. Und schließlich
brach mit der Sowjetunion auch das Kino der
Republiken in sich zusammen, es gab in den jetzt
unabhängigen Staaten oft weder Geld für die
Filmproduktion noch für die Aufarbeitung ihrer
eigenen Filmografien, so dass ihre Geschichte
zunächst verschwand. 2
Erschwerend kommt hinzu, dass das zentrale
Filmarchiv Gosfilmofond in Moskau, in dem
sich die meisten Kopien und Negative der
Republiken befinden, extrem unzugänglich ist,
so dass das gesamte Filmerbe der Sowjetunion –
mit Ausnahme der schon bekannten Klassiker
– nur begrenzt erschlossen oder gar gezeigt
werden kann. Dadurch bekommt das Archiv
des Arsenals eine besondere Bedeutung. Über
Jahrzehnte hinweg hatten das Internationale
Forum des Jungen Films und das Kinoprogramm
des Arsenals einen Fokus auf Osteuropa und
besonders den sowjetischen Film, wesentlich
auch intendiert als politisch motivierte
Verständigung nach dem Zweiten und inmitten
des Kalten Krieges. Der intensive Austausch
mit Persönlichkeiten wie Naum Kleeman
(Filmmuseum Moskau) und Gaga Chkheidze
(Tblisi International Film Festival) sowie direkte
Kontakte zu vielen Filmemachern schufen eine
wahrscheinlich einzigartige Sammlung, die im
Gegensatz zu normalen Filmarchiven nicht auf
systematischer Erfassung bestimmter Bereiche,
sondern auf der kuratorischen Auswahl einzelner
Werke basierte. Weiterhin übernahm das Arsenal
mehrere externe Archive. Für den sowjetischen
Film sind hier besonders erwähnenswert die
Preisträger des Internationalen Mannheimer
Filmfestivals, eine Retrospektive des georgischen
Films im Centre Georges Pompidou sowie Teile
der Filmarchive des Metropolis Kinos in Hamburg
und der Berliner Garnison der Roten Armee.
Insgesamt umfasst das Archiv des Arsenals heute
ungefähr 450 sowjetische Filme, darunter etwa
170 aus den nicht-russischen Republiken, wovon
allein 80 wiederum Werke des herausragenden
georgischen Films sind.
DAS KINO DER REPUBLIKEN im Rahmen des
Living-Archive-Projektes kann nur eine sehr
kleine Auswahl daraus präsentieren. Die 20
Werke aus zehn Republiken konzentrieren sich
auf das Genre Spielfilm und Dokumentarfilm
mit einem weiteren Schwerpunkt auf kurze und
mittellange Filme.
Aber worin besteht nun die Besonderheit dieser
Filme? Was unterscheidet ihre Filmsprache
von den vielen anderen Kinematografien der
Filmgeschichte? Die Frage ist nicht einfach zu
beantworten, das asiatische Sowjetkino ist kaum
mit dem des Baltikums zu vergleichen, aber auch
zwischen dem armenischen und dem georgischen
Kino bestehen wesentliche Unterschiede. Ihnen
gemeinsam ist jedoch, dass sie als ökonomisch
vergleichsweise „kleine“ Länder in Zeiten des
analogen Films kaum eine eigene, nationale
Filmproduktion hätten entwickeln können. Die
Abhängigkeit von der Sowjetunion brachte ihnen
nicht nur Zensur und Unterdrückung, sondern
verwickelte sie auch in einen fruchtbaren
ästhetischen Dialog mit einer der innovativsten,
weil nicht ökonomisch dominierten
Kinematografien. 3 Zumindest für die asiatischen
Republiken war dieser Dialog auch einer
188

DAS KINO DER REPUBLIKEN
Michail Kalatosow, DJIM SHVANTE! (Salz für Swanetsien)
zwischen West und Ost, zwischen einer hoch
industrialisierten und vielen noch agrikulturell
dominierten Regionen. Normalerweise werden
solche Kulturen in der Begegnung mit dem
Kino niemals Subjekt ihrer Bilder, sondern
folkloristisches Motiv 4 oder ethnografischer
Untersuchungsgegenstand. Das komplexe
Studiosystem der Sowjetunion hingegen schuf
Räume für eine ganz andere Art der Begegnung,
die auch ganz andere Bilder hervorbrachte.
1 Manuel Castells, Die Macht der Identität, Opladen 2003
2 Es gibt kaum Literatur zu dem Kino der Republiken. Vgl.:
Oksana Bulgakowa: „Wie national ist das nationale Kino? Aus
der Geschichte der asiatischen Kinematografien der ehemaligen
Sowjetunion“. film-dienst 24/1993-1/1994
3 Selbst Regisseure, deren Filme verboten wurden, konnten
immer wieder neue drehen (so etwa Alexander Sokurow), was
mit dem sowjetischen Recht auf Arbeit zusammenhing. Im
Stalinismus galt das natürlich nicht.
4 Folkloristische Kitschfilme gab es allerdings immer noch
genug, so wies mich die Filmemacherin Tatjana Kononenko
darauf hin, dass das ukrainische Fernsehen täglich mehrere
Stunden regionale Tänze in Trachtenkostümen zeigte, auch gibt
es zahllose Filme, die sich auf die touristische Lobpreisung der
jeweiligen Landschaft beschränken.
189

Marc Siegel
Stupid Structures, Happy Structures:
The Work of Ludwig Schönherr
190

191

MARC SIEGEL
192

STUPID STRUCTURES, HAPPY STRUCTURES
193

MARC SIEGEL
194

STUPID STRUCTURES, HAPPY STRUCTURES
Let us return to the work of German artist Ludwig Schönherr (also known as
“Peter Schönherr” and “Ludwig Winterhalter”) which was presented for the first
time at the Forum Expanded/Berlinale in 2009. The idiosyncrasy of this oeuvre,
forged over four decades, is not simply that of its sudden, belated emergence into
the public eye. Between the 1960s and the 1990s, this shy, reticent artist produced
a varied body of work in film (predominantly on Super 8mm) and photography
that engages with–yet remains peripheral to–the dominant artistic currents
of its time. This aesthetic position on the sidelines of structuralism, Fluxus and
formal film echoes Schönherr’s fleeting personal and working relationships with
a number of significant figures in the international avant-garde of the 1960s and
‘70s, including Otto Mühl, Jack Smith, Dieter Roth and Nam June Paik.
Pages 190, 192, 193, 194: From the Archives of Ludwig Schönherr
Page 191 top: Framegrab from Face 1 & 2 (Ludwig Schönherr, FRG 1968)
Page 191 bottom: Framegrab from Elektronik 18 (Ludwig Schönherr, FRG 1968/1969)
195

Senta Siewert
Born to be Alive
Ausgehend von der Archivrecherche im Arsenal entstand die Idee, den
Dokumentarfilm Born to be Alive über einige Experimentalfilmemacher
zu drehen. Neben den Filmemachern, die zu Wort kommen, sind weitere
Interviewpartner Programmgestalter, die ihnen eine Plattform bieten, darunter
Teilnehmer des Living Archive-Projekts. Im Dokumentarfilm werden aktuelle
Wiederaufführungen von experimentellen Filmen der 1960er und 1970er Jahre
diskutiert sowie die Kooperation von Filmemachern mit Programmgestaltern
und Verantwortlichen von Kinematheken, Festivals, Archiven und Museen. Der
Film schließt an das DFG-Forschungsprojekt „Programmgestalten, Kuratieren und
Rekonstruieren als Elemente einer performativen Praxis der Filmhistoriographie“
an, in dem das Living Archive-Projekt und das Forum Expanded eine zentrale
Rolle einnehmen. In Erweiterung des Horizonts der bisherigen filmtheoretischen
Reflexion geht das Projekt von der Annahme aus, dass zu einer ästhetischen
Bestimmung des Gegenstandes Film die Praxis seiner Aufführung ebenso
gehört, wie dies etwa bei der Aufführung eines musikalischen Werkes der Fall
ist. Im Licht dieser Annahme untersucht das Projekt anhand von signifikanten
Fallbeispielen die drei Bereiche Experimentalfilm/Expanded Cinema, Film- und
Videoinstallation sowie das kuratierte Filmprogramm als Mittel der Archivarbeit
und der Darstellung von Archivbeständen. Der Untersuchungszeitraum erstreckt
sich dabei von den 1970er Jahren bis zur Gegenwart. Die in der Filmtheorie
traditionellerweise bestehende Lücke zwischen Analyse und theoretischer
Modellierung einerseits und Rekonstruktion der Rezeptionserfahrung
andererseits schließt das Projekt in methodischer Hinsicht durch eine historischrekonstruierende
Dokumentation und eine teilnehmend-begleitende Analyse
kuratorischer und programmgestalterischer Arbeiten. Da Filmarchive heute
im Zeichen einer reflexiven Historisierung der Medienkultur zunehmend an
Bedeutung gewinnen, wozu auch die Zirkulation von Filmbilden in digitalen
196

Still aus Born to be alive (Senta Siewert, 2014)
Netzwerken wesentlich beiträgt, widmet das Projekt dem Zusammenhang
von Gedächtnis- und Erinnerungsfunktion und filmischer Ästhetik
an der Schnittstelle von Filmarchiv und Ausstellungspraxis besondere
Aufmerksamkeit. Den ersten Ansatzpunkt der Untersuchung bildet dabei das
von der Forschung bislang weitgehend vernachlässigte kuratierte Programm
als Medium der Darstellung und der Filmgeschichtsschreibung. Das Projekt
stellt die Frage, inwiefern die Praxis des Programmgestaltens als Modus
der Historiographie bzw. als Film-Archäologie mit ästhetischen Mitteln zu
begreifen ist. Es beantwortet diese Frage anhand einer Untersuchung konkreter
kuratorischer Konzepte von ausgewählten Film- und Videokunst-Institutionen,
deren Archive und Sammlungen mit ihren jeweiligen Praktiken des Bewahrens
und Rekonstruierens in vergleichender Perspektive analysiert werden. Diese
Methode einer „Pragmatischen Poetik der Archivarbeit internationaler
Institutionen“ schließt sowohl eine Analyse der Politik der Archive als auch der
Ästhetik der ausgewählten Filme und Programme mit ein.
Das Arsenal nimmt international eine besondere Stellung ein, da es zugleich
ein renommiertes Kino und Teil eines A-Filmfestivals ist sowie eine beachtliche
Sammlung samt Online-Datenbank aufgebaut hat. Die unterschiedlichen
Expertisen vereint in einer Institution bilden einen fruchtbaren Boden für
Recherchen und innovative Projekte, wie dem Living Archive-Projekt, welches
in seiner Konzeption und Ausführung einzigartig und wegweisend für andere
Institutionen ist.
197

Now! (Extended) – A Copy in Motion
A show by participants of the lensbased class
at UdK Berlin facilitated by Hito Steyerl
As part of the Living Archive project, a group of artists that gathered around
Hito Steyerl‘s seminar »…past surpassing catastrophe« produced an exhibiton on
the legendary Third Cinema short film NOW! by Santiago Alvarez.
Alvarez’s film, a central title of the Arsenal’s film collection, was compiled from
appropriated newsreel materials, as well as photographs taken from American
magazines such as LIFE. Alvarez combines iconic images of American civil
rights movement and police brutality against African Americans into an upbeat
montage, whose urgency is underscored by Lena Horne’s song Now – itself an
appropriation of sorts – set to the melody of Hava Nagila.
NOW! became known both as the first DIY music video and pirate agit prop clip.
The show, which was presented in February 2012 at Kunstraum Kreuzberg,
questioned the film’s relevance today, in a digital era in which images and sound
have become ever more mobile, during which ripping, remixing and collective
production have become ever more common tools of communication. The works
exhibited revolved around the genealogies of the sounds and images used in
NOW! and projected their trajectories into the future.
The exploration of the archive essentially becomes part of the production of the
contemporary.
Participating artists
Hanna Bergfors, Alice Escher, Giorgi Gago Gagoshidze, Vincent Grunwald,
Candice Jee, Lennart Krauss, Kornelia Kugler, Paida Larsen, Boaz Levin,
Mikk Madissen, Coralina Meyer, Bettina Mooshammer, Mehi Park,
Gianluigi Scarpa, Lena Siebertz, Lea Sövsö, Bärbel Trautwein,
Nina Wiesnagrotzki, Franziska Wildt, Anna Zett.
Curators
Vincent Grunwald, Nina Wiesnagrotzki
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200

Now! (Compressed)
On the occasion of the Living Archive presentation in June 2013 the exhibition
NOW! Extended returns to itself as an archive. The different art works, all
made as part of an attempt of animating archival material, are now themselves
rendered source material. They are de-exhibited, compressed and re-exhibited.
As part of the larger structure of the Living Archive project the NOW!
Compressed installation stages the afterlife of a group show. In the preparation
for the first show, the participating artists employed various strategies which
localised, actualised and historicised NOW!. Once compressed the works and
their references to Alvarez‘s film are displaced and fragmented. A diverse
exhibition is transfigured into a single collective installation.
NOW! Compressed is a collective project, dealing with material limitation and the
practice of digital archiving.
The publication NOW! Extended will be launched as part of the recurring event
series Performing Books. Besides screengrabs from Alvarez’s film, the volume
includes a series of essays by participants of the seminar which revolve around
the theme of the contemporary archive while questioning its relevance as a
viable critical practice. The book launch lays emphasis on performance as a
practice opposed to the archival form. It creates ephemeral, live texts, which
unfold their meaning first in the room with other bodies. Despite the finality of
the film copy, cinema has also always been such a room. Meaning is potentially
created differently at each screening. As part of the exhibition, the film NOW!
is performed and reinterpreted live at Kino Arsenal. What happens to the strong
historic moment articulated in this film, as it is connected with other films from
the archive, and accessed through the recent, digital archive of
NOW! (Extended)?
Participating artists
Hanna Bergfors, Alice Escher, Giorgi Gago Gagoshidze, Vincent Grunwald,
Candice Jee, Lennart Krauss, Kornelia Kugler, Paida Larsen, Boaz Levin,
Bettina Mooshammer, Mehi Park, Gianluigi Scarpa, Lena Siebertz, Lea Sövsö,
Bärbel Trautwein, Nina Wiesnagrotzki, Franziska Wildt, Anna Zett.
201

202

Dorothee Wenner
FAMILY AFFAIRS
Aus meiner Sicht gibt es mehrere Typen von Archiven: solche, die explizit
genutzt werden wollen und sich nutzerfreundlich schon mit ihren Internet-
Auftritten präsentieren – und andere, die als geschlossene Systeme potentielle
Nutzer wie Eindringlinge behandeln, die man nach Möglichkeit fernhält. Etwa
durch seltsame Öffnungszeiten, undurchschaubare Ordnungssysteme, wirre
Katalogsystematiken, schrullige Archivare … Die Filmsammlung des Arsenals
fällt in die eher seltene dritte Kategorie, denn von Beginn an war das Arsenal
ein offenes Archiv, ausgerichtet auf Nutzung und Zugänglichkeit – durch
Aufführung der Filme im Arsenal, durch den angegliederten Verleih – und
durch seine Offenheit für Filmemacher, Produktionsfirmen, Sammler, die ihre
Kopien an einem sicheren Ort wissen wollten. Wie eine Bestätigung dieser
weltzugewandten, auf Nutzung ausgerichteten Philosophie, begann Living
Archive 2011 als eine Initiative, die die Zugangsmöglichkeiten zur Filmsammlung
auf vielfältige Weisen zu erweitern suchte. Aber wie? Tatsächlich ist und war
die Verfügbarkeit der Filme alles andere als transparent, und auch mir, als
Mitarbeiterin des Forums, nach über 20 Jahren nicht wirklich durchschaubar.
Viele der Filme scheinen – trotz real tadelloser, klimatischer und quasi
staubfreier Lagerung in nordeuropäischen Regalsystemen – versteckt,
vergraben unter virtuellen Spinnennetzen aus unklaren Aufführungsrechten,
fragilen Kopienzuständen und komplizierten Sonderregelungen. Das
Nachdenken darüber, wie sich neue Zugangsmöglichkeiten zu dieser
Schatztruhe, die das Filmlager in Spandau ja tatsächlich ist, finden lassen
könnten, begann mit der irgendwie befreienden Einsicht, dass es sich hier
eher um eine Wunderkammer als um ein klassisches Archiv handelt. Den
Unterschied sehe ich vor allem darin, dass sich in einer Wunderkammer
– viel deutlicher als in einem klassischen Archiv – der Charakter der
Sammler spiegelt: ihre persönlichen Vorlieben, ihre von Zufällen geprägten
Funde, ihre auf Reisen entdeckten Trouvaillen, das süße, aber inhärent
vergebliche Bestreben um Systematik und Vollständigkeit der Sammlung,
das Beziehungsgeflecht von Freunden, Bekannten, Gleichgesinnten und
Mitarbeitern, die das Archiv in den 50 Jahren seines Bestehens als Sammler
203

DOROTHEE WENNER
und Entdecker mitgeprägt haben. Somit war ich bei Ulrich und Erika Gregors
Schlüsselposition zum Archiv angekommen – und bei den 1.001 Geschichten,
die ich im Laufe der Jahre von ihnen gehört hatte. Diese Geschichten verbinden
sich zu einer philosophisch-praktischen Metaebene, gespeist aus Entdeckerlust,
Abenteuerfreude, Witz, Pioniergeist, Mut, Raffinesse, Anekdoten und
Sammlerpassion: Das phänomenale Filmwissen von Ulrich und Erika Gregor
schwebt als das eigentliche Ordnungssystem über diesem Film-Archiv.
Doch die Natur des Filmwissens beider Gregors verhindert jeden Versuch,
einen „ordentlichen“ bzw. systematischen Zusammenhang mit dem Archiv
herzustellen: Es ist ganz einfach zu umfangreich. Und tatsächlich zum
Scheitern verurteilt, lässt man nur einmal den Blick schweifen über das
Datenbank-Verzeichnis aller Film- und Videokopien im Besitz des Arsenals,
über die von Gregors und Forums- bzw. Arsenal-Mitarbeitern angelegten,
wertvollen Aktenordner, die heute die Rückwände mehrerer Büros im
Arsenal zieren, die Forumskataloge aus über vier Jahrzehnten, die Arsenal-
Programme unterschiedlicher Formate, die Broschüren und Bücher im
Archivraum, die geheimnisvoll-unergründliche Privat-Bibliothek der
Gregors, ganz zu schweigen von noch ungeordneten Audio-Mitschnitten
von Forumsdiskussionen auf Kassetten – man geht einfach nur in die Knie.
Doch die Erzählkunst der Gregors, gepaart mit einem beneidenswerten
Erinnerungsvermögen, bot für dieses Projekt eine simple – weil quasi-private
– Alternative.
FAMILY AFFAIRS ist ein „Oral-History“-Projekt im Rahmen von Living Archive.
Es ist der Beginn einer Sammlung von filmisch dokumentierten Geschichten,
die erzählen, auf welchen Wegen einzelne Filmkopien in das Arsenal-Archiv
gelangt sind. Als „net-flicks“, die auf der Website des Arsenals fürderhin jedermann
zugänglich sind. Wir haben uns in der Bibliothek von Ulrich Gregor getroffen
– und einfach angefangen. Nach Lust- und Zufallsprinzip, befreit vom Zwang,
sich von A nach Z, über Jahreszahlen, Namen oder geographischen Kategorien
einengen zu lassen, haben Gregors zu erzählen begonnen, mal zu zweit, mal
individuell. Wir haben uns selbst die Beschränkungen von ca. zehn Minuten pro
Film auferlegt, wobei eine Geschichte zuweilen auch mehrere Filme betrifft. So
geht es zum Beispiel in einem FAMILY-AFFAIRS-Film um die Schenkung von
zehn indischen Filmen, die das indische Volk – vertreten durch eine hochrangige
Regierungsdelegation – dem deutschen Volk, vertreten durch Ulrich Gregor
und die Freunde der Deutschen Kinemathek – als Akt der Völkerverständigung
im Jahr 1991 überreicht hat. Anlass war das Festival of India, ein gigantisches
Kulturfestival, inklusive einer vom Arsenal administrierten Filmschau, die durch
die ganze Bundesrepublik tourte. Die Schenkung war der Dank für die herkulische
Leistung, diese Filmschau kuratiert und organisiert zu haben – ergänzt durch eine
umfangreiche Publikation. Die Übergabe des Geschenks geschah im Rahmen der
feierlichen Eröffnungszeremonie im Haus der Kulturen der Welt. Dabei wurden
204

FAMILY AFFAIRS
Öllampen angezündet, Reden gehalten und Schriftrollen mit edelsteinbesetzten
Schatullen überreicht. Ulrich Gregor erzählt, wie er besagte Schriftrolle dann
erst einmal fotokopiert hat – und wie er eben dieses Papier später vornehm und
unwiderlegbar als immerwährendes Aufführungsrecht dieser Filme umgewidmet
hat. Erika Gregor weiß die Geschichte der Herkunft dieser zehn Filme im Archiv
um pikant-erbauliche Erinnerungen zum Festakt zu erweitern: Möglicherweise
war es vor allem ihrer geschickten Art zu verdanken, dass die indische Delegation
dem Arsenal am Ende ihres Besuchs ein dermaßen großzügiges Geschenk machen
MUSSTE? Bei dieser für Erika Gregor so typischen Aktion spielten in diesem
besonderen Fall unter anderem eine Rolle: junge Blondinen mit langen Haaren,
Mercedes-Limousinen und eine Begegnung mit Otto Waalkes.
Der Titel FAMILY AFFAIRS verweist indes nicht nur auf den durchaus
intendierten unterhaltsamen Charakter dieser „net-flicks“, sondern auch auf
die „extended film family“, die mit dem Arsenal-Archiv auf vielfältige Weise
verbunden ist. So tauchen schon in dieser ersten Sammlung Personen auf, die an
den unterschiedlichsten Orten der Welt arbeiten und zu dem weltumspannenden
Netzwerk derer gehören, die das Archiv mitgeprägt haben. Als Vorreiter
dieser hoffentlich beständig wachsenden Sammlung kommen zunächst Naum
Kleemann, Kanako Hayashi, Gaga Tschcheidse, Peter B. Schumann und Erika
Richter zu Wort. In ihren filmwissenschaftlich und filmhistorisch absolut
wissenswerten Geschichten, die sie in den FAMILY-AFFAIRS-Filmen erzählen,
geht es um Pistolen und Faxgeräte, um Fidel Castro und Putzfrauen, um Wegezoll,
Hetzkampagnen, Odessa, bulgarische Polizisten u.v.a. Diese Schlagworte – darauf
sei ausdrücklich hingewiesen – geben nicht etwa die Handlungen einzelner Filme
wider, sondern beschreiben Stationen einzelner Kopien auf ihrem Weg ins Archiv.
205

DOROTHEE WENNER
Anleitung für die Produktion von Filmen für die
FAMILY AFFAIRS-Sammlung im Rahmen von
Living Archive:
FAMILY AFFAIRS begann im Jahr 2012 als ein
offenes Projekt von Ulrich und Erika Gregor in Zusammenarbeit
mit Dorothee Wenner.
Ab Juni 2013 werden über die Arsenal-Website die fertigen
Filme öffentlich für jeden zugänglich gemacht.Wir freuen uns
über weitere Filme, die für die FAMILY AFFAIRS-Sammlung
entstehen und eingereicht werden.
Auf www.arsenal-berlin.de/living archive/ finden Sie eine
Auflistung und Informationen aller bereits existierender Filme
der FAMILY AFFAIRS-Sammlung.
In der Filmdatenbank finden sich bei sämtlichen Filmtiteln
aus dem Arsenal-Archiv, die in den FAMILY AFFAIRS-Filmen
Erwähnung finden, Hinweise auf dieselben.
Technische Details:
• Filme für die „FAMILY AFFAIRS“ Sammlung können auf sämtlichen Formaten gedreht werden.
• die einzelnen Filme sollten die Länge von 10 Minuten möglichst nicht überschreiten und
können gerne „privaten“ bzw. Amateurcharakter haben.
• Die interviewten Personen sind sichtbar im Bild, vorzugsweise
in einem/ihrem privaten Ambiente.
• Die einzelnen Filme bestehen aus einer oder mehreren Einstellungen.
• Wenn geschnitten wird, werden die Einstellungen durch 12 Schwarzbilder erkenntlich
voneinander getrennt.
• Die „Bibliothekskarten“ zu Beginn des einzelnen Films sollten graphisch nach Möglichkeit dem
abgebildeten „screenshot“ ähnlich sein: weiße Schrift (Trebuchet MS) auf schwarzem Grund.
• Filme können in allen Sprachen eingereicht werden; werden Filme in anderen Sprachen als
Deutsch oder Englisch eingereicht, bitten wir um deutsch/englisch untertitelte Versionen.
• Das Arsenal behält sich die redaktionelle Schlussredaktion vor.
Bei Interesse schreiben Sie bitte an: familyaffairs@arsenal-berlin.de
206

FAMILY AFFAIRS
Wenn Sie Interesse haben, weitere Filme für die FAMILY AFFAIRS-Sammlung zu
produzieren, freuen wir uns sehr. Wir bitten Sie indes, im Sinne der Sammlung,
folgende Hinweise zu beachten:
Die Geschichten der neu zu produzierenden Filme beziehen sich auf einen oder
mehrere Filme, die sich im Archiv des Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V.
befinden.
Die Filme beginnen jeweils mit einer Texttafel, auf der folgende Informationen
versammelt sind:
• Name der interviewten Person
• Titel/Beruf/Tätigkeit der interviewten Person – und/oder ihr Bezug zum Arsenal
• Aufnahmedatum
• Sprache des Films
• Auflistung der Filmtitel, die im Film erwähnt werden
• Titel in Originalsprache; (in Klammern: anderssprachige Titel und anderslautende Titel)
n.b.: hier tauchen NUR Filme auf, die sich im Archiv des Arsenals befinden
• Schlagworte: chronologisches Stichwort-Protokoll des Gesprächs mit wichtigen Begriffen;
Jahreszahlen; Eigennamen, Filmtiteln; (Filmtitel hier: fett) u.v.a.
Screenshot aus einem FAMILY AFFAIRS-Film
207

Ian White / Johannes Paul Raether
A Shared Stage of Contingent Production
Hebbel am Ufer, HAU1, Stresemannstr. 29, 10963 Berlin, Tuesday 13 March 2012
Works by Ian White and Johannes Paul Raether explore the relationship between the
live and the moving image, dissecting the theatre space along its proscenium arch,
between performance and production.
19:30
Trauerspiel 1
Ian White
In the auditorium five films alternate with a
series of five ‘dances’ and time is measured by
theatre machinery. It is a sketch: of architecture,
the body, light and shadow – a production of
images.
* * *
Walter Benjamin’s The Origin of German Tragic
Drama, 1928, variously describes the specifically
German late Baroque dramatic form of the
Trauerspiel, or ‘mourning play.’ It is distinct from
the model of tragedy as we have received it in
its Aristotelian form: that familiar, entertaining
narrative arc of a Tragic Hero, subject to his
Tragic Flaw, witnessed falling from power for the
sake of a catharsis that reinscribes the audience’s
civic obedience. Instead, the Trauerspiel functions
more like an allegory, with a structure that is
more flat, lives figured as more ordinary and
time passing more regularly (albeit in an abstract
space). Meaning is demonstration-like, rather
than the effect of emotional peeks and troughs,
mimesis, persuasion, or expression.
TRAUERSPIEL 1 is not an illustration of
Benjamin’s text – just as its ‘dances’ do
not illustrate its films, or vice versa. I employed
some of Benjamin’s ideas as they intersect
with my own performance practice and to
structure my research into the film collection.
Benjamin’s text and the selected films effect
a resistance: a slow-motion flicker between the
auditorium, stage, and screen. Allegories of Love
and Time generate each other. Co-occupation.
Production is the matter of our own act of reading
(which is also speaking) and an encounter:
APPLE DANCE
Karola Schlegelmilch
BAUCHLANDUNG (BELLYFLOP), 1991, 3 min
Fruits pass by like planets. The sun breaks over
a rolling, slightly hairy skin. Heavy breathing.
A loud cough. A clock ticks. A fruit spins. Fruit
breathes, decomposing. A fork smashes it up.
Something like an egg plops from a mouth into
a metal pan filled with water on a stove, three
times. The screen is black.
Fruit falls through the frame. A woman is
speaking as if to a family. No one replies. She
might be serving dinner. She might be alone.
208

WATER DANCE
Klaus Telscher
HER MONA, 1992, 7 min
There are rocks and water in the background. A
man is sat in the foreground and looks a bit like
Fassbinder or Francis Bacon: young but a little
brutish. He is more awkward than his setting,
feet out of shot, arms half-crossed on raised knees,
delicate. He is composed, as if for a portrait. Which
it is. And it is tender, the way we look at him,
like desire. Cut to black. The picture returns, the
man is not there. The camera pans from right to
left, waterfalls spill over rocks. Music. A woman
singing in Japanese. Is this a setting? Back to
the beginning. The water falls. Different men
appear, sat roughly in the same position. They are
romantic. They cannot be touched. Sunlight falls
onto the rocks and the water falls.
A plank of wood. A hand. A hammer. Steam.
Crushed metal, a headpiece, a nest. A hand
reaches in to another hand, to help it out.
A hammer. Two hands help one arm out of
tangled, gnarled wood. A man carries wood,
walks between sculptures in a torn shirt, broken
statues. An animal skeleton. Limbless torsos.
A woman on a loom. Or a harp. Or a figure of
these. One man supports another on his back,
drags him across the floor. White handkerchiefs
are pulled from a top drawer. Chandeliers.
Mirrors. Handkerchiefs fall from a window.
A hand helps another hand. A hammer. A man
supports another man on his back. A man lets
another man slip to the floor from off of his own
back. A hammer. Steam.
A sculpture studio. Fade to black.
POTATO DANCE
FLOWER DANCE
Hellmuth Costard
BESONDERS WERTVOLL (OF SPECIAL VALUE)
1968, 11 min
The small opening in the head of a penis, in
close-up, is lip-synching to a speech by the
CDU politician Dr. Hans Toussaint on new state
support for German films that are not “against
the constitution or that violate laws or morals or
religious feeling” [cough] not “political propaganda
or tendentious films,” but films that “respect
the values, laws and religious feeling which are
written down in the constitution.”
Dr. Toussaint is confronted after a visit to a family
home: “Are you not ashamed?” A penis hangs out
of a glory hole cut into a wall over which slide
projections move. A hand brings it to ejaculation.
Robyn Brentano & Andrew Horn
CLOUD DANCE , 1980, 13 min
The music is tonal and comes in waves. Behind
a curtain of white strings the dancer, wearing red,
is stretching, from the floor upwards. An almost
mechanised male voice is heard. Get dancing. Get
dancing. Get dancing… The dancer travels always
slowly, always behind a curtain. In the background
a black cross is stretched vertically. He stretches
upwards. Small jumps land on his knees. It was a
flying saucer to fly. It could be a ball to play into his
hands. It could be having my baby. It could be the one
who had it. Stand stand stand... Hey, you got much
power inside. Hey, you got much butterflies in your
car. You got to take good care. The dancer spins on the
spot. But, like potatoes, we cannot leave. The dancer
is Andy de Groat. The poetry is by Christopher
Knowles.
FLAG DANCE
Knitter: Ingolf Sander-Lahr
Peter Weiss
STUDIE IV (FRIGÖRELSE (LIBERATION), 1954, 9 min
A hand against black. Pliers. An elbow turning.
209

IAN WHITE / JOHANNES PAUL RAETHER
21:00
Protektorama Weltheilungswald
(Setting #2, the Black Maria Voodoo Studio)
Johannes Paul Raether
The stage is used by the witch Protektorama as
a kind of mobile-phone-TV studio to produce a
video of her world healing ritual.
Karl Marx, Yvonne Rainer, Riki Kalbe,
Maya Deren, the Divine Horsemen of Voodoo,
and Kinder Surprise Eggs prove our obsession
with the abstract principles of capitalism.
212

A SHARED STAGE VORWÄRTS OF CONTINGENT UND NICHT PRODUCTION
VERGESSEN
When Thomas Edison invented the Kinetoscope
in his Black Maria studio in 1892
he first captured live performances of everyday scenes:
A man sneezing or 3 blacksmiths at work.
Edison gave evidence
that reality could be captured
by freezing images
and move them deliberately at a later time.
From the witches perspective
Edison also demonstrated
that the moving image
itself could become a commodity,
to be produced, multiplied and
circulated deliberately all around the globe.
Since then our own gaze has been trained by generations of circulating images,
by their endless multiplication and digitalization.
It has transmuted into an ever-changing flow of digitalized perceptions
which move
faster
further
than we ourselves can.
We are still bound to our materiality – our images are not.
Our mobile phones have become portals
into a cloud of constant multiplication and movement
and it is therefore into those devices
our gaze has been fragmented into.
They are so near to our bodies
and so always with us
that they seem to be a protheses.
But it is actually us
who have become a protheses of our own phones.
Its digital gaze substitutes the organic gaze
into a thousand angles
of a billion lenses
more angles than our eyes can see.
It becomes apparent in big crowds, looking at an event:
We are the holders that give direction to that which gazes.
We hold the lenses towards the event for the cloud.
Relevant to reality is not what we see.
Relevant is what the phone sees.
213

Nicole Wolf
Versatile archives and cinematic friendships
1. A versatile archive and a
research trajectory
Recounted memories are one possibility for a first
encounter with a film. Deepa Dhanraj’s KYA HUA
IS SHAHAR KO? (What has happened to this
city?) (1986) is one of those films that I first saw
through memories only; memories, recounted
by the filmmaker herself and the cameraperson
Navroze Contractor, of an intense process of
making and showing as well as memories of
viewing experiences by other filmmakers to
whom KYA HUA became an important moment
in their own film-political journey. The only
16mm copy that remained with Deepa Dhanraj
was not fit for screenings anymore and an
existing VHS copy was hard to watch due to its
quality. So while the film existed as a ‘poor image’
(Hito Steyerl), it did not circulate as such and was
hence lost for re-viewing or being viewed anew
by a younger generation of filmmakers.
Only while researching the Arsenal archive for
the film series “Moving Politics: Cinemas from
India” (co-curated with Dorothee Wenner in 2010,
on the occasion of “Being Singular Plural” at the
Deutsche Guggenheim) did I realize that there
was a 16mm copy of KYA HUA IS SHAHAR KO?
in Berlin, not without traces of age, with slightly
obstructing German subtitles, but perfectly
watchable. What has happened to this city? had
been selected for the Forum section of the Berlin
Film Festival in 1987 and had stayed in Berlin
since.
This encounter initiated a series of questions
towards the film’s place, within the archive and
outside of it. Rather than being driven by a logic of
discovery and rescue of lost material, a trajectory
started that surely acknowledged the value of the
film as historical material, but was interested in
what it might actualize in diverse contexts of the
present. From here the project developed in two
directions: One takes KYA HUA IS SHAHAR KO?
out of the archive and one gestures towards what
could be adjoined to it.
***
“In the early 1980s, new forms of militant Hindu
processions around the Ganesh festival began to
be held in Hyderabad, my city. Every year during
the processions, riots would break out and people
would be killed. We began filming the procession
in 1984, when riots started and a curfew was
imposed for twenty-two days. We found that
political parties, both Hindu and Muslim, had
deliberately engineered the riots to ensure that
the chief minister won a vote of confidence in the
216

KYA HUA IS SHAHAR KO? (Deepa Dhanraj, India, 1986)
assembly. While it was important to understand
that the riots in which people lost their homes and
lives were cynically created, it was also crucial to
understand the history of these conflicts and to
show how a communal consciousness was being
manufactured before our eyes. Today this has
been consolidated into fundamentalism. In so
many ways, what we were filming in the 1980s
was prophetic. Hindu fundamentalists destroyed
the Babri Mosque in 1992, and in 2002, 2,000
Muslims were killed in a pogrom in Gujarat.”
Deepa Dhanraj, January 2013
KYA HUA IS SHAHAR KO? is the only audiovisual
record of the 1984 Hyderabad riots and
pioneering in its record of Hindu-nationalist
politics finding expression. In collaboration with
Hyderabad Ekta, a group consisting of people with
various occupational backgrounds who were
seeking to address rising communalist tensions
through secular discourses as well as engaging
in relief work on the level of food and health in
the economically poor area of the Old City, Deepa
Dhanraj wanted to both understand the dynamics
of the political developments herself and create
a record that could be used to make transparent
how violence was politically engineered and
hence be shown to the effected communities
themselves. Later the film was shown extensively
throughout India engendering rich discussions.
The film is striking in how it conveys both a sense
of immediacy and analysis. Interviews with
Hindu and Muslim leaders of the time are next
to archive material and off-camera commentary
providing a historical background to the very
specific situation of Hyderabad and the state of
Andhra Pradesh. Guerilla style shooting in the
midst of violence during the Ganesh procession
is next to bearing witness to victim accounts of
both communities who lost lives and importantly
217

NICOLE WOLF
KYA HUA IS SHAHAR KO? (Deepa Dhanraj, India, 1986)
livelihood through the curfew imposed on the
city. The time taken to observe the labour and
craft that sustains the Old City and the quiet
record of people waiting for curfew to be lifted,
confined to their homes with the radio as the only
connection to outside, create a respectful lyricism
and contemplative atmosphere.
What is this film’s place now? How do we meet it,
attend to it, and extend it? How does its structural
focus on fundamentalist strategies signify now,
locally and globally?
KYA HUA IS SHAHAR KO? also marks the
consolidation of an independent documentary
filmmaking movement in India during the
mid 1980s, which is often seen as having
been initiated in response to the repressive
politics during Indira Gandhi’s Emergency
(1975–77). Crucial films of the time include Anand
Patwardhan’s WAVES OF REVOLUTION (1974)
and PRISONERS OF CONSCIENCE (1978) as well
as Gautam Ghose’s HUNGRY AUTUMN (1976)
– the latter two also in the Arsenal archive. My
interest in the histories of documentary and
specifically feminist film practices in India as well
as a wider concern with questions of how filmaesthetic
and political alliances could be thought
of today to make productive a legacy of political
cinema internationalism, led me to look at a series
of constellations within the archive.
What then occurred as missing were the films
Deepa Dhanraj made as part of the feminist film
collective Yugantar, founded in 1980: MOLKARIN
(Maid Servant) (1981), TAMBAKU CHAAKILA
OOB ALI (Tobacco Ember) (1982), SUDESHA (1983)
and IDHI KATHA MATRAMENA (Is this just a
story?) (1983). Each of those films was created in
close relation to existing groups and questions
that were central to their research or activist
218

VERSATILE ARCHIVES AND CINEMATIC FRIENDSHIPS
Production still from Molkarin (Yugantar Film Collective, India 1981)
work. In forging new representational and
discursive spaces, Yugantar must be viewed as a
crucial legacy for political documentary practices
in India today.
This archival impulse, however, was not one of
solidifying a national documentary history, of
filling a gap that would account for its feminist
components or of correcting constructions of
feminist film histories based on practices in
Europe and the US. While the politics of gaps
are essential to be acknowledged, it was deemed
to be more productive to playfully speculate
on what the insertion of Yugantar’s films could
actualize within the archive. An eclectic and
speculative addition seemed appropriate for an
archive that was itself built through personal
relations and nurtured through a passion for
cinema as intrinsically political. Furthermore, in
1973 the 1. Internationale Frauenfilmseminar took
place in the Arsenal, a Modellseminar to which
Yugantar’s focus on female labour as well as their
investigation of the family as an institution could
potentially have contributed.
What could be other sensibilities, queries, and
urgencies shared across the archive? Can feminist
affiliations be outlined? Which other film
collectives have forged political vocabularies?
How might one then redress cinematic
friendships in the archive for the present?
2. Projections or how to re-view
political films of a past
This project posits an unquestioned need to
give projection spaces in the present to those
moments when the collision and collaboration
between camera and political movement or
urgency created a unique space where a political
vocabulary gets shaped which then in turn
219

NICOLE WOLF
becomes a platform for new ways of perceiving,
listening, and questioning. At the same time,
this project puts forward a caution towards a
theorizing of those moments that ossifies them,
towards a distance that enhances their pastness
as well as towards too easily assumed affiliations.
The relational aspect of the Arsenal archive
itself seems to strengthen the inevitable need to
actively labour towards film-political alliances.
How does one re-project in order to throw
forward? How to contextualise without
attempting to authenticate? Could something
new get created if we respect our relative
distance to the contextual circumstances of
film-political events and, at the same time,
acknowledge our drive to project current
political desires onto moments recounted as
episodes of radical change? What are those
energies that one is seeking to re-animate? We
might be too young and geopolitically removed
from when and where these films were made to
pick up easy associations, and yet engaging with
those collective film events suggests associations
to a past when political film practices engendered
international affiliations that are evocative
for thinking how we might affiliate ourselves
today. Are there specific constellations in the
present – urgencies, stagnations, a search for
radicality – that are conducive to the surfacing
of past moments? Furthermore, how do we write
not stories of rescue, but work with the demands
that diverse pasts make on us through the spaces
of the possible they imagined and created? We
suggest that these spaces must not be trapped
within judgements of achievement or failure, nor
must they be rewritten to idealise, but we might
want to restore their potential for subversion
and transformation in order to alter our
perspective on the possibilities of the present.
Linking to the archives of feminist film seems
particularly pertinent now, if not always.
3. Non-exhibition – a DVD and
a seminar
KYA HUA IS SHAHAR KO? on DVD: The
currency of supremacist politics engendering
violence, nationalisms, fundamentalism, and
dividing communities on local and global
levels strongly supports the drive to make
KYA HUA IS SHAHAER KO? more widely
available. Screenings in Berlin and particularly
those in Hyderabad have started a process
of remembering and of utilizing the film,
a document of the past, as an initiator for
discussions and reflections on the trajectories
of communalist politics as well as on past and
present forms of resistance to it. The DVD
will be released with extra material in the
hope of initiating these reflections through
conversations with the director Deepa Dhanraj,
members of Hyderabad Ekta who were involved
in the making of the film, and first responses
from audiences.
Engaging Cinema and re-viewing collective
practices, a Seminar. With Yungatar’s films,
guests and their projects, and organised by
Nicole Wolf and Nanna Heidenreich.
The collective and collaborative process of each
of Yugantar’s films, their stress on ‘standing with’
those that their films were seeking to engage
in cinematic and political terms, and a strong
sense of creating a radical space of possibilities,
suggests an energy that we would like to respond
to. By way of a seminar with invited guests, each
of which will have a close relation to collective
film politics, we want to continue to project our
desires and urgencies in the present onto those
of the past, to extend, to explore, to discuss,
share, critique, and value. Thinking with filmpolitical
terms that were challenged or created
then might help to revalue as well as rethink
them or to invent new ways of engaging cinema
altogether.
220

Florian Wüst
Also gehen sie und kaufen
Gedanken zu chilenischen und westdeutschen Filmen
der frühen 1970er Jahre
Als Sie den „Marsch der leeren Töpfe“ machten,
war Ihr Topf da leer?
– Nein, ehrlich gesagt: Nein.
(CONTRA LA RAZON Y POR LA FUERZA,
Carlos Ortiz Tejeda, 1973)
Ich hab noch nie Nüsse gepflückt und trotzdem
esse ich jeden Tag welche.
(TEILWEISE VON MIR – EIN VOLKSSTÜCK,
Hellmuth Costard, 1973)
Als ich im November 2012 Carlos Ortiz Tejedas
CONTRA LA RAZON Y POR LA FUERZA
(1973) aus der grauen Filmdose nehme, befindet
sich über dem Kern der 16-mm-Spule ein roter
Aufkleber mit dem Datum, an dem die Kopie das
letzte Mal geprüft worden war: 30. Mai 1986.
Der Film wurde über 25 Jahre nicht gesichtet
oder vorgeführt – eine lange Zeit, wenn auch
für das Arsenal-Archiv sicher keine Ausnahme.
CONTRA LA RAZON Y POR LA FUERZA
zeigt die Ereignisse unmittelbar nach dem
Militärputsch in Chile am 11. September 1973.
Santiago im Kriegszustand, das Nationalstadion
verwandelt in ein Konzentrationslager. Trotz
seiner Sympathie für den antiimperialistischen
Kampf Lateinamerikas gelingt es dem Mexikaner
Ortiz – mit kleinem Team über Umwege nach
Chile eingereist und sich als Vertreter des
Fernsehens ausgebend –, die Stimmen beider
Seiten einzufangen: die des um den Versuch eines
demokratischen Sozialismus gebrachten „Volkes“
auf der einen Seite und die der rechtsgerichteten
Militärs sowie der triumphierenden Bourgeoisie
auf der anderen Seite. „Die Villenviertel beim
Feiern, die Arbeitersiedlungen in Trauer“, schreibt
Ortiz im Forumsblatt zu seinem Film. 1
Der Wahlkampf 1970, aus dem die Unidad
Popular, ein Zusammenschluss von Sozialisten,
Kommunisten und kleineren Linksparteien
unter Führung Salvador Allendes, siegreich
hervorgegangen war, hatte die chilenischen
Filmemacher politisiert. Das Fehlen
massenwirksamer Kommunikationsmittel auf
der Linken verlangte nach schnellem Handeln.
221

16-mm-Kopie von CONTRA LA RAZON Y POR LA FUERZA
Schneidetisch mit Standbild aus TEILWEISE VON MIR – EIN VOLKSSTÜCK
222

ALSO GEHEN SIE UND KAUFEN
Radio und Fernsehen wurden weiterhin von
den bürgerlichen Kräften beherrscht. Der
einzige Medienbereich, in dem die Unidad
Popular Einfluss besaß, war der Film. 2 Film als
Waffe im Klassenkampf. Aufbauend auf die
auch international beachteten Ansätze eines
sozialkritischen chilenischen Kinos der 1960er
Jahre – mit Filmen u.a. von Sergio Bravo, Aldo
Francia, Miguel Littín, Helvio Soto, Alvaro
Ramírez oder Pedro Chaskel – gelang es trotz
schwieriger Bedingungen, ein kontinuierliches
Filmschaffen auf den Ebenen von Ausbildung,
Produktion und Vertrieb zu etablieren. 3 Mit dem
Pinochet-Putsch fand diese Entwicklung ein jähes
Ende. Filmkopien wurden ins Ausland gerettet,
begonnene Projekte wie Patricio Guzmáns LA
BATALLA DE CHILE (1972–79) oder Pablo de la
Barras QUERIDOS COMPAÑEROS (1973–78)
im Exil fertiggestellt. Erst frühestens ab 1979
entstand parallel zum wachsenden Widerstand
gegen das Regime eine neue unabhängige Filmund
Videokultur.
Knapp 30 der zwischen 1968 und 1973 in Chile
produzierten Dokumentar- und Spielfilme
befinden sich in der Sammlung des Arsenals,
teilweise deutsch untertitelt, in manchen Fällen
zusätzlich als Internegative. Dieser außerhalb
Chiles einzigartige Bestand, der auch viele Titel
aus den 1980er Jahren umfasst, zeugt von
der besonderen Beziehung des Arsenals wie
des Forums zum chilenischen Kino, für dessen
Protagonisten Berlin neben den Festivals
in Oberhausen und Leipzig eine wichtige
Anlaufstelle war – vor und nach dem
11. September 1973. 4 Im Rahmen einer Filmreihe
des Goethe-Instituts Santiago, die 1999 erstmals
nach Ende der Diktatur einen Überblick über
das Kino der Unidad Popular bot, wurden Kopien
einiger der dort gezeigten Filme des Arsenals in
Chile belassen und später der Cineteca Nacional
übergeben. Auch wenn in den vergangenen
Jahren immer mehr Material in Chile selbst
wiederentdeckt und gesichert werden konnte,
bedeutete die durch Heiner Roß initiierte
„Rückführung“ von Filmen einen wichtigen
Beitrag zur Erschließung und Aufarbeitung
dieser Phase der chilenischen Filmgeschichte
sowie einen bisher einmaligen Vorgang in der
Geschichte des Arsenals. 5
Der aufgrund seiner ironischen Schärfe und
virtuosen Mischung von Stilmitteln auffälligste
Spielfilm der Allende-Jahre ist meines Erachtens
Raúl Ruiz’ LA EXPROPIACIÓN (1972). In nur
vier Tagen und Nächten gedreht, behandelt
der Film das Problem der Verstaatlichung
von Grundbesitz durch die Corporación de la
Reforma Agraria (CORA). „Es ist kein Film, der
das Programm dieser Landreform erklären
oder darstellen will. Die Absicht war vielmehr,
eine Situation der Krise, der Widersprüche zu
beschreiben.“ 6 Ruiz erzählt die Geschichte eines
Gutsherren, der der Enteignung zuvorkommen
und seine Ländereien freiwillig den Arbeitern
überlassen will. Diese aber widersetzen sich dem
Plan und bringen stattdessen den angereisten
Funktionär der CORA zur Strecke. Zu damaligen
Vorführungen des Films in Chile kam es
praktisch nicht 7 , für Ruiz waren die Dreharbeiten
unter Mitwirkung der Landarbeiter jedoch
bereits ein politisches Arbeiten mit Film: Die
Auseinandersetzung mit der Kritik „von unten“
an den Vertretern der „Volksregierung“. Der
Komplexität der realen Verhältnisse widmet
sich auch der experimentelle Dokumentarfilm
DESCOMEDIDOS Y CHASCONES (1973) von
Carlos Flores Delpino, der wie LA EXPROPIACIÓN
aus dem Chile-Bestand des Arsenals hervorsticht.
Mit gleichsam unkonventionellen Mitteln
zeichnet DESCOMEDIDOS Y CHASCONES das
Bild der chilenischen Jugend Anfang der 1970er
Jahre. Trotz kapitalismuskritischer Montagen
und satirischer Einlagen gibt sich Flores’ Film
keiner indoktrinierenden Agitation gegen die
Klassengesellschaft hin, sondern analysiert die
unterschiedlichen Sozialisationen und Milieus
der jungen Menschen. Mit Filmaufnahmen von
223

FLORIAN WÜST
den Aktivitäten der anderen Gruppe konfrontiert,
offenbaren die Jugendlichen das Dilemma
der kulturellen Fixiertheit ihrer jeweiligen
Erfahrungen und Ansichten – rechts wie links,
bürgerlich wie proletarisch.
Nachdem der Militärputsch den Kinostart
in Santiago verunmöglichte, premierte
DESCOMEDIDOS Y CHASCONES im Oktober
1973 auf der 22. Internationalen Filmwoche
in Mannheim. Den dortigen Sonderpreis für
den besten Fernsehfilm erhielt im gleichen
Jahr Hellmuth Costards TEILWEISE VON
MIR – EIN VOLKSSTÜCK (1973). 8 Der knapp
einstündige Film verbindet vielfältige Aussagen
und Meinungen zu Beruf, Wirtschaft, Geld,
Werbung, Mensch und Technik, die Costard von
600 Passanten u.a. in Hamburg und München
nachsprechen ließ, zu einem quasi kollektiven
Monolog über den Zustand der westlichen
Konsum- und Arbeitsgesellschaft. Wie bereits
in DIE UNTERDRÜCKUNG DER FRAU IST VOR
ALLEM AN DEM VERHALTEN DER FRAU
SELBER ZU ERKENNEN (1969) reflektiert Costard
die Frage nach Selbstbestimmung und Teilhabe
in der modernen Welt mit dem für ihn typischen
Sinn für Humor und spielerischer Verfremdung.
Die Idee eines innovativen politischen Kinos teilte
Costard mit einigen Westberliner Filmemachern
und Filmemacherinnen im Umfeld der Deutschen
Film- und Fernsehakademie (dffb), die sich
ihrerseits zumeist der Mittel des Spielfilms
unter Einsatz von Laiendarstellern bedienten.
Mal essayistischer, mal dokumentarischer
angelegt, geht es Filmen wie Hartmut Bitomsky
und Harun Farockis EINE SACHE, DIE SICH
VERSTEHT (1971), Helke Sanders EINE PRÄMIE
FÜR IRENE (1971), Valeska Schöttles WER
BRAUCHT WEN? (1972) oder Christian Ziewers
LIEBE MUTTER, ES GEHT MIR GUT (1971)
um eine Bewusstseinsbildung gegenüber den
schwierigen Prozessen sozialer und ökonomischer
Emanzipation sowie der Situation von Frauen
im Arbeitsalltag. Eine weitere Entdeckung im
Arsenal-Archiv in diesem Zusammenhang ist
der dreiteilige, ebenfalls an der dffb produzierte
Dokumentarfilm DER HAMBURGER AUFSTAND
OKTOBER 1923. EINE WOCHENSCHAU,
HERGESTELLT IN HAMBURG, MÄRZ BIS
AUGUST 1971 (1971) von Klaus Wildenhahn in
Zusammenarbeit mit Gisela Tuchtenhagen und
Reiner Etz. Wildenhahn erinnert darin an den
historischen Kampf der Arbeiterklasse, an eine
Geschichte, die sich nur „von unten“ erzählen
lässt, just in dem Moment, in welchem sich der
Machtverlust der Arbeiterbewegung, ohne
die beispielsweise die Einführung der sozialen
Marktwirtschaft in der Bundesrepublik nicht
denkbar gewesen wäre, beginnt abzuzeichnen.
Costards letzter zu Lebzeiten fertiggestellter Film
trägt den Titel Das Wunder von Chile (1996). Die
zusammen mit Louis von Adelsheim gedrehte
Fernsehdokumentation begleitet für mehrere
Monate den Gründer von North Face und Esprit,
Doug Tompkins, der nach dem Ausstieg aus dem
Bekleidungsgeschäft riesige Waldflächen im
Süden Chiles kaufte, um diese als Naturreservat
zu erhalten. Tompkins muss sein privates Projekt
gegen zahllose Widerstände verteidigen, kann
es aber letzlich verwirklichen. Als „Wunder
von Chile“ bezeichnet man gewöhnlich die
Wirtschaftspolitik Augusto Pinochets, die
Chile zum Musterland des Neoliberalismus
nach Vorbild der Chicagoer Schule machte. Das
Konzept minimalen staatlichen Einflusses auf
das Wirtschaftsgeschehen unter Sicherstellung
freier funktionierender Märkte wurde von
Reagan und Thatcher in den 1980er Jahren
übernommen – auf Kosten der sozialen Sicherheit.
Neben der Rückführung der Staatsquote und
der Privatisierung öffentlicher Aufgaben
bedeutet die Deregulierung des Kapitalverkehrs
einen wesentlichen Bestandteil neoliberalen
Wirtschaftens. Als Voraussetzung für diesen
Sieg der Profitabilität des Kapitals über diejenige
der Produktion, und damit der Arbeit, gilt die
Flexibilisierung der Devisenkurse und die
224

ALSO GEHEN SIE UND KAUFEN
Loslösung des internationalen Währungssystems
vom Goldstandard, was 1973 mit dem Ende
des Abkommens von Bretton Woods offiziell
besiegelt wurde. Die Effekte des „langsamen, aber
endgültigen Übergangs vom Warengeld zum
Kreditgeld“ 9 zeigen sich in den jüngsten Krisen
der globalen Finanzwirtschaft und der Eurozone.
Während Allende in Chile die Utopie einer
sozialistischen Revolution unter demokratischen
Bedingungen umzusetzen versuchte, stellten die
westlichen Industrienationen, voran die USA, die
Weichen zur Radikalisierung des Kapitalismus.
Einzelne Filme und Filmkopien, ihre
Entstehungskontexte und „Lebensgeschichten“
vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen
und ökonomischen Veränderungen um das
Jahr 1973 aufeinander und auf heute zu
beziehen, ist das Anliegen und Experiment von
ALSO GEHEN SIE UND KAUFEN – in Form
kuratierter Programme, einer filmbasierten
Vortragsperformance und einer Publikation als
Teil des Living-Archive-Projekts von Madhusree
Dutta und Ines Schaber. Dabei entstehen naheund
fernliegende Gedankenbrücken zwischen
Chile und Deutschland, zwischen Vergangenheit
und Gegenwart, zwischen Sprachen und Bildern.
In der kuratorischen wie künstlerischen Praxis,
historische Materialien in ein assoziatives
Verhältnis zu setzen, manifestiert sich für mich
das Fundament und Wesen des Filmarchivs im
Allgemeinen und der Sammlung des Arsenals im
Besonderen: Filme als Produkte und Produzenten
von Geschichte, die nie abgeschlossen, nie nur
eine Geschichte ist.
1 Forumsblatt 39, Internationales Forum des jungen Films,
Berlin 1974.
6 Peter B. Schumann, Interview mit Raúl Ruiz, in: Forumsblatt
40, Internationales Forum des Jungen Films, Berlin 1974.
2 Vgl. Douglas Hübner und Edgardo Recabarren, „Das Kino der
Unidad Popular“, in: Kino und Kampf in Lateinamerika. Zur Theorie
und Praxis politischen Kinos, Peter B. Schumann (Hrsg.), München/
Wien 1976, S. 41–67, hier: S. 55.
3 Vgl. Zuzana M. Pick, „Chilean Documentary: Continuity and
Disjunction“, in: The Social Documentary in Latin America, Julianne
Burton (Hrsg.), Pittsburgh 1990, S. 109–130, hier:
S. 114.
4 Der Kontakt zwischen West-Berlin und Chile wurde
maßgeblich durch Peter B. Schumann, Publizist und langjähriger
Lateinamerika-Experte des Internationalen Forums des Jungen
Films und der Westdeutschen Kurzfilmtage, sowie durch
den damaligen Geschäftsführer der Freunde der Deutschen
Kinemathek, Heiner Roß, getragen.
5 Mónica Villarroel und Isabel Mardones‘ Buch Señales contra
el olvido. Cine chileno recobrado (Santiago 2012) arbeitet erstmals
die Überlebensgeschichte der chilenischen Filme der Jahre
1970–73 im geteilten Deutschland auf – nicht nur im Blick
auf die Rolle des Arsenals, sondern ebenso auf die des Studios
Heynowksi & Scheumann und der DEFA.
7 LA EXPROPIACIÓN wurde erst nach Ruiz’ Flucht ins
Exil in Paris und West-Berlin ganz fertiggestellt und 1974 in
Cannes uraufgeführt. Die einzigen heute in Chile und anderswo
existierenden Kopien des Films sind Kopien von Kopien einer
Videoabtastung der deutsch untertitelten 16-mm-Kopie des
Arsenals. Die Überspielung wurde ursprünglich von der BBC
angefertigt. „pls take good care of the print. appreciate your
offer to make a video cassette, format: vhs,“ telegrafierte Sylvia
Andresen im Juni 1988 nach London. Die Cinémathèque Suisse
und die Cinémathèque Royale de Belgique besitzen ebenso
Filmkopien von LA EXPROPIACIÓN, jeweils mit französischen
Untertiteln. Während es auf YouTube die VHS-Fassung der
Arsenal-Kopie gibt, gilt das Original-Negativ als verschollen.
8 Die einzige kombinierte 16-mm-Kopie des auf Super-8
gedrehten und in Zusammenarbeit mit Winfried Burtschel,
Susanne Müller und Thomas Wittenburg realisierten Films
befindet sich im Arsenal. Die kürzliche Übertragung des Negativs
in das Archiv der Stiftung Deutsche Kinemathek ermöglicht die
Sicherung des Materials im Rahmen von Living Archive. Dieses in
Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek durchgeführte
Digitalisierungsprojekt liefert einen immerhin kleinen Beitrag
zur noch ausstehenden Würdigung von Costards filmischem
Gesamtwerk.
9 Joseph Vogl, Das Gespenst des Kapitals, Zürich 2012, S. 86.
225

Ala Younis
Co-stars have once won the Silver Bear for Best Actor
Archives are overwhelming. But, they are also
assuring. They bring us to a place where we trust
we can find enough information. That someone paid
attention. Archives have always made me change
my mind regarding facts. Rediscover realities, or new
parts to it. I never understood how I could explain
an archive by presenting a segment of it. No doubt
it has multiple lives and multiple readings. Some,
for their use and for others, put it together. Some,
for their use and for others, give life to parts of it,
sometimes. In my three-month intensive exploration
of the archive, I think I saw at least three films a
day, which means I must have watched more than
100 films: short and feature, subtitled and silent,
interesting and not. A living archive means it has
a life of its own; a researcher would live and share
the experience with the archive, going together into
unexpected places and times. In the search box of
Arsenal’s online database, I type Amman.
A lovely young woman named Friendship shows
up in Jordan one day and tells a British journalist
that she is an extraterrestrial peace envoy, a
robot who took a wrong turn en route to M.I.T.
I am fascinated by science fiction. Science
fiction dominates the writing of our time
far beyond the confines of the genre. … In
cinema, the achievement is much thinner.
… but there is still a space for a more realistic
and philosophical form of science fiction
film. In FRIENDSHIP’S DEATH, 1 I wanted
to graft the SF concepts of the robot and the
extra-terrestrial on to a precise and authentic
moment of history: Amman, September 1970.
This would give me a framework in which to
explore questions about the place of machines
in human culture, the relation of reason and
violence, the nature of evolution and the
strangeness of the human body. 2
A robot messenger (Tilda Swinton) sent to earth
to appeal to humans to live in peace.
The journalist is not sure whether to believe
her story or not, but finds her unusual view of
the world appealing. He begins as a journalistic
cliché, stupidly eager to find danger: There are
three versions of the truth, he tells Friendship.
The truth, my version and blatant lies. …
Politics is about maps, not people. The displaced
Friendship says, I have every reason to identify
with the Palestinians. Here, Mr. Wollen will
underline a point he had made obvious an hour
before. Here, even the sexual undercurrent
between man and alluring robot is talked to
death. 3
Signs, this land first speaks to you in signs.
Signs of land, signs of water, signs of man,
signs – 4
226

Peter Wollen is also an essayist on the Middle East
and spent some time living in Amman where the
film is set. I do not consider this film a big break with
my past. It is about something I have pondered about
for a long time: How to make a political film? 5
This land would come to be,
a 2000-year slumber would end,
suddenly, cities would arise.
Shepherds, disguised as city folks.
They built towns and roads.
To grownups, the young are a wonder. …
Here, time lies frozen, 6
Produced by Syrian television, THE CHICKENS 7
remains banned in Syria. The inhabitants of a
village in the Syrian countryside are seduced by
promises that chicken farming will make them
rich. After they abandon their usual activities,
their investment turns to disaster under the
watchful gaze of government officials. 8
The majority of the films were in German or subtitled
in German. I was looking for films in a language
that I understand, of a place or story I relate to. Each
film had a turn off of some sort. Each film has to be
ordered from the storage, installed on a pre-booked
editing table, watched in its full length in order to get
what it is really about. The short texts and synopses
were not enough, were written a long time ago to
attract audiences and allow some discoveries within
the viewing experience. I do not like surprises. The
riots of October 1988 through the microcosm of
an Algerian family split by a Westernized versus
Islamicized view of contemporary Algeria, only
appears in the very last scene of AUTUMN:
OCTOBER IN ALGIERS. 9
There are only two science-fiction touches … some
brightly colored objects – they look like children’s
plastic toys – are encoded with Friendship’s voice
and memories. Magically, they begin to glow
and speak. Years later, the [journalist’s] daughter
transfers one to videotape, and the film ends with
Friendship’s final message, a jumbled, wasted
series of words and visual images, including a
microscopic view of blood cells. But most of this
pedestrian-looking film is confined to closed
rooms, into which the surreal reality of war
intrudes when armed guerrillas storm through a
hotel room and begin shooting from the balcony. 10
Being militant, for me, is to give people hope
and creative power, but I also put value on
pluralism, as I knew it, and my own subjectivity.
What I was looking for was a ‘supercharged’
everydayness, a fiction I’ve enriched with
reality. The writer has the different spaces
in which it was filmed, and self-selected set.
I worked with these conditions while trying
to express myself as a filmmaker. The film is a
frame within a frame. 11
Picturesque-loving tourists offer a spectacle for
picturesque-loving natives.
Coming to see the tough pioneers, they hardly
recognize the others.
Neither the cock-sure, full of health and
enterprise, nor the subdued and embittered.
Dreaming of a fabulous America, of a fabulous
American.
Faces a tourist may photograph, but never see.
Well, I was just… I was just coming to this point:
nationality has come into the picture…
In 1960 Marker made DESCRIPTION D’UN
COMBAT, 12 a documentary on the State of
Israel, which reminisces on the country’s past
and future. Awarded a Golden Bear for best
documentary at the Berlin Film Festival in
1961, it was dubbed ‘a work of art in which
truth is complementary to beauty.’ Legendary
as a cinematic essayist and audio-visual poet,
Chris Marker was one of the most innovative
filmmakers to emerge during the postwar era.
He has made countless films, videos and related
projects… Working primarily in the arena
227

ALA YOUNIS
of nonfiction, Marker rejected conventional
narrative techniques, instead staking out a
deeply political terrain defined by the use of still
images, atmospheric soundtracks, and literate
commentary. In DESCRIPTION D’UN COMBAT,
Marker’s idiosyncratic style, combining location
footage with archival material, builds a complex
and personal portrayal. 13
We have to understand her, remind her that
injustice on this land weighs heavier than
elsewhere, this land, the ransom of injustice.
The threats that surround her, to which she
gave no cause.
Yes, look at her…
A signal, a sign.
Erika Gregor advised me to read German poetry
every night before I sleep. When I explained my
interest in films that might have been foreboding, she
gave names of films that were made in the GDR, one
or two years before the fall of the wall.
Once again, the peasants revolted too early and
succeeded too late as far as power is concerned.
To see and hear at the same time – but that’s
impossible, you’ll say! Certainly, but (1) the
Straubs are stout-hearted, and (2) voyages into
the impossible are very instructive. With TOO
EARLY, TOO LATE, 14 an experience is attempted,
with us and in spite of us: at moments, one
begins to see (the grass bent by the wind) before
hearing (the wind responsible for this bending).
At other moments, one hears first (the wind),
then one sees (the grass). Image and sound are
synchronous and yet, at each instant, each of us
can create the experience in the same order in
which one arranges the sensations. It is therefore
a sensational film. 15
I chose ALYAM ALYAM 16 for we heard the bend of
the grass before we saw the bending wind.
Jean-Marie Straub and Danièle Huillet produced
this film in 1980. The film not only attempts
to link the 1919 Egyptian revolution with the
French Revolution, but also in its making, it
commented on the 1952 revolution. The film in
two chapters is slow long shots of French and
Egyptian landscapes, with voiceovers of readings
228

CO-STARS HAVE ONCE WON THE SILVER BEAR FOR BEST ACTOR
from Engels to Kautsky, and from Mahmoud
Hussein’s book Class struggle in Egypt. It was
produced in four languages, none of which was
Arabic, and was never shown in Egypt.
– about positioning. … Why Egypt, why the
Egyptian revolutions?
Jean-Marie Straub: It was purely by chance, just
like everything that happens in this domain. It is
a chance encounter. 17
The momentous events that have been unfolding
in the Middle East, pressing for meaningful ways
to engage with what is happening in Egypt, have
presented a screening of the rarely seen film as
a means to open up and reflect on the current
moment in London on 12 February 2011.
(Ethics of the spot where you place your camera)
ethical demand or a question
- The economy, considerable difference in wealth
compared to the French landscape.
- Trust the filmmakers, or trust those who you
trust and they trust the filmmakers
- The film is made to be appreciated by whom
- It asks for an afterlife
Is it timely to keep the distance, now that we
claim to know an Egyptian revolution better?
30 years before, 30 years after
One therefore has to see the second part of TOO
EARLY, TOO LATE as an odd performance,
made up of approaches and retreats, where
the filmmakers, less meteorologists than
acupuncturists, search for the spot – the only
spot, the right spot – where their camera can
catch people without bothering them.
Two dangers immediately present themselves:
exotic tourism and the invisible camera. Too
close, too far. 18
Narration: Danièle Huillet (Part A), Bhagat el
Nadi (Part B)
Shooting time: two weeks June 1980, three
weeks May 1981
Cost: 400.000 francs
Calculated online: Cost: 400,000 francs in 1980 =
1,185,960 Euro in 2011, 1,209,068 Euro in 2012.
In modern cinema, Resnais and the Straubs are
no doubt the greatest political filmmakers in
the Western hemisphere. Curiously however,
not because the people were present in their
films, but quite to the contrary, for the fact
that they manage to show how the people are
missing, how they are absent… If there is any
such thing as a modern political cinema, then
only on the basis that a people does not exist
anymore or does not exist yet… that the people
are missing. 19
For days I was thinking of this film and all the films
that I have seen made in Egypt. I could not stop
comparing the time and financial differences. And
to have the film associated with the revolution!
Maybe it was not and it was only an exaggerated
sensitivity. I was thinking, why did I care so much.
The power of cinema to articulate national
sentiment and mood is vividly demonstrated in
this gripping examination of Arab cinema from
the 1960s to the mid-1980s. From 1927 to 1967 the
unique Arab film Entertainment industry was
located in Cairo, Egypt. … [CAMERA ARABE 20 ] is
an account of twenty years of the “New Wave”
of Arab cinema born in the sixties in North
Africa and the Middle-East and still productive
nowadays, [and] provides fascinating insight
to the ‘highs’ and ‘lows’ of Arab nationalism. 21
The film is made from newsreel footage, clips
from classic films and extensive interviews
with directors of Arab cinema. “The filmmakers
of the third world have made a mistake when
they devised that the artist is as responsible
as politicians and cleriks, to convey positive
slogans, struggle slogans, and with the effective
speeches (positive), while I think the artist, and
we learn so much from history in this regard, is
above all a man with no responsibilities. (Nouri
Bouzeid)”
229

ALA YOUNIS
For some reason I was coming back to specific films
within this archive. My interest is not in the overall
meaning or feeling of the film but for very specific
scenes featured in it. I was going back to words,
colors, movements, and certain sounds. It might
be related to my emotional and logical state when I
developed this special passion towards these scenes.
REASON OVER PASSION 22 , passion over reason…
Something related to first impressions, or to shocks,
discoveries, curiosities, and in many cases, perhaps
escapes within a film experience that’s nothing but
absolute boredom.
[But] Wieland’s most important and complex
nationalist statement, LA RAISON AVANT LA
PASSION, is a playful, penetrating exploration
of the landscape and mindscape of Canada.
… Throughout the film, the letters of the title
are varied randomly, as in an anagram, by a
computer. The first part is dominated by the
colour green; the second, orange; and the third,
white. Despite critical rejection of its so‐called
clinical detachment, it remains one of the most
passionate (and reasoned) celebrations … ever
filmed. 23
To make WINTER ADÉ 24 (AFTER WINTER
COMES SPRING), Helke Misselwitz travelled
through East Germany, talking to women about
their life stories. Her intention was to create a
platform for people who don’t usually have a
voice. Her film focuses on private life, treated
as secondary within the ideology of the state.
Filmed during the final year of the GDR, the film
captures the desire for change, but the mood is
predominantly hopeful. A film that explores the
space between reality and dreams. WINTER
ADÉ was shown at the Leipzig Documentary
Film Festival in 1988, exactly one year before the
revolution in Leipzig in September and October
1989. Even then perceptive audience members
could sense that the openness in the film had a
different quality—people were suddenly unafraid
to present themselves openly in front of the
camera. 25 The film won Leipzig’s 1988 Silver Dove
and was shown at the Berlinale Forum in 1989.
We are still to explore productions made in the last
days of the city. Foreboding versus foreseeing. Of
imperfects that sensed a body in transformation.
Of captured moments rather than reproduced ones.
Of individuals, like me, within the processes of
overcoming and becoming.
To show a process is not exactly equivalent
to analyzing it. To analyze, in the traditional
sense of the word, always implies a closed prior
judgment. To analyze a problem is to show
the problem (not the process) permeated with
judgments which the analysis itself generates a
priori. To analyze is to block off from the outset
any possibility for analysis on the part of the
interlocutor. To show the process of a problem,
on the other hand, is to submit it to judgment
without pronouncing the verdict. There is a style
of news reporting which puts more emphasis on
the commentary than on the news item. There
is another kind of reporting which presents the
news and evaluates it through the arrangement
of the item on the page or by its position in the
paper. To show the process of a problem is like
showing the very development of the news
item, without commentary; it is like showing the
multi-faceted evolution of a piece of information
without evaluating it. The subjective element
is the selection of the problem, conditioned as it
is by the interest of the audience — which is the
subject. The objective element is showing the
process which is the object. 26
I, at the end of this speech, ask the courageous
people to rest calm, and to trust the future, and the
men of the country. And that each individual fully
commits to his duty, and to try to reform himself
first, and to collaborate with us, in eliminating
corruption, and to reform all that has gone wrong.
Co-stars have once won the Silver Bear for Best
Actor.
230

CO-STARS HAVE ONCE WON THE SILVER BEAR FOR BEST ACTOR
Now that I have made the decision to comment on
these films I decided not to write a critique but rather
describe these films for readers. Readers of films,
rather than readers on films. Some cinema sites use
the word “spoiler.” But this is planned to be a guide
that is made to bring one’s attention to what is not
written in the synopsis. Films spoiled by exploiting
their content, development, special elements, and
details that can be of interest to someone. It is indeed
a reaction to the influence of synopses on expected
audiences of films. It is also an objective attempt of
writing on subjective exploration of an archive.
9 Malik Lakhadar-Hamina, AUTOMNE: OCTOBRE À ALGER,
1992, Algeria, 91 min, 35 mm, French and Arabic
10 http://movies.nytimes.com/movie/review?res=940DE2DC13
38F936A15750C0A96E948260
11 Michel Khleifi about his film (LA MÉMOIRE FERTILE, 1980,
Belgium, 104 min, 16 mm, Arabic), Les deux Ecrans, Algiers,
January 1981. Translated from German.
12 Chris Marker, DESCRIPTION D’UN COMBAT, 1960, France/
Israel, 55’, DVD, French.
13 Doku Arts, International Festival for Films on Art, June 4 – 8,
2008. http://doku-arts.de/en/program/films/description_dun_
combat.html
14 Jean-Marie Straub and Danièle Huillet, ZU FRÜH, ZU SPÄT
(TROP TOT, TROP TARD), 1980, France/Egypt, 1980, 104 min,
16 mm, German/French/Arabic.
15 “Serge Daney on Too Early Too Late”. Originally
published in Libération, February 20-21, 1982. http://www.
jonathanrosenbaum.com/?p=21944
16 Ahmed El Maanouni, ALYAM ALYAM, 1978, Morocco, 87 min,
35 mm, Arabic
1 Peter Wollen, FRIENDSHIP’S DEATH, 1987, Great Britain,
78 min, 16 mm, English
17 From: Celine Condorelli’s Interview with JMS http://lux.org.
uk/blog/speaking-revolutions-too-early-too-late
2 Peter Wollen, Director Sundance Institute, Sundance
Festival 1988 Archives: Friendship’s Death. http://history.
sundance.org/films/1024/friendships_death
18 Serge Daney on Too Early Too Late. Originally
published in Libération, February 20-21, 1982. http://www.
jonathanrosenbaum.com/?p=21944
3 FRIENDSHIP’S DEATH (1987) Review/Film; „Reporter and
the Robot“ By Caryn James Published: March 25, 1988. http://
movies.nytimes.com/movie/review?res=940DE2DC1338F936A
15750C0A96E948260
19 Gilles Deleuze, The Time-Image - Cinema 2
20 Freid Boughedir, Camera Arabe, 1987, Tunisia, 65 min,
16 mm, Arabic/German
4 From the English translation of the script of DESCRIPTION
OF A STRUGGLE/DESCRIPTION D’UN COMBAT (1960) http://
www.markertext.com/description_of_a_struggle.htm
5 http://films.arsenal-berlin.de/index.php/Detail/Object/
Show/object_id/846
21 http://www.mnetcorporate.co.za/ArticleDetail.aspx?Id=528
22 Joyce Wieland, LA RAISON AVANT LA PASSION, 1969,
Canada, 82 min, 16 mm, French/English
23 The Film Reference Library
6 DESCRIPTION OF A STRUGGLE (DESCRIPTION D’UN
COMBAT, Chris Marker, F 1960) http://www.markertext.com/
description_of_a_struggle.htm
7 Omar Amiralay, AL DAJAJ (CHICKENS), 1978, Syria, 45 min,
35 mm, Arabic
8 http://www.arteeast.org/cinemaeast/syrian-06/syrian06-
films/thechickens.html
24 Helke Misselwitz, WINTER ADÉ, 1987, German Democratic
Republic, 117 min, 35 mm, German
25 http://athenscine.com/showing/details.php?id=472
26 For an imperfect cinema by Julio García Espinosa, translated
by Julianne Burton from Jump Cut, no. 20, 1979, pp. 24-26
copyright Jump Cut: A Review of Contemporary Media, 1979,
2005
231

Florian Zeyfang
Risse und Klebestellen.
Über das Sichten von Idealen in Filmen im Archiv und Filmen
nicht im Archiv. Mit einem Nachtrag.
Mir ist zuletzt ein Filmriss unterlaufen, das erste
Mal in zehn Jahren. Mitten durch ein Bild, mit
einem schnalzenden Ton, reißt HASTA CIERTA
PUNTO, ein Film von Tomás Gutiérrez Alea
aus dem Jahr 1983. Marian Stefanowski, der
Archivar des Arsenal, hilft mir zu kleben, und
das zum Glück ohne Bildverlust – aber dieser
Ton, wie ein Peitschenschlag, hallt nach und
erinnert mich noch eine Weile an meinen Anteil
am voranschreitenden Verschwinden einer
Kulturtechnik und an der Dezimierung eines
Archivs, welches – neben anderen wichtigen
Dokumenten – auch eine ansehnliche Sammlung
an kubanischen Filmen beinhaltet. Filme aus
Kuba 1 und Filme über Kuba, wie Chris Marker/
Valérie Mayoux’ LA BATAILLE DES DIX
MILLIONS von 1971, ein Film der wesentlich
mehr ist als ein Postscriptum zu Markers
Film ¡Cuba si! von 1962. Wie viele andere
FilmemacherInnen, Intellektuelle, Autoren und
KünstlerInnen, beispielsweise Agnès Varda, Joris
Ivens, Peter Weiss, war Marker in den frühen
1960er Jahren nach Kuba gefahren, um die
junge Revolution zu erfahren, zu unterstützen,
zu begleiten. Knapp zehn Jahre später kehrte
er zurück, in einer anderen Zeit und vor neuem
politischen Hintergrund, um einen ganz anderen
Film zu machen über eine weitere „Schlacht“,
wie er es nennt, nämlich den Kampf um eine
Rekordzuckerrohrernte von zehn Millionen
Tonnen, genannt Zafra. Die Off-Stimme
konstatiert die veränderte Wahrnehmung Kubas
in den Köpfen der europäischen kulturellen
Linken:
„Kuba ist dieses Jahr nicht mehr so sehr in Mode.
Wir Europäer haben mehr eine Schwäche für
kämpfende Völker, unter der Bedingung, dass
sie entweder hundertprozentige Märtyrer
sind oder hundertprozentige Sieger. Wenn sie
keine flammenden Aufrufe oder militärischen
Schaustücke mehr auf den Markt werfen, wenn
ihr Kampf sich auf das unansehnliche Thema der
Alltagswirklichkeit verlagert, also unerfreulich
wird, dann wenden wir unsere Augen ab und
suchen bald anderswo ein Gesicht für unsere
Träume.
Es gibt auch eine andere Haltung, die in gleicher
Weise erprobt ist und auf eine fünfzigjährige
Tradition zurück blickt. Der Tourismus der
fortschrittlich Gesinnten, die sich weigern, die
Wirklichkeit zu sehen. Wenn sie stört, existiert
sie einfach nicht. Oder eine Variante: Man sagt,
232

meist streng vertraulich, sicher sie existiert,
die Wirklichkeit – aber das an die große Glocke
zu hängen heißt, dem Gegner Munition zu
liefern. Wenn wir jetzt also das alltägliche
Bild Kubas zeigen, die endlosen Schlangen, die
Versorgungslücken, das „No hay“, nicht da, das
zum Refrain geworden ist; wenn wir sagen, in
Kuba gibt es Schwierigkeiten, gibt es Probleme,
Unzufriedenheit, Erbitterung, liefern wir dann
schon dem Gegner Munition? Vielleicht ist dies
schon so etwas wie eine Entgegnung: Diese
Aufnahmen stammen aus einem kubanischen
Film von Santiago Álvarez, Abflug 18:00, und
diese Äußerungen, das werden Sie selbst hören,
sind Äußerungen von Fidel Castro.
Diese Ärmlichkeit des alltäglichen Lebens, diese
Nichtbeachtung der wirklichen Bedürfnisse
der Menschen sind zwar der Preis für manche
Unterlassung und für Kurzsichtigkeit. Sie sind
aber auch der Preis für eine Entscheidung,
die man einfach verstehen muss: nämlich den
Investitionsgütern vor den Verbrauchsgütern
den Vorrang zu geben. Zwangsbewirtschaftung,
das heißt ja auch “
An dieser Stelle bricht Chris Markers Text aus
LA BATAILLE DES DIX MILLIONS ab. Könnte
das gewollt sein? Eine genauere Untersuchung
des 16-mm-Filmmaterials zeigt eine Klebestelle:
Diese Unterbrechung entspricht nicht der
Originalfassung, sondern hier fehlt mindestens
ein halber Satz, eventuell mehr. Fehlendes
Material, Risse im Film, Lücken im Archiv: Dies
sind Evidenzen eines jeden Filmarchivs und
die BenutzerInnen, so vorsichtig sie auch die
Filme behandeln, sind Ursache für Verschleiß
und fehlende Elemente. Das Archiv der
Oberhausener Kurzfilmtage stellt beispielsweise
folgenden Hinweis auf seine Webseite: „Da die
Kopien in den zurückliegenden vierzig Jahren
einer regen Abnutzung unterlagen, wird jede
Kopie sorgfältig geprüft, bevor eine Entscheidung
über eine Projektion getroffen werden kann.“
Abnutzung als (stolzes) Zeichen eines benutzten,
eines lebendigen Archivs…
Der Riss in Markers Film geht durch Bilder,
die man recht eigentlich als Archivmaterial
bezeichnen kann, nämlich durch
Nachrichtenbilder des Instituto Cubano de Arte
e Industria Cinematográficos (ICAIC). Markers
Film ist in seiner Gesamtheit aus „Noticieros“
(Nachrichten) des ICAIC zusammengestellt, vor
allem aus Santiago Álvarez’ Kurzfilm Despegue
a las 18.00, gedreht nicht lange vorher im Jahr
1969, in welchem Álvarez jene Mangelwirtschaft
zum Thema macht, die mit „No hay“, es gibt
nichts, benannt wird. Markers Ansatz nun
ist offensichtlich: Er will diesen Film mit
kubanischen Bildern machen, und er will eine
Zusammenarbeit, die über jene mit Valérie
Mayoux hinausgeht, welche als Ko-Regisseurin
von LA BATAILLE geführt wird, aber Marker
ihren eigenen Worten nach die gesamte Montage
des kubanischen Materials überließ. 2
Was mich bei diesem spezifischen Riss
außerdem interessiert ist, wie er symptomatisch
für einen Abbruch einer europäischen
Auseinandersetzung mit einst zentralen Themen
über den alltäglichen Überlebenskampfes
dieser jungen Nation erscheint. Kuba hatte
damals, Marker erwähnt es, die Sympathien
der jungen, studentischen, intellektuellen
westlichen Welt errungen, als es sich von einem
Diktator, Fulgencio Batista, und einem Diktat,
nämlich dass man sich den USA unterzuordnen
habe, befreite. Dann kamen andere Tage und
nach etwas mehr als einem Jahrzehnt ist die
Faszination offensichtlich stark geschwunden.
„Zwangsbewirtschaftung, das heißt ja auch “
2013 hört man aus diesem ungeplanten Bruch in
der Mitte des Satzes fast noch mehr den Abbruch
eines diffizilen Erklärungsversuches heraus, der
sich in den nächsten, nicht mehr hörbaren Zeilen
– wie viele mögen es gewesen sein? – vielleicht
233

FLORIAN ZEYFANG
als nur noch gewundener herausgestellt hätte…
Denn wie soll man das jemandem heute erklären,
dass ein Wort wie „Zwangsbewirtschaftung“
akzeptabel wäre; es enthält ja den Zwang, den
das Diktat zur verstaatlichten Volkswirtschaft
mit sich brachte. Eine dieser Maßnahmen
war auch die Zafra der zehn Millionen
Tonnen, welche die Bürde der Schulden bei
den sozialistischen Staaten erleichtern sollte.
Die Annäherung des kubanischen Regimes
an die Sowjetunion, vielleicht alternativlos
angesichts der 1962 errichteten und bis heute
andauernden US-Blockade, war damals in linken
Kreisen akzeptierter als es in einem Rückblick
aussehen mag – einem Rückblick aus einer
Zeit, wo die Option Kommunismus nicht mehr
annähernd eine realistische zu sein scheint.
„Zwangsbewirtschaftung“, wir kennen kaum
noch das Wort, denn es kommt ja auch nicht zur
Anwendung, wenn heute die Saatgutindustrie
oder wahlweise die Subventionspolitik den
Bauern diktieren, was diese anbauen können
und was nicht…
So bleibt der Satz und seine Lücke wie eine Frage
im Raum stehen: FilmemacherIn, wie hältst du
es mit den (Zwangs-)Maßnahmen in Kuba? Und
bezogen auf diesen Moment, angesichts der
archivierten, hundertfach gesichteten Kopie:
BetrachterIn, interessierst du dich noch für
die Auseinandersetzungen mit anscheinend
vergangenen Idealen? Was suchtest du, als du
dich in dieses Archiv begabst? Du warst auf
der Suche nach den zentralen Ereignissen, den
wichtigen Kämpfen, so scheint es: die Revolution
in Kuba, abgebildet im Film, im „cine imperfecto“,
im „Third Cinema“, in einem „militant cinema“
(und immer als Begleitung die Frage, warum gab
es das nicht auch bei uns, 1968?) Die Revolution,
die sich in bewegten Bildern widerspiegelt, in
Bildern, die dann in jenem Archiv gesammelt
und im Lauf der Jahrzehnte mehr oder weniger
oft angesehen, abgenutzt wurden, wie die Ideale,
bis schließlich dieser Film an einer Stelle riss
und nur unvollständig wieder zusammengefügt
werden konnte. In diesem Riss, dem abrupten
Ende der Erklärungsversuche, kann man
letztendlich das Ende jener Projektionen
europäischer Anhänger auf die Ereignisse in
Kuba lokalisieren. Wie Marker beschreibt:
„Kuba ist dieses Jahr nicht mehr so sehr in
Mode.“
Unterdessen führt ein anderer Film, der sich
ebenfalls im Arsenal-Archiv befindet, die mit
der Revolution entstandenen Diskussionen in
Kuba weiter, jedoch nicht als eine Projektion
von außen und nicht mit den Augen des
ausdauernden, aber fernen Kuba-Fans.
DE CIERTA MANERA von Sara Gómez behandelt
vergleichbare Alltagsprobleme, wie sie in
LA BATAILLE beschrieben werden. Der Film
entstand 1973 in Havanna und auch hier wird
gefragt: Wie weitermachen, wenn die Euphorie
des Anfangs den Alltagsnotwendigkeiten
gewichen ist? Gómez formuliert die Differenz
zwischen den angestrebten Verbesserungen für
die arme Bevölkerung und der Wirklichkeit: Eine
junge Lehrerin muss sich damit konfrontieren,
dass sich auch in den Neubausiedlungen,
denen ein Teil der Slums gewichen ist, die
Lebensrealität der Einwohner nur langsam
ändert. Kleinkriminalität ist weiter an der
Tagesordnung und überarbeitete Mütter
können sich nicht ausreichend um ihre Kinder
kümmern, die in der Folge in der Schule nicht
weiterkommen, was ihre Lebensperspektive
einschränkt und den Kreislauf der
Marginalisierung verlängert. In der Beziehung
der Lehrerin zu einem Arbeiter einer Busfabrik
formuliert der Film ein weiteres zentrales
Anliegen: eine feministische Kritik jener Macho-
Mentalität, die mit der Revolution keineswegs
gewichen ist, entgegen anderen, optimistisch
vorgetragenen Idealvorstellungen jener postrevolutionären
Gesellschaft.
Sara Gómez ist bis heute eine der wenigen
Regisseurinnen in Kuba, die einen Spielfilm
234

RISSE UND KLEBESTELLEN.
DE CIERTA MANERA (Sara Gómez, Kuba 1974)
realisieren konnte und als schwarze
Filmemacherin thematisiert sie auch den
Rassismus, den die Revolution nicht automatisch
überwunden hat. DE CIERTA MANERA ist
darüber hinaus formal und seinen Umständen
nach ein besonderer Film: Zunächst war dies
der erste kubanische Spielfilm, der auf 16 mm
gedreht wurde. Dann sind viele der Darsteller
Laien, die sich in ihrem Beruf, beispielsweise als
Arbeiter in der Busfabrik, oder bei den üblichen
Betriebsversammlungen präsentieren. Die
HauptdarstellerInnen, ihrerseits Schauspieler,
tragen im Film ihre realen Vornamen.
Und Gómez arbeitete mit einem Mix aus
dokumentarischen und Spielfilm-Elementen: Wie
LA BATAILLE werden in DE CIERTA MANERA
dokumentarische und TV-Archivbilder benutzt.
Zwischen die gespielten Kapitel treten immer
wieder Aufnahmen aus der Stadt Havanna, Bilder
von Wohnhäusern in schlechtem Zustand, von
der Abrissbirne, die in Wände kracht. Darunter
liegt ein didaktischer Text; das Voice-over erklärt
uns die massenhafte Armut vor der Revolution,
dann die Maßnahmen, die ergriffen wurden, aber
auch warum diese immer noch nicht wirksam
werden…
Sara Gómez bezeichnete sich als eine
Filmemacherin der Revolution. Sie setzt sich
mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit mit
den Resultaten und Zielen dieser Revolution
auseinander, jedoch ohne jene überhöhte
Darstellung der Bewegung, wie man sie zum Teil
bei Santiago Álvarez findet, seien sie da nun der
Begeisterung oder der politischen Programmatik
geschuldet. Dabei kann man noch nicht einmal
mit Sicherheit sagen, ob der bisweilen dozierende
Off-Ton, der den dokumentarischen Teilen
unterliegt, nicht mit dem letztendlichen Schnitt
durch Tomás Gutiérrez Alea und Julio García
Espinosa in den Film kam. Denn Gómez starb
noch vor Fertigstellung des Filmes mit 30 Jahren
an Asthma – ihr Tod bedeutet einen Einschnitt
in der Entwicklung des kubanischen Films.
Sara Gómez stand wie so viele der kubanischen
Kulturschaffenden mit den Europäern, die Kuba
235

FLORIAN ZEYFANG
Vor dem Filmriss: LA BATAILLE DES DIX MILLIONS (Chris Marker, Frankreich 1971)
Nach dem Filmriss: LA BATAILLE DES DIX MILLIONS (Chris Marker, Frankreich 1971)
236

RISSE UND KLEBESTELLEN.
besuchten, in enger Verbindung: Es heißt, sie
lernte von Joris Ivens sowie Theodor Christensen.
Und in Agnès Vardas Salut les Cubains (1963) tanzt
sie durch die letzten Bilder: „Diese junge Person,
Sarita Gómez, realisiert didaktische Filme. Sie
wird, zusammen mit anderen Filmemachern und
einer Schauspielerin, den finalen Cha-Cha-Cha
tanzen.“
Schauen wir uns die beiden Bilder an, die
durch den Riss in Chris Markers LA BATAILLE
DES DIX MILLIONS getrennt werden, jedoch
keineswegs in ursprünglicher Absicht: Vor
der Unterbrechung sehen wir in halbnaher
Einstellung eine schwarze Kubanerin in
Unterhaltung mit einem älteren Hispano in
einem weißen Panama: als ob eine Sara Gómez,
die die Chance zu altern gehabt hätte, und Alea
miteinander in einer Auseinandersetzung über
einen entstehenden Film begriffen wären. Als
Tomás Gutiérrez Alea zehn Jahre nach Gómez’
Film HASTA CIERTA PUNTO (1983) dreht, will
er eine Antwort auf oder eine Fortsetzung zu
DE CIERTA MANERA drehen, wahrscheinlich
sogar eine Hommage. In diesem Film plant ein
Filmemacher eine Dokumentation des Machismo
bei Hafenarbeitern im Kontrast zu den wenigen
dort arbeitenden Frauen. Diesmal kommen,
statt Dokumentarmaterial, gespielte Interviews
zum Einsatz, die auf Video gedreht wurden
und so dem Film eine aktuelle Variante von
Authentizität verleihen. Der Regisseur im Film
verliebt sich in eine der Gewerkschafterinnen
und reproduziert dabei prompt die Männlichkeitsklischees,
die er aufzuspüren hoffte. In der
Abbildung dieses Prozesses jedoch, wie auch in der
Machart, bleibt der Film hinter Gómez’ zehn Jahre
älterem Konzept zurück.
Das Bild nach dem Riss in LA BATAILLE DES DIX
MILLIONS zeigt Staub und stürzende Vegetation,
Maschinen pflügen sich durch ein Zuckerrohrfeld.
Noch mitten im Prozess der Ernte zeichnet sich
ab, dass die Zafra, die Schlacht um die zehn
Millionen Tonnen Zuckerrohr, verloren gehen
wird. Ein Rückschlag für die Revolution, und
ein Rückschlag für die projizierte Leistung der
Bewegung. Aber die Aufnahmen der folgenden
Rede Fidel Castros, die den zweiten Teil des Filmes
bilden, in der er jedes mögliche Argument, das
„Munition für den Gegner“ (Marker/Castro) sein
könnte, erst formuliert und dann affirmiert,
demonstrieren zusammen mit den Bildern
von Castros charakteristischer, ausgesprochen
händischer Love-Affair mit den Mikrophonen,
des Filmemachers (und, natürlich, der Kamera
Álvarez’) grenzenlose Faszination für das
Redetalent des langjährigen Regierungschefs
sowie für die immer noch ziemlich junge
Revolution. 1960 textet Joris Ivens in seinem
Kurzfilm Carnet de viaje: „This young nation needs
a brand new cinema … and it needs it quickly. The
cinema for a free people isn’t a carnival sideshow.
The screen is for laughing and crying … the
screen is for singing the sufferings of the past, the
struggles of yesterday, and the hopes of today. The
Cuban cinema is born…“ 3
Durch diese junge kubanische Filmgeschichte
geht ein anderer Riss und die Versuche, diesen
in den Archiven und Geschichtsschreibungen
zu reparieren, sind noch relativ jung. Dieser Riss
kann im Archiv des Arsenal nicht abgebildet
werden, da die Filme fehlen. Jene Lücke könnte
jedoch gerade ein Resultat der Begeisterung auf
unserer Seite des Atlantiks für die Revolution sein,
wiewohl ein unbewusstes: Denn sicherlich hätte
man sich nicht davon abhalten lassen, diese Filme
zu zeigen (und damit zu sammeln), nur, weil man
„dem Gegner Munition liefern“ würde. Dennoch
fällt es schwer, sich des Eindrucks zu erwehren,
dass in den Jahren, um die es hier geht, es einer
jungen Generation von FilmprogrammerInnen
schwer gefallen wäre, sich Castros Diktum „Für
die Revolution, alles! Gegen die Revolution, nichts!“
zu erwehren. Die Stimmungsbilder, die man aus
Markers LA BATAILLE und anderen Filmen
erhält, sprechen diese Sprache.
237

FLORIAN ZEYFANG
Diese Aussage Fidel Castros war Teil seiner
Erklärung Worte an die Intellektuellen aus dem
Jahr 1961, 4 einer Rede, gehalten anlässlich der
Entscheidung des ICAIC, den Film P.M. von Sabá
Cabrera Infante und Orlando Jiménez Leal nicht
in die Kinos zu bringen (und damit sicherlich auch
nicht zu Festivals in Europa zu senden, wo sie
gesammelt hätten werden können). Inzwischen
hat das ICAIC diesen Film im Rahmen von
Programmen mit Titeln wie Die polemischen
1960er im Jahr 2003 wieder aufgeführt; aber
für Jahrzehnte waren sie verschwunden. P.M.
war eigentlich ein eher moderater Film, ein
„Free-Cinema“-Experiment ohne Dialog, dessen
Ablehnung seitens des ICAIC und der politischen
Führung wohl zum Teil seiner Darstellung eines
„Lumpenproletariats“ 5 geschuldet war, das feiert,
tanzt, aber eben auch säuft: Anscheinend wollte
man dem Gegner zu diesem frühen Zeitpunkt,
ein gutes Jahr nach der Revolution und kurz nach
der gescheiterten Invasion von Exilkubanern
und Söldnern in der Schweinebucht, keinesfalls
„Munition liefern“. Gleichzeitig erschien dieser
Film während eines ersten Konflikts zwischen
Intellektuellen und KünstlerInnen im Land,
in welcher Form die Kulturschaffenden die
gesellschaftliche Entwicklung am besten
begleiten würden.
Anhand der Reaktionen auf P.M., wie sie
beispielsweise Michael Chanan in Cuban Cinema 6
versammelt, lässt sich ablesen, wie empfindlich
die politische Filmfraktion reagierte. Der
Film wurde als unverantwortlich angesehen,
„unverantwortlich sowohl gegenüber der
Revolution, als auch gegenüber der kulturellen
Aufgabe derer, die das Privileg besaßen, das
kostenintensive Medium Kino zu ihrer Verfügung
zu haben“. 7 Und Alfredo Guevara, damals
Direktor des ICAIC, gibt zu, dass er „als beleidigter
Revolutionär“ agierte, und heute einen solchen
Fall besser regeln würde. 8 Es entstand eine Art
Stellvertreterdiskussion und offensichtlich
wurde P.M. zu einer Sollbruchstelle zwischen
zwei Fraktionen: Guillermo Cabrera Infante,
der Bruder von Regisseur Sabá, war Editor von
Lunes de Revolución, einer Zeitschrift um eine
anti-kommunistische Gruppe von Schriftstellern
wie Edmundo Desnoes und Filmemachern wie
Carlos Franqui. Ein großer Teil dieser Gruppe
stand der Revolution nahe, Franqui beispielsweise
hatte in der Sierra Maestra das Radio Rebelde und
die Zeitschrift der Rebellen, Revolución, deren
kulturelles Supplement Lunes war, geführt. Und
nach Desnoes’ Roman Memorias del subdesarrollo
(ursprünglich in der englischen Ausgabe von
1967 Inconsolable Memories genannt) entstand
bekannterweise 1968 der gleichnamige Film
von Tomás Gutiérrez Alea, der den Alltag eines
jungen Mannes in Havanna beschreibt, dessen
großbürgerliche Familie vor der Revolution in
Richtung Miami geflohen ist. Zum Zeitpunkt der
Premiere von Memorias, sieben Jahre nach jener
von P.M., hatten auch fast alle Autoren um Lunes
de Revolución Kuba bereits verlassen und Desnoes
folgte 1979. 9
Heute, mehr als 50 Jahre nach seiner
verhinderten Premiere, finden jene, die den
Film gesehen haben, in P.M. eher ein Dokument
des Lebensalltags einer zumeist schwarzen
Unterschicht, der sich nach der Revolution
nicht sofort änderte (wie später DE CIERTA
MANERA konstatiert) sowie der afro-karibischen
Musiktradition. Seine Rolle als Symbol dieses
frühen Konflikts erhielt er durch die Umstände:
1961, während der ersten, euphorisierten,
aktiven, verwirrenden Zeit nach der Revolution
kulminierte in der Diskussion um P.M. ein Streit
zwischen zwei Ideen zur Umsetzung der neuen
Freiheit, oder zwischen „zwei Avant-garden“,
um den Titel eines berühmten Aufsatzes Peter
Wollens in Anspruch zu nehmen. 10 Sabá Cabrera
war denn auch Künstler, kein Filmemacher, und
mit Peter Wollen gelesen wäre er ein Vertreter
eben jenes Künstler-Filmes, der das Experiment
in der Auseinandersetzung mit Material und
Form sucht, aber dabei vor allem ein elitäres
238

RISSE UND KLEBESTELLEN.
Bürgertum anspricht. Die „andere“ Avant-garde
bei Wollen, die Filmemacher, das wären hier
jene, die ihren Auftrag in der Umsetzung der
revolutionären Ideale in politische Filme sehen,
zum Teil ebenfalls experimentell in der Form
(Álvarez), zum Teil streng didaktisch. Es gibt so
viel zu tun, die Alphabetisierungskampagne
muss umgesetzt werden, die Slums durch neue
Häuser ersetzt und die Landwirtschaft reformiert
werden. Und gleich danach: Die Dritte Welt muss
sich formieren, Widerstand leisten, Vietnam
und Angola müssen unterstützt werden… Diese
Arbeit erhielt nun von der Lunes-Gruppe den
Vorwurf, „eintönigen sozialistisch-realistischen
Kram über milicianos und alphabetizadores“ zu
sein, der „niemanden gewinnen konnte, der nicht
bereits überzeugt war“. 11 Fidel Castro entschied
den Streit mit seinen Worten an die Intellektuellen;
die Lunes wurde eingestellt. Erst 2007 antwortete
eine Gruppe von KünstlerInnen und Autoren
mit einem Statement, genannt Worte von den
Intellektuellen, auf diese zentrale Rede. 2011 dann
wurde der 50. Jahrestag der Rede Fidels festlich in
der Biblioteca Nacional José Martí begangen.
Auch Nicolás Guillén Landrián war mehr an
der künstlerischen Form interessiert als am
didaktischen Film. Es heißt oft, ein Bild Fidel
Castros mit der Musik von Fool on the Hill der
Beatles darunter in seinem Film Coffea Arábiga
habe den Konflikt mit der Leitung und den
Ausschluss aus dem ICAIC bewirkt. Jedoch
entstand Coffea Arábiga im Jahr 1968 und
damit nach seiner Wiederaufnahme in das
Institut. Bereits vor Coffea Arábiga erregten
seine Filme wie Ociel del Toa oder En un barrio
viejo die Aufmerksamkeit und den Widerstand
des Institutes. Diese Filme sind faszinierende,
poetisch-experimentelle Beobachtungen,
die jedoch keinen euphorischen Aufbruch
propagieren, sondern denen ein eher dunkler
Ton unterliegt und die, wenn es um politische
Symbole geht, eine ironische Distanz an den
Tag legen. Beide Filme porträtieren außerdem
marginale Orte, in denen die Errungenschaften
der Revolution noch nicht angekommen sind,
und die Schönheit der Bilder kontrastiert mit
einem eher melancholischen Ton. Mit Los del
baille hatte Landrián 1965 darüber hinaus eine
Verbindung zu P.M. angedeutet: Auch hier tanzen
die Menschen, sie tun nichts anderes, und wieder
sind es schwarze Menschen und die Musik ist
afro-kubanisch. Und in En un barrio viejo sind
Bilder der Rituale der afro-kubanischen Religion,
von der neuen Regierung damals wenig geschätzt,
gestreut.
Diese frühen Filme entstanden zwar als
Produktionen des ICAIC, jedoch Landriáns
Aussage nach nicht mit einem programmatischen
Auftrag der Institution (wie es vermutlich auch
keinen für P.M. gegeben hatte). Doch auch die
Aufgabe, über das Projekt des expandierenden
Kaffeeanbaus rund um Havanna zu berichten,
nutzte Landrián in Coffea Arábiga, seiner
bekanntesten und gelobten Kurzdokumentation, 12
um erstaunliche Bilder und Töne zu kombinieren,
die innerhalb von knapp 20 Minuten versuchen,
eine ganze Nation zu beschreiben, indem sie
einen großen Bogen schlagen von den Zeiten
der Sklaverei bis zu den Krankheiten, welche die
Schädlingsbekämpfungsmittel bei den Menschen
auslösen. Wieder unterstreicht der (schwarze)
Filmemacher Landrián die Rolle der afrokubanischen
ArbeiterInnen beim Kaffeeanbau in
diesem mit Fotografien und großen, polemischen
Texttafeln strukturierten Film.
Zuvor war Nicolás Guillén Landriáns
Filmkarriere jäh unterbrochen worden. Bereits
1966 und nach knapp zehn Filmen wurde er
wegen „unrevolutionären“ Verhaltens in ein
Arbeitslager auf der Insel der Jugend geschickt:
in eine Hühnerfarm. Ungefähr ein Jahr später
muss er die Hühner und/oder die Farm in Brand
gesetzt haben und wurde in psychiatrische
Behandlung gegeben – das hieß zu dieser Zeit
Elektroschocks. Dann folgte ein Jahr Hausarrest
239

FLORIAN ZEYFANG
vor seiner „Rehabilitation“. Wieder in das ICAIC
aufgenommen, drehte er Coffea Arábiga, danach
jedoch formal eher brave Dokumentationen,
bis er 1972 erneut in Schwierigkeiten mit der
Leitung geriet und das ICAIC verlassen musste.
1989 konnte er Kuba verlassen und lebte in
Miami bis zu seinem Tod im Jahr 2003 – jenem
Jahr, in welchem seine Filme erstmals wieder
in Kuba gezeigt wurden. Die Aufführung
fand statt anlässlich der Muestra de jóvenes
realizadores (Filmschau der Jungregisseure), die
vom ICAIC ausgerichtet wird, innerhalb einer
Sonderkategorie betitelt „Premios a la sombra“
(Preise im Schatten). In drei Dekaden davor war
Landrián unsichtbar. 13
Seitdem sind Landriáns Filme Gegenstand
zweier Dokumentarfilme und einiger weniger
Festivalpräsentationen geworden. 14 Das ICAIC
scheint heute auch die Arbeit ihrer weniger
linientreuen ehemaligen Mitglieder zu
akzeptieren und letztlich hat das Institut diese
Filme ja produziert. Mit seinen Aufträgen gab das
ICAIC seit Anbeginn jungen FilmemacherInnen
die Möglichkeit zur Arbeit und vielfach auch zum
Experiment. „Im ICAIC hatten alle Filmemacher
die Intention Avantgarde-Filme zu machen – man
stelle sich das mal vor…“ beschreibt es Landrián. 15
Sara Gómez’ frühe Arbeiten entstanden in diesem
Rahmen und parallel zu jenen Landriáns; und wie
sie hatte auch Landrián bei Theodor Christensen
und Joris Ivens gelernt. Landrián zitiert auch
Santiago Álvarez als wichtigen Einfluss. Doch
nur Christensen, so scheint es, verteidigte seine
Filme gegen die Kritik des ICAIC-Direktoriums.
Die Aufträge des ICAIC – vielleicht können wir
sie mit der „Zwangsbewirtschaftung“ im Rahmen
der Agrarpolitik vergleichen, wie sie Chris
Marker in LA BATAILLE ansetzt zu verteidigen:
„Zwangsbewirtschaftung, das heißt ja auch “
eine Programmation erstellen für ein bestimmtes
Wirtschafts- oder Gesellschaftsfeld.
Bekanntermaßen konnten die FilmemacherInnen
die Programmation in der Filmwirtschaft
freier interpretieren, als es in anderen
kulturellen Bereichen Kubas der Fall war. Tomás
Guitiérrez Alea war in der Lage, in diesem
Rahmen vielschichtige, diskursive, subversive
Filme zu machen; allerdings war er auch der
Lieblingsregisseur Castros. Sara Gómez nahm die
Aufgabe an, die Entwicklung der Gesellschaft
nach der Revolution zu porträtieren und
erweiterte sie in Hinsicht auf den Feminismus.
Chris Marker interpretierte die Situation als
angereister Filmemacher mit den ihm zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten zur
Kooperation und einem freiwilligen „Für die
Revolution, alles!“ In der Kopie von LA BATAILLE,
wie sie im Arsenal zu finden ist, bleibt er nun
qua Filmriss die Antwort schuldig, wie er es
mit den Zwängen hielt. Irgendwo zwischen
den Ideen und Projektionen, zwischen den
durchaus konkurrierenden Avantgarde-Ideen des
kubanischen Films, müssen sich die besuchenden
Regisseure aus Europa bewegt haben und gerne
befragte man sie, wie und wo sie sich in den
Konflikten verorteten, zwischen Euphorie und
Zwang(sbewirtschaftung).
Im Arsenal-Archiv gibt es auch Spuren von
Nicolás Guillén Landriáns Arbeit in Form von
Dokumenten über zwei seiner Filme, die 1970
in einem Sonderprogramm in Oberhausen
gezeigt, aber leider nicht archiviert wurden. Es
wäre anstrebenswert, die Filme dem Archiv
hinzuzufügen, um den beschriebenen Riss
abzubilden. Um dann aus dem Riss einen
Splice, eine Klebestelle zu machen, und damit
ein vollständigeres Bild des experimentellen
kubanischen Dokumentarfilms zu erhalten, das
seine Außenseiter mit einschließt.
240

RISSE UND KLEBESTELLEN.
1 Neben dem berühmten NOW! von Santiago Álvarez bspw.
auch ALICIA EN EL PUEBLO DE MARAVILLAS von Daniel Díaz
Torres, Sergio Girals MALUALA oder LA PRIMERA CARGA AL
MACHETE von Manuel Octavio Gómez, darüber hinaus lange
Dokumentationen wie LA ESCUELA NUEVA von Jorge Fraga und
kurze wie SOBRE UN PRIMER COMBATE von Octavio Cortázar,
der auch für den gerade neu digitalisierten POR PRIMERA VEZ
verantwortlich zeichnet.
2 Siehe „Témoignage de Valérie Mayoux: monteuse“
(gesammelt von Olivier Khon und Hubert Niogret), in: Positif,
N° 433 (März 1997), S. 95.
3 Zitiert in JumpCut, http://www.ejumpcut.org/archive/
onlinessays/JC22folder/IvensInKuba.html
4 Das kubanische Kultusministerium bietet die Rede zum
download an: www.min.cult.cu/historia/palabras.doc
5 „Lumpenproletariat“, nach Marx oftmals „unzuverlässig,
passiv und reaktionär, weil meist ungebildet“ (Wikipedia). In
Kuba benutzte Castro das dt. Original „Lumpen“ in seinen Reden
– auch in LA BATAILLE – um jene zu beschreiben, die sich dem
revolutionären Momentum durch Nicht-Arbeit entziehen. Heute
sprechen auch junge Intellektuelle häufig von den „Marginales“,
wenn sie keine Intention auf aktive Eingliederung ins soziale
System vermuten.
6 Michael Chanan, Cuban Cinema, University of Minnesota
Press, 2004.
11 Chanan, a.a.O., S. 136.
12 Der Journalist José Antonio Évora schrieb 1990: „Sollte
ich gefragt werden, welcher der beste Dokumentarfilm der
Geschichte des ICAICs in den letzten 30 Jahren sei, würde ich
wahrscheinlich Coffea Arábiga von Nicolás Guillén Landrián
nennen. Obwohl es sich um eine Auftragsarbeit über den
Kaffeeanbau handelt, hat der Regisseur dieses Thema seinem
Wunsch untergeordnet, eine Momentaufnahme des durch die
revolutionäre Propaganda entfachten Nationalbewusstseins
zu erstellen. Dabei gelingt ihm ein stimmiges Porträt
seines Landes.“ (Évora, José Antonio: „Santiago Álvarez et le
documentaire“, in: Paranagua, Paulo Antonio (General Editor):
Le cinéma cubain, Editions du Centre Pompidou, Paris, 1990, S.
130. [Original in Französisch], Zitiert nach Manuel Zayas, Tod und
Wiederauferstehung des Nicolás Guillén Landrián, http://www.truemagazin.de/ngl/)
13 Auch Filmwissenschaftler Michael Chanan erwähnt
Landrián nicht in Cuban Cinema (s.o.), äußerte sich jedoch später
entschuldigend.
14 Café con leche (un documental sobre Guillén Landrián) (2003)
von Manuel Zayas und El fin pero no es el fin (2006) von Victor R.
Jiménez Sosa & Jorge Egusquiza Zorrilla. Ich sah Landriáns Filme
ebenfalls 2003 zum ersten Mal.
15 In einem Interview mit Manuel Zayas, http://manuelzayas.
wordpress.com/2011/10/08/interview-nicolas-guillen-landrian/
7 Pérez Sarduy, kubanischer Dichter, zitiert in Michael Chanan,
a.a.O., S. 135 (Übersetzung d.A.).
8 Michael Chanan, a.a.O., S. 134.
9 Desnoes schrieb dann 2007 einen neuen Roman mit dem
Titel Memorias de desarollo, oder Memories of Development,
dessen Verfilmung durch Miguel Coyula in Kuba 2010
international Anerkennung fand.
10 Peter Wollen, „The Two Avant-Gardes“, in: Studio
International vol. 190, no. 978 (November/Dezember 1975),
S. 171–175.
241

FLORIAN ZEYFANG
Nachtrag:
Andere Klebestellen
liebe birgit,
ich habe eine sehr spezielle frage an dich – es
geht um deinen und wilhelms WEISSFILM. 1
ich würde gerne eine hommage an den film
erstellen, an materialfilm, an montage, an
das (fehlende?) narrativ. wie das vor sich
gehen soll? ich würde alle klebestellen als stills
abfotografieren und daraus entweder einen
neuen film (video) machen / oder ein anderes
konzept (prints?) damit umsetzen wollen – man
kann’s ja auch erst sagen wenn man die „bilder”
sieht. alles weitere ist bislang noch offen, wie bei
jedem experiment…
der hintergrund: ich bin mit dem arsenal
in einem projekt namens living archive am
arbeiten. während meiner recherche zu kuba
entstand nun über verschiedene risse in
filmen eine neue idee… und da kam ich auf
den gedanken, klebestellen zu fotografieren
(mit marian). von da war es nicht weit zu
WEISSFILM, den ihr aus filmanfängen, resten,
oder belichtetem, aber unentwickeltem material
montiert habt. ein film, den es nur einmal gibt,
der nicht kopiert oder digitalisiert wird, der nur
im arsenal-archiv ist; ein film der mit seiner
radikalen formalen reduktion auf radikale
inhaltliche forderungen antwortet, auch in
hinsicht auf sein entstehungsdatum 1977.
sollte der film mit den klebestellen fertig werden,
könnte er SPLICEFILM heißen. ich hoffe auf
deine positive antwort! aber wenn dir die
idee nicht gefällt, bin ich auch auf deine mail
gespannt.
herzliche grüße,
florian
1 WEISSFILM (Birgit & Wilhelm Hein, BRD 1977)
242

RISSE UND KLEBESTELLEN.
SPLICEFILM (Florian Zeyfang, Deutschland 2013), in Produktion
243

TeilnehmerInnen / Participants Living Archive
Madeleine Bernstorff
Filmkuratorin, Filmforscherin, Autorin,
Super-8-Filmerin und Lehrende / Film
curator, film researcher, author, Super-8
filmmaker and lecturer
Madeleine Bernstorff lebt in Berlin
und arbeitet oft anderswo. Sie arbeitet
meist in kollaborativen Situationen an
Filmprogrammen: z. B. mit Mariann
Lewinsky, Sebastian Bodirsky, Brigitta
Kuster, Manuela Schininá. Sie unterrichtet,
filmt und schreibt gelegentlich. / Madeleine
Bernstorff lives in Berlin and often works
elsewhere. She mostly works in collaborative
constellations: recent projects with Mariann
Lewinsky, Sebastian Bodirsky, Brigitta Kuster,
Manuela Schininá. She teaches, films and
writes from time to time.
John Blue
Musiker und Komponist / Musician and
composer
John Blue, geboren 1970 in Portland,
Oregon, ist Musiker und Komponist.
Er kam 2007 aus New York nach Berlin
um mit dem Künstlerkollektiv CHEAP
zusammenzuarbeiten. Er produziert Musik
für diverse Projekte im Bereich Tanz, Film
und Theater bis hin zu Live Performances
in unterschiedlichen multidisziplinären
Kontexten. Seine Musik verbindet
traditionelle Arrangements aus vielen
Genres und experimentelle Arbeiten mit
manipulierten Aufnahmen und Elektronik.
Er schuf Live-Soundtracks für die
Stummfilmreihe Rising Stars, Falling Stars
im Arsenal und komponiert und performt
weiterhin mit Künstlern wie Vaginal Davis
und Susanne Sachsse. Mit seiner Band The
Devil’s Blind Spot hat er ein neues Album,
Trained to See Red, herausgebracht. / John
Blue is a musician and composer born in
Portland, Oregon in 1970. He came to Berlin
from New York in 2007 to collaborate with
the artist collective CHEAP. He produces
music in projects ranging from dance, film
and theater to live performances in varying
multidisciplinary contexts. His music
combines traditional arrangements in many
genres with experimental work involving
manipulated field recordings and electronics.
He created live soundtracks in Arsenal’s silent
film series Rising Stars, Falling Stars. He
continues to compose and perform with artists
such as Vaginal Davis and Susanne Sachsse
in many projects. Also during this time he
completed a new album Trained to See Red
with his band The Devil’s Blind Spot.
Oksana Bulgakowa
Filmhistorikerin und Filmemacherin /
Film historian and filmmaker
Oksana Bulgakowa, Professorin für
Filmwissenschaft an der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz, ist eine in
Moskau geborene Wissenschaftlerin, die
in Berlin lebt. Sie hat mehrere Bücher über
das russische und deutsche Kino verfasst,
bei Filmen Regie geführt, Ausstellungen
kuratiert und Multimediaprojekte
entwickelt. / Oksana Bulgakowa was born
in Moscow, lives in Berlin and is a professor
for Film Studies at the Johannes Gutenberg
University Mainz. She has written several
books about Russian and German Cinema
and directed films with Enno Patalas and
Frida Grafe, as well as Dietmar Hochmuth.
Oksana Bulgakowa has also curated various
exhibitions and developed multimedia
projects.
Filipa César
Künstlerin / Artist
Filipa César, geboren 1975 in Porto, lebt
und arbeitet in Berlin. In ihren Filmen
erforscht César fiktionale Aspekte des
dokumentarischen Genres und sucht nach
experimentellen Formen, um historische
Ereignisse zu erfassen. / In her films, essays
and installations, César explores the fictional
aspects of the documentary genre and
searches for experimental forms of accessing
historical events.
Vaginal Davis
Performerin und Kuratorin / Performer and
independent curator
Zu Vaginal Davis’ zahlreichen nachhaltigen
künstler ischen Stationen zählen die
Mitbegründung des Homo-Core Punk
Move ments, ihre ver schie denen Konzept
kunst-Musikprojekte, sowie ihre
Perfor mance-, Experimental film- und
Video arbeiten mit Schwerpunkt Frühes
Kino und Queer Cinema. Seit 2005 lebt
sie vor wiegend in Berlin, unter brochen
von inter nationalen Lehrtätigkeiten
und Performanceprojekten. Seit 2007
kuratiert sie die Filmreihe Rising Stars,
Falling Stars im Arsenal. / Vaginal Davis’ role
in founding the homo-core punk movement,
her various conceptual art and music projects
and her performance, experimental film and
video works sometimes specializing in early
cinema and queer cinema represent just a
small fraction of the many enduring artistic
chapters in her career. Since 2005, she has
been largely based in Berlin while still taking
on various international teaching positions
and intermedia projects. She has curated the
silent film series Rising Stars, Falling Stars in
Berlin since 2007, which she also hosts.
Madhusree Dutta
Filmemacherin, Produzentin und
Kuratorin / Filmmaker, producer and curator
Madhusree Dutta arbeitet in den Themenfeldern
Gender, Staatsbürgerschaft und
Urbanität. Dutta ist darüber hinaus die
Leiterin von Majlis Manch, einem Zentrum
für Rechtediskurs und interdisziplinäre
Kunstinitiativen in Mumbai, Indien. Ihr
derzeitiges kuratorisches Projekt Cinema
City: Research Art and Documentary
Practices, 2008–2012, untersucht die
Verbindungen zwischen der Stadt und
ihrem Kino im Kontext von Bombay/
Mumbai. / Gender, citizenship and urban
scapes are her chosen areas of work. Her
films have been screened widely in India
and abroad in film festivals, art events and
retrospectives. Dutta is also the executive
director of Majlis Manch, a centre for rights
discourse and interdisciplinary arts initiatives
in Mumbai, India.
Martin Ebner
Künstler / Artist
Martin Ebner lebt in Berlin. / Martin Ebner
lives in Berlin.
Starship, Poor Man’s Expression,
Zigaretten Rauchen
www.martinebner.org
Darryl Els
Filmkurator und Filmemacher / Film
curator and filmmaker
Darryl Els ist Filmkurator und lebt in
Johannesburg, Südafrika. 2010 hat
er das Bioscope Independent Cinema
mitbegründet, ein unabhängiges
Kino in Johannesburg, wo er als
Programmdirektor tätig ist. / Darryl Els
is a film programmer and researcher living
and working in Johannesburg, South Africa.
In 2010 he co-founded the Bioscope
Independent Cinema, an alternative
exhibition platform, where he currently works
as the programme director.
244

Heinz Emigholz
Filmemacher, Künstler und Autor /
Filmmaker, artist and author
Heinz Emigholz ist seit 1973 als
Filmemacher, bildender Künstler,
Kameramann, Publizist und Produzent
tätig. Viele Filme, Ausstellungen,
Retrospektiven, Vorträge und
Publikationen im In- und Ausland. 1978
gründete er die Produktionsfirma Pym
Films. Er ist Mitbegründer des Instituts
für zeitbasierte Medien an der Universität
der Künste Berlin und hatte dort bis
2013 den Lehrstuhl für Experimentelle
Filmgestaltung inne. Seit 2012 ist er
Mitglied der Akademie der Künste Berlin.
/ Heinz Emigholz has been working as
filmmaker, artist, cameraman, writer and
producer since 1973. His work has been
shown and published both nationally and
internationally in many exhibitions, festivals,
retrospectives and publications. In 1978
he founded the production company Pym
Films. He is the co-founder of the Institute
of Time-based Media at the Universität der
Künste Berlin where he was a professor for
twenty years. Since 2012 he is a member of
the Akademie der Künste Berlin.
www.pym.de
Entuziazm
Archivprojekt zum filmvermittelnden
Film / An archive project aimed at
communicating film through film
Der Verein Entuziazm – Freunde der
Vermittlung von Film und Text e.V. wurde
im Jahr 2007 u.a. von Michael Baute,
Volker Pantenburg, Stefan Pethke und
Stefanie Schlüter in Berlin gegründet.
Er widmet sich der Tradierung und
Verbreitung von filmvermittelnden Textund
Filmformaten aus Vergangenheit
und Gegenwart / The Entuziazm –
Freunde der Vermittlung von Film und
Text association was founded in Berlin in
2007 and is concerned with circulating and
publicizing text and film formats both past
and present that seek to communicate what
film is. Entuziazm was founded by Michael
Baute, Volker Pantenburg, Stefan Pethke
and Stefanie Schlüter among others.
Harun Farocki
Künstler und Filmemacher / Artist and
filmmaker
Harun Farocki wurde 1944 in
Neutitschein (heute Nový Ji ín,
Tschechische Republik) geboren. Von
1974 bis 1984 war Farocki Redakteur
und Autor der Zeitschrift Filmkritik.
Seine Filme und Installationen
wurden in zahlreichen Gruppenund
Einzelausstellungen in Museen
und Galerien gezeigt. Seit 2006 ist
er Professor an der Akademie der
bildenden Künste in Wien. / Harun
Farocki was born in Neutitschein (today
Nový Ji ín, the Czech Republic) in 1944. He
has directed over 100 different productions
for television and cinema. Farocki was
editor of and one of the authors for
Filmkritik magazine from 1974 to 1984.
Since 1996, his films and installations have
been shown in a large number of group and
solo exhibitions in museums and galleries.
Since 2006, he is a professor at the
Academy of Fine Arts Vienna.
Anselm Franke
Kurator und Kritiker / Curator and critic
Anselm Franke lebt und arbeitet in
Berlin. Er war Kurator der 2012 Taipei
Biennale und leitet seit 2013 den
Bereich Bildende Kunst am Haus der
Kulturen der Welt. Anselm Franke
arbeitet an seinem PhD im Centre for
Research Architecture/Visual Cultures,
Goldsmiths, University of London. /
Anselm Franke lives and works in Berlin.
He was the curator of the 2012 Taipei
Biennial and since 2013 he is Head of the
Visuals Arts and Film at Haus der Kulturen
der Welt Berlin. Anselm Franke is currently
completing his PhD at the Centre for
Research Architecture/Visual Cultures,
Goldsmiths, University of London.
Stephan Geene
Filmemacher und Autor / Filmmaker and
author
Stephan Geene arbeitet im Verlag, Laden
und in der Filmproduktion b_books
in Berlin. Er war an verschiedenen
Filmprojekten beteiligt, ist
Mitherausgeber von geld.beat.synthetik
und Film Avantgarde Biopolitik und Autor
von money aided ich-design. Aktuelle
Projekte: Übersetzung Die Filmfabel von
Jacques Rancière (mit Teodora Tabacki),
erscheint 2013; Film, Zum Politischen
beliebigen Lebens (Arbeitstitel), erscheint
2013; umsonst, Spiel-/Dokumentarfilm,
Drehzeit Sommer 2012. / Stephan Geene
works at the Berlin publisher, shop and
film production company b_books. He has
been involved in various film projects. He
is the co-editor of geld.beat.synthetik
and Film Avantgarde Biopolitik and the
author of money aided ich-design. His
current projects include a translation of Film
Fables by Jacques Rancière (with Teodora
Tabacki) to be published in 2013, Film, Zum
Politischen beliebigen Lebens (working
title) to appear in 2013 and umsonst, a
fiction/documentary hybrid, shot in summer
2012 and in postproduction.
Nanna Heidenreich
Kulturwissenschaftlerin und Kuratorin /
Cultural Studies scholar and curator
Nanna Heidenreich, seit Sommer 2011
wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Institut für Medienwissenschaft an
der Hochschule für bildende Künste in
Braunschweig; Ko-Kuratorin von Forum
Expanded bei der Berlinale. Daneben
gelegentlich unabhängige kuratorische
Projekte mit Film und Video. Ihr
wissenschaftlicher und kuratorischer
Schwerpunkt liegt auf unterschiedlichsten
Überschneidungen von Kunst und
Politik, mit einem besonderen Fokus
auf Migration und umstrittene Bilder. /
Nanna Heidenreich, since 2011 lecturer/
researcher in media studies, University of Art,
Braunschweig. Co-curator of the program
Forum Expanded at the Berlinale. Occasional
independent curatorial projects with film and
video. Her work centers on migration and
contested images.
245

TEILNEHMERINNEN / TEILNEHMER
Tobias Hering
Kurator und Publizist / Curator and writer
Tobias Hering, geboren 1971 in Siegen,
lebt in Berlin. Seine kuratorische Arbeit
konzentriert sich auf thematische
Filmreihen, bei denen oft gesellschaftsund
bildpolitische Fragestellungen im
Mittelpunkt stehen, aber auch literarische
Bezüge ins Spiel kommen können. Seit
2006 realisiert er freie Projekte im Inund
Ausland und gehört seit 2011 zum
Auswahlkomitee beim Kasseler dokfest.
Beim Arsenal kuratiert Tobias Hering die
fortlaufende Reihe Der Standpunkt der
Aufnahme. / Tobias Hering, born in Siegen
in 1971, lives in Berlin. His curatorial work
focusses on topical film programs that often
reflect on social issues and image politics
but also allow literary references. Since
2006 he works free lance both in Germany
and abroad, and has been a member of the
programming jury for dokfest Kassel since
2011. At Arsenal, Tobias Hering presents
the ongoing series Der Standpunkt der
Aufnahme – Point of View.
Dietmar Hochmuth
Filmemacher, Autor und Kurator /
Filmmaker, author and curator
In Ergänzung zum Filmemachen arbeitet
Hochmuth u.a. auch als Autor, Übersetzer
und Herausgeber. 1996 gründete er den
Verlag für Filmliteratur und Neue Medien
PotemkinPress. Gegenwärtig hat er eine
Vertretungsprofessor für Film und Video
am Institut für Mediengestaltung der FH
Mainz inne und betreut zusammen mit
Prof. Dr. Norbert Grob den Filmischen
Modellversuch 2010 der Filmwissenschaft
& Mediendramaturgie an der Universität
zu Mainz. / Dietmar Hochmuth, born in East
Berlin, worked as an assistant director at
the DEFA feature film studio in Babelsberg
from 1972–73. He worked as an assistant
director and later as a director and author,
directing three cinema films. In addition to his
film work, he has also held various teaching
positions and worked as an author, translator
and publisher. He is currently acting professor
for Film and Video at the Institute for Media
Design at the Mainz University of Applied
Sciences.
Brent Klinkum
Film- und Videokurator / Film and video
curator
Brent Klinkum wurde 1960 in
Christchurch (Neuseeland) geboren
und lebt und arbeitet seit 20 Jahren
in Caen (Frankreich). Zusätzlich zu
seiner Tätigkeit als Co-Direktor eines
Zentrums für zeitgenössische Kunst,
gründete er 1994 Transat Vidéo (jetzt
Transat Projekte). Aktuelle Projekte: Er ist
Gründungsmitglied des Suspended Spaces
Kollektivs und kuratierte Breaking Ground,
60 Jahre österreichischer experimenteller
Film und das Projekt La Ligne, eine
multidisziplinäre Veranstaltung über fünf
Wochen an der normannischen Küste.
2011 war er Stipendiat des Berliner
Künstlerprogramms des DAAD. / Originally
hailing from New Zealand, Brent Klinkum
has lived and worked in Caen, France for
the past 20 years. In 1994, Along side his
work codirecting a contemporary art centre,
he founded Transat Vidéo (now Transat
Projects) in 1994. Recent projects include
being a founding member of the Suspended
Spaces collective, curating Breaking
Ground, 60 years of Austrian Experimental
Cinema and the project La Ligne, a
multidiscipinary event over five weeks along
the Norman coastline. In 2011 he received
a grant from the DAAD Berlin Artists-in-
Residence Programme.
Merle Kröger
Schriftstellerin, Filmemacherin und Produzentin
/ Author, filmmaker and producer
Als Mitglied der Gruppe dogfilm war
Merle Kröger an der Realisation
zahlreicher Dokumentarfilme und
Videokunstarbeiten zwischen 1991
und 2000 beteiligt. 2001 gründete sie
mit dem Filmemacher Philip Scheffner
die Firma pong. In den folgenden Jahren
entstanden nicht nur Videoarbeiten,
sondern auch vielfach ausgezeichnete
dokumentarische Kinofilme, an denen sie
als Produzentin und Co-Autorin mitwirkte.
Neben der Filmarbeit veröffentlichte
Kröger drei Romane in der ariadne Reihe
des argument Verlags. Als Kuratorin
leitete Merle Kröger das transnationale
EU-Projekt Import Export – Kulturtransfer
zwischen Indien und Deutschland, Österreich
(2003–2005) sowie das Kinoprojekt
Work in Progress im Arsenal (2006/2007).
/ Between 1991 and 2000 Merle Kröger
was involved in the realization of numerous
documentaries and video art works as a
member of the group dogfilm. 2001 she
co-foundend the media production platform
pong together with Philip Scheffner. In
subsequent years, she worked as a producer
and co-contributing author. In addition to her
film work Merle Kröger published three novels
in the ariadne series by renowned publisher
argument. As a curator Merle Kröger
directed the transnational project Import
Export – Cultural Transfer between India
and Germany, Austria (2003–2005), as well
as the filmpool project Work in Progress
(2006/2007) for the Arsenal.
Eunice Martins
Pianistin und Komponistin / Pianist and
composer
Eunice Martins, geboren 1965 in Berlin.
Pianistin, Improvisation, Komposition.
Mit Musik zu Stummfilmen Gast bei
zahlreichen Festivals, Theatern und
Kinematheken. Musik/Sounddesign
für Film und Klanginstallationen.
Lehraufträge u.a. an der Johann Wolfgang
Goethe-Universität (Frankfurt am Main),
Universität Paderborn. Workshops und
Vorträge zu Film und Musik/Sound u.a. in
Neu Delhi, Sao Paulo, Shanghai und Hong
Kong. / Eunice Martins, born in Berlin in
1965, is a pianist, improviser and composer.
Since 2000 she is the in-house cinema pianist
at the Arsenal. She has been invited with
her music to numerous festivals, theatres
and cinematheques, she creates music/
sounddesign for film and soundinstallations.
She taught at Johann Wolfgang Goethe
University (Frankfurt am Main) and
University of Paderborn among others and
held workshops on film and music/sound
across the world, including New Delhi, Sao
Paulo, Shanghai and Hong Kong.
Angela Melitopoulos
Künstlerin / Artist
Angela Melitopoulos realisiert seit
1985 mit zeitbasierten Medien vor
allem Videoessays und -installationen,
experimentelle Dokumentationen,
Fotografien und Tonstücke. Sie erfindet
neue Formate und Produktionskonzepte.
Ihre Arbeit beschäftigt sich mit der
Produktion von Subjektivität im Bezug
zur Mobilität, d. h. mit dem kollektiven
Gedächtnis im Bezug zur Geografie, zum
Medienbild/Videotechnologie und zum
Archiv. Angela Melitopoulos studierte
an der Kunstakademie in Düsseldorf bei
Nam June Paik. Ihre Videoarbeiten sind
auf internationalen Kunstausstellungen,
Filmfestivals und Symposien zu
sehen (u.a. Taipei Biennale, Berlinale
Forum Expanded, Athens Biennale,
Antonin Tapies Foundation Barcelona,
KW Institute for Contemporary Art
Berlin, Manifesta 7, Centre Georges
Pompidou Paris, Whitney Museum New
York). Ihre Videos wurden mehrmals
ausgezeichnet. Sie organisiert Seminare
und Ausstellungen, publiziert Essays
und unterrichtete als Gastprofessorin in
Akademien und Universitäten. / Angela
Melitopoulos produces video projects,
installations, experimental documentaries,
246

PARTICIPANTS
photographs and audio samples with timebased
media since 1985. She invents new
formats and production concepts. Her work
deals with the production of subjectivity in
relation to mobility, i.e. with the collective
memory in relation to geography, the media
image/video technology and the archive.
Angela Melitopoulos studied at the Art
Academy in Düsseldorf under Nam June
Paik. Her video works are presented at
international art exhibitions, film festivals
and symposia (including the Taipei Biennial,
the Berlinale Forum Expanded, Athens
Biennale, Antonin Tapies Foundation,
Barcelona, KW Institute for Contemporary
Art Berlin, Manifesta 7, the Centre Georges
Pompidou Paris, Whitney Museum, New
York). Her videos have received numerous
awards. She organizes seminars and
exhibitions, publishes essays and was a guest
professor at colleges and universities.
Avi Mograbi
Filmemacher / Filmmaker
Avi Mograbi, geboren in Tel Aviv,
setzt sich in seinen dokumentarischexperimentellen
Filmen kritisch mit Israels
Politik gegenüber den Palästinensern
auseinander. 2002 erhielt Mograbi den
Friedensfilmpreis der Berlinale. 2009
erhielt er den Konrad-Wolf-Preis der
Berliner Akademie der Künste, die ihn als
„engagierten Zeitzeugen der Konflikte
im Nahen Osten“ würdigte. / Avi Mograbi,
born in Tel Aviv in 1956, makes experimental
documentaries, which take a critical look
at Israel’s policies on the Palestinians.
He worked as an assistant director and
production assistant before directing his
debut film in 1989. In 2002, Mograbi won the
Peace Film Prize at the Berlinale. In 2009, he
was awarded the Konrad Wolf Prize from the
Berlin Academy of Arts, being honored for his
role as a “committed contemporary witness of
the Middle East Conflict”.
Sabine Nessel
Filmwissenschaftlerin / Film Studies scholar
Sabine Nessel war Vertretungsprofessorin
am Seminar für Filmwissenschaft der
Freien Universität Berlin (2010–2012).
Davor war sie Gastprofessorin und
Dozentin an den Universitäten Frankfurt
am Main, Wien, Basel und Minnesota.
Habilitation an der Goethe-Universität
Frankfurt am Main mit einer Studie zum
Thema Zoo und Kino als Schauanordnungen
der Moderne (2010). / Sabine Nessel has
been a guest professor for Film Studies at
Freie Universität Berlin (2010–2012). Earlier
she was a guest professor and lecturer at
the Universität Wien, Universität Basel, and
the University of Minnesota. In 2010, she
completed her Habilitation at Universität
Frankfurt am Main on Zoo und Kino als
Schauordnungen der Moderne.
Winfried Pauleit
Filmwissenschaftler / Film Studies scholar
Winfried Pauleit lehrt als Professor
am Institut für Kunstwissenschaft und
Kunstpädagogik an der Universität
Bremen; 2000 Dr. phil. der Universität der
Künste Berlin. Publikationen und Vorträge
zu den Bereichen Film, Kunst und Medien;
zuletzt: Das ABC des Kinos. Foto, Film, Neue
Medien, Stroemfeld Verlag, Frankfurt am
Main/Basel 2009. Er ist Mitbegründer der
Internetplattform Nach dem Film.
/ Winfried Pauleit is a professor and lecturer
at the Institute for Art at the University of
Bremen, having completed his PhD at the
Berlin University of Arts in 2000. He has
given numerous presentations and put out
a wide range of different publications on
film, art and media. He is co-founder of the
Internet platform Nach dem Film.
Joel Pizzini
Filmemacher und Filmkurator / Filmmaker
and film curator
Das Werk von Joel Pizzini umfasst
Filmessays, Videoinstallationen und
kritische Texte. Seine Arbeiten sind
vielfach international ausgezeichnet
worden. Er ist Berater an der Escola
do Audiovisual in Fortaleza, Professor
in der Kunstfakultät in Paraná, sowie
Kurator der Werke von Glauber Rocha
und, gemeinsam mit Paloma Rocha, Co-
Regisseur der Dokumentarfilme auf den
Glauber Rocha-DVDs. Kürzlich gewann
sein Film Mr. Sganzerla den Preis für den
besten brasilianischen Dokumentarfilm
beim Internationalen Festival Its All True.
Sein Filmessay Naked Eye wird im Jahr
2013 erscheinen. / As an author of essays,
films, video installations and critical texts,
he has received dozens of national and
international awards. He is the director of the
School of Audiovisual Fortaleza, professor in
the Faculty of Arts of Paraná and the PUC in
Rio de Janeiro, curator of the works of Glauber
Rocha and co-director of documentaries on
Glauber Rocha’s DVDs. Recently his film Mr.
Sganzerla won the Award for Best Brazilian
Documentary at the International Festival
Its All True. His filmessay Naked Eye will be
released in 2013.
Constanze Ruhm
Künstlerin und Autorin / Artist and author
Constanze Ruhm, geboren 1965 in Wien.
Seit 1990 internationale Ausstellungen,
Installationen, Filme/Videos, Publikationen,
kuratorische Tätigkeit. Seit 2006
Professorin für Kunst und Medien an der
Akademie der Bildenden Künste Wien.
Lebt in Wien und Berlin. Ihr jüngster Film
KALTE PROBE (gemeinsam mit Christine
Lang) wurde als Weltpremiere im Rahmen
von Forum Expanded bei der Berlinale
2013 gezeigt. / Constanze Ruhm exhibits
internationally, with her work encompassing
installations, film/videos, publications and
curatorial activities. Since 2006, she is a
professor for Art and Media at the Academy
of Fine Arts Vienna. She lives in Vienna and
Berlin. Her most recent film KALTE PROBE
(COLD REHEARSAL) (in collaboration with
Christine Lang) had its world premiere during
Forum Expanded at the Berlinale 2013.
Susanne Sachsse
Schauspielerin / Actress
Susanne Sachsse ist Schauspielerin.
Bisher hat sie gerne mit u.a. den folgenden
Künstlern, Dramatikern und Regisseuren
zusammengearbeitet: Yael Bartana, Phil
Collins, Keren Cytter, Vaginal Davis,
Bruce LaBruce, Heiner Müller, Katya
Sander, Einar Schleef, Marc Siegel, Ronald
Tavel und dem von ihr mitbegründeten
Künstlerkollektiv CHEAP. / Susanne
Sachsse is an actress. Thus far she has
enjoyed working with the following artists,
writers and directors: Yael Bartana, Phil
Collins, Keren Cytter, Vaginal Davis, Bruce
LaBruce, Heiner Müller, Katya Sander,
Einar Schleef, Marc Siegel, Ronald Tavel and
CHEAP, the artist collective she co-founded in
2001, among many others.
Ines Schaber
Künstlerin und Autorin / Künstlerin und
Autorin
Ines Schaber ist Künstlerin und Autorin.
Sie lebt in Berlin. / Ines Schaber is an artist
and writer. She lives in Berlin.
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TEILNEHMERINNEN / TEILNEHMER
Stefanie Schlüter
Filmvermittlerin / Film education specialist
Stefanie Schlüter ist Filmvermittlerin
im Schnittfeld von Kino, Museum,
Schule und Hochschule mit dem
Schwerpunkt Kinder und Jugendliche.
Seit Oktober 2009 ist sie Stipendiatin
des Internationalen Graduiertenkollegs
InterArt an der Freien Universität in
Berlin und arbeitet derzeit an einer
filmwissenschaftlichen Dissertation.
/ Stefanie Schlüter is a specialist on
communicating film, working at the
point where cinema, museum, school and
university meet focussing on children and
young people. She has been a fellow at the
Interart Studies International Research
Training Group at the Free University Berlin
since October 2009 and is currently writing
her dissertation in Film Studies.
Sabine Schöbel
Filmwissenschaftlerin und Künstlerin /
Film Studies scholar and artist
Sabine Schöbel hat bei Heide Schlüpmann
an der Johann Wolfgang von Goethe
Universität in Frankfurt am Main über die
erste Generation von Filmemacherinnen
in Europa promoviert. Sie ist in den
Bereichen Kulturmanagement, Kino,
Szenenbild und Experimentalfilm tätig.
LUPINEN LÖSCHEN, GRUNSKE und
HEINRICH sind im Verleihprogramm
des Arsenal. 2010 bis 2012 war sie
Geschäftsführerin des Bundesverbands
kommunale Filmarbeit e.V., seit 2012
arbeitet sie an der UdK Berlin. / Sabine
Schöbel completed her doctorate under
the supervision of Heide Schlüpmann at
the Johann Wolfgang Goethe University in
Frankfurt am Main on the first generation
of female filmmakers in Europe. Sabine
Schöbel‘s work spans film studies, cinema,
production design and experimental film.
Her Films LUPINEN LÖSCHEN, GRUNSKE
and HEINRICH are distributed by Arsenal
distribution. From 2010–2012 she was the
managing director of the Bundesverband
kommunale Filmarbeit in Frankfurt am
Main, since 2012, she works at the Berlin
University of the Arts.
Marcel Schwierin
Filmemacher und Kurator / Filmmaker
and curator
Marcel Schwierin ist Kurator,
Filme macher und Co-Gründer der
Werkleitz Biennale, der Experimentalfilmdatenbank
cinovid und des Arab
Shorts Festivals in Kairo. Filme u.a.: Die
Bilder (Experimentalfilm, 1994), Ewige
Schönheit (Dokumentarfilm, 2003). Er
kuratiert regelmäßig Filmprogramme für
Goethe-Institut, Werkleitz Biennalen,
die Internationalen Kurzfilmtage
Oberhausen und andere. Seit 2010
ist er der Film & Video Kurator der
transmediale. / Marcel Schwierin is a
curator, filmmaker and also a co-founder
of the Werkleitz Biennial, the experimental
film database cinovid and the Arab Shorts
festival in Cairo. Films e.g.: The Images
(experimental, 1994), Eternal Beauty
(documentary, 2003). He has regularly
curated for the Werkleitz Biennials, Goethe
Institut, International Short Film Festival
Oberhausen and others. Since 2010 he is the
film & video curator for the transmediale.
www.schwierin.de
Marc Siegel
Filmwissenschaftler / Film Studies scholar
Marc Siegel ist wissenschaftlicher
Mit arbeiter am Institut für Theater-,
Film- und Medienwissenschaften der
Goethe Universität in Frankfurt am Main.
Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf
Avantgarde-Film und Queer Studies.
Überdies arbeitet er als freischaffender
Kurator. Marc Siegel ist Mitbegründer
der Künstlergruppe CHEAP. / Marc Siegel
is an Assistant Professor in the Department
of Theater, Film and Media Studies at the
Goethe University in Frankfurt am Main. His
research focuses on avant-garde film and
queer studies. He also works as a freelance
curator and is one of the co-founders of the
Berlin-based artists’ collective CHEAP.
Senta Siewert
Filmwissenschaftlerin und Filmemacherin
/ Film Studies scholar and filmmaker
Senta Siewert ist Leiterin des DFG-
Forschungs projekts Programmgestalten,
Kuratieren und Rekonstruieren als
Elemente einer performativen Praxis
der Filmhistoriographie an der Goethe-
Universität Frankfurt am Main. / Senta
Siewert is the head of the DFG-research
project Programming, Curating and Reconstructing
as elements of a performative
practice of film historiography at the
Goethe-University Frankfurt am Main.
Hito Steyerl
Künstlerin und Professorin / Artist and
professor
Hito Steyerl lebt in Berlin und arbeitet
als Filmemacherin, Videokünstlerin und
Autorin in den Bereichen essayistischer
Dokumentarfilm und postkolonialer
Kritik sowohl als Produzentin als auch
als Theoretikerin. Weitere Tätigkeiten
umfassen Arbeiten als politische
Journa listin, Film- und Kunstkritikerin,
Katalog- und Buchautorin. Doktorin
der Philosophie, Gastprofessorin für
Experimentelle Mediengestaltung an der
Universität der Künste, Berlin; zahlreiche
Lektorate an Kunst- und Filmhochschulen
in Wien, München, Hannover, etc. Ihre
Filme, Videos und Installationen wurden
mit internationalen Preisen ausgezeichnet
und weltweit bei zahlreichen Filmfestivals
und Kunstausstellungen gezeigt. /
Hito Steyerl lives in Berlin and works as a
filmmaker, video artist and author, exploring
essayistic documentary film and postcolonial
criticism both as a producer and theorist.
She is also active as a political journalist, film
and art critic and catalogue and book author.
She is a doctor of Philosophy, guest professor
for Experimental Media Design at the Berlin
University of the Arts and has held a number
of additional teaching positions at various art
schools and universities in Vienna, Munich
and Hannover.
248

PARTICIPANTS
Dorothee Wenner
Kuratorin, Kritikerin und Filmemacherin /
Curator, critic and filmmaker
Dorothee Wenner begann ihre Karriere
1985 als freischaffende Journalistin,
Autorin und Filmemacherin. Seit 1990
ist sie Mitglied im Auswahlkomitee des
Internationalen Forums des Jungen Films
der Berlinale. Zu ihren eigenen Filmen
zählen u.a. DramaConsult (D 2012), PEACE
MISSION (D 2008), Star Biz (zusammen
mit Merle Kröger, D 2005), und Die Polen
vom Potsdamer Platz (D/PL 1998). / Since
1990, Dorothee Wenner is a member of the
selection committee of the International
Forum of New Cinema at the Berlinale. Her
own films include DramaConsult (D 2012),
PEACE MISSION (Germany 2008), Star
Biz (together with Merle Kröger, Germany
2005), and Die Polen vom Potsdamer Platz
(Germany/Poland 1998).
Ian White
Künstler und Kurator / Artist and curator
Ian White ist Künstler und arbeitet
hauptsächlich im Bereich Performance,
sowie als freier Kurator und Autor. Er ist
Adjunct Filmcurator der Whitechapel
Gallery, London. Zu seinen zahlreichen
unabhängigen kuratorischen Projekten
gehören Emily Wardill bei De Appel,
Amsterdam (2010); Kinomuseum,
Internationale Kurzfilmtage Oberhausen
(2006) sowie Nicht der Homosexuelle
ist pervers, sondern die Situation, in
der er lebt... und Kopietheater für das
Arsenal (2009/2010). Publikationen
zum Bewegtbild in der Kunst. Lehre
an britischen und internationalen
Universitäten. Er ist Dozent für
Performance am Dutch Art Institute,
Arnhem und seit 2007 Kunstvermittler
des LUX Associate Artists’ Programme,
London. / Ian White is an artist working
mainly in performance. From 2001–11 he
was Adjunct Film Curator for Whitechapel
Gallery, London. Numerous independent
curatorial projects include Emily Wardill at
De Appel, Amsterdam (2010); Kinomuseum,
International Short Film Festival Oberhausen
(2006) as well as It’s Not the Homosexual
Who Is Perverse… and Kopietheater
for Arsenal (2009/2010). He has written
extensively on artists’ moving image
and taught at universities in the UK and
internationally. He is a tutor in performance
at the Dutch Art Institute, Arnhem and since
2007 the facilitator of the LUX Associate
Artists Programme, London.
Nicole Wolf
Filmwissenschaftlerin, Anthropologin und
Kuratorin / Film scholar, anthropologist and
curator
Nicole Wolf ist Dozentin am Department
of Visual Cultures, Goldsmiths, University
of London. Kuratorische Projekte zuletzt:
Moving Politics – Cinemas from India
(Arsenal, Berlin), No Man’s Land (London,
Karachi, Cornell/ Ithaca). / Nicole Wolf is a
lecturer at the Department of Visual Cultures,
Goldsmiths, University of London. Recent
curatorial projects include: Moving Politics
– Cinemas from India (Arsenal, Berlin),
No Man’s Land (London, Karachi, Cornell/
Ithaca).
Florian Wüst
Künstler und Filmkurator / Artist and film
curator
Florian Wüst (geb. 1970 in München)
arbeitet zu gesellschaftspolitischen Fragen
in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland und des technischen
Fortschritts in der Moderne. Zahlreiche
kuratorische Projekte und internationale
Ausstellungsbeteiligungen. Jüngste
Filmprogramme, u.a.: White Noise, Blickle
Kino, 21er Haus, Wien (2013); Becoming
Voice, South London Gallery (mit Maxa
Zoller, 2012); Jailbreak, Impakt Festival,
Utrecht (2011). / Florian Wüst (born
1970 in Munich) works about the history of
post- war Germany and modern technical
progress. Numerous curatorial projects and
international group exhibitions. Recent film
programmes include White Noise, Blickle
Kino, 21er Haus, Vienna (2013); Becoming
Voice, South London Gallery (with Maxa
Zoller, 2012); Jailbreak, Impakt Festival,
Utrecht (2011).
Ala Younis
Künstlerin und Kuratorin / Artist and curator
Mit Hilfe von Kunst, Film und Publikationsprojekten
untersucht Younis die Position
von Individuen in einer von Politik
bestimmten Welt, sowie die Umstände in
denen historische und politische Zustände
des Kollektivs persönlich werden. Sie hat
darüber hinaus Filmprogramme für die
drei Ausgaben des vom Goethe-Institut in
Kairo organisierten Festivals Arab Shorts
kuratiert, sowie Kuwaits ersten nationalen
Pavillon bei der 55. Biennale in Venedig
(2013). / Through art, film, and publication
projects, Younis investigates the position of
individuals in a politically driven world and
the conditions in which historical and political
conditions of the collective become personal
ones. Younis curated several projects, such
as film programs for the three editions of
the Independent Arab Film (Arab Shorts),
organized by Goethe-Institut in Cairo (2009–
2011), and Kuwait‘s 1st national pavilion for
the 55th Venice Biennale (2013).
Florian Zeyfang
Künstler / Artist
Florian Zeyfang lebt in Berlin und nimmt
regelmäßig an Ausstellungen und
Filmfestivals im In- und Ausland teil.
Darüber hinaus entwickelt der Künstler
kuratorisch Projekte: Mit Martin Ebner
und dem Arsenal realisierte er 2006 das
Ausstellungsprojekt Poor Man’s Expression
und mit Łukasz Ronduda 1,2,3… Avant-
Gardes: Film/Art between Experiment and
Archive (2006–2008). Er ist seit 2006
Professor für Video/Installation an der
Academy of Fine Arts in Umeå, Schweden.
/ Florian Zeyfang lives in Berlin; he takes part
in exhibitions and film festivals both nationally
and internationally. He also develops projects
as curator: In 2006, he realized Poor Man’s
Expression together with Martin Ebner
and the Arsenal and with Łukasz Ronduda
1,2,3… Avant-Gardes: Film/Art between
Experiment and Archive (2006–2008). Since
2006, he is a professor for Video/Installation
at the Academy of Fine Arts in Umeå, Sweden.
249

Filmografie / Filmography
Diese Filmografie versammelt Filme im Bestand des Archivs des
Arsenal, die in den Texten dieses Buches genannt werden, im
Juni 2013 während der Präsentation des Living Archive Projekts
im Kino Arsenal gezeigt wurden oder in einer der öffentlichen
Sichtungen, die während des Projektzeitraums durchgeführt
wurden, zu sehen waren.
In den Textbeiträgen sind diese Titel in Großbuchstaben gesetzt.
Filme, die sich nicht in der Sammlung des Arsenal befinden, sind
kursiv gesetzt.
Markiert mit —> sind unterhalb der Synopsen die
Projektteilnehmer gelistet, in deren Projekten die Filme eine
Rolle spielen, bzw. die Programmreihen innerhalb derer die Filme
gezeigt wurden.
This filmography is comprised of films in the archive of the Arsenal
which are mentioned in the pages of this book, were shown in the
cinema Arsenal as part of the Living Archive presentation in June
2013 or were part of one of the public screenings which were held
throughout the two years of the Living Archive project.
In the texts these titles are set in capital letters. Films which are not
part of the collection are in italics.
Below the synopses, marked with —> we listed the project particpants
in whose projects the films became relevant and/or the programs, and
in which they were shown.
12 ANGRY MEN
Sidney Lumet, USA 1957, 35 mm, deutsche Sprachfassung/German
language version, 92 min
12 ANGRY MEN ist ein eindringliches Traktat über das Vorurteil:
In den Gestalten der 12 Geschworenen werden dessen
verschiedenartige Äußerungen präzis getroffen. Die zwischen
den Personen herrschende Spannung setzte Lumet, unterstützt
von seinem Kameramann Boris Kaufman, in dynamische Einstellungsfolgen
um, die die Gefahr der optischen Monotonie, die
jedem in einem einzigen Raum spielenden Film droht, wirksam
bannten. / 12 ANGRY MEN is a haunting tract on prejudice: In the form of
the 12 members of the jury its different manifestations are characterized
precisely. Lumet, aided by his cameraman Boris Kaufman, transfers the
tension between the protagonists into dynamic shots, which successfully
evade the danger of optical monotony threatening any film shot in only
one room. (Ulrich Gregor, Geschichte des Films) —> Avi Mograbi
79 PRIMAVERAS
Santiago Álvarez, Kuba/Cuba 1969, 35 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 24 min
Der Film ist ist Ho Chi Minh, Revolutionär und Präsident der
Demokratischen Republik Vietnam, gewidmet, der 1969 im Alter
von 79 Jahren starb. Alvarez‘ „schönster, ergreifendster Kurzfilm
ist auch sein poetischster.“ / The film is dedicated to Ho Chi Minh, the
revolutionary and president of the Democratic Republic of Vietnam,
who died at the age of 79 in 1969. Alvarez‘ “most beautiful and gripping
film is also his most poetic.” (Peter B. Schumann) —> Now! Extended
4000 FRAMES – AN EYE OPENER FILM
Arthur & Corinne Cantrill, Australien/Australia 1970, 16 mm,
ohne Dialog/without dialogue, 3 min
4000 Einzelbilder dringen in diesem Film im Rhythmus von 24
Bildern pro Sekunde auf die Retina des Auges ein. Eine Übung in visueller
Wahrnehmung. / 4000 single frames, at 24 frames per second hit
the eye‘s retina in this film. An exercise in visual perception.
—> Eunice Martins
235.000.000
Uldis Brauns, Biruta Veldre, Laima Schurgina, Lettland/Latvia 1966,
35 mm, OV, 73 min
Ein Kaleidoskop von Gesichtern und Situationen ist dieser Film,
der frei ist von Propaganda und keine Ideen aufzwingt. Er zeigt die
Sowjetunion zur 50-Jahr-Feier der Oktoberrevolution. Ein Werk
von außerordentlicher Energie, das Alt und Neu Seite an Seite
stellt, Erregung und Ruhe, das Ferne und das Nahe, und so die Natur
dieses enormen Landes offenbart. / Capturing a caleidoscope of faces
and situations, the film, free of propaganda and the imposition of ideals,
revisits the Soviet Union during the 50th anniversary of the October
Revolution. A work of extraordinary energy that places side by side the
new and the old, the frenzy and the calm, that which is distant and that
which is near, thereby unmasking the nature of this enormous country.
(Festival dei Popoli) —> Marcel Schwierin
A
A UN DIOS DESCONOCIDO
Jaime Chávarri, Spanien/Spain 1978, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 107 min
José, ein weltgewandter Varietékünstler und Zauberer hat eine
Liebesbeziehung zu einem wesentlich jüngeren mit einer Frau
liierten Mann. Seine Reisen nach Granada in das herrschaftliche
Haus, in dem er in den 30er-Jahren als Dienstbotenkind
aufgewachsen ist, ist auch eine Reise in die verdrängte Geschichte
Spaniens. / A UN DIOS DESCONOCIDO is a film from the Spanish
transition period (1975-1979) about a professional magician in Madrid.
The protagonist is a lonely gay man who ponders his homosexuality
and existence, as well as the memory of his childhood in Granada and
of the mythic writer Federico Garciá Lorca. The film won the awards for
best director and best actor at the San Sebastian Film Festival. (Tatjana
Pavlović) —> Sabine Schöbel
A COLOUR BOX
Len Lye, UK 1935, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue, 4 min
Ein ‚direct film‘ – d.h. ein Film, der ohne Kamera entstanden ist.
Passend zur Tanzmusik malte Lye farbige Muster auf das Zelluloid.
/ A ‘direct film’ – i.e. a film, which was produced without a camera.
Matching the dance music on the soundtrack Lye painted colored
patterns directly onto the celluloid. —> Stefanie Schlüter
A MAN AND HIS DOG OUT OF AIR
Robert Breer, USA 1957, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
2 min
Ein Meisterwerk der sich wandelnden Linie. Der Film beginnt
mit flüchtigen Bildern des Windes, einem Vogel, Wirbeln und
Bewegung, und endet mit einem amorphen Bild eines riesigen
Mannes, der seinen Hund am Bildrand entlang Gassi führt. / A MAN
AND HIS DOG OUT FOR AIR is a masterpiece of the metamorphosing
line. It begins with elusive images of the wind, a bird, swirls, and
movement, and ends with an amorphous image of an enormous man
walking his dog around the circumference of the frame.
—> Stefanie Schlüter
A NOTSCHKA TJOMNAJA BYLA (Als die Nacht dunkel war/
When the Night was Dark)
S. Bukowski, USSR/Ukraine 1988, 35 mm, OV, 27 min
Wladimir Kassjan ist ein Knocheneinrenker, den man bei uns als
Chiropraktiker bezeichnen würde. Er behandelt hunderte von
Patienten in einem heruntergekommenen Hotel, noch mehr
250

warten draußen im Schnee. Seine hemdsärmelige, humorvolle
Art kontrastiert die quasireligiösen Hoffnungen, die ihm
entgegengebracht werden. / Wladimir Kassjan sets bones - we would
call him a chiropractic. He treats hundreds of patients in a run-down
hotel, still more wait outside in the snow. His shirt-sleeved, humorous
manner contrasts the quasi-religious hope which people set in him.
—> Marcel Schwierin
A WELL SPENT LIFE
Les Blank, USA 1971, 16 mm, OV, 44 min
Les Blanks drei bisherige Blues-Filme sind: THE BLUES ACCORDIN’
TO LIGHTNIN’ HOPKINS (1968), THE SUN’S GONNA SHINE
(1968) und WELL-SPENT LIFE (1971). Die Persönlichkeit und
die Ausstrahlung der texanischen Blues-Gitarristen Lightnin’
Hopkins und Mance Lipscomb strukturieren diese Filme, während
die Rhythmen, Stimmungen und Inhalte ihrer Lieder den Stil der
Porträts bestimmen. (Filmmakers Newsletter, Juni 1972). / Many
people consider Texas bluesman Mance Lipscomb to be the greatest
blues guitarist and songster of all time. This glowing portrait of the
legendary musician (also life-long husband and sharecropper) is among
Blank’s special masterworks. Instead of growing bitter, tough times made
Lipscomb sweet. (www.lesblank.com) —> Sabine Nessel
A&B IN ONTARIO
Joyce Wieland, Hollis Frampton, USA 1966-84, 16 mm, ohne
Dialog/without dialogue, 16 min
Hollis und ich kamen im Urlaub im Sommer ‘67 zurück nach Toronto.
Wir verfolgten einander. Wir hatten Spaß. Wir sagten, wir würden
einen Film über einander machen – und wir taten es. / Hollis and I
came back to Toronto on holiday in the summer of ‚67. We followed each
other around. We enjoyed ourselves. We said we were going to make a
film about each other – and we did. (Joyce Wieland)
—> Angela Melitopoulos
ABEL GANCE: THE CHARM OF DYNAMITE
Kevin Brownlow, UK 1968, 16 mm, OV, 52 min
Dieser Film beschäftigt sich mit der Stummfilmzeit Abel Gances,
dessen Name in England in den 60ern völlig unbekannt war. Seine
Filme J‘accuse, La roue und Napoléon spielen eine große Rolle in
meinem Film. Zusätzlich gibt Abel Gance ein Interview, wie auch
sein Protagonist Albert Dieudonné. / This film is about the silent
film period of Abel Gance, whose name was unknown in England in the
sixties. His J‘accuse, La roue and Napoléon play a major role in my film.
In addition, Abel Gance gives an interview, as does protagonist Albert
Dieudonné. (Kevin Brownlow)
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
ABSENT PRESENT
Angelika Levi, Spanien/Deutschland/Senegal, Spain/Germany/
Senegal 2010, DigiBeta, OV (dt./span./engl. UT/German/Spanish/
English subtitles), 85 min
Benji wurde 1979 als kleines Kind aus Namibia in die DDR gebracht
und 1990 nach der Wiedervereinigung dorthin zurückgeschickt.
Zwei Jahre später reiste er per Anhalter, als Tourist verkleidet, nach
Europa zurück. Doch „in diesem Film gibt es keine Hauptdarsteller.
Benji, der es hätte sein sollen, ist verschwunden“. Auf ihrer
Spurensuche verknüpft Levi assoziativ die Geschichte des
Flüchtlings mit den Fluchtgeschichten derer, die sie unterwegs
trifft. / Benji was brought from Namibia to the GDR in 1979 as a young
child and sent back in 1990 after German reunification. Two years later,
he hitchhiked back to Europe disguised as a tourist. But “in this film there
is no main character. Benji, who should have been it, has disappeared.”
On her search for traces, Levi associatively links the story of the refugee
with the stories of flight of those she meets underway. —> Merle Kröger
ABSTRONIC
Mary Ellen Bute, USA 1952/54, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 7 min
Für ABSTRONIC, dessen Titel sich aus ‚abstract‘ und ‚electronic‘
zusammensetzt, kombinierte Bute Ozillogramme mit
geometrischen Formen und unterlegt diese mit verschiedenen
gemalten Hintergründen, die Assoziationen zu realen Motiven
hervorrufen. So beispielsweise eine Straße, die zum Horizont führt,
ein Sonnenuntergang oder die Form eines Auges. / For Abstronic
whose title was made up of ‘abstract’ and ‘electronic’ Bute combinded
oscillograms with geometric forms and underlaid them with various
painted backgrounds that partly invite association with real-life motifs
like a street leading to a horizon, a sunset or the form of an eye.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
ACTO DOS FEITOS DA GUINÉ
Fernando Matos Silva, Portugal 1980, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 85 min
Der Filmemacher Fernando Matos Silva erinnert sich an den
Befreiungskampf in Guinea-Bissao. Er erinnert sich, weil er selbst
als Angehöriger der portugiesischen Kolonialarmee in Guinea-
Bissao stationiert war. Eine Chronik der Befreiung, gleichzeitig
aber auch ein persönlicher Rechenschaftsbericht. / The filmmaker
Fernando Matos Silva remembers the struggle for independence in
Guinea-Bissau. He remembers himself as a member of the Portugiese
colonial army stationed in Guinea-Bissao. A chronicle of the liberation, as
well as a personal account of ones deeds. —> Filipa César
AERIAL
Margaret Tait, UK 1974, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
4 min
„Ein sehr einfacher Film. Es gibt ein allgemeines Thema, das der vier
Elemente – Erde, Luft (auch Rauch), Feuer, Wasser (auch Schnee)
– aber es ist eher eine Art Lied oder ein Kinderreim. Obwohl ich
nichts von musikalischen Strukturen verstehe, glaube ich doch, dass
Filmstrukturen mehr mit musikalischen Strukturen zu tun haben,
als mit irgendetwas anderem.“ / “A very simple film. There’s a general
theme of the four elements, earth, air, fire and water – in a different
order – air, water, earth, fire and then air again, with all the elements
intermingled. Although I don‘t understand musical structure – I can‘t
really follow the structure of piece of music when I‘m listening to it - but
I think that film- structure is more like musical structure than anything
else.” (Margaret Tait) —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
AL DAJAJ (Die Hühner/The chickens)
Omar Amiralay, Syrien/Syria 1978, 35mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 45 min
Der Film wurde in einem syrischen Modell-Dorf gedreht.
Er beschreibt die sozio-ökonomischen und kulturellen
Veränderungen in diesem Dorf, die sich als Folge der Einführung
von kapitalistischen Produktionsmethoden eingestellt haben – von
Methoden, die der Realität des Dorfes überhaupt nicht angepasst
sind. (Produktionsnotiz) / The film was shot in a Syrian village. It
describes the socio-economic changes in this village, which are caused
by the implementation of capitalist production methods – methods,
which do not fit the village’s reality. (Production note) —> Ala Younis
251

FILMOGRAFIE
ALLE MACHT DEN VAMPIREN (All Power to the Vampire)
Folge 13 aus der Serie GESCHICHTEN VOM KÜBELKIND / Episode
13 from the series STORIES OF THE DUMPSTER KID, Edgar Reitz, Ula
Stöckl, BRD/FRG 1970, 16 mm, OV, 2 min
Es ist kaum zu glauben, wie viele Vampire es geben könnte.
Kübelkind ruft sie zu einer großen Demonstration auf.
(Produktionsmitteilung) / It is hard to believe how many vampires
there might be. Dumpster Kid calls them all up for a major
demonstration. (Production note) —> Florian Wüst
ALWAYS FOR PLEASURE
Les Blank, USA 1978, OV, 16 mm, 58 min
ALWAYS FOR PLEASURE ist ein intensiver Blick hinter die Kulissen
des Mardi Gras und der musikalischen Traditionen, die die jährliche
Feier in New Orleans, einer oberflächlich ziemlich schäbigen,
touristischen, fast kitschigen Stadt im Süden, unterstützt. Doch
unter der Oberfläche liegt etwas lebendiges, etwas, das mit Leben
und Sterben intim vertraut ist, das von Marketing nicht lange
verdreht oder versteckt werden kann. / ALWAYS FOR PLEASURE
is an intensive insider‘s look at Mardi Gras and the briad of musical
traditions the annual celebration supports in New Orleans. It‘s a fairly
shabby Southern city, with a touristy, almost tacky overlay. But beneath
the overlay is something vital, something intimately acquainted with
living and dying, that marketing cannot long disguise or distort. (New
York Film-Makers‘ Cooperative) —> Sabine Nessel
ALYAM ALYAM (Die Tage / The Days)
Ahmed El Maanouni, Marocco 1978, 35 mm, OV (Engl. UT/English
subtitles), 87 min
1978 erhielt Maanouni für seinen Erstlingsfilm den Großen Preis
auf dem Filmfestival Mannheim. Der Film porträtiert, zum ersten
Mal in der marokkanischen Filmgeschichte, den Alltag einer
Bauernfamilie./ALYAM ALYAM is famous Moroccan director Ahmed
El Maanouni’s first film. In 1978 he was awarded the grand prize of the
“Mannheim Film Festival”. The film portrays a peasant family and their
daily lives, a topic that is discussed here for the first time in Moroccan
film. —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
AMY!
Laura Mulvey, Peter Wollen, UK 1980, 16 mm, OV (Dt. UT /
German subtitles), 33 min
AMY! ist eine Verbeugung vor der Luftfahrtpionierin Amy
Johnson. Weit davon entfernt, ein konventionelles Biopic zu
sein, nutzt der Film die Fliegerin als symbolische Figur. Ihre Reise
exemplifiziert das Wechseln zwischen weiblichen und männlichen
Welten, das Frauen, die um öffentliche Anerkennung kämpfen,
abverlangt wird. / AMY! is a tribute to air travel pioneer Amy Johnson.
Far removed from a conventional biopic, the film uses the aviator as a
symbolic figured, with her journey being used to exemplify the constant
shifts between male and female worlds demanded of women who fight
for public acceptance. (Eleanor Burke) —> Winfried Pauleit
ANDREJ RUBLJOW
Andrej Tarkowskij, UdSSR/USSR 1969, 35 mm, OV
(Dt. UT / German subtitles), 182 min
Der in acht Kapitel gegliederte, monumentale CinemaScope-Film
zeigt den legendären Ikonenmaler Rubljow (etwa 1360–1430)
als humanistischen, aufgeklärten Künstler an der Schwelle
zur Neuzeit. Menschenverachtende Macht- und Kriegspolitik
seiner Auftraggeber stürzen ihn in eine tiefe schöpferische
Krise, gleichzeitig werden sie aber auch zur Triebfeder für die
Auseinandersetzung mit der komplexen Position des Künstlers
in der Gesellschaft. / This monumental Cinemascope film is split
into eight chapters and depicts the legendary icon painter Rublev
(around 1360–1430) as an enlightened humanist artist on the cusp of
the modern era. The inhuman war and power politics of his employer
plunge him into a profound creative crisis, whilst at the same time
providing the impetus for an exploration of the complex situation of the
artist within society. —> John Blue
ANNA
Alberto Grifi, Massimo Sarchielli, Italien/Italy 1972–1975, 16 mm,
OV, 213 min
ANNA ist ein Film über eine 16-jährige, obdachlose Drogenabhängige.
Sie ist im 8. Monat schwanger, als sie von den beiden
Filmemachern auf der Piazza Navona in Rom entdeckt wird.
Der Film dokumentiert die Beziehung zwischen der schönen,
deutlich angeschlagenen, oft benommenen Teenagerin und den
Regisseuren. ANNA ist weit davon entfernt Cinema vérité zu sein.
Die Verwicklung aller Beteiligten schließt Reinszenierungen des
ersten Treffens mit ein, eindeutige Versuche, die Protagonistin
zu lenken sowie häufige Eingriffe von hinter der Kamera
(nicht zuletzt das Auftauchen des Technikers aus der Crew als
Liebhaber). / ANNA is a film about a 16-year-old homeless junkie,
eight months pregnant, whom the filmmakers discovered in Rome’s
Piazza Navona. It documents the interactions between the beautiful,
clearly damaged, often dazed teenager and the directors, who take
her in partly out of compassion and partly because she’s a fascinating
subject for a film. Far from straightforward vérité, this self-implicating
chronicle includes reenactments of the first meeting, explicit attempts
to direct its subject, and frequent intrusions from behind the camera
(not least the emergence of the film’s electrician as a love interest).
—> Constanze Ruhm
ANDY WARHOL KATALOGFILM
Ludwig Schönherr, BRD/FRG 1969, 16 mm, 28 min
siehe/see FACE I & II —> Marc Siegel
ANGELIKA URBAN, VERKÄUFERIN, VERLOBT
Helma Sanders-Brahms, BRD/FRG 1970, 16 mm, OV, 31 min
Der Film porträtiert die Verkäuferin bei ihrer Arbeit im Kaufhof.
Der Ton ist asynchron zum Bild. Dadurch werden Entfremdung
und Ausbeutung hervorgehoben, denen Angelika machtlos
ausgeliefert ist. / The film portrays a saleswoman who works at the
Kaufhof department store. The sound is asynchronous. The alienation
and exploitation to which Angelika is helplessly delivered are thus
highlighted. (Eva Heldmann) —> Florian Wüst
APRILI (April)
Otar Iosseliani, Georgia 1962, 35 mm, OV/(Franz. UT/French
subtitles), 29 min
Iosselianis Erstlingsfilm setzt sich kritisch mit dem Besitzstreben
des Kleinbürgertums auseinander. Der Film zeigt eine starke
Nähe zum Kino von Jacques Tati. APRILI ist – wie zahlreiche seiner
Arbeiten – ein Film weitgehend ohne Dialog und Kommentar.
Nach dem Verbot von APRILI arbeitete Iosseliani zwei Jahre lang
als Fischer, Matrose und Metallgießer. / Iosseliani’s first film is a
critical examination of the petty bourgeois aspirations to possess.
The film shows a strong affiliation for the films of Jacques Tati. Like
many of his later films, APRILI does not have extensive dialogue or
commentary. After APRILI was banned, Ioselliani worked for two years
as a fisherman, sailor and metal founder. —> Marcel Schwierin
ARABESQUE FOR KENNETH ANGER
Marie Menken, USA 1961, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
5 min
Diese animierten Beobachtungen von Fliesen und maurischer
Architektur sind ein Dankeschön für dich, Kenneth, dafür, dass
du mir halfst, einen anderen Film in Spanien zu drehen./These
animated observations of tiles and Moorish architecture were made
as a thank you to Kenneth for helping me shoot another film in Spain.
(Marie Menken) —> Senta Siewert
252

FILMOGRAPHY
ARROWPLANE
Heinz Emigholz, BRD/FRG 1974, 16 mm, stumm/silent, 23 min
ARROWPLANE stellt die Multiplikation eines Kameraschwenks
mit sich selbst dar, angewandt auf drei Landschaften –
Wiesenhügel, Stadt und Strand. Den Siebenjährigen Dichtern
gewidmet. / ARROWPLANE presents the Multiplication of a Camera
pan within itself, applied on three landscapes - Medow, City and Beach.
Dedicated to the Seven Year Old Poets. —> Entuziazm
ARSENAL
Alexander Dowshenko, UdSSR/USSR 1928, 35 mm, OV (Engl. UT/
English Subtitles), 92 min
Namensgeber für das Arsenal - Institut für Film und Videokunst.
Dowshenkos dritter Spielfilm spielt im Russischen Bürgerkrieg. Der
Revolutionsfilm heroisiert den Aufstand in der Kiewer Waffen fabrik
„Arsenal” beim Januaraufstand 1918 gegen die bürgerlich-nationale
Regierung der Ukraine. / The eponym of Arsenal - Instute for Film and
Video Art. Dowshenko’s third feature is set in the Russian Civil War.
The revolutionary film heroically worships the revolt in the weapons
factory “Arsenal” in Kiev during the January 1918 uprising against the
nationalist-bourgeois governement of Ukraine. —> Avi Mograbi
ASTENITSCHESKI SINDROM (Das asthenische Syndrom/The
asthenic Sydrome)
Kira Muratova, Nadesha Popova, UdSSR/USSR 1989, 35 mm, OV,
153 min
Das asthenische Syndrom hat man als einen der größten Filme
der Perestroika-Jahre zum Ende des sowjetischen Experiments
gerühmt. Ein Film im Film: Ein Mensch stirbt. Er hinterlässt eine
Frau, die Ärztin Natascha, die das Leben zu zweit gewohnt war.
Das Licht verlöscht, und schon liegt der nächstbeste Betrunkene
von der Straße in ihrem Bett. Die Zuschauer des Films im Film
lässt dies alles unberührt. / The Asthenic Syndrome has been hailed
as the greatest film of the Perestroika years that concluded the Soviet
experiment. A film within a film. When her husband dies, Natasha, a
doctor, finds she cannot cope with living alone. The light goes out and
the next best drunk from the street is already in her bed. Non of these
events can move the film’s audience in the film. —> Marcel Schwierin
ASYLUM
Peter Robinson, USA 1972, 16 mm, OV (Dt. UT / German subtitles),
95 min
ASYLUM ist Kingsley Hall in London, wo eine kleine Gruppe
Verhaltensgestörter mit Ärzten und Pflegepersonal gleichberechtigt
zusammenlebt. Hier können diese ‚Geisteskranken‘ sie
selbst sein, ohne die Zwänge der entmenschlichten Heilanstalten,
durch die sie alle erfolglos gegangen sind. / ASYLUM is Kingsley Hall
in London, where a small group of insane people live on equal footing
with their caretakers. Here these “crazy people” can be themselves,
without the restraints of the inhumane asylums through which they
have all gone without success. —> Anselm Franke
ATLANTI (Atlant)
Nana Djordjadze, Georgien/Georgia 1979, 35 mm, OV, 16 min
Der Film erzählt die Geschichte eines Mannes, der dazu verdammt
wird, den Balkon eines Hauses zu stützen. / The film tells the story
of a man whose willingness condemns him to prop up the balcony of a
house. —> Marcel Schwierin
AUTOMNE: OCTOBRE À ALGER (Herbst: Oktober in Algier/
Autumn: October in Algiers)
Malik Lakhadar-Hamina, Algerien/Algeria 1992, 35 mm, OV (dt.
UT/German subtitles), 91 min
Der Film erzählt die Geschichte der Probleme und Repressionen,
denen ein in Algier lebender Musiker in den Wochen vor den
Demonstrationen des Oktober 1988 und dem darauffolgenden
brutalen Durchgreifen der Regierung ausgesetzt ist. / The film
tells the story of the troubles and repression suffered by a professional
musician living in Algiers in the weeks leading up to the popular
demonstrations and violent government crackdown of October 1988.
(BFI) —> Ala Younis
B
BABES ON BROADWAY
Busby Berkeley, USA 1941, 16 mm, OV, 118 min
Eine Gruppe junger Tänzer und Musiker produziert eine eigene
Show mit dem Ziel, einen ersten Broadway-Erfolg zu erlangen. Um
das Geld für die Theatermiete zusammenzubekommen, geben sie
ein Straßenfest. Alles läuft gut, doch mitten in den Proben gibt es
eine desaströse Wendung: Das Theater wird auf die Abrissliste
gesetzt. / “Mickey Rooney asks July Garland whether she’d like to
sing him a song. She says, ‘How do you know I sing?’ He says, ‘You
sing when you talk, and you dance when you walk, and when I look
in your eyes, I see a song.’” (Michael Baute) —> Vaginal Davis
BAUCHLANDUNG (Bellyflop)
Karola Schlegelmilch, Deutschland/Germany 1991, 16 mm OV, 3 min
Nimmt sie Euch mit, die Ferne des Alls? Der Lichtstreif am Horizont,
wölbt ihr Euch über ihn? Na, dann Guten Appetit! Der 16-mm-
Film Bauchlandung geht auf die Verwandtschaft ein zwischen
Fernweh und Hunger, Symbol und Alltag, Traum und Magen. / Does
the distance of outer space carries you away? The strip of light on the
horizon, do you arch yourself over it? Then bon appetit! The 16mm film
Bauchlandung explores the relationship between homesickness and
hunger, the symbolic and the everyday, dreams and the stomach.
—> Ian White
BENZINIS TSCHAMOMSCHMELI
Bidzina Tschcheidze, Georgien/Georgia 1978, 35 mm, OV, 30 min
Ein Tankwart mit einem magischen Geheimnis schafft um seine
Tankstelle ein kleines Paradies, in dem nicht nur Autos, sondern
auch Menschen geheilt werden – bis die Behörden sich der Sache
mit wissenschaftlicher Gründlichkeit annehmen und die Tankstelle
schließen. Eine typisch georgische Komödie, absurd und heiter
und immer ein bisschen boshaft gegenüber dem real existierenden
Sozialismus. / A filling station attendant with a magical secret creates
a little paradies around his workplace, where not only cars, but also
people are healed – until the authorities take on the matter with
scientific throroughness and close the station down. A typical Georgian
comedy: absurd and cheerful and always a jabbing at the “actually
existing socialism”. —> Marcel Schwierin
BERLINER LUFT
Riki Kalbe, Barbara Kasper, Deutschland/Germany 1996, 35 mm,
OV, 7 min
Der Film erzählt von der unterschiedlichen Luftqualität in Berlin
in drei verschiedenen Jahrzehnten und parallel dazu von den
Erfindern eines Souvenirartikels, die anfangs in Berlin, später in
Lübeck Berliner Luft in Dosen füllten. (Produktionsmitteilung) /
The film tells of different air-qualities in Berlin in three decades and, in
parallel, of the inventors of a souvenir, who, first in Berlin and then in
Lübeck, filled cans with Berlin Air. —> Nanna Heidenreich
BESONDERS NETTE ELTERN (Particularly Nice Parents)
Episode 16 aus der Serie GESCHICHTEN VOM KÜBELKIND/
Episode 16 from the series STORIES OF THE DUMPSTER KID, Edgar
Reitz, Ula Stöckl, BRD/FRG 1970, 16 mm, OV, 9 min
Kübelkind muß lernen, daß ein Beischlaf auch dann von Übel ist,
wenn er auf dem Klo vollzogen wird. / Dumpster Kid has to learn that
sexual intercourse can also be quite nasty, when it takes place in the
toilet. —> Florian Wüst
253

FILMOGRAFIE
BESONDERS WERTVOLL (Of special value)
Hellmuth Costard, Deutschland/Germany 1968, OV, 11 min
Ein Film gegen das Filmförderungsgesetz: „Während eine Stimme
mit fremdländischem Akzent die störende Sittenklausel rezitiert,
bewegt sich in Großaufnahme die Öffnung eines Penis wie ein
zahnloser Mund; zu barockem Trompeten-Schmettern masturbiert
sodann eine Mädchenhand sachverständig das Glied; zum Schluss
rückt eine Afteröffnung ins Bild und löscht, mit natürlichem
Geräusch, eine Kerze.“ / A film against the German film funding law:
“While a voice with foreign accent is reciting the law’s controversial
morality clause the opening of a penis is moving like a toothless
mouth in close-up. Set to baroque trumpets, a girl’s hand expertly
masturbates the member. At the end, an anal orifice comes into view
and extinguishes, with natural sound, a candle.“ (Der Spiegel)
—> Ian White
BESPRECHUNG
Stefan Landorf, Deutschland/Germany 2009, 35 mm, OV, 92 min
Besprechungen gibt es überall, täglich und in großer
Formenvielfalt: Gremiensitzungen, Morgenbesprechungen,
Abteilungsleiterkonferenzen. Aus Worten und Gesten der
Besprechungsteilnehmer beschreibt der Film eine wuchernde
Landschaft formeller Kommunikation. / Meetings are held
everywhere, on a daily basis and in many forms: board meetings,
morning meetings, department manager meetings.With words and
gestures of meeting participants, the movie describes a growing
landscape of formal communication. —> Merle Kröger
BLUE MOVIE
Agnieszka Brzezanska, Polen/Poland 2007, DVD, ohne Dialog/
without dialogue, 4 min
Für BLUE MOVIE lud Agnieszka Brzezanska andere Künstlerinnen
aus ihrem Bekanntenkreis dazu ein, als Aktmodelle in einem leeren
dunklen Raum zu einem Song von Blondie zu tanzen. Der daraus
entstandene Film besteht aus einem improvisierten freien Tanz
weiblicher Schatten. / For BLUE MOVIE Agnieszka Brzezanska invited
other women artists in her circle to perform as nudes in an empty dark
space to a track by Blondie. The resulting film is an improvised free
dance of shadows of female bodies. —> Angela Melitopoulos
BODENPROBEN
Riki Kalbe, BRD/FRG 1987, 16 mm, OV, 31 min
BODENPROBEN thematisiert das Prinz-Albrecht-Gelände,
das ehemalige Hauptquartier der Gestapo in Berlin, das bis zur
Errichtung der provisorischen Gedenkstätte Topografie des
Terrors im Herbst 1986 als Schuttabladeplatz genutzt wurde.
Kalbes subjektive Annäherung versucht hier aufzuspüren,
wie Geschichte verschüttet und wieder freigelegt wird. /
BODENPROBEN shows the Prinz-Albrecht compound, the former
headquarters of the Gestapo in Berlin, which was used as a dumping
ground until the installation of the memorial Topography of Terror in
autumn of 1986. Kalbe’s subjective approach tries to uncover, how
history is submerged and exposed again. (Florian Wüst)
—> Nanna Heidenreich
BOOMERANG
Richard Serra, USA 1974, DigiBeta, OV, 11 min
Durch Rückkoppelung mittels Kopfhörer erscheinen die Worte
der amerikanischen Filmemacherin und Bildhauerin Nancy Holt
sowohl akustisch wie auch in ihrem Sinngehalt nur noch schwer
verständlich. Sprache und Bild gestalten und enthüllen sich im
Moment ihres Entstehens. / By way of feedback through headphones,
the words of American filmmaker and sculptor Nancy Holt can be
heard, although the content of her speech is hardly understandible.
Language and image form and reveal each other in the very moment of
their creation. —> John Blue
BREAK AND ENTER
Newsreel (New York), USA 1971, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 40 min
Der Film zeigt die militanten Vorläufer der heutigen
Hausbesetzer-Bewegung in New York. Im Jahr 1970 besetzten
mehrere hundert puertorikanische und dominikanische Familien
leerstehende städtische Wohnungen. Sie rissen die Bretter von
den Türen, säuberten und reparierten die Gebäude und zogen
ein. / This film captures the militant antecedents to today‘s housing
reclamation movement in New York City. In 1970, several hundred
Puerto Rican and Dominican families reclaimed housing left vacant by
the city. They pulled the boards off the doors, cleaned and repaired the
buildings and moved in. (TWN - Third World Newsreel)
—> Angela Melitopoulos
BROADWAY MELODY OF 1940
Norman Taurog, USA 1940, 16mm, OV, 102 min
Fred Astaire und George Murphy sind ein glückloses Tanzduo,
dessen Freundschaft durch eine unverhoffte Chance auf den
großen Broadwayruhm an der Seite von Starlet Claire Bennett
(gespielt von Eleanor Powell) auf die Probe gestellt wird. /
Fred Astaire and George Murphy play a down on their luck dance
duo, whose friendship is put to the test when a chance at big-scale
Broadway fame at the side of starlet Claire Bennett (played by Eleanor
Powell) presents itself. —> Vaginal Davis
BURDEN OF DREAMS
Les Blank, USA 1982, 16 mm, OV, 95 min
Mit BURDEN OF DREAMS kehrt Les Blank „zu den spirituellen
Aktivitäten Werner Herzogs zurück. Er ist ein Dokumentarfilm
über Herzogs Dreharbeiten zu Fitzcarraldo und sein Thema ist
ein doppelter Traum, der allen Widrigkeiten zum trotz realisiert
wird. Herzogs Vision ist die eines Drehs am Oberlauf des
Dschungelflusses, dort, wo Fitzcarraldo die Opern inszenieren
wollte, die er liebte.” / With A BURDEN OF DREAMS Les Blank is
“returning to Herzog’s spiritual activities. Its a documentary of Herzog
shooting Fitzcarraldo and its subject is a double dream coming true
against all the odds. Herzog’s vision is of shooting, up the jungle river,
a work of art about Fitzcarraldo’s vision, of staging, up the jungle river,
the operas he loves.” (Raymond Durgnat, 1982) —> Sabine Nessel
C
CANADIAN PACIFIC
David Rimmer, Kanada/Canada 1974, 16 mm, OV, 9 min
Der Hafen von Vancouver, mit seinen Eisenbahnbetriebshöfen,
den Bergen und den vorbeifahrenden Schiffen, als Landschaft
in ständiger Transformation, über drei Wintermonate hinweg,
gezeigt in 10 Minuten. Was mich an dieser Einstellung
interessierte, waren die Horizontalen: die Gleise, das Wasser, die
Berge, der Himmel, und wie diese vier Elemente sich verändern
würden. / Vancouver harbour, with its railyards, mountains and
passing ships, is a vista in fluid transformation as three winter months
are reviewed in ten minutes. What interested me about the shot were
the horizontals: train tracks, the water, the mountains, the sky and the
way those four elements would change. (David Rimmer)
—> Darryl Els
CARNET DE IDENTIDAD
Llorenç Soler, Spain 1970, 16 mm, OV, 29 min
Ein systemkritischer Experimentalfilm im Stil von klassischer
Avantgarde und Pop Art montiert. / A dissident experimental film
edited in the style of the classical Avant-garde and Pop Art.
—> Sabine Schöbel
254

FILMOGRAPHY
CASA O MIERDA
Guillermo Cahn, Samuel Carvajal, Carlos Flores Delpino, Chile
1970, 16 mm, OV, 13 min
Ein Dokument der schlechten Lebensbedingungen der Menschen
in Chile. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Mangel an
Wohnraum. / Document on the poor conditions of living of people in
Chile. It particularly emphasises the lack of accomodation and building.
—> Florian Wüst
CATFILM FOR CATHY AND CYNNIE
Standish Lawder, USA 1973, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
3 min
In den frühen 70ern organisierte eine New Yorker
Katzenliebhaberin namens Pola Chapelle ein „Katzenfilmfestival“,
das in einem großen Kinosaal in Downtown vor einem Publikum
von über tausend Katzenfreunden stattfand. Zu dieser Zeit lebte
ich, meine Frau Ursula und unsere beiden Töchtern Cathy und
Cynnie mit viel zu vielen Katzen zusammen. Ich liebte meine
Familie, aber nicht die Katzen. / In the early 70’s, a New York cat-lover
and film-maker named Pola Chapelle produced a “Cat Film Fesitval”
which was shown in a large downtown NYC auditorium to an audience
of more than a thousand cat-lovers. At the time, I lived with my wife
Ursula and our daughters Katy and Cynnie, together with many, too
many cats. I loved my family but not the cats. (Standish Lawder)
—> Stefanie Schlüter
CHARMING FOR THE REVOLUTION
Pauline Boudry, Renate Lorenz, Deutschland/Germany 2009,
MiniDV, OV, 10 min
Der Film ist charmant, aber immer noch Arbeit. Die Arbeit zu fordern,
was schon längst uns gehören sollte. / The film is charming, but
it is still labor. The labor to engage in demanding what should already
be ours. (Pauline Boudry & Renate Lorenz) —> Angela Melitopoulos
CHEB
Rachid Bouchareb, Algerien/Frankreich / Algeria/France 1991, 35
mm, OV (dt. UT/German subtitles), 82 min
Der 19-jährige Merwan Kechida lebt seit seinem ersten Lebensjahr
in Frankreich, aber er hat seine algerische Nationali tät behalten.
Eines Tages wird er ausgewiesen und findet sich in Algerien wieder,
in einem Land, dessen Sprache er nicht kennt. Die Behörden
schicken ihn zum Militärdienst. Als Einwanderer in Frankreich
wie in Algerien beschließt Mer wan, das Land zu verlassen, das ihn
wider seinen Willen festhält, um in das Land zurückzukehren, das
ihn ohne sein Zutun ausge stoßen hat. / Nineteen year old Merwan
Kechida has been living in France since he was one, but he kept his
Algerian nationality. One day, he gets extradited from France to Algeria,
a country whose language he does not know. The authorities send him
south to do his military service. An immigrant in France as well as in
Algeria, Merwan decides to leave the country which holds him against
his will, and return to the country, which expelled him for no reason.
—> Ala Younis
CHOFUKU-KI
Shuji Terayama, Japan 1974, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
12 min
Wenn es gelingt, dass die Zuschauer, die diesen ‚gestörten Film‘
sehen, einen Augenblick lang der Illusion verfallen, die Leinwand
wäre nichts anderes als eine riesige Augenbinde, dann werden,
glaube ich, alle Zuschauer zu Wesen, die zwischen das Auge und die
Augenbinde Gullivers gesteckt werden. / Were it to happen, that the
viewers of this ‘disturbed’ film would, for one moment, succumb to the
illusion, the screen were nothing else than an enormous blindfold, then,
or so I think, all viewers would become beings, who get stuck between
the eye and the blindfold of Gulliver. (Shuji Terayama)
—> Bonusfilm, präsentiert von/presented by Marc Siegel
CHULAS FRONTERAS
Les Blank, USA 1976, 16 mm, Spanish OV (engl. UT/subtitles), 59 min
Ein komplexer, aufschlussreicher Blick auf die Erfahrungen der
Chicanos anhand der Leben und der Musik der bekanntesten
Norteño-Musiker im texanisch-mexikanischen Grenzgebiet,
darunter Jimenez und Lydia Mendoza. / A complex, insightful look at
the Chicano experience as mirrored in the lives and music of the most
acclaimed Norteño musicians of the Texas-Mexican border, including
Flaco Jimenez and Lydia Mendoza. (www.lesblank.com)
—> Sabine Nessel
CINCUENTA Y DOS DOMINGOS
Llorenç Soler, Spanien/Spain 1970, 16 mm, OV, 42 min
CINCUENTA Y DOS DOMINGOS von Llorenç Soler ist eine
vielschichtige, anklagende Milieustudie über junge, aus dem Süden
des Landes stammende Arbeiter, die in ärmlichsten Verhältnissen
in den Vorstädten von Barcelona leben und in ihrer Freizeit das
illustre, gefährliche und symbolgeladene Metier des Stierkämpfers
lernen. / A multi-layered and accusational milieu study about young
workers from the south, who live in poor circumstances in the suburbs
of Barcelona and spend their freetime learning th trade of matador.
—> Sabine Schöbel
CINÉMA MORT OU VIF? (Cinéma, tot oder lebendig?)
Filmkollektiv Zürich, Schweiz/Switzerland 1976/77, 16mm, OV
(dt. UT/German subtitles), 105 min
Wie Alain Tanners Film Jonas entsteht und warum darin was wie
dargestellt wird. / How Alain Tanner’s film Jonas is made and why it
shows what how. —> Entuziazm
CLOUD DANCE
Robyn Brentano, Andrew Horn, USA 1980, 16 mm, OV, 13 min
Andy De Groat tanzt in Leonore Tawneys Skulptur The Four Armed
Cloud. Begleitet wird der Tanz von einem Gedicht von Christopher
Knowles und Sun Music von Michael Galasso. / Andy De Groat
dances inside The Four Armed Cloud – a sculpture by Leonore Tawney.
Poetry by Christopher Knowles and Sun Music by Michael Galasso
accompany the piece. —> Ian White
COLLOQUE DE CHIENS (Dogs´ colloquium)
Raúl Ruiz, Frankreich/France 1978, 16 mm, OV (Dt. UT / German
subtitles), 18 min
Hunde erzählen eine melodramatische Geschichte, die von
Adoptivkindern und Mördern handelt. „COLLOQUE DE CHIENS
ist ein komischer Film, nicht nur deshalb, weil er einen Photoroman
fabriziert, der wahrer ist als die Natur, sondern auch deshalb,
weil er einen lachen läßt, ohne sich jemals der Verachtung zu
bedienen.“ / Dogs tell a melodramatic story about adopted kids and
killers. „COLLOQUE DE CHIENS is a strange movie, not just because
it produces a photo novel, which is more treal than nature but also
because it makes one laugh without ever being disdainful.“ (Nathalie
Heinich) —> Stephan Geene
COLOR RHAPSODY
Mary Ellen Bute, USA 1948/1951, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 6 min
COLOR RHAPSODY besteht aus Bildern kolorierter
Feuerwerkskörper, Wolken oder eines sternbehangenen
Himmels sowie animierter Aufnahmen, die tanzende
Schachbrettformationen, flatternde Quadrate oder ausrollende
Kreise zeigen. All diese Bilder wechseln sich ab und überlagern
sich, was dem Film einen verschwenderischen Farbreichtum und
Kollagencharakter verleiht. / COLOR RHAPSODY is composed of
optically colored images of firecrackers, clouds and a star-filled heaven
as well as animated images showing for example dancing chess board
formations, fluttering squares and freewheeling circles, all alternating
255

FILMOGRAFIE
and layered on top of each other. This multiplicity of stylistic forms gives
the film its luxuriant richness in color and collage-like character.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
COLORFILM
Standish Lawder, USA 1982, 16 mm, OV, 3 min
Standish Lawders Film ist genau das, was sein Titel verspricht:
ein Film aus farbigen Filmstreifen, die durch einen Projektor
laufen. Die Namen der Farben blitzen auf der Leinwand auf, aber
so schnell, dass man sie kaum lesen kann und kaum die Farbe
wahrnehmen kann, die gleichzeitig durch den Projektor läuft; ein
künstlich erzeugtes Licht blitzt aus dem Projektor, alles zu einer
schnellen Rock-Musik. / Standish Lawder‘s film holds exactly what
its title promises: a film made of colored filmstrips that rush through a
projector. The names of the colors flash on the screen, but too fast to
read them properly. You can hardly recognize the color, which passes
through the screen, either. An artificial light flashes from the projector,
set to fast rock music. A film about a film about a film… (Superfilmshow)
—> Stefanie Schlüter
COLOUR POEMS 1974
Margaret Tait, UK 1974, 16 mm, OV, 11 min
Neun zusammenhängende kurze Filme, die sich mit dem Erinnern,
zufälligen Beobachtungen und dem Unterordnen des Einen unter
das Andere beschäftigen. Die Titel: NUMEN OF THE BOUGHS,
OLD BOOTS, SPEED BONNY BOAT, LAPPING WATER, INSENCE,
AHA, BRAVE NEW WORLD, THINGS, TERRA FIRMA. / Nine linked
film ‘poems’, described by Margaret Tait herself as follows: A poem
started in words, and referring to distant memories to do with people
going or not going to the Spanish Civil war, goes on in the picture;
memory gets somewhat lost in the present observation, although it
never disappears, and there are reverberations back, even in the brief
life of the poppies in “Terra Firma”. (Scottish Film Archive)
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
COME BACK, AFRICA
Lionel Rogosin, USA 1958, 35 mm, OV, 84 min
Lionel Rogosins kraftvoller Klassiker ist einer der mutigsten und
besten politischen Filme überhaupt. Nachdem er im Zweiten
Weltkrieg den Terror des Faschismus hautnah erlebt hatte, schwor
Lionel Rogosin, ihn immer und überall zu bekämpfen. Im Versuch
das zu enttarnen, „was die Leute nicht sehen wollen”, reiste Rogosin
nach Südafrika und filmte dort heimlich COME BACK, AFRICA,
der die Grausamkeit und das Unrecht zeigte, denen Schwarze und
Farbige während der Apartheid ausgesetzt waren. / Lionel Rogosin’s
1959 powerful classic is one of the bravest and best of all political films.
After witnessing firsthand the terrors of fascism as a soldier in World
War II, Lionel Rogosin vowed to fight against it wherever and whenever
he saw it reemerging. In an effort to expose “what people try to avoid
seeing,” Rogosin travelled to South Africa and secretly filmed COME
BACK, AFRICA, which revealed the cruelty and injustice suffered by
black and colored peoples under apartheid.
(www.milestonefilms.com) —> Darryl Els
COMMITTED
Sheila McLaughlin, Lynne Tillman, USA 1983, 16 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 77 min
COMMITTED ist ein Spielfilm über die Schauspielerin Frances
Farmer, die in den 40er Jahren in ein psychiatrisches Krankenhaus
eingewiesen wurde. Der Film versteht sich nicht als Biografie,
sondern als fiktionale Analyse bestimmter Bereiche ihres Lebens:
er behandelt die gestörte Beziehung zwischen Mutter und Tochter;
das soziale und politische Klima in den 30er und 40er Jahren;
die Rolle der Psychatrie als zunehmend mächtiger werdende
Determinante im amerikanischen Leben; und die destruktive
Liebesgeschichte zwischen einer Frau und einem Mann. /
COMMITTED is a narrative film that takes as its subject the movie star
Frances Farmer, who was committed to a mental institution in the mid-
1940s. Not intended as a biography but as a fictional interpretation
of parts of her life, COMMITTED focuses on a troubled relationship
between a mother and daughter; the social and political environment
during the 1930s and 1940s; psychiatry as an increasingly powerful
determinant in American life; and a destructive love affair between a
woman and a man. —> Heinz Emigholz
CONTRA LA RAZON Y POR LA FUERZA (Gegen die Vernunft
und durch die Gewalt)
Carlos Ortiz Tejeda, Mexiko/Mexico 1973, 16 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 50 min
Das chilenische Drama aus lateinamerikanischer Sicht. Ein
getreuer und leidenschaftlicher Zeugenbericht vom Heroismus
eines Volkes in seiner schwierigsten Phase. Eine Darstellung
mit dialektischer Objektivität. In diesem Film werden die
Meinungen des Volkes und der Militärs mit der ganzen Gewalt
des Augenblicks zum Ausdruck gebracht. / The Chilean drama
from a Latin American viewpoint. A truthful and passionate account
of the heroism of a people in its most difficult phase. A depiction with
dialectical objectivity. In this film, the opinions of the people and
the military are expressed with the full force of the moment. (Carlos
Ortiz Tejeda)—> Florian Wüst
D
DADA
Mary Ellen Bute, USA 1936, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 3 min
Einer der lebhaftesten abstrakten Filme Mary Ellen Butes. / One
of the liveliest of Mary Ellen Bute‘s abstract films.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
DAS UNBEKANNTE HAMBURG (The Unknown Hamburg)
Ludwig Schönherr, BRD/FRG 1983–88, 16 mm, ohne Dialog/
without dialogue, 60 min
Der 60minütige Film DAS UNBEKANNTE HAMBURG – das
einzige mit öffentlicher Förderung finanzierte Werk des
Künstlers – durchsetzt sorgsam kadrierte Einstellungen mit
stummen Close-Ups von Ballerinas des Hamburger Ballets
– Bilder, die an Andy Warhols Screen Tests erinnern. Neben
Fernsehen und Stadtlandschaften sind auch die Ballerinas immer
wiederkehrende Objekte von Schönherrs Blick, sowohl im Film
als auch auf Fotografien. / The sixty minute film, Unknown Hamburg
(1983–88) – the artist‘s only work produced with public funds –
intersperses carefully framed shots of unfamiliar Hamburg cityscapes
with silent, close-ups of ballerinas from the Hamburg Ballet, images
reminiscent of Andy Warhol‘s Screen Tests. Alongside television and
urban landscapes, ballerinas surface again and again as the objects of
Schönherr‘s gaze, both in his films and photographs. (Marc Siegel)
—> Marc Siegel
DAS ZWEITE ERWACHEN DER CHRISTA KLAGES
Margarethe von Trotta, Deutschland/Germany 1977/78, 35 mm,
OV, 93 min
Eine junge Frau überfällt mit zwei Komplizen eine Bank und
erpresst eine große Summe Geld, um einen von Schließung
bedrohten Kinderladen zu sanieren. Schließlich gefasst, entgeht
sie durch die bewusste Falschaussage einer Bankangestellten der
Strafe. / A young woman robs a bank together with two accomplices
and extorts a lot of money to help a kindergarden stay in business.
Finally apprehended, she escapes the sentence through the deliberate
false statement of a bankteller. (Lexikon des internationalen Films)
—>Entuziazm
256

FILMOGRAPHY
DE CIERTA MANERA
Sara Gómez, Kuba/Cuba 1974, 35 mm, OV (Dt. UT/German
subtitles), 79 min
Der Film gilt als einer der wichtigsten Produktionen der „grauen“
1970er Jahre. Es ist der einzige Spielfilm von Sara Gómez, der
nach ihrem frühen Tod von Alea und Espinosa fertiggestellt
wurde. In einem Mix aus Dokumentar- und Spielfilm beschreibt
er anhand zweier Protagonisten das Leben in einem kubanischen
Armenviertel. Die Wertvorstellungen und Normen der Bewohner
haben sich mit dem Neubau der Behausungen nicht einfach
verändert – die neue Gesellschaft erscheint nicht auf Abruf. „Der
kubanische Filmemacher drückt sich auch als Revolutionär aus;
das Kino ist für uns unweigerlich parteilich.“/ The film is deemed
to be one of the most important productions of the “gray” 1970s. It is
the only fiction film by Sara Gómez, which was completed by Alea and
Espinosa after her untimely death. A mix of documentary and feature
film, it describes the life of two protagonists in a Cuban slum. The values
and standards of the residents have not changed after the construction
of the new buildings – a new society does not appear on demand. “The
Cuban filmmaker expresses itself as a revolutionary; for us cinema is
inevitably biased.“ (Sara Gómez) —> Florian Zeyfang
DE ENGEL VAN DOEL (An Angel in Doel)
Tom Fassaert, NL 2011, HDCAM, OV (dt. UT/German subtitles),
76 min
Das Dörfchen Doel ist dem expandierenden Hafen von Antwerpen
im Weg. Ein Abrissbeschluss steht – die Vergangenheit muss der
Zukunft weichen. Emilienne, eine rüstige Dame, sieht das anders.
/ The little village of Doel stands in the way of the expanding port of
Antwerp. The demolition permit has been granted – the past must
make way for the future. Emilienne, a sprightly old lady, sees things
differently. —> Merle Kröger
DEMON
Heinz Emigholz, BRD/FRG 1976/77, 16 mm, OV, 30 min
DEMON ist ein verfilmtes Prosapoem von Stéphane Mallarmé mit
dem Titel „Der Dämon der Analogie“. / The Translation of Stéphane
Mallarmé’s “The Demon of Analogy”. Dedicated to Arthur Gordon Pym.
—> Entuziazm
DENKMALPFLEGE
Riki Kalbe, Deutschland/Germany 1993, 35 mm, OV, 7 min
Ein Mensch, der sich für den Besitzer einer Gipsbüste von Mao Tse
Tung hält, erinnert sich. Sechs weitere Menschen erzählen, was sie
wann und wo mit der Büste zu tun hatten. (Produktionsmitteilung)
/ Somebody, claiming to be the owner of a Mao Tse Tung bust,
remembers. Six other people recount, what they had to do with the bust
and when. (Production note) —> Nanna Heidenreich
DER LETZTE KUSS
Riki Kalbe, BRD/FRG 1977, 16 mm, OV, 25 min
Dokumentarfilm über Fließbandarbeiterinnen in einer Fabrik,
in der Schokoküsse hergestellt werden. Und ein Film über die
Herstellung von Schokoküssen. / A documentary film on female
assembly line workers in a factory, where chocolate marshmallows are
produced. —> Nanna Heidenreich
DER TAG DES SPATZEN (Day of the Sparrow)
Philip Scheffner, Deutschland/Germany 2010, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 100 min
DER TAG DES SPATZEN ist ein politischer Naturfilm. Er handelt
von einem Land, in dem die Grenze zwischen Krieg und Frieden
verschwindet. Am 14. November 2005 wird im holländischen
Leeuwarden ein Spatz erschossen, nachdem er 23.000
Dominosteine umgeworfen hat. In Kabul stirbt ein deutscher
Soldat infolge eines Selbstmordattentates. Das Nebeneinander
der Schlagzeilen wird zum Anlass für Regisseur Philip Scheffner,
sich mit den Methoden der Ornithologie auf die Suche nach dem
Krieg zu machen. In Deutschland, nicht in Afghanistan. Denn hier
stellt sich die Frage: Leben wir im Frieden oder im Krieg? / Philip
Scheffner, a passionate birdwatcher in his spare time, creates an
audacious homage to a particular sparrow which managed to attain
international fame in this decisive role. Scheffner sets out on a fantastic
search for clues with the meticulousness of a detective, which takes him
from the murder of the sparrow by a Dutch media concern to a nearly
forgotten holiday resort on the Baltic Sea. His search finally takes him
to the fences of various forbidden zones in the provinces and suburbs of
both East and West Germany. (Dorothee Wenner)
—> Nanna Heidenreich
DEL MERO CORAZON
Les Blank, USA 1979, 16 mm, OV, 28 min
Eine lyrische Reise durch das Herz der Chicano-Kultur anhand
der Liebeslieder der Tex-Mex Norteña-Musiktradition. / A lyrical
journey through the heart of Chicano culture as reflected in the love
songs of the Tex-Mex Norteña music tradition. (www.lesblank.com)
—> Sabine Nessel
DER HAMBURGER AUFSTAND OKTOBER 1923. EINE
WOCHENSCHAU, HERGESTELLT IN HAMBURG, MÄRZ BIS
AUGUST 1971
Reiner Etz, Gisela Tuchtenhagen, Klaus Wildenhahn, BRD/FRG
1971, 16 mm, OV, 115 min
Unsere Wochenschau ist ein Film in drei Teilen. Das Thema: Der
kommunistische Aufstand vom Oktober 1923 in Hamburg. Das war
der letzte revolutionäre Aufstand in Deutschland. / Our newsreel is
a film in three parts. Its topic: The communist uprising in Hamburg in
October 1923. That was the last revolutionary revolt in Germany. (Etz/
Tuchtenhagen/Wildenhahn) —> Florian Wüst
DER HORIZONT
Riki Kalbe, Deutschland/Germany 1996, 35 mm, OV, 4 min
Zwei Männer sitzen am Meer und betrachten den Horizont. Wie
lange dauert ein Tag, eine Tages-, eine Jahreszeit? Ist der Horizont
ein Anfang, oder hört da etwas auf? / Two men sit by the sea and look
at the horizon. How long is one day, one time of day, one season? Is the
horizon the beginning, or does something end there?
—> Nanna Heidenreich
DER UNTERTAN
Wolfgang Staudte, DDR/GDR 1951, 35 mm, OV, 109 min
Eindrückliche Charakterstudie und pointierte Entlarvung eines
karrieresüchtigen Opportunisten und Reaktionärs nach dem
Roman von Heinrich Mann. Die satirische Überzeichnung und
überzeugende Montage unterstützen den scharfen Angriff auf
staatlichen Totalitarismus und „Untertanen-Geist“. / An impressive
character study and pointed exposure of a carrier-oriented opportunist
and reactionary, based on the novel by Heinrich Mann. Satirical
caricature and a convincing montage enhance this sharp attack on state
totalitarianism and tributarian spirit.
—> Entuziazm
DESCOMEDIDOS Y CHASCONES (Cool and Tough)
Carlos Flores del Pino, Chile 1973, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 63 min
Der Film zeichnet ein Bild der chilenischen Jugend während
Salvador Allendes Regierungszeit Anfang der 70er Jahre
und analysiert mit experimentellen Mitteln die komplexen
Sozialisationen junger Menschen, die ihren jeweiligen Milieus – ob
bürgerlich oder proletarisch, reich oder arm, links oder rechts –
verhaftet bleiben. Die Premiere des Films wurde durch den von
Augusto Pinochet geführten Staatstreich am 11. September 1973
257

FILMOGRAFIE
verhindert. / The film traces a picture of the Chilean youth during the
reign of Salvador Allende in the early 1970s. It does not devote itself
to agitation through indoctrination against class society. Instead it
analyzes the complex socialization of young people which stay tied to
their respective social milieus – whether bourgeois or proletarian, rich
or poor, left or right – through experimental means. The film‘s theatrical
premiere in Santiago was prevented by the Pinochet led coup on
September 11 in 1973. —> Florian Wüst
DIE ALLSEITIG REDUZIERTE PERSÖNLICHKEIT – REDUPERS,
Helke Sander, BRD/FRG 1977, 35 mm, OV (engl. UT/English
subtitles), 98 min
Edda Chiemnyjewski, freiberuflich arbeitende Pressefotografin
und alleinerziehende Mutter im Westberlin der 1970er Jahre, muss
feststellen, dass „eine Köchin keine Zeit hat, die Staatsgeschäfte
zu führen.“ Gemeinsam mit der Frauenfotogruppe scheitert sie
an dem Anliegen, ein Kunstprojekt, das die Stadt dokumentiert,
„an den Mann“ bringen zu wollen. / Edda Chiemnyjewski, a freelance
press photographer and single mother living in 1970s West Berlin, is
confronted with the fact that “a cook has no time for affairs of state”.
She also fails to find a market for the project she has been working on
with her women’s photography group that seeks to document the city.
—> Entuziazm
DIE OPTISCHE INDUSTRIEGESELLSCHAFT ODER DARF‘S EIN
VIERTELPFUND MEHR SEIN?
Riki Kalbe, BRD/FRG 1983, 16 mm, OV, 47 min
Der Film kombiniert dokumentarische Sequenzen, Fernsehausschnitte
und Interviewpassagen mit dem damaligen
Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling mit einer fiktiven
Rahmenhandlung und mischt Video und 16 mm. Ein Film über
BTX und die schöne neue Medienwelt, in der die vermutlich
erste feministische Hackerin Verschiedenes in andere Kanäle
leitet. Außerdem eine Kritik an den Arbeitsverhältnissen in der
entstehenden Informationsdienstleistungsindustrie. / The film
combines documentary scenes, TV excerpts and passages from an
interview with the then Postmaster General Christian Schwarz-Schilling
in a fictional plot and mixes video and 16mm film. A film on BTX
(interactive videotex service) and the brave new media world, in which
the – presumably first – female hacker redirects a few things into other
channels. Also a critique of the working conditions in the emerging
information industry. —> Nanna Heidenreich
DIE UNTERDRÜCKUNG DER FRAU IST VOR ALLEM AN DEM
VERHALTEN DER FRAU SELBER ZU ERKENNEN
Helmuth Costard, BRD/FRG 1969, 16 mm, OV, 64 min
Der Film spielt im Sommer in unmittelbarer Nähe einer Großstadt.
Man sieht, was den ganzen Tag zu Hause passiert, wenn der
Mann auf der Arbeit ist. / The film takes places in the summer in the
immediate vicinity of a big city. It shows what happens at home, while
the man is at work. —> Florian Wüst
DIZZY GILLESPIE
Les Blank, USA 1965, 16 mm, OV, 23 min
Seltene Bilder des unsterblichen Bebop-Jazzers Dizzy Gillespie.
Er spricht von seinen Anfängen und musikalischen Theorien – und
spielt eine Menge heißer Musik auf seiner berühmten gekrümmten
Trompete. / Rare images of immortal bebop jazzman Dizzy Gillespie as
he talks about his beginnings and music theories — and blows a lot of
hot music on his famous bent horn. (www.lesblank.com)
—> John Blue, Sabine Nessel
DJIM SHVANTE! (Marili Swanets!/Salz für Swanetien!)
Micheil Kalatozischwili, Georgien/Georgia 1930, 35 mm, OV
(Russ. UT/Russian Subtitles), 58 min
Ein bitterarmes Dorf, abgeschnitten von der Welt und jedes Jahr
am Salzmangel fast zugrunde gehend, soll durch eine Straße mit der
modernen Sowjetmacht verbunden werden. Not und Elend werden
für immer ein Ende haben, die unterdrückten und ausgebeuteten
Völker Bestandteil der großen Gemeinschaft werden. DJIM
SHVANTE markiert im Rückblick das Verhaften im Utopischen:
die lebensrettende Straße ist bis heute nicht fertig geworden, was
bleibt, ist nur der Film. / A bitterly poor village that is cut off from
the world and almost perishes every winter for lack of salt, is to be
connected by road with the modern Soviet power. Need and misery will
come to an end, the repressed and exploited people will become part
of the larger community. In retrospect it highlights the purely utopian
aspect: the lifesaving road has not been finished to this day. What
remains is only the film. —> Marcel Schwierin
DRY WOOD
Les Blank, USA 1973, 16 mm, OV, 37 min
Ein faszinierender Blick auf das Leben Schwarzer Creole in
Französisch Louisiana, zusammengehalten von der wilden,
insistierenden Musik von Bois-Sec Ardoin und Canray Fontenot.
/ A fascinating look at black Creole life in French Louisiana, held
together by the wild, insistent music of Bois-Sec Ardoin and Canray
Fontenot. (www.lesblank.com) —> Sabine Nessel
DWIGHTIANA
Marie Menken, USA 1959, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
4 min
Dieser kleine Animationsfilm entstand an einigen Abenden,
während ich meinen Freund Dwight Ripley bewachte, den ich zu
unterhalten versuchte. Er erholte sich. Teijo Ito machte mit Maya
Derens Hilfe die Musik. / This little animation was produced on a
number of evenings, while I was watching my friend Dwight Ripley, who
I tried to entertain. He recovered. Teijo Ito made the music with Maya
Deren‘s help. (Marie Menken) —> Stefanie Schlüter
E
EIN GLEICHES
Riki Kalbe, Deutschland/Germany 1998, 35 mm, OV (engl. UT/
subtitles), 3 min
Im September 1780 schrieb Johann Wolfgang von Goethe das
Gedicht Über allen Gipfeln ist Ruh’ an die Bretterwand einer Jagdhütte
auf dem Kickelhahn im Thüringer Wald. Diese Verse wurden
schon zu Goethes Lebzeiten von verschiedensten Komponisten
mehrfach vertont.
Die neueste musikalische Interpretation des Gedichtes stammt von
Blixa Bargeld und ist für den Kurzfilm EIN GLEICHES komponiert.
Der Film wurde im September 1997 rund um die Jagdhütte auf dem
Kickelhahn im Thüringer Wald gedreht. (Produktionsmitteilung)
/ In September 1780, Johann Wolfgang von Goethe wrote the poem
O’er all the hilltops is quiet now on the timber wall of a hunting lodge
on Kickelhahn mountain in the Thuringian Forest. These verses were
set to music by all kinds of composers in Goethe’s lifetime, already. The
newest musical interpretation is by Blixa Bargeld and was composed
for the short film EIN GLEICHES. The film was shot in September 1997
in the area of the same hunting lodge on Kickelhahn mountain in the
Thuringian Forest. (Production note) —> Nanna Heidenreich
EINE PRÄMIE FÜR IRENE
Helke Sander, BRD/FRG 1971, 16 mm, OV, 47 min
Der Film beschreibt sowohl die Situa tion zu Hause als auch am
Arbeits platz und die Konflikte die sich zwischen beiden ergeben.
EINE PRÄMIE FÜR IRENE war gedacht als Kritik an Arbei terfilmen,
wie sie damals an der dffb entstanden, die nur auf die
Situa tion am Arbeits platz bezogen waren und nie die auf die
Situa tion von Frauen. Es ist der erste Film, der die Diskus sion der
Frau en be we gung über den Zusam men hang zwischen privatem
258

FILMOGRAPHY
und öffent li chem Bereich aufnimmt. / The film shows the situation at
home and at the workplace and the conflicts, which arise between the
two. EINE PRÄMIE FÜR IRENE was meant as a critique of the situation in
the workplace and not of the situation of women. It is the first film which
picks up on the discussion on the connections between private and public
space within the women’s movement. (Helke Sander) —> Florian Wüst
EINE SACHE, DIE SICH VERSTEHT
Hartmuth Bitomsky, Harun Farocki, BRD/FRG 1971, 16 mm, OV,
16 min
Ein Lehrfilm über einen Stoffabschnitt der politischen Ökonomie.
Lehrgegenstand sind die Begriffe Gebrauchswert, Tauschwert,
Ware, Arbeitskraft; sie sollen den Verständnisprozess von
Arbeitswerttheorie und Wertgesetz, Entfremdung und Fetisch
einleiten. / An instructional film on aspects of political economy. The
subjects are the terms use value, exchange value, commodity, labor;
they are supposed to initiate the comprehension of the labor theory of
value, the law of value, alienation and fetish. —> Florian Wüst
ELEGIJA (Elegy)
Alexander Sokurow, UdSSR/USSR 1986, 35 mm, OV, 29 min
Die erste der dokumentarischen Elegien, die bereits alle Elemente
eines rätselhaften, magischen Realismus enthält, für den
Sokurow später berühmt wurde. Sie portraitiert den russischen
Opernsänger Fjodor Schaljapin (1873-1938), eine Persona non
grata der Sowjetunion. Der Film wurde ohne jede finanzielle
Unterstützung hergestellt und durfte in der Sowjetunion auch
nicht veröffentlicht werden. / The first of his documentary elegies,
which already shows all elements of a magical, mysterious realisim
which Sokurow later became famous for. It portraits the Russion opera
singer Fjodor Schaljapin (1873–1938), a persona non grata of the
Sowjet Union. The film was made without financial support and was
banned in the Sowjet Union. —> Marcel Schwierin
ELEKTRONIK 4
Ludwig Schönherr, BRD/FRG 1969/70, Super8 auf/on DVD,
stumm/silent, 28 min
siehe/see FACE I&II —> Marc Siegel
ELEKTRONIK 18
Ludwig Schönherr, BRD/FRG 1968/1969, Super8 auf/on DVD,
stumm/silent, 28 min
siehe/see FACE I&II —> Marc Siegel
ENIGMA
Jean Rouch, Alberto Chiantaretto, Marco di Castri, Daniele
Pianciola, Italy 1987/88, 35 mm, OV (dt. UT/German subtitles)
92 min
Ein geheimnisvoller Mäzen lädt einen berühmten Bilderfälscher
auf sein Schloss ein, und gibt ihm den Auftrag, für seine Kollektion
das Bild anzufertigen, das Giorgio De Chirico während seines
kurzen Besuchs in Turin 1911 nicht malte. / A mysterious patron
invites a famous forger to his castle and commissions him to paint the
painting for his collection, which Giorgio de Chirico did not paint during
his short trip to Turin in 1911. —> Anselm Franke
ENTRANCE TO EXIT
George Brecht, USA 1966, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
7 min
George Brechts Beitrag zum von George Maciunas 1965
zusammengestellten FLUXUS-Rolle zeigt im Verlauf von acht
Minuten ein leeres, erst weißes, dann immer dunkler werdendes
monochromes Bild. Wenn der Screen zum Schluss schwarz ist
beginnt das Auge sich an die Dunkelheit zu gewöhnen und der
Blick der Zuseher schweift ab. Man erkennt die Materialität der
Leinwand. Der Umgebungsraum kehrt zurück. / George Brecht’s
contribution to the FLUX reel, compiled by George Maciunas in 1965,
shows an empty white frame, slowly turning darker over the course of
eight minutes. Finally, when the screen is black, the eye begins to adapt
to the darkness and the viewer’s gaze starts to wander. The materiality
of the screen becomes visible. The surrounding space returns. (Martin
Ebner) —> Martin Ebner, Florian Zeyfang
ES KOMMT DARAUF AN, SIE ZU VERÄNDERN (The Point Is
To Change It)
Claudia von Aleman, BRD/FRG 1972/73, 16 mm, OV, 55 min
Am Beispiel von Frauenarbeitsplätzen in der Metallindustrie
untersucht der Film die Formen der Arbeit, die von Frauen geleistet
wird, die Funktion von Arbeiterinnen in der Produktion und deren
besondere Ausbeutung in Betrieb und Familie. Arbeiterinnen
berichten von Formen des Widerstands, unterstützt durch
erklärende Inserts. / Taking the example of women’s jobs in the
metalworking industry, the film analyzes the kinds of work women do,
the function of female workers in production and particularly their
exploitation in the workplace and the family. Women workers talk
about their situation and the ways in which they resist, supported by
explanatory inserts. —> Angela Melitopoulos
ESCAPE
Mary Ellen Bute, USA 1937/38, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 4 min
Mary Ellen Bute‘s erster Farbfilm erzählt die Geschichte eines
orange-roten Dreiecks, das hinter einem Gitter von horizontalen
und vertikalen Linien gefangen ist. Das Gefängnis befindet sich
unter einer himmelblauen Fläche, die vielleicht die Freiheit
bedeutet. Johann Sebastian Bachs Toccata (in D-Moll) begleitet die
bewegten visuellen Variablen mit dramatischer Spannung. / Mary
Ellen Bute‘s first color film tells a story in abstraction of an orange/red
triangle imprisoned behind a grip of vertical and horizontal lines under
a sky-blue expanse, perhaps representing freedom. J.S. Bach’s Toccada
(in D Minor) adds dramatic tension to the visual variables in motion.
(Cecile Starr) —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
EYE MYTH EDUCATIONAL
Stan Brakhage, USA 1972, 16 mm, stumm/silent, 2 min
EYE MYTH wurde 1968 als Entwurf für den Film The Horseman,
The Woman and The Moth begonnen. 190 Bildfelder wurden
immer wieder übermalt, und werden, umkopiert, in verschiedenen
Geschwindigkeiten mehrmals hintereinander gezeigt. / EYE MYTH
started out in 1968 as a sketch for the film The Horseman, The Woman
and The Moth. 190 frames were painted over and over, copied several
times and are projected several times in a row at different speeds.
—> Eunice Martins
F
FACE I & II
Ludwig Schönherr, BRD/FRG 1968–69, Super8, stumm/silent,
9 min
Zwischen 1967 und 1970, in einer hochproduktiven Periode
des europäischen Experimentalfilms, machte Ludwig Schönherr
zahllose Super-8mm-Filme, die bestimmte technische, ästhetische
und repräsentative Aspekte des Mediums, wie den Zoom, den
Farb-Flicker und die Darstellung des Gesichts untersuchten. / From
1967–1970, a period of intense productivity in European experimental
film more generally, Ludwig Schönherr made scores of short super8mm
films that explored specific technical, aesthetic, and representational
aspects of the medium, namely, the zoom, the use of flickering color, and
the depiction of the face. A particularly rich series of “electronic films”
responds to the increasing proliferation of television images in everyday
life. —> Marc Siegel
259

FILMOGRAFIE
FADENSPIELE II (Toying with String 2)
Detel und Ute Aurand, Deutschland/Germany 2003, 16 mm, ohne
Dialog/without dialogue, 8 min
Der Film entstand im Birkenhain, auf dem Rapsfeld, im kahlen
Herbstwald, auf dem verschneiten Weg. Tücher spannen sich
zwischen den Bäumen, Bälle rollen, Stämme wickeln sich ein –
Rechtecke und Quadrate formieren sich auf der Leine, dann bilden
kleine, ausgeschnittene Papiervierecke in gleichen Farben neue
Formen. / Ute Aurand and Detel Aurand – two sisters, one a filmmaker,
the other a painter – have created their second collaborative film. The
film arose in the beech grove, on the rape field, in the bare woods of
autumn, on the snowy path. Cloths are stretched out between trees,
balls roll, stems get tangled – rectangles and squares form on the lines,
and then little, cut out paper rectangles in the same colours make new
forms. —> Stefanie Schlüter
FANTASMAGORIE
Émile Cohl, Frankreich/France 1908, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 2 min
Der Zeichentrickfilm besteht aus etwa 700 Zeichnungen und gilt
als der erste ausschließliche Animationsfilm. / FANTASMAGORIE is
one of the earliest examples of traditional (hand-drawn) animation, and
considered by film historians to be the first animated cartoon.
—> Stefanie Schlüter
FILMSTIL UND FILMTECHNIK (6 Teile/Parts)
Ulrich Gregor, Michael Strauven, BRD/FRG 1968, 16 mm, OV,
184 min
Für den WDR produzierte der Mitbegründer und langjährige Leiter
des Arsenals (ehemals Freunde der deutschen Kinemathek) und
des Forums gemeinsam mit Michael Strauven einen sechsteiligen
Lehrfilm über die Filmgeschichte entlang formalästhetischer und
technischer Fragen: 1. Die Erfindung der Apparate, 2. Kamera,
3. Montage, 4. Dekor & Beleuchtung, 5. Tonfilm, 6. Cinéma Vérité.
/ Together with Michael Stauven, Ulrich Gregor, the co-founder and
longtime director of the Arsenal (formerly Friends of the German
Cinematheque), produced for public television a six-part educational
film about film history, structured by formal and technical questions:
1. The invention of the apparatus, 2. Camera, 3. Montage, 4. Decor &
Lighting, 5. Sound film, 6. Cinéma Vérité.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
FOLIE ORDINAIRE D´UNE FILLE DE CHAM
Jean Rouch, France 1986, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles),
79 min
Ein Psychiater namens Charcot zeigt seinen Kollegen einen
spektakulären Fall. Ein zunehmend derilierender Dialog entwickelt
sich zwischen einer alten Frau – die seit 50 Jahren im Krankenhaus
ist – und einer jungen Hilfsschwester. / A psychiatrist named Charcot
shows his colleagues a spectacular case. An increasingly delirious
dialogue develops between an old woman – who has been in hospital for
50 years – and a young auxiliary. (BFI) —> Anselm Franke
FREE RADICALS
Len Lye, USA 1958, 16 mm, OV, 5 min
In seinem vielleicht besten Film reduziert Lye das Medium auf seine
grundlegensten Elemente, indem er Bilder auf Schwarzfilm kratzt.
Seine Werkzeuge reichten von Zahnarztinstrumenten bis zur
antiken indianischen Pfeilspitze. Die Bilder synchronisierte er mit
traditioneller afrikanischer Musik. / In arguably his greatest film, Lye
reduces the medium to its most basic elements by scratching designs
on black film. He used a variety of scribers ranging from dental tools to
an ancient Native American arrowhead, and synchronized the images
to traditional African music (a field tape of the Bagirmi tribe). (Harvard
Film Archive) —> Stefanie Schlüter
FRIENDSHIP’S DEATH
Peter Wollen, UK 1987, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles),
78 min
Eine bezaubernde junge Frau namens Friendship taucht eines
Tages in Jordanien auf und erzählt einem britischen Journalisten,
sie sei eine außerirdischer Friedensbotin, die auf dem Weg zum
M.I.T. einen falschen Abzweig genommen habe. Der Autor und
Regisseur hätte eine schicke Kulisse für diese Science-Fiction-
Geschichte kreieren können, doch er entschied sich für eine
verstörend reale. FRIENDSHIP’S DEATH spielt in Amman,
im September 1970, als Kämpfe zwischen palestinensischen
Guerillas und der jordanischen Armee an der Tagesordnung
waren, als mehrere Flugzeuge in den Mittleren Osten entführt
und später bombardiert wurden. Doch Wollen ist weniger an
diesen Ereignissen interessiert als daran, wie wir sie erinnern und
mit Bedeutung füllen. / A lovely young woman named Friendship
shows up in Jordan one day and tells a British journalist that she
is an extraterrestrial peace envoy, a robot who took a wrong turn
en route to M.I.T. The writer and director Peter Wollen might have
created a fanciful backdrop for this science-fiction tale, but he chose
a disturbingly real one. FRIENDSHIP‘S DEATH is set in Amman in
September 1970, when battles between Palestinian guerrillas and
the Jordanian army were daily events, when several planes were
highjacked to the Middle East and later bombed. But Mr. Wollen […] is
less concerned with these events than with how we remember them and
invest them with meaning. (Caryn James) —> Ala Younis
FUSSVOLK
Riki Kalbe, Deutschland/Germany 1994, 35mm, OV, 4 min
Aerobic oder der Versuch, eine Kreuzung zu überqueren. Aus
heutiger Sicht auch eine Studie in vergangenen Schuhmoden. /
Aerobics or the attempt to cross an intersection. From today’s point of
view a study of past shoe fashions. —> Nanna Heidenreich
G
GARDEN PIECES
Margaret Tait, UK 1998, 16 mm, OV, 12 min
Eine Sammlung von drei ‚Filmgedichten‘ zum Thema Garten, von
denen das zentrale aus auf den Film gekratzten Animationen
besteht. Margaret Tait beschrieb die Filme so: ‚Round Garden‘ –
rund herum und immer weiter, ‚Garden Flies‘ – ein sprunghafter
Cartoon und ein unglaubliches Pianostück und ‚Grove‘ - bedeutsam
und sonor. / A set of three ‘film poems’ composed around the theme
of the garden – the central one featuring hand scratched animated
drawings. Margaret Tait described them as follows: ‘Round the Garden’
– right round and round again, ‘Garden Fliers’ – flighty cartoon and a
stunner of a piano piece and ‘Grove’ – grave and sonorous. (Scottish
Screen Archive) —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
GARLIC IS AS GOOD AS TEN MOTHERS
Les Blank, USA 1977, 16 mm, OV, 56 min
Der Film ist absolut obszön in seiner Besessenheit, mit der er das
Anpflanzen und Ernten von Knoblauch verfolgt, das Vorbereiten,
Kochen und Essen von Knoblauchgerichten – alles, von ganzen
Spanferkeln über Knoblauch-Suppe bis zu einer Krebs-Sauce, die
neben haufenweise Knoblauch ganze Tassen Chili-Pulver und
Cayenne enthält. / The film is absolutely obscene in its obsession with
the growing and harvesting of garlic and the preparation, cooking and
eating of garlic dishes - everything from whole suckling pigs to garlic soup
to a crab sauce containing whole cups of chili powder and cayenne pepper
as well as piles and piles of garlic. (Rob Baker) —> Sabine Nessel
260

FILMOGRAPHY
GERTIE THE DINOSAUR
Winsor McCay, USA 1914, 16 mm, OV, 12 min
GERTIE THE DINOSAUR zählt zu den bekanntesten und
innovativsten Animationsfilmen der frühen Filmgeschichte,
Gertie selbst wird von vielen Filmhistorikern als die erste
echte Zeichentrickfigur gesehen, die dem neuen Genre des
Zeichentrickfilms den kommerziellen und künstlerischen
Durchbruch brachte. / Although not the first animated film, as is
sometimes thought, it was the first cartoon to feature a character with
an appealing personality. —> Stefanie Schlüter
GESCHICHTEN VOM KÜBELKIND (Stories of the Dumpster Kid)
Edgar Reitz, Ula Stöckl, BRD/FRG 1969–71, 16 mm, OV, 25
Episoden/Episodes, 204 min
Das Kübelkind ist eine Kunstfigur: in jeder Geschichte zwingt
die Gesellschaft sie, etwas zu lernen. Aber sie, erwachsen vom
Augenblick ihrer Geburt an, lernt ungefragt immer noch etwas
mehr, als von ihr verlangt wurde. (Produktionsmitteilung) / The
Dumpster Kid is an artistic creation: in every story society forces her
to learn something. But she, fully grown from the moment of her birth,
unquestionably learns more than is called for. (Production note)
—> Florian Wüst
GHETTO
Thomas Imbach, Switzerland 1997, 35 mm, OV, 121 min
In GHETTO intensiviert Imbach seine Untersuchung
postindustrieller Wirklichkeit am Beispiel einer Gruppe
desorientierter Jugendlicher von der Zürcher Goldküste. Der
Film ist in sechs Kapitel (Ghetto, Auto, Sex, Drogen, Techno,
Maroni) mit jeweils eigenem visuellen Stil unterteilt. Den Kids, die
kurz vor dem Schulabschluss stehen, folgt er mit einer äußerst
beweglichen Videokamera und beobachtet ihren Abschied von
der Schule und die ersten Konfrontationen mit der Welt der
Erwachsenen. / In GHETTO, Imbach intensifies his exploration of
post-industrial reality through the example of a group of disillusioned
youths from Zurichs “gold coast”. The film is divided into six chapters
(Ghetto, Car, Sex, Drugs, Techno, Maroni) with their own distinct
visual style. He follows the kids, who are about to graduate from high
school, with a very agile video camera and observes their farewell
from school and first encounter with the adult world.
—> Avi Mograbi
GIRL FROM MOUSH
Gariné Torossian, Kanada/Canada 1993, 16 mm, OV, 6 min
Eine poetische Montage der Reise einer Künstlerin durch das
Armenien ihres Unterbewusstseins. Dieses Armenien hat
mit dem wirklichen Armenien nichts gemein, sondern ist eine
Art Vorstellung, so wie wenn man die Augen schließt und die
mythische Stadt Shangri La erscheint. / A poetic montage of
the artist s journey through her subconscious Armenia. It is not an
Armenia based in a reality but one which appears, like the mythical
city of Shangri-La, when ones eyes are closed. (Gariné Torossian)
—> Darryl Els
GO! GO! GO!
Marie Menken, USA 1963, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
12 min
„Eine tour de force menschlicher Aktivität.“ (Marie Menken)
„Verschiedene Stimmungen und Gegenden der Stadt New York
in Einzelbildschaltung. Überall zwischen den Bildern ist Marie
Menkens Lächeln zu spüren, ihre Freude, ihr Staunen und ihr
Humor.“ (Ute Aurand) / “A tour de force of human activity.“ (Marie
Menken) “Different moods and areas of New York City in single frame
mode. Inbetween all the pictures one can feel Marie Menken’s smile,
her joy, her amazement and her humor.” (Ute Aurand)
—> Stefanie Schlüter
GOING HOME
Adolfas Mekas, USA 1971, 16 mm, OV, 61 min
GOING HOME erinnert an einen Amateur-Reisefilm (der auch
durch Italien führt, wo Adolfas Mekas St. Tula entdeckte),
der Kommentar, gesprochen von Regisseur und seiner Frau
Pola Chapelle (ebenfalls Filmemacherin), entstammt seinen
Tagebüchern aus Litauen und aus dem deutschen Arbeitslager. /
GOING HOME feels like an amateur travelogue (which leads, among
others, through Italy, where Adolfas Mekas discovers St. Tula). The
commentary, spoken by the director and his wife Pola Chapelle (herself
a filmmaker), i staken from his diaries from Lithuania and the German
labor camp. —> Darryl Els
GOLDEN EIGHTIES
Chantal Akerman, Belgien/Belgium 1985, 35mm, OV, 96 min
GOLDEN EIGHTIES ist eine Filmkomposition von Chantal
Akerman. Das Musical spielt in einer fiktiven Brüsseler
Einkaufspassage, in der sich alles um die Liebe dreht. / A film
composition made by Belgian director Chantal Akerman. The musical
takes place in a fictional shopping mall where everything revolves
around love. —> Vaginal Davis
GOD RESPECTS US WHEN WE WORK BUT LOVES US WHEN
WE DANCE
Les Blank, USA 1968, 16 mm, OV, 20 min
Hippies und Blumenkinder tanzen und kreieren Rituale bei
dem historischen ‚Love In‘ des Ostersonntags 1967 in Los
Angeles. Dieser Klassiker aus den 60er Jahren dokumentiert ein
einmaliges Phänomen und hält die Moden, Energien und Ideale
der ersten ‚alternativen Lebensweisen‘ fest. / Hippies and flower
children dance and create rituals at the historic Los Angeles “Love-
In” of Easter Sunday, 1967. This ’60s classic documents a once-in a
lifetime phenomenon, preserving all the fashions, energy and idealism
of the first “alternative lifestyles.” Psychedelic special effects! (www.
lesblank.de) —> Sabine Nessel
GRANDMA, THREADING HER NEEDLE
G.A Smith, UK 1900, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue, 1 min
Eine Großmutter in drag versucht etwas unroutiniert, den Weg
durchs Nadelöhr zu finden. Der Erfolg ist triumphal. /
A grandmother in drag tries somewhat ineptly to find the way through
the eye of a needle, succeeding triumphantly. —> Angela Melitopoulos
H
HANDTINTING
Joyce Wieland, Kanada/Canada 1967, 16 mm, OV, 6 min
HANDTINTING ist der passende Titel für einen Film, der
aus Ausschnitten einer Job Corps Dokumentation besteht,
die handkolorierte Abschnitte enthält. Der Film ist voller
kleiner Bewegungen und Aktionen, Gesten, die begonnen
und niemals vollendet werden. Wiederholte Bilder, manchmal
in Farbe, manchmal nicht. Eine wundervoll ausgeführte Art
von Kammermusik-Film, der alles in allem ein rituelles Gefühl
transportiert. / Handtinting is the apt title of a film made from outtakes
from a Job Corps documentary which features hand-tinted sections. The
film is full of small movements and actions, gestures begun and never
completed. Repeated images, sometimes in colour, sometimes not. A
beautyfully realized type of chambermusic film whose sum-total feeling is
ritualistic. (Robert Cowan) —> Angela Melitopolos
HASTA CIERTO PUNTO (Bis zu einem gewissen Punkt)
Tomás Gutiérrez Alea, Kuba/Cuba 1983, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 71 min
Ein Drehbuchautor betreibt Recherchen (zum Thema
des ‚machismo’), verliebt sich dabei in das Subjekt seiner
261

FILMOGRAFIE
Nachforschungen, eine Hafenarbeiterin, durchlebt den Konflikt,
den er zu gestalten sucht. / A script-writer conducts research (on the
topic of ‘machismo’), falls in love with the subject of his study and lives
out the conflict which he is trying to describe in his script. (Peter B.
Schuhmann) —> Florian Zeyfang
HER MONA
Klaus Telscher, Deutschland/Germany 1992, 16 mm, ohne Dialog/
without dialogue, 7 min
Ein Sängerwettstreit. / A singing competition.
—> Senta Siewert, Ian White
HEXENSCHUSS
Riki Kalbe, BRD/FRG 1979, 16 mm, OV, 30 min
Der Film ist eine Geschichte von drei Frauen, die zusammen
leben und einen Störsender bauen, mit dem sie sich in den Ton
des laufenden TV-Programmes einschalten. Warum sie das tun,
vermittelt eine polemische Montage von TV-Archivmaterial, die
zeigt, wie Männer in führenden gesellschaftlichen Positionen
über Frauen reden und was sie tun. (Produktionsmitteilung) /
The film tells the story of three women who live together and build
jamming transmitters, which they use to highjack the soundtrack of TV
broadcasts. Why they do this is explained through a polemic montage of
archival TV footage, which shows, how men in leading social positions
talk about women and what they do. (Production note)
—> Nanna Heidenreich
HORSE OVER TEA KETTLE
Robert Breer, USA 1962, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
8 min
HORSE OVER TEA KETTLE ist eine Tour-de-Force der
Linienzeichnung, die entsprechend des Gesetzes der ständigen
Veränderung vonstattengeht. Ein Hut, der sich in einen Vogel
verwandelt, ein Vogel in einen Mann und ein Mann in einen Frosch
– Erinnerungen an das Werk Emil Cohls werden wach. Der Film
kreiert eine schwerelose Welt, in der Figuren und Objekte (Damen
mit Regenschirmen, Engel, Bäume, Häuser) sich grundsätzlich nach
oben bewegen. / HORSE OVER TEA KETTLE is a tour de force of line
drawing technique that proceeds according to the law of continual
transformation. We are reminded of the work of Emil Cohl as we see
a hat turn into a bird, a bird into a man and a man into a frog. The film
creates a world of gravityles space where characters and objects (ladies
with umbrellas, angels, trees, houses) generally float up. (Village Voice,
1975) —> Stefanie Schlüter
HOT PEPPER
Les Blank, USA 1973, 16 mm, OV, 54 min
HOT PEPPER handelt von einigen schwarzen Nachbarn der
Cajuns, die Blank in SPENT IT ALL porträtierte, und vom
Akkordeonspieler Clifton Chenier. / HOT PEPPER portraits the black
neighbours of the Cajuns, who were the protagonists of Blank’s SPENT
IT ALL. Also appearing: the accordion player Clifton Chenier.
—> Sabine Nessel
HUNGER IN WALDENBURG
Phil Jutzi, Germany 1929, 35 mm, stumm (engl. ZT)/silent (engl.
intertitles), 36 min
Der Film von Phil Jutzi und Leo Lania beruht auf authentischen
Berichten und Erzählungen der Kohlenarbeiter und dokumentiert
in Form einer Spielhandlung eine heute kaum noch vorstellbare
Armut und Not. „Ein Filmbericht“ – so der Untertitel dieses Films,
der dennoch als Spielfilm inszeniert ist (und) lange Jahre fast
ausschließlich als „proletarischer Film“ rezipiert wurde. / The film
by Phil Jutzi and Leo Lania is based on authentic accounts and stories
of coal miners and documents by way of staged scenes a poverty and
hardship unfathomable today. “A film report” – that is the subtitle of
this film, which is nevertheless a work of fiction and was, for years,
received solely as a “proletarian film”. (FilmDokument 40)
—> Angela Melitopoulos
I
IM PRINZIP HABEN WIR NICHTS GEGEN MÄDCHEN
Riki Kalbe, BRD/FRG 1976, 16 mm, OV, 13 min
Der Film zeigt, welche Schwierigkeiten Mädchen haben, einen
sogenannten Männerberuf zu erlernen. Riki Kalbes erster
Film an der DFFB formuliert eine klare Kritik am Sexismus der
westdeutschen Erwerbsarbeitsverhältnisse, in der die Mädchen
und jungen Frauen selber zu Wort kommen. / The film shows the
difficulties of girls to learn the trade of a so-called men’s job. Riki
Kalbe’s first film shot at the DFFB formulates an explicit critique of
West-German working conditions, in which girls and women speak for
themselves. —> Nanna Heidenreich
IMAGES OF ASIAN MUSIC : A DIARY FROM LIFE
Peter Hutton, USA 1973–1974, 16 mm, OV, 26 min
IMAGES OF ASIAN MUSIC besteht aus Filmmaterial, das Peter
Hutton zwischen 1973 und 1974 drehte, als er in Thailand lebte
und als Seemann auf Frachtern arbeitete. Der Film ist eine
persönliche Feier Asiens, bestimmt von Huttons Gespür für
filmische Komposition und die Wahrnehmung dieser Bilder in
einem stillen Moment, geschaffen vom Filmemacher. / IMAGES
OF ASIAN MUSIC represents footage compiled during 1973–74 when
Peter Hutton was living in Thailand and working at sea as a merchant
seaman. It is a personal celebration of Asia formed by a sensitivity to
filmic composition and to the perception of these images in a silent time
created by the filmmaker. (Whitney Museum of American Art)
—> Darryl Els
IMAGINATION
Mary Ellen Bute, USA 1957, Compilation for Steve Allen Show on
NBC, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue, 3 min
IMAGINATION ist eine lebendige, geschickte Kollage von
animierten und photographierten Bildern, die teilweise aus
früheren Filmen Butes stammen. Der Film wurde in der populären
Steve Allen Show ausgestrahlt. / Imagination is a lively and swift
collage of animated and photographed images partly taken from earlier
films, which was broadcasted in the popular Steve Allen Show.
—> Stefanie Schlüter, Öffentliche Sichtung/Public Screening
IMANI
Karoline Kamya, Uganda/Schweden/Sweden 2010, Blu-Ray, OV
(dt. UT/German subtitles), 82 min
Der Film spielt an einem ganz normalen Tag in Ugandas Hauptstadt
Kampala und der Provinz Gulu. Für drei Menschen ist dieser
Tag jedoch ein besonderer. Die Wege der drei Protagonisten
kreuzen sich nicht, aber ihnen allen verlangt dieser eine Tag eine
ungewöhnliche Stärke ab. / The film takes place on just a normal day
in the Ugandan capital Kampala and in the Gulu province. For three
people however, this day is no ordinary one. Although the paths of
the three protagonists do not cross, this one day demands an unusual
amount of strength from every one of them. (Dorothee Wenner)
—> Merle Kröger
IN JENEN TAGEN (In those days)
Helmut Käutner, D/Germany 1947, 16 mm, OV, 102 min
Sieben Fundstücke in einem Autowrack erzählen von den
jeweiligen Vorbesitzern und deren Schicksal im Zeitraum 1933–45:
Vertreibung, Arbeitsverbot, Verfolgung, Widerstand und Krieg
sind wesentliche Stationen des Films, den Käutner als Plädoyer
für die Menschlichkeit verstanden wissen wollte. / Seven found
objects in a car wreck tell the story of the respective owners and their
262

FILMOGRAPHY
fate in the years from 1933-1945: expulsion, ban from one’s profession,
persecution, resistance, and war are the main stations of the film that
Käutner wanted to be understood as a plea for humanity. —> Entuziazm
INSIDE OUT
Sheila McLaughlin, USA 1976/78, 16 mm, o. Dialog/no dialog, 25 min
Bei INSIDE OUT handelt es sich um eine veränderte Fassung des
Films ARTIFICIAL MEMORY, über den Amy Taubin in The Soho
Weekly News schrieb (22. Juni 1978): „ARTIFICIAL MEMORY
ist in schwarz-weiß gedreht, stumm, ca. 20 Minuten lang und hat
drei Teile. Die drei Teile haben ihre Ausdehnung eines bestimmten
psychologischen Moments in der Zeit gemeinsam: des Moments
„davor“, in welchem die akkumulierte Energie, bestimmt zum
Gebrauch, „wenn etwas geschieht“, den Kopf schwindeln, den
Boden schwanken und den Magen ins Bodenlose sinken lässt. (…)“
/ INSIDE OUT is a revised version of the film ARTIFICIAL MEMORY,
which was reviewed by Amy Taubin in The Soho Weekly News (June
22, 1978): “ARTIFICIAL MEMORY is black and white, silent, about 20
minutes long and in three sections. The three sections have in common
their extension, in time, of a particular kind of psychological moment:
the moment which is ‘prior to,’ a moment where the energy which is
beeing accumulated to be used ‘when something happend’ causes one’s
head to whirl, the ground to become unsteady, and the bottom to drop
out of one’s stomach.” —> Heinz Emigholz
INTREPID SHADOWS
Serie „Navajo Film Themselves“
Al Clah, USA 1966/69, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
18 min
In INTREPID SHADOWS, von Margaret Mead als „eines der
schönsten Beispiele von Animismus im Film“ bezeichnet, versucht
Al Clah den westlichen Begriff von Gott mit der traditionellen
Göttervorstellung der Navajos in Beziehung zu bringen. / In
INTREPID SHADOWS, called “one of the most beautiful examples
of animism in film” by Margaret Mead, Al Clah tries to relate the
western notion of god to the traditional idea of god in Navajo
culture. —> Anselm Franke
INTRODUCTION TO A SHORT HISTORY OF PHOTOGRAPHY
Florian Zeyfang, Deutschland/Germany 2008, DVD, OV, 12 min
Das Video experimentiert mit den Fotografien aus den sechs
Büchern, auf die sich Walter Benjamin in seinem Text „Kleine
Geschichte der Photographie“ bezieht. Aus den Stills werden
bewegte Bilder, es wird nach nach Spuren in den Büchern gesucht,
in die Bilder hineingezoomt und ein neuer Blick für Struktur und
Materialität des Abdrucks eröffnet, die in der historischen Vorlage
mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. / The video experiments
with the photographs, the printed reproductions from the books
that Benjamin had at hand when writing his essay “Small History Of
Photography.” The video changes stills to moving images, searching for
traces, zooming in, opening a new view onto materiality and structure
not visible in the original print. —> Anselm Franke
IO SONO UN AUTARCHICO (ICH BIN AUTARKIST/I AM
SELF-SUFFICIENT)
Nanni Moretti, Italien/Italy 1977, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 98 min
Auf Super8 gedrehtes, selbst finanziertes Debüt und überragender
Erfolg. Michele Apicella (Moretti) wurde gerade von seiner Frau
verlassen, versucht sich in der Betreuung seines Kindes, weigert
sich zu arbeiten und beteiligt er sich an einer avantgardistischen
Theaterinszenierung. In einer Zeit der Krise der italienischen Film-
Komödie ironisiert Moretti „mich selbst, mein Milieu, all das, was
die Zukunft repräsentiert.” / The self-financed debut shot on super 8
that became a huge success. Michele Apicella (Moretti) has just been
abandoned by his wife, he tries to take care of his child and refuses to
work. Instead, he participates in an avant-garde theater play. In a time of
crisis of Italian comedy movies, Moretti ironizes „myself, my milieu and
everything that stands for the future.“ —> Entuziazm
J
J´AI ETE AU BAL /I WENT TO THE DANCE
Les Blank, USA 1989, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles), 82 min
Der definitive Film zur Geschichte der mitreißenden Musik
Französisch Süd-West Louisianas. Mit vielen Größen des Cajun und
Zydeco, darunter Michael Doucet und Beausoleil, Clifton Chenier,
Marc und Ann Savoy, D.L. Menard und viele andere. / The definitive
film on the history of the toe-tapping, foot-stomping music of French
Southwest Louisiana. Includes many Cajun and Zydeco greats, featuring
Michael Doucet and Beausoleil, Clifton Chenier, Marc and Ann Savoy,
D.L. Menard, and many others. (www.lesblank.com)
—> Sabine Nessel
JAMAICA INN (Riff-Piraten)
Alfred Hitchcock, GB 1939, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles),
92 min
Eine muntere Piratengeschichte an der Küste Cornwalls mit
reichlich gruseliger Atmosphäre und Gelegenheiten für große Set-
Pieces (inklusive zweier Schiffswracks). / A lusty tale of pirates on the
Cornish coast, with plenty of Gothic atmosphere, and opportunities for
grand set pieces – including two shipwrecks. (Screen online)
—> John Blue
JANIE’S JANIE
Geri Ashur, USA 1971, 16 mm, OV, 24 min
JANIE’S JANIE wurde von Frauen aus der New Yorker ‚Newsreel‘-
Gruppe gemacht und besteht aus einem detaillierten Interview mit
einer Frau — einer 28-jährigen weißen Frau aus der Arbeiterklasse,
Mutter von fünf Kindern, die vor kurzem ihren Mann verlassen
hat. Als Frau allein in einer Gesellschaft zu stehen, ohne Geld,
Erfahrung oder spezialisierte Ausbildung, mit fünf Kindern, die
versorgt werden müssen — das vermag das Bewusstsein ebenso
zu entwickeln wie tausend Diskussionssitzungen, und Janie
hat in sich nicht nur das Bewusstsein einer Frau, sondern ein
Klassenbewusstsein entwickelt. / JANIE’S JANIE was made by women
from the New York ‘Newsreel’ Group and is made up of
a detailled interview with a woman – a 28 year old white working class
woman, mother of five, who has recently left her husband. As a woman,
being in alone in a society, without money, experience or specialized
education, with five children, which need to be taken care of – this may
develop the concsiousness like thousand discussion groups. And Janie
has developed in herself not only the consciousness of a woman, but
a class consciousness. (Ruth McCormick) —> Angela Melitopoulos
JUAREZ
William Dieterle, USA 1939, 35 mm, OV, 125 min
Der Film schildert den Guerilla-Krieg der mexikanischen Peones
gegen die Diktatur in Vertretung Napoleons III. Der antiklerikale
und progressive Zapotek-Indianer Juarez führt diesen Kampf, in
dessen Verlauf der Phantom-Kaiser Maximilian von Habsburg
und seine Gattin Charlotte (Bette Davis) die quasi unschuldigen
Opfer der französischen Machenschaften werden. Napoleon wird
mit Hitler gleichgesetzt. / The film shows the guerilla warfare of the
Mexican Peones against the dictatorship acting by proxy of Napoleon
III. The anti-clerical and progressive Zapotek indian Juarez leads this
fight, throughout which the phantom emperor Maximilian of Habsburg
and his wife Charlotte (Bette Davis) fall victim to the dealings of the
French. Napoleon is equaled to Hitler. (Hervé Dumont, 1979)
—> Bonusfilm, gezeigt 1963 in den ersten Programmen der Freunde
der Deutschen Kinemathek/shown 1963 in the first programs of the
Friends of the German Cinemateque
263

FILMOGRAFIE
K
KAGE NO EIGA – NITO ONNA
Shuji Terayama, Japan 1977, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
16 min
Ursprünglich ist der Film ein kleiner Kosmos aus Licht und
Schatten. Die auf die Leinwand projizierten Menschen – ob viele
oder wenige – sind nicht mehr als Schatten. Jedoch die Schatten, an
die ich denke, haben eine leere Form ohne Augen, Mund oder Nase,
während die Schatten des Films über Ausdruck verfügen. Durch
Schatten werden Schatten verfremdet und kritisiert. Ich zielte auf
den Versuch, in welcher Form ich ‚Nicht-Existenz‘ in diesem Sinne
denkbar machen könnte. / In the beginning, the film is a cosmos made
of light and shadow. The people who are projected onto the screen – be
they many or just a few – are nothing more than shadows. But the
shadows I am thinking of have an empty form without eyes, mouth
or nose, while the shadows of the film have an expression. Through
shadows, shadows are distorted and criticised. I aimed for an attempt to
find a form in which I could make this ‘non-existence’ visible.
—> Bonusfilm, präsentiert von/presented by Marc Siegel
KAMEN SÜD
Riki Kalbe, Barbara Kasper, BRD/FRG 1989, 16 mm, OV, 7 min
KAMEN-SÜD ist ein Kurzfilm über die Entwicklung des
Straßenverkehrslärms von 1945 bis 1990 am Beispiel eines
Schlafzimmerfensters bei Nacht. (Produktionsmitteilung) /
KAMEN-SÜD is a short film on the development of traffic noise from
1945 to 1990, using a bedroom window by night as an example.
(Production note) —> Nanna Heidenreich
KATOK I SKRIPKA (Die Walze und die Geige/The Steamroller
and the violin)
Andrej Tarkovski, UdSSR/USSR 1961, 35 mm, OV, 45 min
KATOK I SKRIPKA zeigt einen Tag im Leben des verträumten
Sascha, der seine Geige dem Fußballspiel vorzieht und deshalb von
seinen Kameraden verspottet wird. / KATOK I SKRIPKA shows one
day in the life of thoughtful boy Sasha, who prefers his violin to playing
football, leading his schoolmates to mock him. —> Marcel Schwierin
KESHIMOGU
Shuji Terayama, Japan 1977, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
20 min
Der Versuch eines „Flecken”-Films, eines Films, dessen Bilder
man mit einem Radiergummi eliminieren könnte. / An attempt at a
“stain”-film, a film, whose images one could eliminate with an eraser.
—> Bonusfilm, präsentiert von/presented by Marc Siegel
KNOTEN SONNBORN
Riki Kalbe, BRD/FRG 1988, 16 mm, OV, 47 min
KNOTEN SONNBORN ist ein Dokumentarfilm über das
Autobahnkreuz Sonnborn und seine Geschichte. Dieses Autobahnkreuz
liegt mitten in Wuppertal-Sonnborn. Es zerschneidet
einen gewachsenen Stadtteil in zwei Hälften. / KNOTEN
SONNBORN is a documentary film on the motorway junction
Sonnborn and its history. The junction is situated smack in the middle of
Wuppertal-Sonnborn. It divides a naturally grown neighborhood in two
halves. —> Nanna Heidenreich
KOLGA (Der Regenschirm/The Umbrella)
Micheil Kobachidze, Georgien/Georgia 1966, 35 mm, OV, 20 min
KOLGA (Der Regenschirm) verbindet die symbolische Bildsprache
des Orients mit Einflüssen der Nouvelle Vague zu einer Liebeskomödie
georgischen Humors. Der Aufbruch im Film der 60er
Jahre wird in der Leichtigkeit spürbar, mit der sozialistische
Realität und sozialistischer Realismus weniger kritisiert als – in der
vollkommenen Absurdität der beiläufig gezeigten Arbeit – ignoriert
werden. / Kolga (The Umbrella) blends the symbolic visual language
of the Orient with influences of the Nouvelle Vague to create a love
comedy with Georgian humour. The new direction taken by film in the
60s can be felt in the lightheartedness with which socialist reality and
socialist realism are not so much criticized – in the complete absurdity
of the work that is shown in passing – as ignored. —> Marcel Schwierin
KRATZIG 1, 16 mm, OV, 19 min & KRATZIG 2, 35 mm, OV, 30 min,
Deutschland/Germany 2010, Workshop geleitet von/lead by Ute
Aurand, Robert Beavers, Stefanie Schlüter
Dass das Filmemachen Handarbeit ist – diese physische und
materielle Erfahrung machten Schülerinnen und Schüler der
Hunsrück-Grundschule und der Evangelischen Schule Berlin
Zentrum. Sie malten und kratzten Muster, Farben und Formen auf
35 mm Zelluloidstreifen und animierten kleine und große Objekte
mit einer Kamera. In zwei Workshops beschäftigten sich die Kinder
mit Fragen rund um das bewegte Bild. / Filmmaking is a craft - pupils
from the Hunsrück elementary school and the Evangelische Schule
Berlin Zentrum made this physical and material experience. They drew
and scratched patterns, colors and forms on 35mm celluloid stripes and
they animated small and big objects with a camera. In two workshops
the children dealt with the moving image. —> Stefanie Schlüter
KÜBELSKINDS KINDHEIT, Folge 2 aus der Serie GESCHICHTEN
VOM KÜBELKIND / Episode 2 from the series STORIES OF THE
DUMPSTER KID, Edgar Reitz, Ula Stöckl, BRD/FRG 1970, 16 mm,
OV, 6 min
Diese Geschichte sollte man sich auf jeden Fall ansehen! Eine
Nachgeburt macht sich selbständig..., dann aber kommt die
Wohlfahrt. (Produktionsmitteilung) / You should definitely see
these stories! An afterbirth sets herself up on her own... but then
welfare comes along. (Production note) —> Florin Wüst
KUSTOM KAR KOMMANDOS
Kenneth Anger, USA 1965, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
4 min
Zu der Musik von „Dream Lover” streichelt ein junger Mann sein
wunschgerecht ausgestattetes Auto mit einer Puderquaste. / To
the music of “Dream Lover”, a young man caresses his custom-made
car with a powder puff. —> Senta Siewert
KYA HUA IS SHAHAR KO? (What has Happened to This City?)
Deepa Dhanraj, Indien/India 1986, 16 mm, OV (dt.&engl. UT/
German&English subtitles), 95 min
Eine film-politische Pionierarbeit von aktueller Relevanz:
Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslimen im Jahre 1984
sind der Ausgangspunkt dieses Films mit immenser politischer
Kraft, die er durch seine Vielschichtigkeit erreicht. Durch einen
engagierten Kommentar gewinnt der Film seine historische
Perspektive, die der besonderen Präsenz der Kamera die not–
wendige Tiefe und Komplexität verleiht. Mechanismen politischer
Machtkämpfe, die Dynamik zwischen Machtträgern sowie die
Instrumentalisierung ökonomischer Verhältnisse und städtischer
Armut führen zu einer eindrücklichen Analyse und einzigartigen
Vorausschau auf die Entwicklung kommunalistischer Konflikte
und Marginalisierungspolitik. / A pioneering film-political work
of contemporary relevance: Communal violence between Hindus
and Muslims in 1984 forms the starting point for this film, whose
complexity lends it immense political force. The film’s historical
perspective is provided by a thorough commentary, which gives the
camera’s particular presence the necessary depth and complexity. The
mechanisms of political power struggles, the dynamics among those
that hold power, and the instrumentalisation of economic relations
and urban poverty make for a striking analysis, uniquely anticipating
the subsequent development of communalist conflicts and the politics
of marginalisation. (Nicole Wolf) —> Nicole Wolf
264

FILMOGRAPHY
L
L’HYPOTHÈSE DU TABLEAU VOLÉ (Die Hypothese vom
gestohlenen Gemälde/The hypothesis of the stolen painting)
Raúl Ruiz, Frankreich/France 1978, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 67 min
Dies ist die Geschichte eines geheimnisvollen Bildersammlers,
der auch Interpretationen sammelte. Dieser Sammler, der eine
Serie von Bildern eines Malers namens Tonnerre besitzt, scheint
uns zu einer Art Führung einzuladen, in deren Verlauf er den
Grund des Skandals herauszufinden sucht, den die Bilder zu
ihrer Zeit auslösten. Man kann annehmen, dass eines der Bilder
fehlt: Das ist die Hypothese vom gestohlenen Bild, um welches
sich der Skandal und die argwöhnischen Vermutungen drehen.
Es geht darum, dieses unsichtbare Bild zusammenzusetzen, um
das Geheimnis zu durchdringen, das der Kollektion insgesamt
ihren Sinn geben könnte. / This is the story of a mysterious picture
collector, who also collected interpretations. This collector, who
owns a series of pictures from a painter called Tonnerre, seems to be
inviting us to a kind of tour, during which he seeks out the reason of the
scandal, which the images sparked out at that time. One can assume,
that one of the pictures is missing: this is the hypothesis of the stolen
painting, which fuels the scandal and the suspicious assumptions. It is
about putting the invisible picture together, to unveil the mystery that
might give sense to the collection. (Raúl Ruiz) —> Stephan Geene
LA BATAILLE DES DIX MILLIONS
Chris Marker, Kuba/Cuba 1970, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 79 min
Chris Marker hat mit diesem Film ein Zeugnis der Anteilnahme
der internationalen Intellektuellen an der Entwicklung Kubas
hinterlassen: Fidel Castro hatte den „Kampf für zehn Millionen
Tonnen Zucker“ ausgerufen – eine enorme Menge, denn bis
dahin lag der Rekord bei ungefähr sieben Millionen. Trotz der
Mobilisierung der gesamten Bevölkerung in diesem großartigen
Angriff mit der Machete wurde die Schlacht verloren, zumindest
wurde das angestrebte Ziel nicht erreicht. Eine Zusammenarbeit
mit dem kubanischen ICAIC (Instituto Cubano de Artes e
Industria Cinematográficos) und der Filmergruppe SLON. /
With this film, Chris Marker left a testimonial of the participation of
international intellectuals in the development of Cuba: Fidel Castro
had declared the “struggle for ten million tons of sugar” – a huge
amount, because by that time the record was about seven million. In
spite of the mobilization of the entire population in this great assault
with machetes the battle was lost, at least the intended goal was not
reached. A collaboration with the Cuban ICAIC (Instituto Cubano de
Artes e Industria Cinematográficos) and the filmmaker group SLON.
—> Florian Zeyfang
LA BATALLA DE CHILE (I. La insurreccion de la burguesia)
Patricio Guzmán, Chile/Cuba 1975, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 98 min
Dies ist der einzige Film, der im letzten Jahr der Regierung
Präsident Allendes von einem Team chilenischer Filmemacher
gedreht wurde, die Zeugen dieser außergewöhnlichen Ereignisse
wurden. Zum ersten Mal in Lateinamerika war es möglich, die
revolutionäre Situation in ihrer Entwicklung von einem Tag zum
anderen zu filmen und die faschistischen Methoden festzuhalten,
derer sich der Imperialismus und die Bourgeoisie bedienten, um
die Regierung der Unidad Popular zu stürzen. / This is the only film,
which was made by a team of Chilean filmmakers in the last year of
president Allendes government. For the first time in Latin America it
was possible, to film the revolutionary situation in its development
from one day to the next and to document the fascist methods which
the imperialism and the bourgeoisie used to overthrow the Unidad
Popular. —> Florian Wüst
LA BATALLA DE CHILE (II. El Golpe de Estado)
Patricio Guzmán, Chile/Cuba 1977, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 91 min
Beispielhaft führt [der Film] den einheitlichen Kampf der Rechten
gegen die zerstrittenen sozialistischen Positionen der linken
Parteien vor. Man würde dem Charakter des Filmes allerdings nicht
gerecht, wollte man ihn als Dokumentarfilm klassifizieren: Er gibt
mehr eine geschichtliche Einordnung der damaligen Vorgänge,
eine beteiligte, geharnischte Stellungnahme für die Demokratie
im Wortsinne. / The film shows the united fight of the right against
the quarreling socialist positions of the left parties. One would not do
justice to the work by calling it a documentary film: rather, it provides
a historical context to the events that took place then. It is an involved
and sharply-worded statement for democracy in the true sense of the
word. (Der Tagesspiegel) —> Florian Wüst
LA BATALLA DE CHILE (III. El Poder popular)
Patricio Guzmán, Chile/Cuba 1979, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 83 min
Der dritte Teil von LA BATALLA DE CHILE enthält die
Demonstration der organisatorischen Fähigkeiten
eines lateinamerikanischen Volkes; die Darstellung der
Basisorganisationen, die die Arbeiter schufen, um den bürgerlichen
Staatsapparat durch eine wachsende sozialistische Ordnung
zu Ersetzen. Er zeigt, wie das chilenische Volk versuchte, im
dritten Regierungsjahr der Unidad Popular mit dem Aufbau des
Sozialismus zu beginnen. / Part 3 of LA BATALLA DE CHILE contains
the demonstration of the organisational talents of a Latin American
people; the base-organisations founded by workers to substitute the
bourgeoise state apparatus with a growing socialist order. It shows how
the Chilean people tried to implement socialism in the third year of the
Unidad Popular government. —> Florian Wüst
LA DIADA DE CATALUNYA
Serie: Noticiari de Barcelona (Teil/Part 7), Albert Abril, Jordi
Cadena, Spanien/Spain 1977, 35 mm, OV, 11 min
Der Film zeigt Aufnahmen von und Kommentare zu der
Demonstration in Barcelona am 11.9.1977, dem katalanischen
Nationalfeiertag. Sie gilt als „eine der größten Kundgebungen
der Nachkriegszeit in Europa“. / The film shows footage of and
commentaries on the demonstration which took place on Katalon
National Holiday, September 11, 1977. The demonstration is know as
“one of the largest manifestations in post-war Europe.”
—> Sabine Schöbel
LADONI
Artur Aristakisjan, UdSSR/USSR 1990, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 145 min
In Kischinjow gibt es einen Bettler, der den ganzen Tag lang durch
die Straßen läuft und laut vernehmbar zu seinem ungeborenen
Sohn spricht. Die Menschen hören ihm zu. Vor zwanzig Jahren
sollte das Kind geboren werden, doch seine Braut hat es
abgetrieben. [...] Ich habe den Film zwischen 1986 und 1990
gedreht und für ihn monatelang die Bettler begleitet. Sie waren
bereit, sich vor der Kamera zu entblößen. Einer sagte mir sogar,
dass er bereit sei, sich vor der Kamera zu töten, damit ich seinen
Tod filmen könne. / In Kischinjow there is a beggar, who roams the
streets all day and talks loud and clearly to his unborn son. The people
listen to him. Twenty years ago the child was supposed to be born, but
his bride had an abortion. [...] I shot the film between 1986 and 1990
and spend months on end with the beggars. They were willing to expose
themselves for the camera. One of them told me, he would even be
willing to kill himself in front of the camera, so that I could film his death.
(Artur Aristakisjan) —> Tobias Hering
265

FILMOGRAFIE
LA EXPROPIACIÓN
Raúl Ruiz, Chile 1971, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles), 63 min
LA EXPROPIACIÓN ist ein Film über die Landreform, aber es
ist kein Film, der das Programm dieser Landreform der Unidad
Popular erklären oder darstellen will. Die Absicht war vielmehr,
eine Situation der Krise, der Widersprüche zu beschreiben. / LA
EXPROPIACIÓN is a film about the agrarian reform, but it is not a fim
that wants to depict or explain the program of the agrarian reform by
the Unidad Popular. Rather, its intention was to describe a situation of
crisis, of contradictions. (Raúl Ruiz) —> Florian Wüst
LA HORA DE LOS HORNOS
Fernando Solanas, Argentinien/Argentina 1968, 35 mm, OV (engl.
subtitles), 172 min
Ein Dokument der Krise, der Erschütterung eines Kontinents
wird zur Keimzelle eines neuen politischen Kinos. Solanas
viereinhalbstündiger Weckruf ist ein Aufruf zum radikalen
Politikwechsel, ein agitatorisches Pamphlet, das revolutionäres
Bewusstsein und Handeln einfordert. Die in Argentinien lange
verbotene dokumentarische Collage entwirft ein komplexes
Panorama der dort in den 60er Jahren herrschenden sozialen und
politischen Missstände. / A document of the crisis and disruption of a
continent becomes the nucleus of a new political cinema. Solanas’ four
and a half hour wake-up call is an appeal for radical political change,
an inflammatory pamphlet demanding revolutionary awareness and
action. The documentary collage, long banned in Argentina, draws a
complex panorama of the social and political grievances prevailing there
in the 1960s. —> Avi Mograbi
LA LOTTA NON È FINITA
Collectivo Feminista di Cinema, Italien/Italy 1973, OV (dt. UT/
German subtitles), 29 min
Der Film zeigt zwei Aktionen, die jeweils am Internationalen
Frauentag am 8. März 1972 und 1973 stattfanden. 1972
organisierten die Frauen eine Demonstration, im nächsten Jahr
entscheiden sie sich für ein anderes Vorgehen: In kleinen Gruppen
treten die Feministinnen an verschiedenen Punkten der Stadt
in Aktion, an Schulen und Universitäten, vor allem aber auf den
Märkten der einzelnen Stadtviertel. / The film shows two actions,
which took place for International Women’s Day on May 8th 1972 and
1973. In 1972 the women organized a demonstration, the next year, they
decide on a different strategy: in small groups the feminists appear in
different parts of the city, in schools and universities, primarily however
in the squares of the different neighborhoods. —> Angela Melitopoulos
LA MACCHINA CINEMA
Marco Bellocchio, Silvano Agosti, Sandro Petraglia, Stefano Rulli,
Italien/Italy 1978, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles), 268 min
Die zweite Arbeit des Autorenkollektivs beschreibt die Linie einer
Einkreisung des Phänomens Kino und seiner Mythen. Die fünf
Etappen dieser „Reise“ von der Provinz bis nach Cinecittà, von
der Welt der Sonntags-Filmamateure bis zur Gewalt des festlich
geschmückten Industriekinos sind ein langsamer „Zoom“ mit
einer Serie fortlaufender „Scharfstellungen“. / The second joint
work by the authors’ collective traces a line around the cinema
phenomenon and its myths. The five stages of this “journey”,
moving from the provinces all the way to Cinecittà, from the world
of the Sunday film amateurs and the violence of the festively
decorated industry cinemas, resemble a slow “zoom” with the
camera being continually “refocused”.
—> Öffentliche Sichung/Public Screening
LA MARCHE DES MACHINES
Eugène Deslaw, Frankreich/France 1928, 16 mm, stumm/silent, 7 min
Mit diesem Film wollte Eugène Deslaw eine Symphonie zu
Ehren der modernen Welt und ihrer treuesten Repräsentanten
realisieren: die Maschinen und ihre Kolben, Räderwerke, Antriebe
usw. Eine Illustration der Ideen des Modernismus und dessen
Wertschätzung der Poesie der Maschine. Die Kamera führte
Boris Kaufmann. / With this film, Eugène Deslaw wanted to realize
a symphony honouring the modern world and its most faithful
representatives: the machines and their pistons, wheelworks, engines,
etc. An illustration of the ideas of modernism and its valorisation of the
“poetry of the machine”. The camera was operated by Boris Kaufmann.
(Lightcone) —> Eunice Martins
LA MÉMOIRE FERTILE (Al Dhakira al Khasba/Das fruchtbare
Gedächtnis)
Michel Khleifi, Belgien/Belgium 1980, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 104 min
Farah ist Witwe und lebt in Nazareth in Galiläa. Sahar ist eine
junge palästinensische Romanschriftstellerin, die in Ramallah im
besetzten Cisjordanien lebt. Ziel dieses Films ist es, durch diese
beiden Hauptpersonen mit ihren so unterschiedlichen Schicksalen
die Lage der palästinensischen Frau unter der Besetzung
hervortreten zu lassen, und zwar als Erinnerung wie auch als
Bezug zur Gegenwart. / Farah is a widow and lives in Nazarath in
Galilee. Sahar is a young Palestinian novelist who lives in Ramallah in
the occupied West Bank. The film aims at exposing the condition of the
Palestinian woman through these two main characters, as a memory, as
well as relating to the present. (Michel Khleifi) —> Eunice Martins
LA NACIÓN CLANDESTINA
Jorge Sanjinés, Bolivien/Bolivia 1989, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 127 min
Sebastian Mamani, der Sargtischler vom Volk der Aymaras,
entschließt sich, in sein Dorf auf dem Altiplano zurückzukehren,
aus dem er vor Jahren von der Indio-Gemeinde, die er
hintergangen und verraten hatte, verstoßen worden war. Auf
seinem langen Weg zurück erinnert er sich an sein früheres
Verhalten und an seine Vereinsamung in der Stadt, wo er für das
berüchtigte Innenministerium gearbeitet und freiwillig Dienst
in der Repressionsarmee geleistet hat. Das Bewusstsein der
Entfremdung hat ihn dazu veranlasst, den Ort seines Ursprungs
wieder aufzusuchen, um bei einem alten Tanz des Todes zu
sterben und damit seine Vergehen zu sühnen. / Sebastian Mamani,
a coffinmaker and member of the Aymara people, decides to return
to his village in the Altiplano, from which he was expelled years ago,
after he had betrayed the Indio community. On his long way back, he
remembers his past behaviour and his loneliness in the city, where he
worked for the notorious ministery of the interior and volunteered for
service in the repression army. The consciouness of alienation made him
seek out the place of his birth, to die in a dance of death and redeem his
sins. —> Darryl Els
LA RAISON AVANT LA PASSION
Joyce Wieland, Kanada/Canada 1969, 16 mm, franz./engl. OV /
French/Engl. OV, 82 min
Der Film ist eine verspielte, eindringliche Untersuchung der
Landschaft und der geistigen Verfassung Kanadas. Pierre Elliot
Trudeaus Ausspruch „Vernunft über Leidenschaft – das ist das
Thema aller meiner Schriften“ folgend, präsentiert der Film eine
impressionistische Zug- und Autofahrt von der Atlantik- zur
Pazifikküste. Während des gesamten Films verändern sich die
Buchstaben des Titels wahllos, von einem Computer gesteuert, wie
in einem Anagramm. / The film is a playful, penetrating exploration
of the landscape and mindscape of Canada. Taken from Pierre Elliot
Trudeau’s assertion, „Reason over passion — that is the theme of all
my writing,” the film is an impressionistic train and car trip from the
Atlantic to the Pacific coast. Throughout the film, the letters of the
title are varied randomly, as in an anagram, by a computer. (The Film
Reference Library) —> Ala Younis
266

FILMOGRAPHY
LA RÉGION CENTRALE
Michael Snow, Kanada/Canada 1971, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 191 min
Dieser Film ist keine ‚Unterhaltung‘. Er ist ein Phänomen. Er
kann das Mittel einer Offenbarung sein. Um wirklich erfahren
zu werden, sollte der Film in seiner vollen Länge gesehen und
gehört werden. Die mittlere Stunde ist ein Plateau, dessen
Natur man verstehen wird, wenn man es durchschritten hat, d.h.
wenn man von der anderen Seite des Endes zurückschaut (eine
ungewöhnliche Gelegenheit). Nehmen Sie sich Zeit, nehmen Sie
Ihren Platz ein. / This film is not ‚entertainment‘. It is a phenomenon. It
can be an agent of revelation. To be fully experienced it ought to be seen
/ heard in its entirety. The middle hour is a plateau, the nature of which
will be understood if crossed, i.e. by looking back from the other side of
the end. Take your time, take your place. (Michael Snow)
—> Harun Farocki
LAS A.A.A. SON LAS TRES ARMAS (Zeugnis des Terrors)
Cine de la Base Argentina/Jorge Denti, Argentinien/Argentinia
1978, 16mm, deutsche Sprachfassung/German language version,
18 min
Entlang der Lesung eines offenen Briefs des Schriftstellers und
Aktivisten Rodolfo Walsh konstruiert, stellt der Film die Politik
des „Verschwindens“ an den Pranger, die zwischen 1976 und 1983
Tausende das Leben kostete. Unter den Opfern befand sich auch
der mit Denti eng befreundete Raymundo Gleyzer. / Following the
structure of an open letter of the author and activist Rodolfo Walsh, the
film condemns the politics of “disappearance”, which cost thousands
of lives between 1976 and 1983. Among the victims was Denti’s close
friend Raymundo Gleyzer. —> Entuziazm
LA TORNA
Albert Boadella, Francesco Bellmunt, Spanien/Spain 1978, 16 mm,
OV (dt. UT/German subtitles), 120 min
Im September 1977 führte die renommierte katalanische
Schauspieltruppe ‚Els Joglars‘ ihr neues Stück ‚La Torna‘ auf,
eine aggressive Satire auf die spanische Gerichtsbarkeit. Die
Aufführung wurde im Dezember verboten, die Mitglieder der
Schauspieltruppe vor ein Kriegsgericht gestellt und zu einer
Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilt. Kurz bevor die ‚Joglars‘
ihre Gefängnisstrafe antraten, konnte die Aufführung in einer
einzigen Nacht von katalanischen Filmschaffenden gefilmt werden.
(Stuttgarter Zeitung) / In September 1977 the renowned Catalan
Theatertroupe ‘Els Joglar’ presented their new play, ‘La Torna’, an
aggressive satire on the Spanish legal system. The play was banned in
December of the same year, the members of the troupe were sentenced
to two years in prison by a military court. Shortly before the actors went
to jail, Catalan filmmakers were able to film the play in one single night.
—> Sabine Schöbel
LA VERIFICA INCERTA
Alberto Grifi, Gianfranco Baruchello, Italien/Italy 1965, 16 mm,
ohne Dialog/without dialogue, 31 min
In diesem Found-Footage-Film setzen die beiden Regisseure
stereotype Sequenzen bekannter Filme zu einer komischen
Filmcollage zusammen und entwerfen dabei eine ironisch-kritische
Dekonstruktion des Hollywoodkinos. / In this found footage film the
two Italian directors combine stereotypical sequences from well-known
films to form an amusing cinematic collage, creating an ironic, critical
deconstruction of Hollywood cinema in the process. —> Harun Farocki
LA VIEJA MEMORIA
Jaime Camino, Spanien/Spain 1978, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 165 min
Jaime Camino hat eine Reihe von Interviews mit Personen der
Zeitgeschichte und zeitgenössische Dokumentaraufnahmen
montiert. Das Ergebnis ist ein ungeheuer lebendiges und
zuverlässiges Bild über die politische Entwicklung Spaniens seit
1931. Wie Camino aus den Einzelinterviews offene Dialoge werden
ließ, das ist überrumpelnd, faszinierend und beispielhaft. / Jaime
Camino conducted a number of interviews with historically siginificant
people and combined them with contemporary documentary material.
The result is an unbelievably vibrant and reliable picture of the
political developement of Spain since 1931. How Camino crafted these
interviews into open dialogues is stagering, fascinating and exemplary.
(Berliner Morgenpost) —> Sabine Schöbel
LA VOIE (Der Weg/The Path)
Mohamed Slimane, Algerien/Algeria 1968, 35 mm, OV, 105 min
Der Algerienkrieg wird durch die Augen algerischer
Freiheitskämpfer erzählt, die in französische Gefangenschaft
geraten sind. Der Film zeigt Ausbruchsversuche ebenso wie die
brutale Folter der Gefangenen durch die Franzosen. / The Algerian
War is recounted by Algerian freedom-fighters who have been captured
and imprisoned in French-run military prisons both in France and in
Algeria. The film shows their escape attempts and the brutal treatment
of the prisoners by the French guards. —> Ala Younis
LA ZERDA ET LES CHANTS DE L´OUBLI
Assia Djebar, Algerien/Algeria 1978, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 60 min
Assia Djebar hat in ihrem Film Dokumentarmaterial aus der
Kolonialzeit montiert. Sie gibt den Bildern des Kolonialismus eine
neue Lesart, indem sie anhält, untersucht, verborgene Inhalte zum
Vorschein bringt. Durch die Montage werden ironische, kritische
und bittere Kontraste gesetzt. Sie lässt ein komplexes Bild der
Kolonialgeschichte Algeriens entstehen, wobei sie sich besonders
auf die Rolle und die Darstellung der Frauen in dieser Zeit
konzentriert. / Assia Djerbar has compiled in her film documentary
footage from colonial times. She lends a new way of reading to the
images of colonialism by stopping, examining and bringing hidden
contents to light. The montage creates ironic, critical and bitter
contrasts. Djerbar evokes a comlpex image of colonial history,
concentrating on the role and representation of women in this time.
—> Madeleine Bernstorff, Tobias Hering
LE COIFFEUR DU QUARTIER DES PAUVRES
Mohamed Reggab, Marokko/Marocco 1982, OV (dt. UT/German
subtitles), 117 min
LE COIFFEUR D U QUARTIER DES PAUVRES ist ein sehr
reiches, vielschichtiges Werk. Es beschreibt die Armen in ihren
Beziehungen zueinander, zum Geld, zur Macht, zur Politik, zur
Religion... Mit seinem neuen Werk führt Reggab dem nationalen
Film eine seiner vornehmsten Inspirationsquellen zu: die
volkstümliche Literatur. / LE COIFFEUR D U QUARTIER DES
PAUVRES is a very rich and multilayered work. It describes the poor in
their relations to each other, to money, to power, to politics, to religion...
With his new work Reggab infuses the national film with one of its chief
sources of inspiration: folk literature. (Almaghreb Culturel)
—> Tobias Hering
LE FRANC
Djibril Diop Mambety, Senegal 1994, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 46 min
Wovon träumt ein Musiker, der Sorgen hat, wenn nicht von seinem
Instrument? Marigo träumt von seiner Congoma, die die boshafte
Vermieterin aufgrund ausgebliebener Mietzahlungen konfisziert
hat. Dabei ist die Congoma sein ganzes Leben. / What does a worried
musician dream of if not his instrument? Marigo dreams of his congoma,
which was confiscated by the evil landlady because of unpaid rent. But
the cogoma is his life. (Djibril Diop Mambety)
—> Tobias Hering
267

FILMOGRAFIE
LEHRER IM WANDEL (Teacher in Transition)
Alexander Kluge, BRD/FRG 1963, 35 mm, OV, 12 min
In seinem frühen Kurzfilm skizziert KLuge einen kurzen Abriss der
geschichte des Schulwesens von der Antike bis in die 1960er Jahre.
In einer Collage aus dokumentarischem und historischem Material
und anhand der Lebensgeschichten dreier Lehrer auf verlorenem
Posten beschreibt er die bildungsfeindliche Haltung der staatlichen
Elite. / In his early short film Kluge sketches a short outline of the history
of the school system from antiquity up to the 1960s. In a collage of
documentary and historical material and by the way of the life stories
of three teachers caught in a loosing battle, KLuge describes the antieducational
attitude of the state elites. (Florian Wüst)
—> Bonusfilm, gezeigt 1963 in den ersten Programmen der Freunde
der Deutschen Kinemathek/shown 1963 in the first programs of the
Friends of the German Cinemateque
LE MALHEUR DES UNS (Das Unglück der einen/The Misfortune
of Some)
Omar Amiralay, Frankreich/Libanon/France/Liban 1981, 16 mm,
OV, 53 min
Für das französische Fernsehen drehte der syrische Regisseur Omar
Amiralay einen Film über Aspekte des Alltagslebens in der Stadt
Beiruth. Im Mittelpunkt steht die Person eines Leichenträgers. /
Director Omar Amiralay shot this film on the everyday life in Beirut for
French television. At the center of the film is a pallbearer. —> Ala Younis
LES PARAPLUIES DE CHERBOURG
Jacques Demy, Frankreich/France 1963, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 92 min
Cherbourg, November 1957: Die 18-jährige Geneviève, die
Regenschirme im Geschäft ihrer Mutter verkauft, liebt den
Automechaniker Guy. Die erste Liebesnacht bedeutet gleichzeitig
den Abschied von ihrem zum Kriegsdienst in Algerien einberufenen
Liebhaber. Von ihrer Mutter wird die schwangere Geneviève zur
Heirat mit einem wohlhabenden Juwelier gedrängt. / Cherbourg,
November 1957: 18-year-old Geneviève, who sells umbrellas in her
mother‘s store, falls in love with car mechanic Guy. Their first night of love
is also their last before he has to go to Algeria for his military service. Her
mother forces her to marry a well-to-do jeweler when it turns out she is
pregnant. —> Vaginal Davis
LES PASSAGERS
Annie Tresgot, Algerien/Algeria 1971, 35 mm, OV (franz. UT/French
subtitles), 84 min
1968: Sechs Jahre nach der Unabhängigkeit emigrieren weiterhin
35.000 Algerier jährlich nach Frankreich. Unter ihnen der
achtzehnjährige Rachid. 1970: Nach zwei Jahren kehrt Rachid
zurück. Nach zwei Jahren, die er nicht vergessen wird. / 1968: Six
years after independence 35000 Algerians still migrate to France every
year. Among them is the 18-year old Rachid. 1970: Two years later
Rachid returns. Two years he will not forget. —> Madeleine Bernstorff
LES STATUES MEURENT AUSSI
Chris Marker, Alain Resnais, Frankreich/France 1953, 16 mm, OV,
30 min
Ein Dokumentarfilm über Kunst aus Afrika in europäischen
Museen. Zusammen mit Chris Marker (der den Kommentar
geschrieben hat) realisierte Resnais dieses antikolonialistische
und antirassistische Pamphlet. Im Gewand eines Kulturfilms wird
die ethnografisch-museale Darstellung afrikanischer Skulpturen
thematisiert. Eine essayistische Meditation über den Umgang
mit kulturellen Zeugnissen, Kunst und Geschichte. Der Film
wurde aufgrund „antikolonialistischer Tendenzen“ verboten und
konnte erst in den 60er Jahren öffentlich gezeigt werden. / This
is a documentary about African art in European museums. Resnais
made this anti-colonial and anti-racist pamphlet with Chris Marker,
who wrote the commentary. Like a Kulturfilm, it examines how African
sculptures are displayed in ethnography museums. It is an essayistic
meditation on the treatment of cultural artifacts, art and history. The
film was banned for its „anti-colonial tendencies“ and only shown
publicly in the 1960s. —> Filipa César
LIBERTAT D´ESPRESSIÓ
Aus der Serie/From the series: Noticiari de Barcelona (Teil/Part
15), Antoni Ribas, Spanien/Spain 1978, 16 mm, OV, 12 min
LIBERTAT D´ESPRESSIÓ handelt von der großen Protestwelle
gegen das Verbot von LA TORNA und der Verhaftung von u.a.
Albert Boadella und dem Streik, den die Gewerkschaft der
Film- und Theaterarbeiter, die „Asamblea Permanente de los
trabajadores del espectaculo“, in Barcelona ausruft. / The film
shows the big wave of protests against the ban of LA TORNA, the
arrest of, a.o., Albert Boadella and the strike of the Union of Film- and
Theater Workers, the „Asamblea Permanente de los trabajadores del
espectaculo“ in Barcelona. —> Sabine Schöbel
LIGHTS
Marie Menken, USA 1964/65, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 6 min
Marie Menken malt mit den Lichtern in den Nächten kurz vor
Weihnachten, und ihre tanzenden Lichtbilder voller Freude
verwandeln die Wirklichkeit – alles ist nur noch in Bewegung und
Licht. Eine Hymne auf das Filmen. / Marie Menken paints with the
lights in the nights shortly before christmas, and her dancing lightimages
full of joy transform reality – everything is just motion and light.
An ode to filming. (Ute Aurand) —> Stefanie Schlüter
LITTLE RED RIDING HOOD
Red Grooms, USA 1979, 16 mm, OV, 16 min
Red Grooms sagt, dieser Film ist ein Porträt seiner Tochter
Saskia,die den Film anregte und in ihm auch die Hauptrolle spielt.
Grooms lässt Schauspieler in von ihm entworfenen Dekorationen
auftreten, und mit Hilfe von Tricks erzählt er das alte Märchen vom
Rotkäppchen auf seltsame, schaurige Weise. / Red Grooms says this
film is a portrait of his daughter Saskia, who inspired the film and also
stars in it. Grooms has actors appear in self-made sets and, helped by
tricks, he tells the old fairytale of Little Red Riding Hood in a strange,
scary way. (Superfilmshow) —> Stefanie Schlüter
LIVERPOOL
Lisandro Alonso, Argentinien/Argentina 2008, 35 mm, OV (engl.
UT/subtitles), 84 min
Ein Matrose auf einem Containerschiff geht von Bord, um nach
jahrelanger Abwesenheit seine Mutter zu besuchen. Bei eisigen
Temperaturen reist er durch die schneebedeckten Weiten
Feuerlands in sein abgelegenes Heimatdorf. Bei der Ankunft am
Ort seiner Kindheit erwartet ihn eine überraschende Begegnung:
Die Familie hat ein neues Mitglied. Eine Variation auf das Thema
Einsamkeit. / A sailor on a container ship goes ashore to visit his mother
after many years at sea. He travels through the snow-covered expanses
of the Tierra del Fuego in icy temperatures to reach the isolated village
of his birth. When he arrives at his childhood home, there is a surprising
encounter: the family has a new addition. A variation on the theme of
loneliness. —> Merle Kröger
LOOKING FOR MUSHROOMS
Bruce Conner, USA 1961/1996, 16 mm, OV, Kurzfassung/Short
Version: 3 min, Langfassung/Long Version: 15 min
Die lange Version aus dem Jahr 1996 nutzt das gleiche Material
wie die frühere Fassung, die 1968 mit einem Beatles Soundtrack
veröffentlicht wurde. Jedes Original-Einzelbild wurde
verfünffacht, die Montage bleibt gleich, jedoch gibt es nun einen
neuen Soundtrack von Terry Riley. Nichts wurde hinzugefügt,
268

FILMOGRAPHY
nichts ging verloren, immer das gleiche, ohne Ende... / The long
version from 1996 is the same film footage as edited in the earlier short
version released in 1968 with a Beatles soundtrack. It is made longer
with five frames for each original frame but still remains the same edit
(but with a new soundtrack by Terry Riley) and nothing added, nothing
lost, always the same, never ending … (bruceconner.org)
—> Martin Ebner/Florian Zeyfang
LOOSE CORNER
Anita Thacher, USA 1986, 16 mm, OV, 10 min
Ein junger Mann, eine junge Frau, ein Junge und ein Hund sowie
diverse Gegenstände wie Bälle, eine Schachtel usw. begleiten das
Publikum auf ein ‚Abenteuer‘ zu einem unmöglichen Ort, einer
‚losen Ecke‘. Dort werden unsere Wahrnehmung und die
An nahmen, von denen wir ausgehen, durch viele visuelle
Unmöglichkeiten auf die Probe gestellt. / A young man, a young
woman, a boy and a dog, as well as several objects like balls, a box etc.
take the audience on an ‘adventure’ to an impossible place, a ‘loose
corner’. There our perception and the assumptions we rely on are put to
the test through visual impossibilities. (Anita Thatcher)
—> Stefanie Schlüter
LOVEJOY’S NUCLEAR WAR (Lovejoys Atomkrieg)
Dan Keller, USA 1975, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles),
60 min
LOVEJOY‘S NUCLEAR WAR zeigt einen Querschnitt der
vielen und verschiedenartigen Ansichten über Kernenergie,
zivilen Ungehorsam und die Energiepolitik, die sich durch einen
Sabotageakt des Atomkraftgegners Holden Lovejoy und den
anschließenden Prozess herausbildeten. / The film shows a variety
of opinions on nuclear energy, civil disobedience and energy politics
in the wake of an act of sabotage committed by anti-nuclear activist
Holden Lovejoy. —> Entuziazm
M
MABABANGONG BANGUNGOT (Der parfürmierte Alptraum/
The perfumed nightmare)
Kidlat Tahimik, Philippines 1977, 16 mm, (dt. UT/German
subtitles), 93 min
Weit hinten bei den Amok-Bergen, in dem Dorf Balian, wohnt
Kidlat Tahimik und träumt von der fernen großen Welt. Nur eine
alte steinerne Brücke verbindet Kidlats Dorf aus Bambushütten
mit der Zivilisation, aber er ist stolz und zuversichtlich: „Ich wähle
mein Fahrzeug und kann jede Brücke überqueren.” Und so probt
er den Aufbruch, erst mit Spielzeug-Autos wechselnder Größe,
dann mit seinem bunt bemalten „Jeepney”, einem umgebauten
amerikanischen Militärfahrzeug, mit dem Kidlat Tahimik
Menschen und Waren transportiert. / Far beyond, near the Amok-
Mountains, in the village of Balian, lives Kidlat Tahimik and dreams of
the wide world. Only an old stone bridge connects Kidlat’s bamboo hut
village to civilization, but he is proud and confident: “I pick my vehicle
and I can cross any bridge”. And so he practices his departure, first with
toy cars of different sizes, then with his brightly colored “Jeepney” a
customized US-military vehicle, which Kidlat uses to transport people
and products. (Die Zeit) —> Tobias Hering
MANO DRANGAR (Meine Freunde/My friends)
Viktoras Staroschas, USSR/Latvia 1959, 35 mm, (dt. UT/German
subtitles), 21 min
Ein typischer Propagandafilm der 1950er Jahre: Ein
frischgebackener Agraringenieur wird Leiter einer Kolchose.
Dem Misstrauen der Einheimischen begegnet er mit neuen Ideen
und der Hilfe seiner Freunde aus Studienzeiten, die begeistert
zur Landarbeit eilen. Schließlich findet (im Film) zusammen,
was zusammen gehört: Moderne und Tradition, Studenten und
Arbeiter, Stadt und Land. / A typical propaganda film of the 1950s:
A young agricultural engineer becomes the leader of a colchose. With
new ideas and the help of his student friends who hurry to work in the
field he confronts the distrust of the locals. Finally everything comes
together in perfect harmony: modernity and tradition, students and
workers, city and countryside. —> Marcel Schwierin
MARILYN TIMES FIVE
Bruce Conner, USA 1973, 16 mm, OV, 14 min
Ein alter Erotikstreifen zeigt eine junge Frau, angeblich
Marilyn Monroe, mit gnadenloser Gründlichkeit. In fünffacher
Wiederholung dreht sich ihr mondbleicher Körper, während auf
der Tonspur fünf Mal ihr Lied erklingt... ‚I’m through with love. -
Ich hab genug von der Liebe.’ / A young woman, allegedly Marilyn
Monroe, is seen with pitiless scrutiny in the arena of an old girlie film.
The reiteration of five cycles rotates the commodity of her moon-pale
body as her song repeats five times on the sound track ... ‘I‘m through
with love.’ (Anthony Reveaux) —> Angela Melitopoulos
MENK (My – Wir/We)
Artavazd Peleshjan, UdSSR/Armenien / USSR/Armenia 1969,
35 mm, OV (dt. UT/German subtitles), 25 min
Neben den Menschen stellt Peleshjan die sie umgebende
Gebirgslandschaft und das tragische Schicksal des bis heute
verleugneten Genozids ins Zentrum seines Films. Die Montage
aus selbstgedrehtem und Archiv-Material, Naheinstellungen
und Supertotalen, die Mischung aus barocker, moderner und
armenischer Musik schafft ein komplexes Verweissystem.
Allerdings war der Film von Zensur betroffen, Peleshjan musste
wesentliche Einstellungen herausschneiden. / In his film, Peleshyan
focuses not only on the people, but also on the mountainous landscape
surrounding them and the tragic fate of the genocide – denied to this
day. The montage of original material and archive footage, close-ups
and ultra-far shots, the mixture of Baroque, modern and Armenian
music creates a complex system of references. Admittedly, the film was
affected by censorship: Peleshyan had to cut out important shots.
—> Marcel Schwierin
MITUT VÄRVI HALDJAED (Mehrfarbige Feen/Multi-colored
Fairies)
Peeter Simm, USSR/Estonia 1981, 35 mm, OV (dt. UT/English
subtitles), 19 min
Der Filmemacher folgt mit seiner sensiblen Kamera
Heimkindern. Sie berichten nicht nur über ihre schrecklichen
Erfahrungen – die auch einschließen, was sie anderen angetan
haben –, sondern auch über über Hoffnungen und Träume. / With
a sensible camera the filmmaker follows institutionalized children,
who recount not only their horrible experiences – including what they
have done to others – but also their hopes and dreams.
—> Marcel Schwierin
MONANGAMBEE
Sarah Maldoror, Algerien/Algeria 1969, 16 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 15 min
„Monangambee!“ – Schrei der Revolte in Angola.
„Monangambee!“ Von Hütte zu Hütte, von Dorf zu Dorf
weitergegeben, ließ dieser Schrei in Angola selbst die Mutigsten
erblassen. Männer, Frauen und Kinder ergriffen die Flucht und
suchten Deckung im Busch. „Monangambeee“: das hieß soviel
wie ‘weißer Tod‘, zumindest jedoch eine sichere Deportation
ohne Rückkehr. Früher begleitete dieser Schrei die Ankunft
der portugiesischen Sklavenhändler. Heute ertönt immer noch
der gleiche Schrei, das gleiche Pfeifen über die Weite Angolas:
Er ist Erkennungszeichen und Signal zum Sammeln für die
Volksbefreiungsfront. / “Monangambee!” – Cry of the revolte in
Angola. “Monangambee!” Spread from hut to hut, from village to
269

FILMOGRAFIE
village, this cry made even the most brave men in Angola shiver. Men,
women and children fled and hid in the bush. “Monangambee!”: that
translates into ‘White Death’, at least a sure deportation with no return.
In the past this cry accompanied the arrival of the Portuguese slave
traders. Today, the same cry still resounds, the same whistle accross the
expanse of Angola: it is the identification and the signal for collections
for the People’s Liberation Front. (Nadia Kasji) —> Tobias Hering
MONGOLOID
Bruce Conner, USA 1976, 16 mm, OV, 4 min
Bruce Conners frühes Musikvideo zu Devos gleichnamigem Song. /
Bruce Conner’s early music video for Devo’s epynomous song.
—> Senta Siewert
MODERN TIMES (Moderne Zeiten)
Charles Chaplin, USA 1936, 16 mm, dt. Zwischentitel/German
intertitles, 86 min
Der anarchische Tramp im Kampf mit gigantischen, ihn
zwischenzeitlich verschlingenden Maschinen verkörpert in seinem
fröhlichen Überlebenskampf die völlige Freiheit von Zwang und
Ordnung. / The anarchist tramp and his struggle against the giant
machines that eventually end up consuming him is an embodiment
of the total freedom from compulsion and order that his joyful
battle for survival represents. —> Bonusfilm: Film im Film POR
PRIMERA VEZ/film inside the film POR PRIMERA VEZ
MOOD CONTRASTS
Mary Ellen Bute, USA 1953/56, 16 mm, OV, 7 min
Mood Contrasts ist ein Film, der aus tatsächlichen
‚Geräuschbildern‘ zusammen gesetzt ist, die mit einem
Kathodenstrahl-Oszilloskop eingefangen wurden. Diese werden
mit Bildern gefärbter Flüssigkeiten, reflektierter oder gebrochener
Lichter, so wie mit animierten Formen – Punkte, Spiralen,
Schachbrettmuster – übereinander gelegt. / Mood Contrasts consits
of `actual pictures of sound captured on cathode ray oscilloscope`which
are combined and superimposed with images of colored liquids,
reflected or refracted lights as well as animated shapes like dots, spirals,
spirals and chess board patterns. This interplay of forms and planes
makes the film a highly complex collage evoking the idea of a musical
composition.
—> Stefanie Schlüter, Öffentliche Sichtung/Public Screening
MOON PLAY
Marie Merken, USA 1961, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
4 min
Viele Monde, die tanzen – eine Mondphantasie in animiertem
Stopptrick. / Lots of moons that dance – a moonfantasy in animated
stop-motion. —> Stefanie Schlüter
MOTHLIGHT
Stan Brakhage, USA 1963, 16 mm, stumm/silent, 3 min
Für MOTHLIGHT, seinen ersten komplett ohne Kamera
hergestellten Film, platzierte Brakhage Mottenflügel, andere
Insektenteile und Pflanzen auf durchsichtige Klebebandstreifen.
Die Streifen hatten die selben Dimensionen wie 16-mm-Film und
waren an den Rändern perforiert, so dass im Labor davon Abzüge
gemacht werden konnten. Diese Filmcollage handelt zwangsläufig
teilweise von Filmprojektion selbst, von der Weise, in der ein
Projektor die Kontinuität der Natur zu distinkten Einzelbildern
herunterbricht. / For MOTHLIGHT, his first film made entirely without
a camera, Brakhage placed moth wings, other insect parts, and plants
on clear strips of perforated tape having the same dimensions as
16mm film, which the lab used to make prints from. This film collage
is inevitably in part about film projection itself, about the way the
projector‘s gate breaks up nature‘s continuities into individual frames.
(Fred Camper) —> Stefanie Schlüter
MUEDA, MEMORIA E MASSACRE (Mueda: Erinnerung an ein
Massaker)
Ruy Guerra, Mosambik/Mosambique 1979, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 75 min
Der einzige mosambikanische Film im Arsenal-Archiv,
allerdings ein Meilenstein. Zu sehen ist ein Stück anti-kolonialer
Erinnerungsarbeit, ein öffentliches, von Laien in Szene gesetztes
Re-Enactment des von den Portugiesen verübten Massakers von
Mueda (1960). / The only Mozambican film in the Arsenal archive, it is
a clear milestone. It shows a piece of anti-colonial reminiscence work,
a public reenactment staged by non-professionals of the massacre of
Mueda (1960) carried out by the Portuguese. (Tobias Hering)
—> Tobias Hering
MURDER (Mord)
Alfred Hitchcock, UK 1930, 16 mm, OV, 103 min
Ein Theaterautor, der als Geschworener der Verurteilung einer
jungen Schauspielerin beiwohnt, hegt Zweifel an der Schuld des
Mädchens. Eigene Ermittlung führen ihn auf die Spur des wahren
Mörders. / A playwrite, who is on jury duty during the conviction of a
young actress, is not convinced the girl is guilty. His own investigation
leads him on the trail of the real killer. —> John Blue
MUSIC FOR THE MOVIES: TÔRU TAKEMITSU
Charlotte Zwerin, USA 1994, 35mm, OV (engl. UT/English
subtitles), 58 min
Der Film ist das Porträt eines Künstlers, dessen Sensibilität die
wichtigsten Filme der japanischen ‚Nouvelle Vague‘ mitgeprägt hat.
In Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Kurosawa und Oshima hat
Takemitsu die Musik zu mehr als neunzig Filmen geschrieben – eine
Musik, die ihn zu einem der größten Filmkomponisten des späten
zwanzigsten Jahrhunderts macht. / The film is a portrait of an artist,
whose sensibility has shaped the most important flms of the Japanese
‘New Wave’. In collaboration with directors like Kurosawa and Oshima
Takemitsu wrote the score for more than 90 films – a music which makes
him one of the greatest film composers of the late twentieth century.
—> John Blue
MY NAME IS OONA
Gunvor Nelson, USA 1969, 16 mm, OV, 10 min
MY NAME IS OONA zeigt in nachwirkenden, zutiefst lyrischen
Bildern Fragmente der Bewusstwerdung eines Mädchens. Eines
der perfektesten Beispiele des poetischen Kinos. / MY NAME IS
OONA captures in haunting, intensely lyrical images fragments of the
coming to consciousness of a child girl. One of the most perfect recent
examples of poetic cinema. (Amos Vogel) —> Senta Siewert
MYS GNEDOGO SKAKUNA
Izya Gerstejn, UdSSR/Kirgisien / USSR/Kyrgyzstan 1966, 35 mm,
OV (dt. UT/German subtitles), 18 min
Der Leuchtturmwärter Kulmat geht seit 30 Jahren Abend für
Abend zum Leuchtturm, um dort die Lichter anzuzünden. Der Film
zeigt weniger seine Arbeit als vor allem seinen Alltag, seine Familie.
Im Hintergrund erklingt eine alte kirgisische Legende über ein
Zauberross, das angeblich einst den See durchquert hat. / For thirty
years the lighthouse-keeper has returned to his post every evening. The
film shows more about his daily work and his family than it does about
his work. An old Kirghizian legend is heard in the background, about the
magic horse that is supposed to have crossed the lake.
—> Marcel Schwierin
N
NACKT UNTER WÖLFEN
Frank Beyer, DDR/GDR 1963, 35mm, OV, 124 min
Während der letzten Monate vor dem Einmarsch der Amerikaner
270

FILMOGRAPHY
verstecken polnische KZ-Häftlinge ein Kind vor dem Zugriff der
Nationalsozialisten. / In the last months before the arrival of the
Americans Polish concentration camp prisoners hide a child from the
grasp of the Nazis. —> Entuziazm
NEW SENSATIONS IN SOUND
Mary Ellen Bute, USA 1959, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 3 min
Für diesen Werbefilm für einen RCA-Farbfernseher verarbeitete
Bute durch geschickte und scharfe Schnitte Effekte aus früheren
Filmen zu einer Kollage. / This advertisement for RCA color television
is a clever, sharply edited collage of effects from Bute’s previous films.
—> Öffentliche Sichung/Public Screening
NEW YORK. EIN VISUELLES ARBEITSTAGEBUCH
Ludwig Schönherr, BRD/FRG 1976-1979, Super8, ohne Dialog/
without dialogue, 720 min
Mitte bis Ende der 1970er, im Zuge mehrerer New York-Besuche,
produzierte Schönherr einen erstaunlichen 107-stündigen Film
auf Super8, ein „visuelles Tagebuch“ aus Impressionen der Stadt,
ihrer Einwohner und ihrer Fernsehkultur. / In the mid- to late 70s,
Schönherr produced an astounding 107-hour long film on Super 8,
a “visual diary” of impressions of the city, its inhabitants and its TVculture.
—> Marc Siegel
NO COMPTEU AMB ELS DITS (No cantéis con los dedos/Don’t
count on the fingers)
Perre Portabella, Spanien/Spain 1956, 16 mm, OV, 30 min
Der erste eigene Film des Avantgardekünstlers und
Filmproduzenten Pere Portabella. Ein Mann vor dem
Badezimmerspiegel, eine blonde Frau mit dem Schriftzug „Brrr!“
auf der Stirn, ein Krawattenträger auf der Flucht in den Gängen
einer industriellen Abfüllanlage. / The first film directed by Avantgarde
artist and filmproducer Pere Portabella. A man in front of the
bathroom mirror, a blond woman with the word “Brrr!” written on
her forehead, a suit on the run in the hallways of an industrial filling
station. —> Sabine Schöbel
NORMALSATZ
Heinz Emigholz, BRD/FRG 1977/81, 16 mm, OV, 109 min
Brookburg, am 30. April 1975, dem ersten Tag des Friedens,
im Büro der Erinnerung. Ein junger Künstler, Spezialist für
die Getrenntheit der Kulturen, versucht die Analyse seiner
brutalen Sentimentalität. Intellektuelle amerikanische TV-Babys
praktizieren vor seinen Augen die Analyse ihrer Gefühle am
Medium Soap, das ihm unverständlich bleiben muss, weil er es
als Kind entbehrte. Ihm bleibt die Isolation seiner Arbeit. Nach
einem unbewussten Raster sammelt er attraktiv erscheinende
Sätze in Bataillonen von Notizbüchern. / Brookburg, April 30,
1975, the first day of piece, in the office of memories. A young artist,
specialist for the separation of cultures, tries to analyze his brutal
sentimentality. Intellectual American babies practice the analysis of
their emotions with the medium Soap Opera, which has to remain
incomprehensible to him, as he did not know it as a child. What’s left
for him is the isolation of his work. Following a concsious order, her
collects attractive sentences from battalions of notebooks.
—> Heinz Emigholz, Harun Farocki
NOTEBOOK
Marie Menken, USA 1962, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
11 min
NOTEBOOK ist vielleicht Marie Menkens bekanntester Film, und
seine große Schönheit liegt in der Einfachheit und Vielfalt – es ist,
als sähen wir ihr gesamtes filmisches Werk in diesem Skizzenbuch
verdichtet, das aus neun Filmen bzw. Filmfragmenten besteht,
die sie zwischen den späten 1940er und den frühen 60er Jahren
gedreht hat. / NOTEBOOK is arguably Marie Menken‘s best known
film, and its great beauty lies in its simplicity and variety – it is as if we
were seeing her whole body of filmic work condensed in this scrapbook,
which consists of nine films or film-fragments, which she shot between
the late forties and the early sixties. (Ute Aurand) —> Stefanie Schlüter
NOW!
Santiago Álvarez, Kuba/Cuba 1965, 35 mm, OV, 6 min
NOW! handelt vom Kampf gegen die Rassendiskriminierung
in den USA. Álvarez montiert Wochenschaumaterial, Fotos
und Comicstrips zu einer erschütternden Anklage. / NOW! is
about the struggle against racial discrimination in the USA. Álvarez
combines newsreel material, photos and comic strips into a shattering
condemnation. —> Now! Extended, Florian Zeyfang
NUIT ET BROUILLARD (Nacht und Nebel/Night and Fog)
Alain Resnais, Frankreich/France 1956, 35 mm, deutsche Version/
German language version, 31 min
Mitte der 50er Jahre, zu einem Zeitpunkt also, als die historische
Forschung zu diesem Thema gerade erst einsetzte, drehte Resnais
seinen epochalen Essayfilm über die nationalsozialistischen
Konzentrationslager. / Resnais filmed his epochal film about the
National Socialist concentration camps in the mid-1950s, as historical
research about this subject was only beginning. —> Entuziazm
O
O QUAM TRISTIS
Maite Abella, Niederlande/Netherlands 2009, DigiBeta, ohne
Dialog/without dialogue, 9 min
Mutter und Tochter haben immer miteinander gekämpft. Ein
Filmkampf zwischen Gregory Peck und Charlton Heston war die
Inspiration für dieses Familien-Home Movie. / Mother and Daughter
have always been fighting. A movie fight between Gregory Peck and
Charlon Heston served as inspiration for this family home movie.
—> Angela Melitopoulos
OCAÑA, RETRAT INTERMITTENT (Ocaña, das unterbrochene
Portrait/Ocaña, an intermittent Portrait)
Ventura Pons, Spanien/Spain 1978, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 82 min
Die ‘Ramblas’ in Barcelona, das sind Homosexuelle, Transvestiten,
Prostituierte, Zuhälter u.a. Marginalisierte. Ihr bis dato
verschwiegenes Leben wird zum Sujet dieses Porträts des Malers
José Pérez Ocaña. / The ‘Ramblas’ in Barcelona are homosexuals,
transvestites, prostitutes, pimps and other marginalized people. Their
hidden live is the sujet of this portrait of the painter José Pérez Ocaña.
—> Sabine Schöbel
OHNE NACHTIGALLEN
Riki Kalbe, Bettina von Arnim, BRD/FRG 1987, 16 mm, OV, 28 min
Mit und über die Freundin und Malerin Bettina von Arnim. Gedreht
in ihrem Haus in Südfrankreich. / With and about the friend and
painter Bettina von Arnim. Shot in her house in the south of France.
—> Nanna Heidenreich
O KIMBANDA KAMBIA
Serie/Series „Presente Angolano - Tempo Mumuila (Teil/Part 5)“,
Ruy Duarte de Carvalho, Angola 1977/78, 16 mm, OV(dt. UT/
German subtitles), 82 min
PRESENTE ANGOLANO – TEMPO MUMUILA gibt eine erste,
umfassende Einführung in das gegenwärtige Leben des Mumuila-
Volkes, welches zu der ethnisch/linguistischen Gruppe der
Nyaneka-Humbe im Südwesten Angolas gehört. In Teil 5 trifft ein
Medizinmann und Heiler einen Psychiater aus der Hauptstadt
Luanda. / PRESENTE ANGOLANO – TEMPO MUMUILA gives a first,
271

FILMOGRAFIE
comprehensive introduction to the contemporary life of the Mumuila
people from the ethnic/linguistic group of Nyaneka-Humbe in Soutwest
Angola. In part 5 a medicine man and healer meets a psychiatrist from
the capital Luanda. —> Anselm Franke
ON A CLEAR DAY YOU CAN SEE FOREVER
Vicente Minelli, USA 1970, 16 mm, OV, 107 min
In einem früheren Leben war Daisy eine umtriebige Hofdame am
englischen Königshof. Ihr Leben wird verkompliziert, als sich ihr
Psychiater in Daisys historisches Alter Ego verliebt. / In a former life,
Daisy was a coquotte at the Royal British Court. Complications ensue,
as her psychiatrist falls in love with her historic alter ego.
—> Vaginal Davis
ON THE MOUNTAINS
Margaret Tait, UK 1974, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
32 min
Margaret Taits’ filmische Beobachtung der Rose Street in
Edinburgh. / Margaret Taits cinematic observation of Rose Street in
Edinburgh. —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
ONLY THE BEGINNING
NY Newsreel, USA 1971, 16 mm, OV, 20 min
ONLY THE BEGINNING handelt von der Anti-Vietnam-Bewegung
der GIs in den USA. / ONLY THE BEGINNING is about the GI
movement to end the war. —> Harun Farocki, Angela Melitopoulos
ORI, (Der Käfig/The Cage)
Shuji Terayama, Japan 1962, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
11 min
Die Rodin-Pforte; jemand, gekleidet wie Maeterlinck, versucht
hineinzukommen (oder herauszukommen); zwei Body-Builder;
eine alte Frau mit einer zerbrochenen Uhr; ein Junge in einem
Kohlenhaufen; und das Auge des Regisseurs selbst, es blickt
voyeuristisch. / The Rodin Gate; somebody, dressed like Maeterlinck,
tries to get in (or out); two body builders; an old woman with a broken
watch; a boy in a coal heap; and the voyeuristic eye of the director
himself. —> Bonusfilm, präsentiert von/presented by Marc Siegel
ORG
Fernando Birri, Argentinien/Italien / Argentina/ Italy 1978, 35 mm,
OV (diverse Sprachen/various languages), 177 min
Der monumentale Experimentalfilm ORG reflektiert anhand eines
allegorischen, auf einer Erzählung von Thomas Mann beruhenden
Plots in 177 Minuten exzessiv ausufernd experimentelles
Filmemachen im Zusammenhang mit politischer und sexueller
Militanz. / Using an allegorical plot based on a story by Thomas Mann
as its backbone, the monumental experimental film ORG in 177
minutes reflects excessively experimental filmmaking in connection
with political and sexual militancy. “I always say that ORG is a film that
chooses its audience. But I also say, though don’t take it as an absolute,
that ORG is a film that can be seen however you want to see it. That is:
someone can step out, smoke a cigarette, return, see another fragment.
And a last confession I have to make at the risk of disapproval and being
misunderstood: ORG is a film that I made for myself and it’s the only
film in my entire filmography that I have made for myself.” (Fernando
Birri) —> Entuziazm
OS RESIDENTES (The Residents)
Tiago Mata Machado, Brasilien/Brazil 2010, 35mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 120 min
Angetreten, um einer Welt, der die Utopien und die Poesie
abhanden gekommen sind, den Kampf anzusagen, haben die
Bewohner eines Abrisshauses eine temporäre autonome Zone
errichtet. Eine Art situationistische Stadtguerilla der Gegenwart,
verbringen sie ihre Tage damit, auf materieller wie immaterieller
Ebene Unruhe zu stiften. / The residents of a soon to be demolished
building have set up a temporary autonomous zone to declare war on
a world where utopia and poetry have gone astray. They are a kind of
Situationist urban guerilla, spending their days creating havoc at both a
material and immaterial level. —> Merle Kröger
P
PARÁBOLA
Mary Ellen Bute, USA 1937, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
9 min
Eine Untersuchung parabolischer Skulpturen von Rutherford Boyd,
die sich Bewegung und Licht zu Nutzen macht, um dramatische
Hell-Dunkel-Effekte hervorzurufen und dabei Spots und dunkle
Schattenrisse an eine Wand wirft. / An exploration of parabolic
sculptures by Rutherford Boyd utilizing movement and light, thereby
creating dramatic chiarascuro effects though highlights and dark
shadow cast on a wall. —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
PASSAGES FROM FINNEGANS WAKE
Mary Ellen Bute, USA 1965, 16 mm, OV, 89 min
Mary Ellen Butes einziger Langfilm, PASSAGES FROM FINNEGANS
WAKE nach dem Roman von James Joyce, wurde beim Festival in
Cannes als bestes Debüt ausgezeichnet. / Based on James Joyce’s
novel, Bute’s only feature-length film was named Best Debut of the Year
at Cannes in 1965. —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
PASTORAL
Mary Ellen Bute, USA 1950/53, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 9 min
Fotografien von sich verteilenden Flüssigkeiten werden von
farbigen Lichtspots überlagert, gefolgt von einer melodischen
Entwicklung zweier piktographischer Flächen. / Photographic
images of diffusing liquids are layered with colored spots of light, thus
following the melodic progression on two pictorial planes at once.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
PATHER PANCHALI
Satyajit Ray, Indien/India 1955, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 126 min
Szenen aus dem Leben einer indischen Familie: In einem
bengalischen Dorf streift der kleine Apu zusammen mit seiner
Schwester die Felder und entdeckt staunend das Wunder des
vorbeifahrenden Zuges. / Scenes from the life of an indian family: In
a Bengali village little Apu roams the fields with his sister and discovers
the miracle of the passing train. —> Bonusfilm, gezeigt 1963 in den
ersten Programmen der Freunde der Deutschen Kinemathek/shown
1963 in the first programs of the Friends of the German Cinemateque
PEREMENA UTSCHASTI (Schicksalswende/Change of Fate)
Kira Muratowa, UdSSR/USSR 1987, 35 mm, OV, 104 min
Die Geschichte basiert auf der Novelle Die Nachricht von William
Somerset Maugham. Muratowa verlagerte die Handlung in
den Osten der Sowjetunion und stellte die Handlung um: Die
Protagonistin mordete nicht aus Rache wegen einer an ihr verübten
Vergewaltigung. Sie ermordete einen Mann, dessen Verbrechen
es war, sein sexuelles und seelisches Interesse, sein Leben, der
Protagonistin gegenüber verloren zu haben – so dass er auch sein
physisches nicht länger verdient. / The story is based on the novella
The Letter by William Somerset Maugham. Muratowa shifts the
setting to the east of the Sowjet Union and changes the plot: the female
protagonist does not kill for revenge, but because she was raped. She
murders a man who committed the crime of having lost his sexual and
emotional interest in her - and so he no longer deserves to live.
—> Marcel Schwierin
272

FILMOGRAPHY
PERMANENT VACATION (Ferien auf Dauer)
Jim Jarmusch, USA 1980, 16mm, OV (dt. UT/German subtitles),
74 min
Zum knarzenden Soundtrack lässt sich der jugendliche Protagonist
Allie durch die Lower East Side Manhattans treiben. Auf seiner
Sinnsuche durch heruntergekommene, leerstehende Wohnblocks
und Industriebauten trifft der Charlie-Parker-Fan auf einen
Querschnitt an Downtown-Hipstern: Saxophonspieler, Gauner,
Erleuchtete, Poeten. Eine melancholische „Odyssey of Cool“.
/ To a rumbling soundtrack the youthful protagonist Allie drifts
through Manhattan‘s Lower East Side. On his sensual search through
rundown, abandoned apartment houses and industrial buildings, the
Charlie Parker fans encounters a cross section of Downtown hipsters:
saxophone players, crooks, freaks, poets. A melancholy “Odyssey of
Cool”. —> Vaginal Davis
PERWY UTSCHITEL (Der erste Lehrer, The First Teacher)
Andrej Michalkow-Kontschalowski, UdSSR/Kirgisien / USSR/
Kyrgyzstan 1965, 35 mm, OV (dt. UT/German subtitles), 99 min
Kirgisien in den ersten Jahren der Sowjetmacht. Ein ehemaliger
Soldat der Roten Armee kommt in ein einsames Bergdorf, um als
erster Lehrer die einheimischen Kinder zu unterrichten. Durch
eine dokumentarische Strenge der Bilder und eine nüchterne
Darstellung bleibt der Film frei vom gewohnten Pathos der
sowjetischen Revolutionsfilme. / Kyrgyzstan in the first years of
Soviet power. A former Red Army soldier comes to a quiet mountain
village to start work as a teacher for the local children. Through the
documentary precision of its images and its prosaic style the film
manages to steer clear of the usual pathos of the Soviet revolutionary
cinema. —> Avi Mograbi
PIROSMANI
Giorgi Schengelaia, Georgien/Georgia 1969, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 85 min
Die in Fragmenten erzählte Lebensgeschichte des naiven Malers
Niko Pirosmanaschwili (1862–1918), der unter dem Namen
Pirosmani bekannt wurde. Er versucht sich in verschiedenen
Berufen und scheitert immer wieder, flieht vor seiner eigenen
Hochzeit, beginnt als Gebrauchs- und Wandmaler zu arbeiten, lässt
sich ausbeuten und erniedrigen. Die Struktur des Films entwickelt
Schengelaja aus den Bildern und der Ästhetik Pirosmanis: flächige
Tableaus, lange Einstellungen und stilisierte Genrebilder. /
The fragmentarily narrated life story of the naive painter Niko
Pirosmanaschwili (1862–1918), who became known by the name
Pirosmani. He tries out different professions but repeatedly fails; he
flees from his own wedding, starts working as a decorative artist and
wall painter, lets himself be exploited and humiliated. Schengelaja
develops the structure of the film using Pirosmani‘s pictures: Plane
tableaux, long shots and stylized genre images reflect Pirosmani‘s
aesthetic. —> Marcel Schwierin
POLICE
Charlie Chaplin, USA 1916, 16 mm, stumm/silent, 23 min
Kaum aus dem Gefängnis entlassen, gerät Charlie schon wieder
in Schwierigkeiten: Ein ehemaliger Mithäftling überredet ihn zu
einem Einbruch. / Just out of prison, Charlie is in trouble yet again: A
fellow ex-convict convinces him to break into a house. —> Avi Mograbi
POINT OF ORDER
Emile de Antonio, USA 1963, 16mm, OV, 97 min
1954 wurden die Praktiken des von Joseph McCarthy geleiteten
Ständigen Untersuchungsausschusses aufgrund von Übergriffen
gegen einzelne Angehörige der Armee zum Gegenstand der
sogenannten Army-McCarthy-Hearings. In dreijähriger Arbeit
verwandelte de Antonio 188 Stunden Fernsehmaterial öffentlicher
Anhörungen in einen Kinofilm von 97 Minuten. / In 1954, the
practices of the Senate Permanent Subcommittee on Investigations,
lead by Joseph McCarthy, became the subject of the so-called Army-
McCarthy-Hearings. In a three-year process, de Antonio edited a
97-minute version of the hearings from 188 hours of TV-footage.
—> John Blue
POLKA GRAPH
Mary Ellen Bute, USA 1947/1952, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 4 min
Geometrische und organische Formen, Linien, Punkte, Quadrate
und Würmer tanzen über den Bildschirm und folgen dabei Butes
graphischer Interpretation der Polka aus Schostakowitschs Das
goldene Zeitalter. / Geometric and organic shapes, lines, dots, squares,
worms dance across the screen following Bute’s graph pattern of
Schostakovich’s polka from the Age of Gold ballet.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
PORGY AND BESS
Otto Preminger, USA 1959, 16 mm, OV, 115 min
Die Verfilmung des gleichnamigen Oper von George Gershwin
erzählt die Liebesgeschichte zwischen dem verkrüppelten Bettler
Porgy und der drogensüchtigen Bess, deren ehemaliger Liebhaber,
der Gangster Crown, nicht von ihr lassen will. / The film adaptation
of George Gershwin’s eponymous opera tells the lovestory of the
cripples beggar Porgy and the drug-addict Bess, whose former lover, the
gangster Crown, does not want to let her go. —>Vaginal Davis
POR PRIMERA VEZ
Octavio Cortázar, Kuba/Cuba 1967, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 9 min
Ein Zeugnis der „audiovisuellen Alphabetisierung“ Kubas in den
1960er Jahren: Cortázar hält die Vorführung eines mobilen Kinos
in einem entlegenen Gebirgsdorf fest und zeigt die Reaktionen
der Bewohner auf ihre erste Begegnung mit Film, Charlie Chaplins
Modern Times. / A document of the “audiovisual alphabetization” of
Cuba in the 1960s: Cortázar records the screening of a mobile cinema
in a remote mountain village and shows the reactions of the inhabitants
upon their first encounter with film, which was Charlie Chaplin‘s
MODERN TIMES. —>Stefanie Schlüter
PORTRAIT OF GA
Margaret Tait, UK 1952, 16 mm, OV, 4 min
Ein Porträt der Mutter der Filmemacherin. Ein wirkliches Juwel,
ganz einfach und voller Sympathie. Draußen im Wind pflückt sie
eine Blume, raucht eine Zigarette am Fenster, dreht sich im Kreis –
schlohweißes Haar. / A portrait of the filmmaker’s mother. A real gem,
very simple and full of sympathy. Outside in the wind she picks a flower,
smokes a cigarette by the window, spins around – snow-white hair.
—>Öffentliche Sichtung/Public Screening
PORTRÄTFILM: KURT KREN
Ludwig Schönherr, BRD/FRG 1969, Super 8, 3 min
Ein Porträt des Wiener Filmemachers Kurt Kren. / A portrait of
Vienniese filmmaker Kurt Kren. —> Marc Siegel
POVELITEL MUKH (Lord of the Flies)
Vladimir Tyulkin, Vladimir Tyulkin, UdSSR/USSR 1990, 35 mm, OV
(dt. UT/German subtitles), 42 min
Ein alter Mann hat das Problem der Menschheit erkannt, es sind die
krankheitsübertragenden und ansonsten nichtsnutzigen Fliegen.
Um das Übel an der Wurzel zu packen, lockt er sie mit Tierkadavern
an und verfüttert die dabei entstehenden Maden an seine Tiere, die
er liebevoll pflegt, bis sie dann wiederum als Fliegenfangkadaver
enden. Diese kleine Hölle auf Erden sieht er als Modell, über
das er sich gerne einmal mit dem Generalsekretär der KPdSU,
Gorbatschow, unterhalten würde. / An old man has discovered the
273

FILMOGRAFIE
real problem of humanity: the disease-carrying and otherwise useless
flies. To tackle the root of the problem, he lures flies using animal
cadavers and feeds the resulting maggots to his various animals, which
he looks after lovingly until they, too, end up as fly-catching cadavers.
He sees this small hell on earth as a model which he would like to talk
about some day with the General Secretary of the Communist Party,
Gorbachev. —> Marcel Schwierin
PPII
M.M. Serra, USA 1986, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue, 1
min
Ihr Kino zeichnet sich durch üppige Sinnlichkeit, der Sorge um das
Licht, Spieltrieb und kunstvoll gewebte Tonspuren aus. / Her cinema
is marked by a lush sensuality, a concern for light, play and artfully
woven soundtrack. (Barbara Hammer) —> Stefanie Schlüter
PROJECTION INSTRUCTIONS
Morgan Fisher, USA 1976, 16 mm, OV, 4 min
Der Film besteht ausschließlich aus einer Folge geschriebener
Anweisungen für den Vorführer, wie er seinen Apparat bedienen
soll. Der Film ist eine Performance, bei der die Partitur sichtbar ist,
während der ausführende Darsteller im Verborgenen bleibt. / The
film consists of a series of instructions for the projectionist on how to
operate his machine. It is a performance, in which the score is visible,
while the performer remains hidden. —> Constanze Ruhm
PYAASA (Ewiger Durst)
Guru Dutt, Indien/India 1957, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 147 min
Im Mittelpunkt des Films steht ein erfolgloser Dichter, der
nicht einmal innerhalb der eigenen Familie Anerkennung findet.
Aufgrund einer Verwechslung wird er für tot erklärt. „Posthum“
wird sein Werk plötzlich als Erfolg gefeiert, während man ihn
unerkannt in eine Nervenheilanstalt einweist. / The film centers on a
failed poet who doesn‘t even receive recognition within his own family.
After he‘s declared dead due to a mix-up however, his work suddenly
becomes a posthumous success, while he is taken to an insane asylum in
another mix-up. —> Vaginal Davis
Q
QUERIDOS COMPAÑEROS
Pablo de la Barra, Chile 1973/1977, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles, 90 min
Der Polit-Thriller entstand 1973 in Chile während der
Regierungszeit der Unidad Popular. Seine Handlung wurde ins Jahr
1964 zurück verlegt, um durch eine historische Rekonstruktion
die Schwierigkeiten der Regierung Allende nachzuvollziehen. Der
faschistische Putsch im September 1973 setzte den Dreharbeiten
ein Ende, der Film wurde in Venezuela fertiggestellt. Der
Kommentar wird zur Stimme aus dem Exil. / A political thriller shot
in Chile in 1973 while the Unidad Popular was in power. The plot is set
in 1964, to trace the difficulties of the Allende government through
historical reconstruction. The fascist coup d’état put an end to the
production in September 1973 and the movie was finished in Venezuela.
The commentary becomes a voice from the exile. —> Florian Wüst
R
RABBIT’S MOON
Kenneth Anger, USA 1950/78, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 7 min
Pierrots erfolgloser Griff nach dem Mond und nach Columbine,
zu der Musik von Andy Arthur. / Pierrot tries to reach the moon and
Columbine, in vain, to the music of Andy Arthur. —> Stefanie Schlüter
RAILROAD TURNBRIDGE
Richard Serra, USA 1975/1976, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 17 min
13 Einstellungen zeichnen die Bewegung der Brücke in ihren
grundlegenden Funktionen auf: Öffnen, Schließen, Drehen
Einrasten, Ausrasten. Die Bewegungen der Kamera und die der
Brücke sind wechselseitig voneinander abhängig. / 13 shots record
the bridge‘s movement in its central funtions: opening, closing, turning,
locking, unlocking. The camera‘s and the bridge‘s movements relate to
each other. —> Eunice Martins
RAINBOW DANCE
Len Lye, UK 1936, 16 mm, OV, 5 min
Einer der ersten kurzen Experimentalfilme in Farbe: Ein
Werbefilm für Sparbücher der Post zeigt in farbenfrohen,
fantasievollen Bildern, warum es sich lohnt, für schlechte Zeiten
zu sparen. / One of the earliest experimental colour shorts,this Post
Office savings propaganda film is a colourful and surreal fantasy
demonstrating why you should save for a rainy day.
—> Stefanie Schlüter
RAKEM 49
Mohamed Rachid Benhadj, Algeria 1980, 16 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 60 min
Der erste Teil einer geplanten Reihe von Filmen über die
Wohnungsnot in Algerien: Eine Familie bekommt eine neue
Wohnung. Ihre Wünsche, Träume und Ängste verarbeitet Benhadj
mit Sinn für Humor. / The first in a series of films on the lack of
housing in Algeria: A family is issued a new home. Benhadj reflects
their dreams, hopes and fears with a sense of humor. —> Ala Younis
REASSEMBLAGE
Trinh T. Minh-ha, USA 1982, 16 mm, OV, 40 min
Gedreht im Senegal, destilliert der Film Töne und Bilder aus
dem alltäglichen Leben von Dorfbewohnern und widersteht
dem ethnologischen Bedürfnis, den „Anderen“ mittels
eindeutiger Zuschreibungen erklären zu wollen. Eine Kritik am
ethnologischen Blick und der dokumentarischen Autorität. /
Filming in Senegal, the director distills sounds and images from the
everyday life of villagers and resists the ethnological need to explain
the “other” by resorting to explicit attributions. The film is a critique of
the ethnological viewpoint and documentary authority.
—> Anselm Franke
REPORT
Bruce Conner, USA 1963–67, 16 mm, OV, 13 min
Ein Found Footage Film aus Nachrichtensendungen,
Dokumentationen und TV-Werbespots. „Der innere Rhythmus
erreicht hier eine neue Tiefe und bestärkt nicht nur die
audiovisuelle Kritik an einem einzelnen Ereignis, sondern
hinterfragt prinzipiell die Art, wie geschichtliche Ereignisse durch
Medien vermittelt werden.“ / A found footage film made from news
reports, documentaries and tv-spots. “The inner rhythm here reaches
new depths and strengthens not only the audiovisual critique of a
single event, but also analyzes the way that media convey histrory.”
(Anthony Reveaux) —> Martin Ebner/Florian Zeyfang
RHYTHM IN LIGHT
Mary Ellen Bute, USA 1934/35, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 5 min
Mary Ellen Butes erster Film nutzt Zellophan, Tischtennisbälle,
Schneebesen, Armbänder und Wunderkerzen um abstrakte Lichtund
Schattenformen zu erzeugen. / Mary Ellen Bute’s first film uses
cellophane, ping-pong balls, egg beaters, bracelets and sparklers to
create abstract light forms and shadows.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
274

FILMOGRAPHY
RHYTHMUS 21
Hans Richter, Deutschland/Germany 1921, 16 mm, OV, 2 min
RHYTHMUS 21 besteht nur aus bewegten abstrakten
Formen – Quadrate, Rechtecke und Linien – und gehört zu den
ersten Experimenten dieser Art in der Geschichte des Films. /
RHYTHMUS 21 consists solely of abstract forms – squares, rectangles
and lines – and is among the first experiments of its kind in film history.
—> Stefanie Schlüter
RHYTHMUS 23
Hans Richter, Deutschland/Germany 1928, 16 mm, OV, 3 min
Komplexer als RHYTHMUS 21 und doch eine logische Folge von
Richters Überzeugung, dass Film die moderne Kunst sei. Auch hier
liegt dem Experiment die Orchestrierung geometrischer Formen
zugrunde. / More complex than RHYTHM 21, the film is nonetheless a
logical extent of Richter‘s conviction that film is modern art. Again, the
orchestration of basic geometric forms according to precise rhythmical
patterns is the basis for this second experiment. (Standish Lawder)
—> Stefanie Schlüter
RIDDLES OF THE SPHINX
Laura Mulvey/Peter Wollen, UK 1976/1977, 16 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 92 min
Laura Mulvey und Peter Wollens „Filmmanifest” behandelt die
Position der Frau im Patriarchat im Licht der Psychoanalyse.
RIDDLES OF THE SPHINX bezieht sich dabei auf die kritischen
Schriften und Untersuchungen der beiden Filmemacher zu den
Codes des narrativen Films und präsentiert eine andersgeartete
formale Struktur, mit der die Perspektive auf die bildliche wie
semantische Repräsentation von Frauen im Film verschoben wird. /
Laura Mulvey and Peter Wollen’s “film manifest” addresses the position
of women in patriarchy through the prism of psychoanalysis. RIDDLES
OF THE SPHINX draws on the critical writings and investigations by
both filmmakers into the codes of narrative cinema, and offers an
alternative formal structure through which to consider the images and
meanings of female representation in film.
(www.screenonline.org.uk) —> Winfried Pauleit
ROSE HOBART
Joseph Cornell, USA 1936, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
19 min
ROSE HOBART besteht fast ausschließlich aus Szenen des Films
East of Borneo, einem Dschungel-B-Movie von 1931 mit der fast
vergessenen Schauspielerin Rose Hobart. Cornell kondensierte
den 77-minütigen Langfilm in einen 20-Minüter, indem er jede
Einstellung, in der Rose Hobart nicht vorkam, sowie sämtliche
Action-Sequenzen wegkürzte. / ROSE HOBART consists almost
entirely of footage taken from East of Borneo, a 1931 jungle B-film
starring the nearly forgotten actress Rose Hobart. Cornell condensed
the 77-minute feature into a 20-minute short, removing virtually
every shot that didn’t feature Hobart, as well as all of the action
sequences. (Senses of Cinema) —> Martin Ebner
RWANYIE BASCHMAKI (Die Zerrissenen Stiefel)
Margerita Barskaja, UdSSR 1933, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 88 min
Der erste sowjetische Film und der erste von Meschrabpom-Film,
der explizit mit Kindern und für Kinder gedreht wurde. Die Fabel
ist in einer namenlosen deutschen Hafenstadt anfangs der 1930er
Jahre angesiedelt, bebildert Streikkämpfe der Dockarbeiter und
teilt die handelnden Figuren nach soziologischen Kriterien auf. /
The first Soviet film and also the first that Mezhrabpom-Film made
explicitly with children for children. The fable is set in a nameless
German port in the early 1930s, shows street battles involving dockers
and divides up the performers in line with sociological criteria.
—> Entuziazm
S
SADY SKORPIONA (The Scorpions’s Gardens)
Oleg Kovalov, UdSSR/USSR 1991, 35 mm, OV (engl. UT/subtitles),
100 min
Aus den Fragmenten von Spionagefilmen, aus medizinischen,
musi kalischen, propagandistischen Streifen versuchten wir, eine
surrealistische Fantasie über das sowjetische Tauwetter der 50er
Jahre zu machen. / From fragments of spy movies, medical, musical
and propaganda movies, we tried to create a surrealist phantasy on the
Sowjet thaw period of the 1950s. (Oleg Kowalow)—> Tobias Hering
SAILBOAT
Joyce Wieland, Kanada/Canada 1968, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 3 min
Dieser kleine Segelbootfilm wird direkt durch Dein Eingangstor
und in Dein Herz segeln. / This little Sailboat film will sail right through
your gate and into your heart. (Joyce Wieland)
—> Martin Ebner, Florian Zeyfang/Eunice Martins
SALOME’S LAST DANCE
Ken Russell, UK 1988, 35 mm, OV, 89 min
Für SALOME‘S LAST DANCE stellte Russell Musik aus klassischen
Themen verschiedener Komponisten zusammen, mit dabei
Debussy und Delius. Der Film inszeniert eine Privataufführung des
von der Zensur verbotenen Theaterstücks „Salome“ für dessen
Autor Oscar Wilde. Aufführungsort ist ein luxuriöses Londoner
Bordell im viktorianischen Dekor. / In SALOME’S LAST DANCE Ken
Russell organizes a private performance of the forbidden play Salome
for it’s author Oscar Wilde in a luxurious brothel in Victorian London.
—> Vaginal Davis
SAJAT NOVA (Color of Pomegranates)
Sergei Paradjanow, UdSSR/USSR 1969, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 73 min
Ernsthaft und spielerisch zugleich lässt Paradjanow die Welt
des armenischen Dichters Aruthin Sayadin entstehen: ein
gegenwärtiges 18. Jahrhundert, in rätselhaften, poetischen,
modern-surrealistischen, liebevoll-ironischen Bildern. / Serious and
playful at the same time, Parajanov recreates the world of Armenian
poet Aruthin Sayadin: a view of the 18th Century that feels like the
present rendered in mysterious and poetic images with a modern
surrealist aesthetic and an affectionate sense of irony. (Dietrich
Kuhlbrodt) —> Marcel Schwierin
SHE MUST BE SEEING THINGS
Sheila McLaughlin, USA/BRD / USA/FRG 1987, 16 mm, OV, 94 min
SHE MUST BE SEEING THINGS verwebt die Arbeit einer
Regisseurin an der Verfilmung eines Romans von Thomas de
Quincey mit der konfliktreichen Beziehung zu ihrer Geliebten, die
sich vor Eifersucht verzehrt und in Tagträumen und Rachefantasien
ergeht. / SHE MUST BE SEEING THINGS weaves together a director’s
efforts at adapting a novel by Thomas de Quincey for the screen and her
conflict-filled relationship with her lover, which feeds off jealously and is
hung up on day dreams and revenge fantasies. —> Heinz Emigholz
SHIMPAN (Der Prozess/The Trial)
Shuji Terayama, Japan 1975, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
20 min
SHIMPAN beginnt mit einem Mann, der Nägel in eine Straße
hämmert. Dann bricht die soziale Ordnung zusammen und die
„Störung“ wird zu einer brutalen Form der Zuschauerbeteiligung.
/ SHIMPAN begins with a man hammers nails into a city street before
normal social order collapses and the “disturbance” spreads to an act of
violent audience participation.
—> Bonusfilm, präsentiert von/presented by Marc Siegel
275

FILMOGRAFIE
SHIRLEY TEMPLE STORY
Antoni Padros, Spanien/Spain 1976, 16 mm, OV, 226 min
Ein fast vierstündiger Underground-Marathon. Ein freches,
musikalisches Schurkenstück in Schwarz-Weiß auf die jüngste
Geschichte Spaniens. / An almost four hour long underground
marathon. A cheeky, musical fairytale about Spain’s recent history.
—> Sabine Schöbel
SHIWJOT TAKOJ PAREN (Es lebt so ein Junge)
Wassilij Schukschin, UdSSR/USSR 1964, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 99 min
Die Komödie handelt von dem jungen Lastwagenfahrer Pawel
Kolokolnikow. Er trifft immer neue Leute, lernt menschliche
Schicksale und Weltsichten kennen. „Als Resultat der sowohl
komischen wie traurigen Ereignisse, die der Film zeigt, kommt
Pawel allmählich zu der Schlussfolgerung, dass er keine allzu große
Erfahrung im Leben besitzt und dass sein eigenes Leben noch vor
ihm liegt.“ (Sovexportfilm) / The comedy tells the story of the young
truck driver Pavel Kolokolnikov. He meets new people and gets to know
various human fates and different aspects of life. „As a result of both the
comical as well as the tragic events in the film, Pavel gradually reaches
the conclusion that he doesn’t have a lot of experience and that his own
life still lies ahead of him“. (Sovexportfilm)
—> Marcel Schwierin
SHORT FILM SERIES
Guy Sherwin, UK 1976-1979, 16 mm, stumm/silent, 21 min
SHORT FILM SERIES wurde 1975 begonnen und ist prinzipiell
fortlaufend. Jeder Film dauert 3 Minuten, bzw. die Länge einer
100-Fuss-Rolle 16mm-Film. / SHORT FILM SERIES was begun in 1975,
and is in principle ongoing. Each film lasts approximately three minutes,
or the length of a one hundred-foot roll of film. —> Senta Siewert
SHURNALIST (The Journalist)
Sergei Gerasimov, UdSSR/USSR 1967, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 225 min
Der Film besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil (Begegnungen)
reist ein Journalist aus Moskau in eine kleine Stadt im Uralgebirge,
weil eine gewisse Anikina sich dort über die lokalen Behörden
beklagt. Dort verliebt er sich unglücklich in Schura. Er reist nach
Paris. Der zweite Teil (Garten und Frühling) erzählt von seinem
Leben in Paris, wo er lange Diskussionen mit einem amerikanischen
Journalisten führt. Über Moskau kehrt er schließlich ins
Uralgebirge zurück. / A film in two parts. Ine Part One (Encounters) a
journalist travels from Moscow to a town in the Ural, because a certain
Anikina is complaining about the local authorities. There, he unhappily
falls in love with Schura. He goes to Paris. Part Two (Garden and Spring)
shows his life in Paris, where he has long discussions with American
journalists. Via Moscow he returns to the Ural.
—> Marcel Schwierin
SIGMUND FREUD‘S DORA: A CASE OF MISTAKEN IDENTITY
Andrew Tyndall, Anthony McCall, Claire Pajaczkowska, Ivan Ward,
Jane Weinstock, USA 1979, 16 mm, OV, 35 min
Der Film rekonstruiert die Behandlung Doras, einer jungen Frau
mit hysterischen Symptomen, durch Sigmund Freud nach dessen
1905 publizierter Fallstudie. Die szenische Rekonstruktion
zielt dabei auf die Unstimmigkeiten und Lücken der Freudschen
Deutung, vor allem auf das fast gänzliche Fehlen der Mutter in
seiner Analyse. / The film reconstructs Sigmund Freud’s treatment
of Dora, a young woman with symptoms of hysteria, based on his case
study published in 1905. This staged reconstruction takes aim at the
various discrepancies and gaps within Freudian interpretation and at
the almost complete absence of the mother in his form of analysis in
particular. (Kraft Wetzel)
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
SING, IRIS, SING – FRAUEN LERNEN MÄNNERBERUFE
Monika Held/Gisela Tuchtenhagen, BRD/FRG 1977/78, 16 mm,
OV, 90 min
In einem Modell-Lehrgang in Essen werden arbeitslose Frauen in
sogenannten Männerberufen ausgebildet. Nach Abschluss dieser
Ausbildung erhalten sie den Facharbeiterbrief. Das Arbeitsamt
hofft, sie dann besser als bisher in freie Stellen vermitteln zu
können. / In a model-workshop in Essen, unemployed women are
trained in so-called men’s jobs. After completing the class they receive a
certificate. The job center hopes to be able to get them employed more
easily this way. —> Entuziazm
SNOJ (Hitze/Heat)
Larissa Schepitko, UdSSR/USSR 1963, 35 mm, OV (engl. UT/
subtitles), 85 min
Der Film erzählt von den ernüchternden Erfahrungen eines jungen
Mannes beim geplanten Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung.
Der 17-jährige Kemel kommt nach Ende seiner Schulzeit in die
Steppe von Kones-Anrachai, um einer Brigade bei der Gewinnung
von Neuland zu helfen. Ein poetischer „Eastern“ mit Anlehnungen
an Dowshenko und zugleich eine subtile Satire auf Chruschtschows
in den 50er Jahren gescheiteres Experiment, „Neuland“ in
Zentralasiens Steppen zu gewinnen. / The film is about the sobering
experiences of a young man against the background of the construction
of a new social order. After finishing school, 17-year-old Kemel arrives
in the steppes of Kones-Anrachai in order to assist a brigade in bringing
new land into agricultural production. It is at once a poetic “Eastern”
that borrows from Dovzhenko and a satire on Khrushchev’s failed Virgin
Lands Campaign of the 1950s. —> Marcel Schwierin
SOLARIS
Andrej Tarkewskij, UdSSR/USSR 1972, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 167 min
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Stanisław
Lem. Im Mittelpunkt steht die Reise des Psychologen Kelvin,
der zum meerbedeckten Planeten Solaris geschickt wird, um die
rätselhaften Vorkommnisse auf der dortigen Forschungsstation
zu untersuchen. Nach und nach erkennt Kelvin, dass der
geheimnisvolle Ozean auf Solaris die Träume, Ängste und
Schuldgefühle der Männer der Raumstation zu materialisieren
vermag. / The film is based on the novel of the same name by Stanisłav
Lem. The story focuses on the journey of a psychologist named Kelvin,
who is sent to the sea-covered planet of Solaris to investigate strange
occurrences on the research station there. Kelvin gradually realizes that
the mysterious ocean on Solaris is capable of making the dreams, fears
and guilt of the men on the space station take material form.
—> John Blue
SOLL SEIN. JIDDISCHE KULTUR IM JÜDISCHEN STAAT
Henryk M. Broder, Frans van der Meulen, BRD/FRG/Israel,
Netherlands 1984–1990, 16 mm, OV, 114 min
SOLL SEIN ist ein Dokumentarfilm über die jiddische Kultur im
Staat der Juden, über das Phänomen ‚Jiddisch’ in Israel. Der Titel
stammt von einem Gedicht von Jossi Papiernikoff aus dem Jahre
1924: „Soll sein, dass ich bau in die Luft meine Schlösser. / Soll sein,
dass mein Gott ist im Ganzen nicht da. / Im Traum ist mir heller, im
Traum ist mir besser, / im Traum ist der Himmel mir blauer als blau.
// Soll sein, dass ich werd meine Ziel nicht erreichen, / soll sein, dass
mein Schiff wird nicht kommen zum Steg. / Mir geht nicht darum,
ich soll was erreichen, / mir geht um den Gang auf einem sonnigen
Weg!“ / SOLL SEIN is a documentary film on Jiddish culture in the
Jewish state, about the phenomenon ‘Jiddish’ in Israel. The title is based
on a poem by Jossi Papiernoff from 1924. —> Harun Farocki
276

FILMOGRAPHY
SPEND IT ALL
Les Blank, USA 1971, 16 mm, OV, 44 min
Während der Dreharbeiten zu A WELL-SPENT LIFE entstand
dieser Film über eine Gruppe Cajun-Leute aus Louisiana. / While
shooting A WELL-SPENT LIFE, Blank encountered a group of Cajun
people from Louisiana and shot this short about them.
—> Sabine Nessel
SPOOK SPORT
Mary Ellen Bute, USA 1939/1941, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 8 min
Ein Filmballett, das Gespenster, Geister und Knochen zeigt, die
– in Synchronisation zu Camille Saint-Saëns Danse macabre um
Mitternacht auf einem Friedhof tanzen und umherspringen. / A
film ballet showing spooks, ghosts and bones dancing and cavorting
about the graveyard at midnight, tightly synchronized to the music of
Saint-Saëns Danse macabre.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening, Stefanie Schlüter
STALKER
Andrej Tarkewskij, UdSSR/USSR 1979, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 162 min
Unter der Führung eines Ortskundigen, der am Rande der Welt
in einer verfallenen Industrielandschaft lebt, begeben sich ein
Wissenschaftler und ein Schriftsteller in die mysteriöse „Zone“,
wo es angeblich einen Ort geben soll, an dem die geheimsten
Wünsche in Erfüllung gehen. Die Expedition wird zur Reise in
die Innenwelt der Protagonisten, ins Imaginäre, ins Schweigen.
/ Led by a local scout who lives in a rundown industrial landscape
on the edge of the world, a scientist and a writer set out into the
mysterious „zone“, which is allegedly home to a place where one’s most
secret wishes come true. The expedition becomes a journey into the
protagonists themselves, into the imaginary and into silence.
—> John Blue
STILL LIFE
Jenny Okun, UK 1976, 16 mm, stumm/silent, 6 min
Der Film untersucht die Transformation eines Bildes von
Farbnegativ zu -positiv auf demselben Filmmaterial. Das Stilleben
wurde während der Aufnahme in sein Farbnegativ umgefärbt,
der Film entwickelt und auf Farbnegativfilm kopiert. / This film
explores the transformation of an image from color negative to color
positive on one film stock. The still life was painted its color negative
during the filming and then the exposed film was processed and
printed on color negative printstock. (Jenny Okun)
—> Stefanie Schlüter
ST. LOUIS BLUES
Dudley Murphey, USA 1929, 16 mm, OV, 16 min
ST. LOUIS BLUES enthält die einzigen Filmaufnahmen der
„Empress of the Blues“ Bessie Smith, sowie ihre einzigen
Tonaufnahmen, die außerhalb der Kontrolle von Columbia
Records entstanden. / ST. LOUIS BLUES (1929) contains the only
film footage of “Empress of the Blues” Bessie Smith, as well as her only
recordings made outside of her Columbia Records contract.
—> Vaginal Davis
STUDIE IV (FRIGÖRELSE (Befreiung/Liberation))
Peter Weiss, Schweden/Sweden 1954, 16 mm, ohne Dialog/
without dialogue, 9 min
Für Peter Weiss ist die Zeit, in der er Filme machte, eine
Übergangszeit zwischen Bild und Schrift. Aber er legte dabei
auch einen anderen Weg zurück. Er begann in dem kleinen Raum
der Imagination, dann stieß er das Fenster auf in einem Film mit
dem Namen BEFREIUNG. Die ganze Welt war jetzt seiner Kunst
zugänglich. / For Peter Weiss, the time in which he made films is a
time of transition from image to text. But he made a second transition
in the process. He started in the small room of imagination, then he
pushed open the window in a film called LIBERATION. Now his art had
access to the whole world. (Harun Farocki) —> Ian White
SUBJEKTITÜDE
Helke Sander, BRD/FRG 1970, 16 mm, OV, 5 min
Eine Frau und zwei Männer an einer Bushaltestelle, jeweils mit
subjektiver Kamera aus der Perspektive der Person gedreht, die
spricht und die jeweils anderen beobachtet. / A woman and two
men at a bus stop, shot with subjective camera, from the perspective of
the person speaking and observing the other. (Helke Sander)
—> Angela Melitopoulos
SUPER ART MARKET
Zoran Solumun, Deutschland/Germany 2009, Betacam SP, OV
(dt. UT/German subtitles), 89 min
Noch nie wurde mit zeitgenössischer Kunst so viel Geld verdient
wie in den Jahren 2002 bis 2008. Die Protagonisten dieser
Entwicklung sind nicht Investoren oder Künstler, sondern die
Galeristen, die Art-Dealer. Sie „erschaffen“ die Künstler und
entscheiden an wen sie deren Werke verkaufen wollen. „Super
Art Market“ stellt fünf erfolgreiche und aufstrebende Galeristen
in sein Zentrum: Leo König aus USA, Judy Lybke aus Deutschland,
Lorenz Helbling aus China, Mihai Pop aus Rumänien und Laura
Bartlett aus England. / Contemporary art has never generated much
money as in the years 2002 to 2008. The protagonists of this trend
were not the investors or the artists however, but rather the galerists
and the art dealers. It is they who “create” the artists and decide who
their works should be sold to. “Super Art Market” focuses on five
successful, up-and-coming galerists: Leo König from the USA, Judy
Lybke from Germany, Lorenz Helbling from China, Mihai Pop from
Romania and Laura Bartlett from England. —> Merle Kröger
SUSAN THROUGH CORN
Kathleen Laughlin, USA 1974, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 2 min
Ein grobkörniges Porträt meiner Schwester im Maisfeld im
August. Sie ist so groß, dass sie verloren geht. Intensitäten von
Grün, Rot, Gelb und Flöte. / A pixillated portrait of my sister in the
August cornfields, so tall she‘s lost; intensities of green, red, yellow,
and flute. (Kathleen Laughlin) —> Eunice Martins
SWEETGRASS
Lucien Castaing-Taylor, Ilisa Barbash, USA 2009, 35 mm, OV (dt.
UT/German subtitles), 106 min
Schafe, so weit das Auge reicht. Die Anthropologen und
Filmemacher Lucien Castaing-Taylor und Ilisa Barbash haben
drei Sommer lang in den Absaroka-Beartooth Mountains die
Schafzucht auf einer der letzten Ranches in Familienbesitz
dokumentiert. / Sheep – as far as the eye can see. The anthropologists
and filmmakers Lucien Castaing-Taylor and Ilisa Barbash spent three
summers documenting sheep farming at one of the last family-owned
ranches in the Absaroka-Beartooth Mountains.
—> Merle Kröger
SYNCHROMY NO.2
Mary Ellen Bute, USA 1935/36, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 5 min
Zerrbilder, Kalaidoskop-Effekte und Doppelbelichtungen
erschaffen in dieser abstrakten Animation ein Gefühl von
Materialität und Tiefe. / Artful distortions, kaleidoscopic effects and
overlays create the impression of tactility and depth in this abstract
animation. —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
277

FILMOGRAFIE
T
TA’DET SOM EN MAND, FRUE! (Nehmen Sie es wie ein Mann,
Madame!/Take it like a man, madame!)
Mette Knuden, Dänemark/Denmark 1974/75, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 95 min
Der Film handelt von einer 50-jährigen Frau aus der Mittelklasse,
die 30 Jahre lang an der Seite eines durchschnittlichen
Ehemannes ein durchschnittliches, zufriedenes Dasein als
Ehefrau und Mutter geführt hat und nun ins Berufsleben
einsteigen möchte. Sie bekommt die typischen Symptome
einer ‚Hausfrauenneurose‘ und hat einen Traum, in dem die
Geschlechterrollen vertauscht sind. / The film is about a 50-year
old woman middle class woman, who has been leading an ordinary,
happy life of a housewife and mother with an ordinary husband for 30
years and now wants to enter the job market. She developes the typical
symptoms of a ‘housewife neurosis’ and has a dream, in which gender
roles are switched around. —> Bonusfilm für/for Erika Gregor
TAILS
Paul Sharits, USA 1976, 16 mm, stumm/silent, 4 min
Ein Zusammenschnitt umkopierter Filmrollen-Enden. „TAILS von
Paul Sharits zeigt das Ende der Tatsachen.“ / A montage of tails of
rolls of film. “TAILS by Paul Sharits shows the end of all facts.”
(Heinz Emigholz) —> Eunice Martins
TARANTELLA
Mary Ellen Bute, USA 1940/41, 16 mm, ohne Dialog/without
dialogue, 5 min
In einem Gerüst tanzen Punkte, Quadrate, Ringe, Schwärme
von pfeilartigen Dreiecken; Stäbe, runde Formen, zickzack- und
wellenförmige Linien ändern ihre Formen, Positionen und Farben,
während sie die Verbindungen zwischen Musik, Farbe und Form
erforschen. / In a swift moving dance dots, squares, rings, groups of
arrow-like triangles, bars, circular forms, zig-zag and wave-formed
lines shift their size, position and colors, exploring the connections of
music, color and form. —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
TEILWEISE VON MIR – EIN VOLKSSTÜCK (Partly Mine – A Folk
Film)
Hellmuth Costard, Winfried Burtschel, BRD/FRG 1973, 16 mm,
OV, 55 min
Hellmut Costards Film liegen vielfältige Reflexionen über Politik
und Arbeit, Wirtschaft und Technik, Identität und Werbung
zugrunde. Er ist ein kollektiver, ebenso hintersinniger wie
unterhaltsamer Monolog über den Zustand der westlichen
Konsumgesellschaft. / The film is based on a variety of reflections on
politics and labor, economy and technology, identity and advertising.
Hellmuth Costard asked 606 pedestrians in Hamburg, Berlin and
Munich to repeat one of these thoughts through sentences like “Who
determines when to feel ashamed?”, “Do plants have a soul?” or
“Without loom no cloth”. —> Florian Wüst
TELEVISION DELIVERS PEOPLE
Richard Serra, USA 1973, DigiBeta, OV, 6 min
Serra kritisiert das Medium Fernsehen mittels durch das Bild
laufender Sprachbänder, unterlegt von Kaufhausmusik, als ein
Instrument sozialer Kontrolle, das unter dem Deckmantel der
Unterhaltung die Machtstrukturen derer festigt, die davon
profitieren: die Konzerne. Eine ihrer Zeit vorausgreifende,
intelligente System- und Kapitalismuskritik. / With scrolling text,
accompagnied by elevator music, Serra critizises the television medium
as an instrument of social control, which, disguised as entertainment,
reinforces the power structures of those who profit from it: the
corporations. An intelligent critique of the capitalist system way ahead
of its time. —>John Blue
THE BIG SHEEP (Caora Mor)
Margaret Tait, UK 1966, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
40 min
Touristenbusse fahren in den Norden, Bus folgt auf Bus, während
in umgekehrter Richtung die Schafe nach Süden transportiert
werden – Lastwagen folgt auf Lastwagen. Eine Region in den
schottischen Highlands ändert ihr Gesicht. / Tourist busses drive
north, bus follows bus, while sheep are transported south, in the other
direction - truck follows truck. A region in the Scottish Highlands
changes its face. —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
THE BLANK GENERATION
Amos Poe, USA 1975, 16 mm, OV, 55 min
Amos Poes THE BLANK GENERATION (1975) ist ein Home Movie
über die Geburt des New York Punk mit Iggy Pop, Blondie und
Patti Smith. / Amos Poe‘s THE BLANK GENERATION (1975) is a home
movie about the birth of New York punk with Iggy Pop, Blondie and
Patti Smith. —> Vaginal Davis
THE BLUES ACCORDIN´ TO LIGHTIN´HOPKINS
Les Blank, USA 1968, 16 mm, OV, 31 min
Dieser zutiefst berührende Film porträtiert den großen
texanischen Blues-Musiker Lightnin’ Hopkins. Blank zeigt
Lightnins Inspirationen und enthält eine ordentliche Portion
klassischen Blues. / The great Texas bluesman Lightnin’ Hopkins is
captured brilliantly in this deeply moving film. Blank reveals Lightnin’s
inspiration, and features a generous helping of classic blues.
(www.lesblank.com) —> Sabine Nessel, John Blue
THE CAMERAMAN (Der Kameramann)
Edward Sedgewick, USA 1928, 16mm, deutsche Zwischentitel/
German intertitles, 69 min
DER KAMERAMANN, das ist nicht bloß eine dieser perfekten
Unterhaltungsklamotten von Buster Keaton, sondern vor
allem ein einfallsreicher und seiner Zeit vorauseilender Film
über Film und die Medien – gekrönt von einigen unfreiwilligen
Ausflügen Keatons in den Bereich des Experimentalfilms. / THE
CAMERAMAN is not only one of these perfect slapstick movies by
Buster Keaton, but chiefly one of the most inventive and ahead of
its time film about film and media – crowned by some involuntary
excursion by Keaton into the world of experimental film. (Tilo
Driess)—> Entuziazm
THE DIRECTOR AND HIS ACTOR LOOK AT FOOTAGE
SHOWING PREPARATIONS FOR AN UNMADE FILM
Morgan Fischer, USA 1961, 16 mm, OV, 15 min
Die erste Einstellung ist lippensynchron, der Rest ist aus dem Off
gesprochen und gibt die Bemerkungen der beiden Leute wieder,
die den Film betrachten. Nichts Weltbewegendes wird gesagt:
das meiste ist Wiedererkennen und Erinnerung – der Ton, in dem
gesprochen wird, ist wichtig; die einzelnen Worte sind es nicht. /
While the first scene is lipsynched, all the rest of the dialogue is spoken
by people outside the frame. It relates the comments of the two people
watching the film. Nothing groundbreaking is said: it is mostly about
recognition and memory – how it is said is important, not what is said.
(Morgan Fisher) —> Martin Ebner/Florian Zeyfang
THE EVIL FAERIE
George Landow, USA 1966, 16 mm, stumm/silent, 1 min
Ein Mann auf einem Dach bewegt die Hände als seinen sie Flügel.
/ A man on the roof making flying gestures with his hands.
—> Martin Ebner
THE GOLD DIGGERS
Sally Potter, GB 1983, 35 mm, OV, 89 min
THE GOLD DIGGERS erzählt von zwei Frauen auf der Suche nach
278

FILMOGRAPHY
ihrer eigenen Art von Gold. / THE GOLD DIGGERS tells the story of
two women searching for their own type of gold.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
THE HALFMOON FILES
Philip Scheffner, Deutschland/Germany 2007, Betacam SP, OV (dt.
UT/German subtitles), 87 min
Eine vielschichtige audiovisuelle Recherche zur Verflechtung von
Politik, Kolonialismus, Wissenschaft und Medien – ausgehend
von Bild- und Tondokumenten indischer und nordafrikanischer
Kriegsgefangener aus dem „Halbmondlager“ in Wünsdorf
bei Berlin zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Anders gesagt: eine
Geistergeschichte. / A complex audio-visual investigation of the
interconnections between politics, colonialism, scholarship, and media –
using image and sound documents of Indian and North African prisoners
of war from the „Halfmoon Camp“ in Wünsdorf near Berlin from the
period of the First World War. In other words: a ghost story. (Birgit
Kohler) —> Nanna Heidenreich
THE KILLING OF A CHINESE BOOKIE (Mord an einem
chinesischen Buchmacher)
John Cassavetes, USA 1976, 35 mm, OV (dt. UT/German subtitles),
109 min
Der Besitzer einer zweitklassigen Strip-Bar (Ben Gazzara) soll
zur Begleichung enormen Spielschulden einen lokalen Mafiaboss
ermorden. Cassavetes wendet sich mit diesem schwarzen Thriller
dem Genrekino zu, um es kalt und systematisch zu demontieren. /
To pay his gambling debts the owner of a second-rate strip club has to kill
a local mobster. Cassavetes coldly and systematically deconstructs genre
cinema in this dark thriller. —> Vaginal Davis
THELONIOUS MONK: STRAIGHT, NO CHASER
Charlotte Zwerin, USA 1988, 35 mm, OV (dt. UT/German subtitles),
90 min
Ein unvergleichliches Filmporträt von einer der
außergewöhnlichsten Persönlichkeiten in der Geschichte des
Jazz. Der Film basiert auf Dokumentarmaterial, das Ende der 60er
Jahre von dem großen Pianisten und Komponisten Thelonious
Monk gedreht wurde. / An unforgettable film portrait of one of the
extraordinary personalities in the history of jazz. The film is based on
documentary material of the great composer and pianist Thelonious
Monk shot in the late 1960s. —> John Blue
THE MAN WHO COULDN´T FEEL AND OTHER TALES
Joram ten Brink, UK 1996, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles),
52 min
Joram ten Brink verknüpft Reiseeindrücke aus Chinas Provinzen,
Bombay und San Francisco, der Antarktis, Italien, Holland und
Frankreich mit Archivmaterial aus China, Portugal und Japan
zu einem vielschichtigen Essay über die Geschichte des 20.
Jahrhunderts. / Joram ten Brink combines traveling impressions from
the Chinese provinces, Bombay, San Francisco, the Antarctic, Italy,
Holland and France with archive footage from China, Portugal and Japan
to form a complex essay about the history of the 20th century.
—> Harun Farocki
THE MURDER OF FRED HAMPTON (Die Ermordung von Fred
Hampton)
Mike Gray, USA 1970, 35 mm, OV (dt. UT/German subtitles), 89 min
Eine politische Dokumentation des Lebens von Fred Hampton,
des Vorsitzenden der Black Panther Party in Illinois, der als Folge
eines nächtlichen Überfalls, der am 4.12.1969 vom Büro des
Staatsanwalts in Chicago veranlasst wurde, starb. Die zweite Hälfte
des Films beschäftigt sich mit den Umständen seiner Ermordung
und untersucht die amtlichen Verschleierungsversuche, die ihr
folgten. (Produktionsnotiz) / A political documentary on the life of
Fred Hampton, leader of the Black Panther Party in Illinois, who died
in a nightly attack ordered by the Chicago State’s Attorney’s Office
on December 4, 1969. The second half of the film is concerned with
the circumstances of his death and the official cover-up that ensued.
(Production notice) —> John Blue
THE SUN’S GONNA SHINE
Les Blank, USA 1968, 16 mm, OV, 10 min
Eine lyrische Nachinszenierung der Entscheidung des achtjährigen
Lightnin’ Hopkins, mit dem Baumwollhacken aufzuhören und
stattdessen mit dem Singen seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
/ A lyrical recreation of Lightnin’ Hopkins’ decision at age eight to stop
chopping cotton and start singing for a living. (www.lesblank.com)
—> Sabine Nessel
THE VERY EYE OF NIGHT
Maya Deren, USA 1959, 16 mm, ohne Dialog/no dialogue, 13 min
Die Form basiert auf Visuellem und Bewegung und ist vergleichbar
einem Ritual, nicht so sehr dem verbalen Ausdruck von Lyrik
und Prosa. / The form based on the visual and the movement can be
compared to a ritual, and not so much to the verbal expression of poetry
and prose. (Maya Deren)
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
THE WOMAN’S FILM
Newsreel (Louise Alaimo, Judy Smith, Ellen Sorin), USA 1970, 16
mm, OV (dt. UT/German subtitles), 41 min
Der Film wurde nur von Frauen aus dem NEWSREEL Kollektive in
San Francisco gedreht, als gemeinsame Anstrengung der Frauen
vor und hinter der Kamera. Das Drehbuch wurde auf Basis von
zuvor mit den im Film auftretenden Frauen geführten Interviews
geschrieben. Ihre Mitarbeit und Zustimmung wurde an vielen
Punkten der Produktion ersucht. / The film was made entirely by
women in San Francisco NEWSREEL. It was a collective effort between
the women behind the camera and those in front of it. The script itself
was written from preliminary interviews with the women in the film.
Their participation, their criticism, and approval were sought at various
stages of production. —> Angela Melitopoulos
THIRTY-THREE YOYO TRICKS
P. White, USA 1976, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue, 7 min
Ein Yoyo-Künstler demonstriert seine Fähigkeit beim „Spaziergang
mit dem Hund“, „Zerspalten eines Atoms“, und schleudert sein Yoyo
in einer Reihe unvorstellbarer Winkel in die Gegend. / A yoyo artist
demonstrates his skills “walking the dog” or “splitting the atom” and
throws his yoyo around in a number of unbelievable angels.
—> Stefanie Schlüter
THREE PORTRAIT SKETCHES
Margaret Tait, UK 1951, 16 mm, FASSUNG, 5 min
Porträts von Claudia Donzelli, Saulat Rahman und Fernando Birri:
Filmemacher, die in den 1950er Jahren gemeinsam mit Margaret
Tait am Centro Sperimentale di Cinematographia in Rom studierten.
/ Portraits of Claudia Donzelli, Saulat Rahman and Fernando Birri:
filmmakers who studied together with Tait at the Centro Sperimentale di
Cinematographia in Rome in the 1950s.
—> Öffentliche Sichtung/Public Screening
THRILLER
Sally Potter, UK 1979, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles), 33 min
THRILLER ist ein feministischer „Mystery-Film“, dessen Heldin,
Mimi, die Tatsachen zusammensetzt, die sich hinter ihrem eigenen
Tod in der Oper La Boheme verbergen. / THRILLER is a feminist
mystery film whose heroine Mimi puts together the facts behind her own
death in the opera La Boheme. —> Heinz Emigholz
279

FILMOGRAFIE
TOCA PARA MÍ (Spiel für mich/Play for me)
Rodrigo Fürth, Argentinien/Argentina 2001, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 103 min
Carlos ist Schlagzeuger in einer Punkrock-Band in Buenos Aires.
Als sein Adoptivvater Genaro, ein Akkordeonspieler, stirbt, reist er
in das kleine Dorf Los Angeles, das irgendwo in der Pampa liegt. Je
weiter er die Punkmusik hinter sich lässt, desto offener wird er für
Rhythmen der Folklore. / Carlos is the drummer in a punk rock band
in Buenos Aires. When his adoptive father Genaro, an accordion player,
dies, he travels to the small village of Los Angeles, which is in the middle
of nowhere. The further he leaves punk music behind him, the more
open he becomes to the rhythms of folklore. —> Vaginal Davis
TOQUE DE QUEDA
Iñaki Nuñez, Spanien/Spain 1978, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 57 min
Iñaki Nuñez’ Spielfilm TOQUE DE QUEDA handelt von der
tödlichen Repression der Franco-Dikatur. Ausgehend von den
Hinrichtungen von Mitgliedern der FRAP (Frente Revolucionario
Antifascista y Patriota) im Sommer 1975 inszeniert der Film die
Geschichte der Mutter und Widerstandskämpferin Marta. / Iñaki
Nuñez’s feature TOQUE DE QUEDA deals with the deadly repression of
the Franco dictatorship. Starting with the execution of members of the
FRAP (Frente Revolucionario Antifascista y Patriota) in the summer of
1975, the film tells the story of Marta, mother and freedom fighter.
—> Sabine Schöbel
TOSS IT, BABY
Beate Rathke, USA 2007, MiniDV, OV, 6 min
Eine blonde Frau steht an einer kalifornischen Strandpromenade
und schüttelt ihr langes Haar. Eine scheinbar harmlose Geste wird
in ihrer Wiederholung unangenehm schmerzhaft und enthüllt ihre
normative Struktur. / A blonde woman tosses her hair at a Californian
beach. The seemingly innocent gesture gets tantalizing in the repetition
and reveals its normative structure. —> Angela Melitopoulos
TRAUMFABRIK KABUL
Sebastian Heidinger, Deutschland/Afghanistan / Germany/
Afghanistan 2011, Blu-ray, OV (dt. UT/German subtitles), 82 min
Saba Sahar ist seit 18 Jahren Polizistin in Kabul. Aber sie ist auch
Schauspielerin, Regisseurin und Produzentin. Als Vertreterin
der staatlichen Exekutive, aber auch als Filmemacherin ist das
zentrale Thema ihres Wirkens die alltägliche Gewalt gegen
afghanische Frauen. / Saba Sahar has been a policewoman for 18
years in Kabul. But she is also an actress, director and producer. As a
representative of the state executive, but also a filmmaker, the central
theme of her work is the everyday violence against Afghan women.
—> Merle Kröger
TRIXIE
Stephen Dwoskin, UK 1971, 16 mm, OV, 28 min
In TRIXIE (mit Beatrice Cordua-Schönherr) weicht die Musik
der Wiederholung ihres Namens, die Kamera wird gewaltvoller,
die Machtposition zunehmend der Kamera/dem Betrachter
zugewiesen. / In TRIXIE (mit Beatrice Cordua-Schönherr), the music
gives way to the repetition of her name, the camera becomes evermore
violent, and the position of power is increasingly shifted to the camera/
viewer. —> Marc Siegel
TROP TÔT, TROP TARD (Zu früh, zu spät/Too early, too late)
Danièle Huillet, Jean-Marie Straub, Frankreich/Ägypten / France/
Egypt 1980, 16 mm, Deutsche Version / German Version, 104 min
Über eine Revolution sprechen, wie es dazu kam, was darauf
folgte. 1980 drehten Jean-Marie Straub und Danièle Huillet in
Frankrech und Ägypten einen Film über verblasste und verpasste
Revolutionen: TROP TÔT, TROT TARD. / How to speak of a
revolution, the times before, the times that followed it. In 1980 Jean-
Marie Straub and Danièle Huillet made a film on faded French and
Egyptian revolutions: TROP TÔT, TROT TARD. —> Ala Younis
TUSALAVA
Len Lye, UK 1928, 16 mm, stumm/silent, 7 min
TUSALAVA wurde von indigener Kunst aus Australien,
Polynesien und der Maori inspiriert. Über 4.000 Zeichnungen
zellartiger Umrisse generieren ständig neue Formen die wachsen,
miteinander über zwei getrennte Flächen (eine schwarz, eine
weiß) hinweg interagieren und Themen wie Geburt, Tod, Sex und
Transformation heraufbeschwören. / TUSALAVA was inspired by
the indigenous art of Australian, Polynesian and Maori cultures. Over
4,000 drawings of cellular forms continuously generate new shapes
that grow and interact with one another across two distinct vertically
formatted panels (one black, one white), evoking themes of birth, death,
sex, and transformation. (Senses of Cinema) —> Stefanie Schlüter
U
ULTUGAN (More...Pridi!.../Meer... Komme...)
Edyge Bolysbajew, USSR/Kazakhstan 1989, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 90 min
Ein Kultfilm aus Kasachstan, der das monotone Dorfleben
zwischen verrosteten Schiffsracks an den ausgetrockneten Ufern
des Aralsees beschreibt. Die einsame Protagonistin Ultugan
verliebt sich in einen gestrandeten Kapitän, da dieser aber schon
verheiratet ist, bleiben die Konflikte mit der dörflichen Moral nicht
aus. / A cult film from Kazakhstan, dealing with the monotounos village
life between ruste shipwrecks on the banks of the dried-out Lake Aral.
The lonely protagonist Ultugan falls in love with a stranded captain.
Since he is already married, conflicts with the village’s morals are
inescapable. —> Marcel Schwierin
UMDEINLEBEN
Gesine Danckwart, Deutschland/Germany 2008, 35 mm, OV,
87 Min
UMDEINLEBEN ist ein unterhaltsamer, selbstironischer Film
über sechs Frauen, die mal wieder versuchen, ihr Leben zu
retten. In Gesine Danckwarts Film steht das Arbeits-, Körper-,
Liebesmarktchaos im krassen Gegensatz zur Filmsprache
architektonischer Ordnung und Logik: Sechs Monologe im
Zeitalter der Performativität, sechs Frauen, die es schaffen, sich
immer wieder neu zu erfinden. / UMDEINLEBEN is an entertaining
film about six women who try once again to save their lives. The chaos
of the work-, body-, and lovemarkets stands in stark contrast to the
architecturally ordered and logical film language: Six monologues in the
age of performativity, six women who manage to reinvent themselves.
—> Merle Kröger
UN BALCON EN AFRIQUE
Anita Fernandez, Guinea-Bissau 1980, 16 mm, ohne Dialog/
without dialogue, 16 min
In einem stattlichen Mangobaum irgendwo in Bissau lebt in einem
Baumhaus eine Europäerin in den Tag hinein. Aus luftiger Höhe
beobachtet sie das Alltagsleben der Hauptstadt. Wann wird sie
herunterkommen, um wieder mit beiden Beinen auf der Erde
stehen? 1980, sechs Jahre nach der endgültigen Unabhängigkeit
Guinea-Bissaus gedreht, ist UN BALCON EN AFRIQUE eine
Metapher auf die Situation wohlmeinender europäischer
„Aktivisten“ im post-kolonialen Afrika. Der Film entstand in
Zusammenarbeit mit einer Gruppe einheimischer Filmemacher,
kurz bevor ein Staatsstreich die politische Landschaft Guinea-
Bissaus nachhaltig veränderte. / Somewhere in Bissau, a European
woman lives in a treehouse in a large mango tree and watches the
flow of day-to-day life in the capital. When will she come down from
280

FILMOGRAPHY
her lofty heights? Made in 1980, six years after Guinea-Bissau finally
won its independence, UN BALCON EN AFRIQUE is a metaphor
for the situation of sympathetic European “activists” visiting postindependence
Africa. The film was made in collaboration with local
filmmakers just months before a coup d’état heralded drastic changes in
the political landscape. —> Filipa César
UTOPIANS
Zbigniew Bzymek, USA 2011, Blu-ray, OV (dt. UT/German
subtitles), 84 min
Roger arbeitet als Yoga-Lehrer. Das Verhältnis zu seiner frisch
aus dem Militärdienst ausgeschiedenen Tochter Zoe wird durch
deren Liebe zu Maya belastet, einer jungen Frau, der Schizophrenie
attestiert wurde. Drei Menschen, die sich am Rand bewegen: der
Gesellschaft, der Beherrschung, der Kräfte, des Zusammenbruchs.
Entdramatisiert und nicht linear bildet sich aus teils durch
Schwarzblenden separierte Szenen die Skizze einer Geschichte. /
Roger teaches yoga. The relationship with his daughter Zoe, who has
just finished her military service, is put under strain by her love for
Maya, a young woman who is allegedly a certified schizophrenic. Three
people on the edge: of society, of control, of strength and of collapse.
The outline of a story is sketched in a non-dramatic and non-linear
way by scenes that are sometimes separated by fades to black. (Hans-
Joachim Fetzer) —> Merle Kröger
V
VON DER REICHSKANZLEI BIS PARAGUAY
Riki Kalbe, Barbara Kasper, Deutschland/Germany 1992, 35 mm,
OV, 7 min
1939 erschuf der Bildhauer Josef Thorak eine Pferdeskulptur,
die in Bronze gegossen vor der Reichskanzlei aufgestellt wurde.
Der Film besucht die verschiedenen Stationen der Skulptur
nach 1945 und sucht nach Spuren eines Denkmals, dem es (zum
Glück?) nicht gelungen ist, sich monumental festzusetzen. Welche
Gedächtnisfunktion haben solche Objekte? / In 1939, the sculptor
Josef Thorak made a bronze horse sculpture, which was set up in
front of the imperial chancery. The film visits the different stations
of the sculpture after 1945 and searches for traces of a memorial,
which (luckily?) has not managed to take roots as a monument. Which
commemorative function do such objects serve? —> Nanna Heidenreich
VORMITTAGSSPUK
Hans Richter, Deutschland/Germany 1928, 16 mm, OV, 6 min
Objekte (Hüte, Tassen, Kragen usw.) machen sich für kurze
Zeit selbständig und rebellieren gegen den Menschen und die
alltägliche Routine. Als die Uhr zwölf schlägt, kehren sie wieder an
ihren Platz zurück. / Objects (hats, cups, collars, etc.) momentarily take
on a life of their own and rebel against man and the daily routine. As the
clock strikes twelve, they return to their places. —> Stefanie Schlüter
W
WARHEADS
Romuald Karmakar, Deutschland/Germany 1989-92, 16 mm,
OV(engl. UT/subtitles), 185 min
WARHEADS vereint die Lebensgeschichten des ehemaligen
Fremdenlegionärs Günter Aschenbrenner und des britischen
Söldners Karl zu einem dreistündigen Dokumentarfilm. /
WARHEADS combines the life stories of the former foreign legionnaire
Günter Aschenbrenner and the British mercenary Karl in a three-hour
long documentary film. —> Ala Younis
WAS BLEIBT
Clarissa Thieme, Bosnien und Herzegowina/Bosnia and
Herzegovina 2009, HDCAM, OV, 34 min
WAS BLEIBT handelt von den Leerstellen, die Krieg und Gewalt
erzeugen. Der Film besteht aus langen, statischen Totalen von
Plätzen und Landschaften im heutigen Bosnien Herzegowina. Die
gezeigten Orte stehen für sich. Sie erklären sich nicht, sie werfen
die an sie gestellten Fragen zurück. / WHAT REMAINS is about the
empty spaces left behind in the wake of war and violence. The film is
composed of long static wide shots of places and landscapes in present
day Bosnia Herzegovina. The places in the film are present for their
own sake. They do not explain themselves to us. They throw back the
answers we ask of them. —> Darryl Els
WEISSFILM
Birgit & Wilhelm Hein, BRD/FRG 1977, 16 mm, ohne Dialog/no
dialogue, 5 min
WEISSFILM besteht aus Vorspannmaterial, der Ton entsteht durch
Randlöcher und Klebestellen, die direkt im Lichtton abgetastet
werden. / WEISSFILM consists of peaces of clear film leader. The sound
is produced through sprocketholes and splices, which are run through
the optical sound pick-up. —> Florian Zeyfang
WER BRAUCHT WEN? (Who needs whom?)
Valeska Schöttle, BRD/FRG 1972, 16 mm, OV, 70 min
Ein Frauenfilm und von daher der Bericht über einen Klassenkampf,
der nach zwei Richtungen geführt wird. Die Frauen kämpfen
gegen die Ausbeutung am Arbeitsplatz und in der Familie. Der
Film handelt davon, wie sie die Möglichkeiten eines gemeinsamen
effektiven Vorgehens suchen und finden. / A women’s film and as
such an account of a class struggle fought in two directions. The women
fight against exploitation in the workplace and in the family. The films
shows how they search and find ways to act together effectively.
—> Florian Wüst
WERNER HERZOG EATS HIS SHOE
Les Blank, USA 1980, 16 mm, OV (dt. UT/German subtitles), 23 min
Der Filmtitel ist durchaus wörtlich zu nehmen: Aufgrund einer
verlorenen Wette isst Werner Herzog seinen Schuh, den er zuvor
fünf Stunden in einer Sauce aus Knoblauch und Rosmarin gekocht
hatte – was das Leder zwar nicht weich machte, ihm aber einen
wunderbaren Geruch verlieh. / The film title is to be taken quite
literally. Having lost a bet, Werner Herzog proceeds to eat his shoe after
cooking it for five hours in a garlic and rosemary sauce, which, while
doing little to soften the leather, does at least give it a wonderful aroma.
—> Sabine Nessel
WHERE I AM IS HERE
Margaret Tait, UK 1964, 16 mm, ohne Dialog/without dialogue,
33 min
Ich begann mit einem Skript von sechs Zeilen, die nur eine Art
Ereignis beschrieben, das immer wieder und wieder auftauchen
sollte. Ich wollte einen Film mit seiner eigenen Logik konstruieren,
mit Entsprechungen innerhalb seiner selbst, seinen eigenen Echos
und Reimen und Vergleichen. / I began with a script of six lines, which
only described an event, which was supposed to occur over and over
again. I wanted to make film with a logic of its own, with analogies
within itself, its own echoes and rhymes and comparisons. (Margaret
Tait) —> Öffentliche Sichtung/Public Screening
WEST INDIES
Med Hondo, Frankreich/France 1979, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 116 min
WEST INDIES erzählt von einer Insel im karibischen Meer, von
der Geschichte des Volks der Antillen. Gestern noch herrschte
die Sklaverei: die kräftigsten Männer und Frauen werden zu
281

FILMOGRAFIE
Millionen dem afrikanischen Kontinent entrissen; zwangsweise
werden sie auf Sklavenschiffe verfrachtet und auf öffentlichen
Plätzen verkauft. / WEST INDIES tells the story of an island in the
Caribbean, the history of the people of the Antilles: Just yesterday
slavery ruled: the strongest men and women are taken from the
African continent by the millions, forced onto slave ships and sold in
public squares. —> Tobias Hering, Anselm Franke
WINTER ADÉ
Helke Misselwitz, DDR/GDR 1987, 35 mm, OV 117 min
Offen und unverblümt sprechen Frauen unterschiedlichen Alters
und gesellschaftlicher Zugehörigkeit von ihren Hoffnungen,
Sehnsüchten und Enttäuschungen. Vor dem Hintergrund ostdeutscher
Landschaften und Architekturen – der Film begibt
sich auf die Reise von Zwickau bis an die Ostsee – entsteht ein
unmittelbarer Eindruck des Lebens und der Stimmung in der
DDR – ein Jahr vor dem Zusammenbruch. / In an open and frank
way, women of different ages and social backgrounds speak about
their hopes, longings and disappointments. Against the backdrop of
Eastern German landscapes and architectures – the film travels from
Zwickau to the Baltic Sea – a direct impression of the life and mood in
the GDR is conveyed, a year before the system collapsed.
—> Ala Younis
WONDERFUL TOWN
Aditya Assarat, Thailand 2007, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 92 min
Ton, ein junger Architekt aus Bangkok, soll den Wiederaufbau
einer vom Tsunami zerstörten Ferienanlage im Süden Thailands
überwachen. Statt in einer der Bettenburgen von Takua Pa
mietet er sich in einem unscheinbaren Kleinstadthotel ein, wo
er der einzige Gast zu sein scheint. / Ton, a young architect from
Bangkok, is assigned to oversee the reconstruction of a holiday resort
in southern Thailand that had been destroyed by the tsunami. Instead
of a staying in one of the big tourist hotels in Takua Pa, he takes
lodgings in an inconspicuous small town hotel, where he seems to be
the only guest. (Christoph Terhechte) —> Merle Kröger
Y
YEK ETTEFAGHE SADEH (Ein einfaches Ereignis/A simple
Event)
Sohrab Shahid Saless, Iran 1973, 16 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 80 min
Der Alltag eines zehnjährigen Jungen in einer Hafenstadt am
Kaspischen Meer: Die Mutter ist krank, der Vater lebt vom
Schwarzhandel mit Fischen und trinkt, der Junge geht zur Schule,
ist aber kein guter Schüler. Die Mutter stirbt, der Kauf eines
Anzugs für den Jungen scheitert. / The everyday life of a 10-year
old boy in a seaport on the Caspian Sea: The mother is sick, the father
survives by selling fish on the black market and is a drunk, the boy
goes to school but is not a good student. The mother dies, the attempt
to buy the boy a suit ends in failure. —> Harun Farocki
ZEINAB
Muhammad Karim, Ägypten/Egypt 1950, 35 mm, OV (dt. UT/
German subtitles), 111 min
Muhammad Karims ZEINAB ist ein Tonfilm-Remake seines
gleichnamigen Stummfilms von 1930. Beiden Filmen liegt
Muhammad Husein Haikals gleichnamiger Bildungsroman von
1914 über eine Bauerntochter, die in einem Konflikt zwischen
familiären Verpflichtungen und ihren eigenen Hoffnungen
gefangen ist, zugrunde. / ZEINAB is a sound remake of his eponymous
1930 silent movie. Both films are based on Muhammad Husein Haikal‘s
novel written in 1914, about a peasant girl trapped between social and
family convention and her own hopes. —> Vaginal Davis
ZWEI ZU EINS
Riki Kalbe, Deutschland/Germany 1991, 16 mm, ohne Dialog/
without dialogue, 3 min
Zwei Frauen laufen über Bordsteine, Bürgersteige. Zu sehen sind
nur ihre Füße in Pumps.
Sie laufen aufeinander zu, tauschen einen Schuh und versuchen,
gemeinsam vorwärts zu kommen. Ein Beitrag zur deutschen
Einheit. (Produktionsmitteilung) / Two women walk on sidewalks
(German: Bürgersteige - lit.: citizen walks). We see only their feet in
pumps. They walk towards each other, exchange one shoe, and try to
walk on together. A film about the German Reunification. (Production
note) —> Nanna Heidenreich
ZOOM DOKU
Ludwig Schönherr, BRD/FRG 1967–69, Super8, stumm/silent, 18 min
siehe/see FACE I & II —> Marc Siegel
ZORN’S LEMMA
Hollis Frampton, USA 1970, 16 mm, OV, 59 min
Der Film „exemplifiziert den Übergang vom alphabetgelenkten
Denken zum kinematischen, indem ein Alphabet aus 24 Bildern
sich nach und nach an die Stelle der alten Letternreihe setzt, wobei
ein jeder Bildbuchstabe eine Sekunde lang steht, das heißt bei
der heutigen Vorführgeschwindigkeit sich 24-mal wiederholt.“ /
The film “exemplifies the transition from alphabet-based thinking to
cinematic thinking, in the sense that an alphabet made up of 24 images
gradually replaces the old series of letters, with each image-letter
holding for one second, which at today‘s projection speed means that it
repeats itself 24 times.” (Frieda Grafe) —> Entuziazm
Z
ZAN BOKO
Gaston Kaboré, Burkina Faso 1988, 35 mm, OV (dt. UT/German
subtitles), 95 min
Der Film beschreibt, wie die sich krebsartig ausbreitende Stadt
Ouagadougou auf der Suche nach neuem Baugrund das dörfliche
Leben an ihrer Peripherie vernichtet. / The film shows how the city
Ouagadougou, spreading like a cancer, destroys the village life at its
periphery in search of new building grounds. —> Anselm Franke
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BILDNACHWEISE / PICTURE CREDITS
Bildnachweise / Picture credits
S. 8 Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V.
S. 20 Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V.
S. 32 Foto von/Photos by Madeleine Bernstorff
S. 35 Videostill, Benjamin Tiven
S. 36 Scan aus/from : Ministère de l‘ information et de
la Culture - Alger (ed.) (1974) Cinéma: Production
Cinématographique 1957- 1973. Alger: Ministère de
l‘ Information
S.37 Fotos von/Photos by Madeleine Bernstorff, Filmkopie:
Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V.
S. 39 John Blue
S. 42–44 Fotos von/Photos by Dietmar Hochmuth
S. 48–50 Fotos, Stills und Scans von/Photos, Stills and Scans by
Filipa César
S. 66 Foto von/Photo by Martin Ebner
S. 70-72 Filmstills, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V.
S. 78 Produktionszeichnung/Production sketch, Heinz
Emigholz
S. 81 Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V.
S. 82-95 Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V.
S. 97 Filmstill, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V.
S. 98 Foto/Photo: Anonym/Anonymous, mit freundlicher
Genehmigung von/courtesy of Ken Jacobs
S. 103-105 Stephan Geene
S. 107-109 Filmstills, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V.
S. 112 oben/top: Arsenal – Institut für Film und
Videokunst. e.V.; unten/bottom: Filipa César
S. 164 Filmstill, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V
S. 166 Filmstill, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V
S. 168 Filmstill, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V
S. 171–175 Stefanie Schlüter
S. 178–183 Filmstill, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V
S. 189 Filmstill, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V
S. 190-194 Produktionsnotizen/Production sketches und/and
Filmstills, mit freundlicher Genehmigung von/courtesy
of Ludwig Schönherr
S. 197 Senta Siewert
S. 199/200 Fotos/Photos Markus Ruff, Videostills: mit freundlicher
Genehmigung der KünstlerInnen/courtesy of the artists
S. 202 Dorothee Wenner
S. 207 Dorothee Wenner
S. 210–211 Nina Hoffmann
S. 212-215 Johannes Paul Raether
S. 217–218 mit freundlicher Genehmigung von/courtesy of Deepa
Dhanraj
S. 219 mit freundlicher Genehmigung von/courtesy of Navroze
Contractor
S. 222 Florian Wüst
S. 228 Ala Younis
S. 235-236 Filmstills, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V
S. 242-243 Florian Zeyfang
S. 286–287 Thomas Eugster
S. 119 Rainer Schleßelmann/Labor für Gestaltung
S. 124 Marian Stefanowski
S. 130 Angela Melitopoulos
S. 132 Gerd Mittelberg
S. 136 Filmstill, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V
S. 137–139 Sabine Nessel
S. 140–146 Produktionsskizzen/Production Sketches und/and
Filmstills, mit freundlicher Genehmigung von/courtesy
of Laura Mulvey
S. 149 Joel Pizzini
S. 150 Jean-Luc Bertini
S. 152-153 Filmstills, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V
Übersetzungen der in diesem Buch versammelten Originaltexte
finden sie als Download unter
http://www.arsenal-berlin.de/de/edition/publikationen/livingarchive.html
Translations of the collected essays are available as digital
download here
http://www.arsenal-berlin.de/de/edition/publikationen/livingarchive.html
S. 154 oben/top Emilien Awadar; unten/bottom: Arsenal –
Institut für Film und Videokunst. e.V
S. 157 Constanze Ruhm
S. 158–159 Filmstill, Arsenal – Institut für Film und Videokunst. e.V
S. 160–62 Susanne Sachsse
283

Impressum / Imprint
Herausgeber/Editor
Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V.
Potsdamer Straße 2
10785 Berlin
www.arsenal-berlin.de
in Zusammenarbeit mit
KW Institute for Contemporary Art
KUNST-WERKE BERLIN e. V.
Auguststraße 69
10117 Berlin
www.kw-berlin.de
Redaktion / Edited by
Stefanie Schulte Strathaus
Ulrich Ziemons
Übersetzungen / Translations
Sonja Biermann
Daniel Hendrickson
James Lattimer
Ulrich Ziemons
Korrektorat / Proofreading
Hans–Joachim Fetzer
Joachim Mallaun
Mitarbeit / Editorial assistance
Markus Ruff
Julie Piérart
Salome Gersch
Tanja Horstmann
Nadine Voß
Gestaltung / Design
ITF Grafikdesign / Starship
Cover
Martin Ebner
Druck / Print
Druckerei Conrad GmbH Berlin
Living Archive – Archivarbeit als künstlerische
und kuratorische Praxis der Gegenwart /
Living Archive – Archival Work as a Contemporary
Artistic and Curatorial Practice
Projektleitung / Artistic director
Stefanie Schulte Strathaus
Projektkoordination / Project management
Markus Ruff
Projektverwaltung / Project administration
Tanja Horstmann
Frauke Neumann
Kerstin Reimann
Koordination Festival und Ausstellung /
Festival and exhibition coordination
Markus Ruff
Ulrich Ziemons
Technische Leitung / Technical coordination
Alexander Boldt
Marian Stefanowski
IT
Kerstin Stolt
Praktikanten / Interns
Julie Piérart
Christian Rüdiger
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit /
Press and publicity
Alexandra Lauck
Christine Sievers
Kuratorenteam Living Archive Ausstellung /
Curatorial team Living Archive exhibition
Ellen Blumenstein (Chefkuratorin / Chief curator KW),
Stephan Geene, Anja Lückenkemper,
Angela Melitopoulos, Ines Schaber,
Stefanie Schulte Strathaus, Ulrich Ziemons
Vorstand / Directors Arsenal – Institut für Film und
Videokunst e.V.
Milena Gregor, Birgit Kohler,
Stefanie Schulte Strathaus
b_books
Lübbenerstr. 14
10997 Berlin
www.b-books.de
ISBN 978-3-942214-14-8
284

Danke / Thanks
Erika und Ulrich Gregor, Telémachos Alexiou, Angela Anderson,
Ute Aurand, Emilien Awada, Joana Barrios, Gianfranco Baruchello,
Michael Bauer (Rohde & Schwarz DVS), Stéphane Bauer (Kunstraum
Kreuzberg), Jean-Pierre Bekolo, Christoph Bertrams (Goethe-
Institut Bangalore), Ariane Beyn (DAAD), Suleimane Biai,
Dr. Marion Bleß (Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin),
Tim Blue, Christa Blümlinger, Alf Bold, Julian Brinkmann,
Dorothea Brunialti, Isabel Carlos (Gulbenkian Foundation Lisbon),
Louise Burkart, Wagner Carvalho (Ballhaus Naunynstrasse Berlin),
Natxo Checa (ZDB Lisbon), Beatrice Cordua, Steen Dalin,
Nuno da Luz, Fred Dewey, Maria do Carmo, Sam Dunn (BFI),
Tamer El-Said (Cimatheque, Kairo), Tinatin Eppmann (Kulturstiftung
des Bundes), Kristy Faccer, Alexander Farenholtz (Kulturstiftung
des Bundes), Nikolai Franke, Nik Geene, Stephan Geene (b_books),
Fiona Geuß, Ingo Grell, Ivan Grifi, Günther Hasenkamp (Goethe-
Institut Kairo), Alexander Hahn (Kunstsäle Berlin), Vinzenz Hediger
(Goethe-Universität Frankfurt), Andreas Hesse (Cuba im Film),
Nanna Heidenreich (HBK Braunschweig), Birgit Hein,
Daniel Hendrickson, Mathias Heyden, Hansjörg Höltkemeier
(Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin), Marlen Hofmann
(Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin), Barbara Janisch,
Jochen Jezussek (poleposition d.c.), Ulrike Jordan, Udo Kalbe,
Stefan Kanter (moniteurs), Barbara Kasper, Wolfgang Kil,
Grada Kilomba, Cornelia Klauß (Bundesverband Kommunale
Filmarbeit), Bodo Knapheide (dffb), Martin Körber (Deutsche
Kinemathek), Tatjana Kononenko, Kristina Konrad, Gunter Krüger
(k2film), Helga Lähn (ARRI – Film & TV), Marta Leite,
Annamaria Licciardello (Centro Sperimentale di Cinematografia -
Cineteca Nazionale), Mónica Lima, Claus Löser, Christiane Lötsch
(Kulturstiftung des Bundes), Luciano Longo,
Joaquím Lopes Barbosa, Marina Ludemann (Goethe-Institut),
Misha Lylow, Robin Mallick (Goethe-Institut New Delhi),
Christoph Manz, Jordane Maurs, Nicola Mazzanti (Cinémathèque
royal de Belgique), Sheila McLaughlin, Diana McCarty, Ines Meier,
Daniel Meiller (Deutsche Kinemathek), Andrea Meneghelli (Cineteca
di Bologna), Reiner Meyer (KORNMANUFAKTUR), Laura Mulvey,
Dr. Thorsten Musial, Sana na N’Hada, Ralph Niebuhr
(cine plus), Silvia Nissen-Hülse (Auswärtiges Amt), Hila Peleg (Berlin
Documentary Forum), Daniel Perovic (Druckerei Conrad),
Alexander Peterhaensel (25 lies per second), Emily Pethick (The
Showroom London), Anja Petzold (Kulturstiftung des Bundes),
Catherine Philippe (CINE VIDEOCIM), Francesc Puértolas (Instituto
Cervantes Berlin), Marta Ponsa (Jeu de Paume), Paran Pour,
Settimio Presutto, Gert Rahn (wave-line), Anja-Christin Remmert
(ARRI – Film & TV), Viola Retzmann (dffb), Andreas Reuber (ARRI –
Film & TV), Arndt Roskens (Goethe-Institut Rio de Janeiro),
Claudia Roth (Rohde & Schwarz DVS) , Ove Sander, Sacha Sarchielli,
Valeria Sarmiento, Steffen Scheid (ARRI – Film & TV),
Frieder Schlaich (Filmgalerie 451), Christiane Schleindel
(Bundesverband Kommunale Filmarbeit), Ralph Schermbach
(pixel world), Uta Schnell (Kulturstiftung des Bundes),
Manuel Schubert (Film Highlights), Peter B. Schuhmann,
Bettina Schulte Strathaus (Goethe-Universität Frankfurt),
Marc Siegel (Goethe-Universität Frankfurt), Catarina Simão,
Michael Snow, Bettina Steinbrügge, Marla Stukenberg (Goethe-
Institut Mumbai), Kidlat Tahimik, Lynne Tillman,
Roselly A. Torres Rojas (Third World Newsreel), Carlos Vaz (INCA
Bissau), Hortensia Völckers (Kulturstiftung des Bundes),
Claudia von Alemann, Renate Wagner, Douglas Weir (BFI),
William Wheeler, Philip Widman, Dirk Zieseniß (Druckerei Conrad),
Carsten Zimmer, der Akademie der Künste Berlin, der F.-W. Murnau
Stiftung, dem Bundesverband Kommunale Filmarbeit, der dffb –
Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin, dem HAU Hebbel
am Ufer, dem Berliner Künstler programm des DAAD, dem Grünen
Salon, und allen Mit arbeiterInnen des Arsenal/and all employees
of the Arsenal!
gefördert durch
funded by the
German Federal Cultural Foundation
Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. wird gefördert durch
Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. is funded by
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
according to a resolution adopted by the German Bundestag
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Die Ausstellung Living Archive ist Teil des Projektes Relaunch (28.4.-25.8. 2013) in den KW Institute
for Contemporary Art. Eines der zentralen Projekte des Relaunch ist die Markierung, die der
Künstler Nedko Solakov und die neue Chefkuratorin Ellen Blumenstein in einer ungewöhnlichen
Kooperation im entkernten Haus vorgenommen haben. Solakov schreibt die programmatische
Neuausrichtung im wahrsten Sinne des Wortes in die Institution ein, indem er Räume und Formate
benennt, beziehungsweise ankündigt, und die Geschichte, Gegenwart und mögliche Zukunft der
KW narrativ vergegenwärtigt. Im gesamten Gebäude – von der Toreinfahrt bis zur Dachluke – wird
von kommenden Projekten berichtet, werden künftige Kooperationen vorgestellt, Vorhaben und
Wünsche formuliert.

Living Archive
Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart
Archive Work as a Contemporary Artistic and Curatorial Practice
Das ARSENAL – INSTITUT FÜR FILM
UND VIDEO KUNST hat in seiner 50-jährigen
Praxis mehr als 8.000 Filme gesammelt.
41 Künstler, Filmschaffende, Performer,
Musiker, Kuratoren und Wissenschaftler
haben zwei Jahre lang ein Ziel verfolgt:
In ein Filmarchiv einzudringen, das auf den
ersten Blick so scheint, als gäbe es keinen
Zugang. Die Ausgrabungen brachten Licht
in die Geschichte einer Institution und
aktivierten das Eigenleben der gesichteten
Filme. Der Rechercheprozess fand Eingang
in künstlerische und wissenschaftliche
Neuproduktionen, die über das Kino hinaus
gehen: Es entstanden Videoarbeiten,
Performances, Installationen, Soundarbeiten
und Film vermittlungsprojekte.
The ARSENAL – INSTITUTE FOR FILM
AND VIDEO ART has accumulated
a collection of more than 8,000 films
over its 50 years. 41 artists, filmmakers,
performers, musicians, curators, and
scholars pursued one goal over two
years: to burrow into a film archive which,
at first glance, seemed to provide no
way of access. Their excavations brought
to light the history of an institution and
re-animated the viewed films. The
research process led to new artistic and
scholarly productions, which extend
well beyond the cinema. This resulted in
video works, performances, installations,
sound works, and film educational
projects.
LIVING ARCHIVE verbindet Erforschung,
Erhalt und Veröffentlichung von Werken
der Filmgeschichte diskursiv mit einer
künstlerischen und kuratorischen Praxis
der Gegenwart. Das Projekt dient einer
zeitgemäßen Archivaufarbeitung, die
nicht nur auf Selbsterhalt abzielt, sondern
gleichzeitig Neues hervorbringt und Zugänge
verschafft.
LIVING ARCHIVE discursively combines
research, preservation, and the publication
of film history with an artistic and curatorial
practice of the present. The project
deals with the archive in a way appropriate
to our times, not only serving the goal
of self -preservation, but at the same time
generating something new and creating
points of access.
Mit Beiträgen von/with contributions by
Madeleine Bernstorff, John Blue, Ellen Blumenstein, Oksana Bulgakowa / Dietmar Hochmuth,
Filipa César, Vaginal Davis, Madhusree Dutta, Martin Ebner, Darryl Els, Heinz Emigholz,
Entuziazm (Michael Baute, Volker Pantenburg, Stefan Pethke), Harun Farocki, Anselm Franke,
Stephan Geene, Nanna Heidenreich, Tobias Hering, Merle Kröger, Eunice Martins,
Angela Melitopoulos, Avi Mograbi, Sabine Nessel und Studierenden der FU Berlin / and students
of the FU Berlin, Winfried Pauleit, Joel Pizzini, Constanze Ruhm, Susanne Sachsse, Ines Schaber,
Stefanie Schlüter, Sabine Schöbel, Stefanie Schulte Strathaus, Marcel Schwierin, Marc Siegel,
Senta Siewert, Studierenden der Klasse Hito Steyerl (UdK) / Students of the lensbased class
at UdK, Dorothee Wenner, Ian White, Nicole Wolf, Florian Wüst, Ala Younis, Florian Zeyfang
ISBN 978-3-942214-14-8