Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...
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94 deshalb für den erlebenden Menschen durchaus real sind. Um es mit Freuds Worten zu sagen: Das Ich kämpft also auf zwei Fronten, es hat sich seiner Existenz zu wehren gegen eine mit Vernichtung drohende Außenwelt wie gegen eine allzu anspruchsvolle Innenwelt. Es wendet die gleichen Methoden der Verteidigung gegen beide an, aber die Abwehr des inneren Feindes ist in besonderer Weise unzulänglich. Infolge der ursprünglichen Identität und des späterhin innigsten Zusammenlebens gelingt es schwer, den inneren Gefahren zu entfliehen. Sie verbleiben als Drohungen, auch wenn sie zeitweilig niedergehalten werden können. (Freud, 1940a, S. 130) Diese inneren Gefahren werden dramatisch im Angstanfall und abgemildert bei vielen somatoformen Störungen erlebt. Abgekürzt lässt sich also sagen, dass die neurotische Angst ein Fluchtversuch des Ich ist, der bei den Gefahren die von innen kommen, vollkommen misslingt, weil man sich selbst nicht entkommen kann. Zum Nachteil des Verständnisses körperbezogener Ängste hat Freud diese libidoökonomisch zu erklären versucht. Hierbei ist „Libido“ zur umfassenden Metapher für das lustvolle Leben geworden (Freud, 1916/17, S. 420; 1933, S. 90). In der Bezeichnung „Triebangst“ ist ein solches Verständnis von Libido enthalten. Das Phänomen, nämlich der Angstaffekt, wird hier mit dem Trieb in Zusammenhang gebracht und von dessen unbewusster Wirksamkeit abgeleitet. Bei den klinischen Beobachtungen solcher Korrelationen wird häufig übersehen, dass „Trieb“ und „Affekt“ voneinander unabhängige Qualitäten sind. Deshalb waren und sind alle Versuche, die Trieb- und Affekttheorien unter einen Hut zu bringen, das heißt, den Angstaffekt und andere basale menschliche Emotionen wie Freude, Trauer, Wut, Ekel, Überraschung und Verachtung triebenergetisch zu begreifen, zum Scheitern verurteilt (Krause, 1998; Ploog, 1999; Shapiro und Emde, 1992; Thomä und Kächele, 1996/97).
5 Trauma und Angst Dem DSM kann nicht entnommen werden, welche Verbindung zwischen Trauma und Angst besteht. Der gemeinsame Nenner ist in der Hilflosigkeit zu finden, durch die traumatische Situationen gekennzeichnet sind. Die häufige Komorbidität von Ängsten und Depressionen geht auf die unterschiedliche innere Verarbeitung ähnlicher Hilflosigkeiten zurück: „In diesen, Angst und Depression gemeinsamen, aber graduell unterschiedlichen Elementen von Bedrohung der Existenz liegt wahrscheinlich einer der Gründe für ihr häufiges gemeinsames Vorkommen. Der Zusammenhang zwischen beiden kann ein konsekutiver sein: Der Übergang schwerer Panikzustände in generalisierte Hilflosigkeit und Depression ist Beispiel eines rasch ablaufenden Prozesses. Ein langsamer Übergang von Angstzuständen in Depression, wobei sich die Ängste über mehrere Lebensbereiche ausbreiten, Aktivität und Selbstsicherheit blockieren und zu einem wachsenden Maß erlebter Hilflosigkeit führen können, ist im Verlauf schwerer Angstkrankheiten häufig anzutreffen.“ (Häfner, 1987, S. 198) „Was ist der Kern, die Bedeutung der Gefahrsituation?“ lautet die Frage. Freud beantwortet sie mit den Worten: „Offenbar die Einschätzung unserer Stärke im Vergleich zu ihrer Größe, das Zugeständnis unserer Hilflosigkeit gegen sie“ (Freud, 1926, S. 199). Ohne Zugewinn an Erkenntnis spricht man heutzutage mit D. und R. Blanchard (1988) von Risikoabschätzung. LeDoux (1998) kommentiert das entsprechende Verhalten mit den Worten: „Wir tun es ständig. Wir sind dauernd damit beschäftigt, Situationen einzuschätzen und zu planen, wie wir unsere Gewinne maximieren und unsere Verluste minimieren können. Ums Überleben geht es nicht nur, wenn uns ein Raubtier begegnet, sondern häufig auch in sozialen Situationen“ (S. 190). Dass sich diese „Risikoabschätzung“ unbewusst vollzieht, wurde in der modernen kognitiven Psychologie wiederentdeckt. Es steht freilich noch aus, dass in der „cognitive science“ die Bedeutung des dynamischen Unbewussten anerkannt wird. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen um Shevrin (1992), Brakel et al. (2000) und Bucci (1997; 2001) machen diesen Schritt notwendig. Das unbewusste Ich als „Angststätte“ (Freud, 1923, S. 287; 1926, S. 120) nimmt nicht nur 95
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Dem DSM kann nicht entnommen werden, welche Verbindung zwischen<br />
Trauma <strong>und</strong> <strong>Angst</strong> besteht. Der gemeinsame Nenner ist in der<br />
Hilflosigkeit zu finden, durch die traumatische Situationen gekennzeichnet<br />
sind. Die häufige Komorbidität <strong>von</strong> Ängsten <strong>und</strong> Depressionen<br />
geht auf die unterschiedliche innere Verarbeitung ähnlicher Hilflosigkeiten<br />
zurück: „In diesen, <strong>Angst</strong> <strong>und</strong> Depression gemeinsamen,<br />
aber graduell unterschiedlichen Elementen <strong>von</strong> Bedrohung der Existenz<br />
liegt wahrscheinlich einer der Gründe für ihr häufiges gemeinsames<br />
Vorkommen. Der Zusammenhang zwischen beiden kann ein<br />
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Maß erlebter Hilflosigkeit führen können, ist im Verlauf<br />
schwerer <strong>Angst</strong>krankheiten häufig anzutreffen.“ (Häfner, 1987,<br />
S. 198) „Was ist der Kern, die Bedeutung der Gefahrsituation?“ lautet<br />
die Frage. Freud beantwortet sie mit den Worten: „Offenbar die Einschätzung<br />
unserer Stärke im Vergleich zu <strong>ihre</strong>r Größe, das Zugeständnis<br />
unserer Hilflosigkeit gegen sie“ (Freud, 1926, S. 199). Ohne<br />
Zugewinn an Erkenntnis spricht man heutzutage mit D. <strong>und</strong> R. Blanchard<br />
(1988) <strong>von</strong> Risikoabschätzung. LeDoux (1998) kommentiert<br />
das entsprechende Verhalten mit den Worten: „Wir tun es ständig.<br />
Wir sind dauernd damit beschäftigt, Situationen einzuschätzen <strong>und</strong> zu<br />
planen, wie wir unsere Gewinne maximieren <strong>und</strong> unsere Verluste<br />
minimieren können. Ums Überleben geht es nicht nur, wenn uns ein<br />
Raubtier begegnet, sondern häufig auch in sozialen Situationen“<br />
(S. 190). Dass sich diese „Risikoabschätzung“ unbewusst vollzieht,<br />
wurde in der modernen kognitiven Psychologie wiederentdeckt. Es<br />
steht freilich noch aus, dass in der „cognitive science“ die Bedeutung<br />
des dynamischen Unbewussten anerkannt wird. Die Ergebnisse der<br />
Arbeitsgruppen um Shevrin (1992), Brakel et al. (2000) <strong>und</strong> Bucci<br />
(1997; 2001) machen diesen Schritt notwendig. Das unbewusste Ich<br />
als „<strong>Angst</strong>stätte“ (Freud, 1923, S. 287; 1926, S. 120) nimmt nicht nur<br />
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