Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...

Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ... Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...

oops.uni.oldenburg.de
von oops.uni.oldenburg.de Mehr von diesem Publisher
25.10.2012 Aufrufe

42 schiede der lokomotorischen Aktivität nachweisbar waren, (2) die Linien unterschiedlich im Ultraschall vokalisieren (ein von der Lokomotion unabhängiger Angst-Index) sowie (3) aufwendige statistische Verfahren zur Multidimensionalität des Angstverhaltens Lokomotion und Angst als unabhängige emotionale Dimensionen kennzeichneten (das heißt, Angst wird nicht durch lokomotorische Aktivität bzw. andere emotionale Dimensionen – zum Beispiel Neugier – kontaminiert). In einer Vielzahl zusätzlicher Tests explorieren HAB-Tiere unbekannte und hell erleuchtete Areale nur selten, verbringen kaum Zeit mit aktiver sozialer Interaktion und bevorzugen bei Stressexposition stets passive Coping-Strategien. Bereits im Alter von elf Tagen vokalisieren sie mittels Ultraschall deutlich mehr als LABs, ein deutliches Indiz für angeborene Angst. Wesentlich ist, dass die Verhaltenskriterien robust sind. Tatsächlich sind sie in der gesamten Lebensspanne der Zuchttiere (rund zwei Jahre) nachweisbar und vom Experimentator, der Tageszeit und dem Ort der Testung unabhängig. Selbst nach operativen Eingriffen (zum Beispiel Implantation einer Sonde ins Gehirn unter Vollnarkose) sowie während Trächtigkeit und Laktation bleibt die Divergenz zwischen den beiden Zuchtlinien bestehen. Wie auch beim Menschen, umfasst Angstverhalten bei Ratten mehr als nur die Reaktion auf anxiogene Stimuli. Auch die Ratte vermag zu antizipieren, zum Beispiel beim „freezing“: In diesem bewegungslosen Zustand ist das Tier hellwach und hat die sensorischen Schwellenwerte gesenkt. Dieser Zustand, den Normaltiere in extremen Stress-Situationen bevorzugen, ist bei HABs häufig unter Basalbedingungen zu registrieren. Dabei scheint Angst-Antizipation häufig in eine rigide Voreingenommenheit zu eskalieren, in der selbst neutrale Szenarien als potentiell bedrohlich interpretiert werden. Bei sozialer Konfrontation emittieren HABs dementsprechend mehr Ultraschall- Rufe als LABs und verbringen mehr Zeit mit „freezing“. Beide Verhaltensweisen gelten als Indices für Angst. Interessanterweise besteht dabei eine Assoziation zum Bedürfnis nach sozialer Nähe. In einer speziellen Versuchsanordnung, die diesem Bedürfnis Rechnung trägt,

investieren HABs mehr Zeit in sozialen Kontakt als LABs; außerdem scheint soziale Isolation für erstere mehr Stress zu induzieren als für letztere. Es ist dabei notwendig, ein breites Spektrum an Stressoren einzusetzen, um über die unmittelbare physiologische Bedrohung hinaus (zum Beispiel durch Fußschock) eine Informationsverarbeitung von sensorischen Signalen multipler Modalität in limbischen Arealen zu erreichen (zum Beispiel bei sozialer Konfrontation). Generell gilt, dass nur solche Test-Paradigmen valide Ergebnisse garantieren, die den kognitiven und emotionalen Leistungen der jeweils untersuchten Spezies und ihren natürlicherweise bevorzugten Verhaltensweisen Rechnung tragen. In diesem Kontext wird zum Beispiel elektrischer Fußschock primär „quick and dirty“-Reaktionen des Versuchstieres provozieren; um die Interaktion kortikaler und limbischer Areale zu untersuchen, ist dagegen das Auslösen von „slow and sophisticated“-Antworten, zum Beispiel durch soziale Herausforderung, zu bevorzugen. Wie auch bei Angst- bzw. depressiven Patienten werden Angstverhalten und passive Stressbewältigungsstrategien bei HAB-Tieren von einer Voreingenommenheit dahingehend begleitet, dass selbst harmlose Szenarien als potentiell bedrohend interpretiert werden. Daraus resultiert eine erhöhte Stress-Vulnerabilität, die sich im Rahmen der neuroendokrinen Phänotypisierung bestätigt. Ein schwacher emotionaler Stressor (zum Beispiel Exposition auf einer kleinen Plattform) wird mit einer Hyperreaktivität der HPA-(hypothalamo-pituitaryadrenocortical-)Achse beantwortet, gemessen an deutlich erhöhtem Plasma-ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) und Plasma-Corticosteron. Auch Plasma-Prolaktin ist im Vergleich zu LAB-Tieren signifikant erhöht, während die Plasma-Konzentration der neurohypophysären Peptide Vasopressin und Oxytocin nicht differiert. In diesem Kontext muss betont werden, dass ausschließlich auf Angstverhalten selektiert wurde und wird. Dass sich bei Angsttieren typische neuroendokrine Charakteristika ergeben, die auch klinisch relevant sind, weist auf eine genetische Assoziation hin. Diese Assoziation zwischen Angst und HPA-Achsen-Aktivität führt zwangsläu- 43

investieren HABs mehr Zeit in sozialen Kontakt als LABs; außerdem<br />

scheint soziale Isolation für erstere mehr Stress zu induzieren als für<br />

letztere. Es ist dabei notwendig, ein breites Spektrum an Stressoren<br />

einzusetzen, um über die unmittelbare physiologische Bedrohung<br />

hinaus (zum Beispiel durch Fußschock) eine Informationsverarbeitung<br />

<strong>von</strong> sensorischen Signalen multipler Modalität in limbischen<br />

Arealen zu erreichen (zum Beispiel bei sozialer Konfrontation).<br />

Generell gilt, dass nur solche Test-Paradigmen valide Ergebnisse<br />

garantieren, die den kognitiven <strong>und</strong> emotionalen Leistungen der<br />

jeweils untersuchten Spezies <strong>und</strong> <strong>ihre</strong>n natürlicherweise bevorzugten<br />

Verhaltensweisen Rechnung tragen. In diesem Kontext wird zum Beispiel<br />

elektrischer Fußschock primär „quick and dirty“-Reaktionen des<br />

Versuchstieres provozieren; um die Interaktion kortikaler <strong>und</strong> limbischer<br />

Areale zu untersuchen, ist dagegen das Auslösen <strong>von</strong> „slow and<br />

sophisticated“-Antworten, zum Beispiel durch soziale Herausforderung,<br />

zu bevorzugen.<br />

Wie auch bei <strong>Angst</strong>- bzw. depressiven Patienten werden <strong>Angst</strong>verhalten<br />

<strong>und</strong> passive Stressbewältigungsstrategien bei HAB-Tieren <strong>von</strong><br />

einer Voreingenommenheit dahingehend begleitet, dass selbst harmlose<br />

Szenarien als potentiell bedrohend interpretiert werden. Daraus<br />

resultiert eine erhöhte Stress-Vulnerabilität, die sich im Rahmen der<br />

neuroendokrinen Phänotypisierung bestätigt. Ein schwacher emotionaler<br />

Stressor (zum Beispiel Exposition auf einer kleinen Plattform)<br />

wird mit einer Hyperreaktivität der HPA-(hypothalamo-pituitaryadrenocortical-)Achse<br />

beantwortet, gemessen an deutlich erhöhtem<br />

Plasma-ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) <strong>und</strong> Plasma-Corticosteron.<br />

Auch Plasma-Prolaktin ist im Vergleich zu LAB-Tieren signifikant<br />

erhöht, während die Plasma-Konzentration der neurohypophysären<br />

Peptide Vasopressin <strong>und</strong> Oxytocin nicht differiert.<br />

In diesem Kontext muss betont werden, dass ausschließlich auf<br />

<strong>Angst</strong>verhalten selektiert wurde <strong>und</strong> wird. Dass sich bei <strong>Angst</strong>tieren<br />

typische neuroendokrine Charakteristika ergeben, die auch klinisch<br />

relevant sind, weist auf eine genetische Assoziation hin. Diese Assoziation<br />

zwischen <strong>Angst</strong> <strong>und</strong> HPA-Achsen-Aktivität führt zwangsläu-<br />

43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!