Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...

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25.10.2012 Aufrufe

34 aversiver Reflex, der nach Konorskis Theorie in aversiven Situationen „geprimt“, also verstärkt sein sollte. Diese theoretische Vorhersage lässt sich tatsächlich experimentell bestätigen und entspricht ja auch unserer Alltagserfahrung: In unbekannten, dunklen und möglicherweise gefährlichen Gegenden erschrecken wir beim leisesten Knacken, während wir in einer vertrauten, hellen und sicheren Umgebung kaum auf solche Reize reagieren. Wir haben uns nun den Umkehrschluss aus diesen Beobachtungen zunutze gemacht und verwenden die Amplitude der Schreckreaktion, also die Schreckhaftigkeit des Organismus, als physiologisches Maß für dessen emotionalen Zustand. Langs Gruppe benutzt das sogenannte International Affective Picture System (IAPS) zur Modulation der Schreckreaktion durch einen positiven oder negativen Affekt. Dieses System aus über 800 Bildern ist einmalig in der Welt: Zu jedem dieser Bilder gibt es genaue Daten zu Herzratenänderung, Hautleitfähigkeit, Schreckhaftigkeit und bewusster Empfindung des Inhalts der Bilder, und dies aus den verschiedensten Bevölkerungs- und Altersgruppen. Das Betrachten dieser Bilder stellt gewissermaßen den emotionalen Hintergrund her, vor dem die Schreckreaktion als objektives Maß für die Aktivität der dafür verantwortlichen Hirnstrukturen gemessen wird. Langs Daten zeigen klar, dass die Schreckreaktion im Vergleich zu neutralen Bildern (wie Haushaltsgegenständen) durch aversive oder bedrohliche Bilder (zähnefletschende Hunde, Bilder von Gewaltopfern) verstärkt und durch positive oder angenehme Bilder (Erotika, Bilder von Säuglingen) abgeschwächt werden kann. Allerdings zeigen Patienten mit einer psycho- oder soziopathischen Persönlichkeitsstörung keine die Potenzierung der Schreckreaktion durch aversive Bilder. Im Gegensatz dazu ist die Schreckhaftigkeit bei phobischen Patienten vor dem Hintergrund von Bildern, welche die gefürchteten Objekte (zum Beispiel Spinnen oder Schlangen) darstellen, extrem verstärkt (Lang et al. 2001). In parallel dazu angelegten Experimenten an Ratten haben wir zunächst die neuronalen Grundlagen der akustisch ausgelösten Schreck-

eaktion und dann die Mechanismen der Modulation dieser Reaktion durch negativen und positiven Affekt untersucht. Wie kann man das bei Ratten tun? Ratten werden entweder direkt durch einen unangenehmen Reiz in einen aversiven Zustand versetzt oder durch eine klassische Konditionierung, bei der ein aversiver Reiz mit einem neutralen Reiz gepaart wird, sodass der konditionierte Reiz dann als furchtauslösender Reiz eingesetzt werden kann. Im Gegensatz zu Untersuchungen am Menschen ist es im Tierexperiment möglich, die Ursachen von Verhaltensveränderungen durch Eingriffe ins Gehirn direkt zu untersuchen. Unsere Untersuchungen zu den Grundlagen der Potenzierung der Schreckreaktion durch Furcht haben sich auf ein bestimmtes Kerngebiet im Vorderhirn von Ratten konzentriert. Dieses Kerngebiet wird als Amygdala (oder Mandelkern) bezeichnet und liegt beim Menschen und bei anderen Säugern medial des Temporallappens. Schon seit den Pionierversuchen der Psychiater Klüver und Bucy in den dreißiger Jahren ist bekannt, dass dieses Hirngebiet für die Verarbeitung von Emotionen eine zentrale Rolle spielt (Klüver, Bucy, 1937). Bei Ratten bewirkt die Reizung der Amygdala eine Erhöhung der Schreckhaftigkeit und eine Verstärkung akustisch ausgelöster Aktionspotentiale im Schaltkreis der Schreckreaktion. Experimentell durchgeführte bilaterale Zerstörung der Amygdala oder deren temporäre chemische Inaktivierung bewirkt ein völliges Ausbleiben negativer affektiver Reaktionen. Zum Beispiel erfolgt keine Potenzierung der Schreckreaktion durch aversive Reize. Durch Anwendung einer Reihe von neurobiologischen Techniken konnten wir eine direkte, exzitatorische Projektion von der Amygdala in die Hirnregion charakterisieren, welche die Schreckreaktion vermittelt. Das heißt, hier ist es gelungen, das neuronale Netzwerk für die Potenzierung der Schreckreaktion in aversiven Situationen bei Ratten bis in anatomische und neurophysiologische Details zu beschreiben. Die entsprechenden, das heißt homologen Hirnstrukturen sind auch beim Menschen an der Schreckreaktion beteiligt, und es 35

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aversiver Reflex, der nach Konorskis Theorie in aversiven Situationen<br />

„geprimt“, also verstärkt sein sollte. Diese theoretische Vorhersage<br />

lässt sich tatsächlich experimentell bestätigen <strong>und</strong> entspricht ja auch<br />

unserer Alltagserfahrung: In unbekannten, dunklen <strong>und</strong> möglicherweise<br />

gefährlichen Gegenden erschrecken wir beim leisesten Knacken,<br />

während wir in einer vertrauten, hellen <strong>und</strong> sicheren Umgebung<br />

kaum auf solche Reize reagieren. Wir haben uns nun den Umkehrschluss<br />

aus diesen Beobachtungen zunutze gemacht <strong>und</strong> verwenden<br />

die Amplitude der Schreckreaktion, also die Schreckhaftigkeit des<br />

Organismus, als physiologisches Maß für dessen emotionalen Zustand.<br />

Langs Gruppe benutzt das sogenannte International Affective Picture<br />

System (IAPS) zur Modulation der Schreckreaktion durch einen positiven<br />

oder negativen Affekt. Dieses System aus über 800 Bildern ist<br />

einmalig in der Welt: Zu jedem dieser Bilder gibt es genaue Daten zu<br />

Herzratenänderung, Hautleitfähigkeit, Schreckhaftigkeit <strong>und</strong> bewusster<br />

Empfindung des Inhalts der Bilder, <strong>und</strong> dies aus den verschiedensten<br />

Bevölkerungs- <strong>und</strong> Altersgruppen. Das Betrachten dieser Bilder<br />

stellt gewissermaßen den emotionalen Hintergr<strong>und</strong> her, vor dem die<br />

Schreckreaktion als objektives Maß für die Aktivität der dafür verantwortlichen<br />

Hirnstrukturen gemessen wird. Langs Daten zeigen klar,<br />

dass die Schreckreaktion im Vergleich zu neutralen Bildern (wie<br />

Haushaltsgegenständen) durch aversive oder bedrohliche Bilder<br />

(zähnefletschende H<strong>und</strong>e, Bilder <strong>von</strong> Gewaltopfern) verstärkt <strong>und</strong><br />

durch positive oder angenehme Bilder (Erotika, Bilder <strong>von</strong> Säuglingen)<br />

abgeschwächt werden kann. Allerdings zeigen Patienten mit<br />

einer psycho- oder soziopathischen Persönlichkeitsstörung keine die<br />

Potenzierung der Schreckreaktion durch aversive Bilder. Im Gegensatz<br />

dazu ist die Schreckhaftigkeit bei phobischen Patienten vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Bildern, welche die gefürchteten Objekte (zum Beispiel<br />

Spinnen oder Schlangen) darstellen, extrem verstärkt (Lang et<br />

al. 2001).<br />

In parallel dazu angelegten Experimenten an Ratten haben wir zunächst<br />

die neuronalen Gr<strong>und</strong>lagen der akustisch ausgelösten Schreck-

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