Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...

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328 Darstellung die Möglichkeit, verschiedene pathologische Formen wie zum Beispiel Panikattacken und Phobien, von denen in anderen Beiträgen dieses Bandes ausführlich die Rede ist, vergleichend einzuordnen, sowie den systematischen Ort für denjenigen Zustand anzugeben, der als Stimmung Angst gewöhnlich der Emotion Furcht gegenübergestellt wird. Von großer systematischer Relevanz, besonders hinsichtlich der Reduktionismus-Debatte, ist darüber hinaus die Unterscheidung zwischen der diachronen Frage nach den Entstehungs- und Erhaltungsbedingungen von Furcht- und Angstzuständen und der synchronen Frage nach den hirnorganischen (oder biochemischen) Korrelaten dieser Zustände. Darauf werde ich am Ende des Beitrages näher eingehen. Ich beginne mit der Entwicklung des Furchtschemas bei Tieren. Die Darstellung dürfte hier etwas einfacher als beim Menschen ausfallen und auch der evolutionären Entwicklung zumindest im groben folgen. Da wir in diesem Fall weder Analogieschlüsse aus eigener Perspektive anbieten noch auf sprachliche Mitteilungen hoffen können, sind wir ganz auf Kriterien der adäquaten Furcht-Zuschreibung angewiesen: Wir sehen Tiere in bestimmten Situationen und klassifizieren bestimmte Verhaltensweisen, die sie zeigen, zum Beispiel als Furchtverhalten. Dabei muss, wie Joseph LeDoux in seinem Buch Das Netz der Gefühle (1998) wiederholt betont, nicht angenommen werden, dass diejenigen Tiere, die Furchtverhalten zeigen, auch tatsächlich Furcht empfinden. Das ihnen zugeschriebene und im Gehirn zu lokalisierende „Furchtsystem“ ist LeDoux zufolge ein System, das Gefahren entdeckt und Reaktionen erzeugt, die die Wahrscheinlichkeit maximieren, „eine Gefahrensituation möglichst vorteilhaft zu überleben“ (1998, S. 138). Dagegen sollten wir nicht vorschnell annehmen, dass sich ein gefährdetes Tier auch tatsächlich fürchtet. Furchtgefühle sind für LeDoux allenfalls ein Nebenprodukt der Evolution. Dennoch zeigt sich bereits bei Tieren eine Grundkonstellation, die ich als Triangulierungsschema bezeichnen und bei der Betrachtung menschli-

329 cher Furcht und Angst im folgenden noch weiter ausbauen möchte (Abbildung 1). Die eine Ecke des Schemas wird von derjenigen Entität eingenommen, die das Gefahrenabwehrverhalten zeigt. Im Falle von Tieren ist es wahrscheinlich am angemessensten, vom Organismus als dem Träger des Abwehrverhaltens zu sprechen. 2 Die zweite Ecke des Schemas repräsentiert die potentielle oder vermeintliche Gefahr. Gehen wir von den einfachsten und natürlich vorfindbaren Konstellationen aus, so sieht sich das Tier im entsprechenden Fall einer Situationen ausgesetzt, die geeignet ist, ein sogenanntes Gefahrenabwehrverhalten auszulösen: der Bedrohungssituation. Hierbei kann es sich um ein bedrohliches Ereignis handeln oder um ein bedrohendes Objekt, das geeignet ist, dem Tier zu schaden. Entscheidend ist jedoch in beiden Fällen, dass die bedrohliche Situation als eine solche wahrgenommen beziehungsweise als eine solche klassifiziert wird; sie muss zumindest die Reaktionen auslösen, die normalerweise angemessen sind, um auf Gefahren zu reagieren. Geschieht dies nicht und ist die Bedrohung real und groß genug, so ist es in der Regel um die inadäquat Klassifizierenden geschehen – wie zum Beispiel um die „unerschrockenen“ Guppys, die sich nicht davor „fürchteten“, einen Schwarzbarsch aus nächster Nähe „inspizieren zu wollen“ (vgl. Andreas Paul, in diesem Band). Andererseits muss eine Bedrohung nicht real sein, um scheinbar adäquates Abwehrverhalten auszulösen. Allgemein bekannt sind die Versuche mit kleinen Küken, die auch dann flüchten, wenn man nur Raubvogelschablonen über den Käfig schweben lässt. Die Bedrohung ist nicht real, aber sie löst das Verhalten aus, das bei realen Bedrohungen adäquat wäre. 2 Ich möchte an dieser Stelle jedoch offen lassen, von welcher Entität am zutreffendsten als dem Träger eines Furcht- oder Angstzustandes beziehungsweise eines Furcht- oder Angstverhaltens gesprochen werden sollte: einem Organismus, oder allgemeiner: einem System, oder eingeschränkter: einer Person, einem „ego“? Deshalb bleibe ich zunächst abstrakt und spreche schlicht vom „Träger des Furcht- oder Angst-Zustandes“.

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cher <strong>Furcht</strong> <strong>und</strong> <strong>Angst</strong> im folgenden noch weiter ausbauen möchte<br />

(Abbildung 1).<br />

Die eine Ecke des Schemas wird <strong>von</strong> derjenigen Entität eingenommen,<br />

die das Gefahrenabwehrverhalten zeigt. Im Falle <strong>von</strong> Tieren ist<br />

es wahrscheinlich am angemessensten, vom Organismus als dem<br />

Träger des Abwehrverhaltens zu sprechen. 2<br />

Die zweite Ecke des Schemas repräsentiert die potentielle oder vermeintliche<br />

Gefahr. Gehen wir <strong>von</strong> den einfachsten <strong>und</strong> natürlich vorfindbaren<br />

Konstellationen aus, so sieht sich das Tier im entsprechenden<br />

Fall einer Situationen ausgesetzt, die geeignet ist, ein sogenanntes<br />

Gefahrenabwehrverhalten auszulösen: der Bedrohungssituation. Hierbei<br />

kann es sich um ein bedrohliches Ereignis handeln oder um ein<br />

bedrohendes Objekt, das geeignet ist, dem Tier zu schaden. Entscheidend<br />

ist jedoch in beiden Fällen, dass die bedrohliche Situation als<br />

eine solche wahrgenommen beziehungsweise als eine solche klassifiziert<br />

wird; sie muss zumindest die Reaktionen auslösen, die normalerweise<br />

angemessen sind, um auf Gefahren zu reagieren. Geschieht<br />

dies nicht <strong>und</strong> ist die Bedrohung real <strong>und</strong> groß genug, so ist es in der<br />

Regel um die inadäquat Klassifizierenden geschehen – wie zum Beispiel<br />

um die „unerschrockenen“ Guppys, die sich nicht davor „fürchteten“,<br />

einen Schwarzbarsch aus nächster Nähe „inspizieren zu wollen“<br />

(vgl. Andreas Paul, in diesem Band). Andererseits muss eine<br />

Bedrohung nicht real sein, um scheinbar adäquates Abwehrverhalten<br />

auszulösen. Allgemein bekannt sind die Versuche mit kleinen Küken,<br />

die auch dann flüchten, wenn man nur Raubvogelschablonen über den<br />

Käfig schweben lässt. Die Bedrohung ist nicht real, aber sie löst das<br />

Verhalten aus, das bei realen Bedrohungen adäquat wäre.<br />

2 Ich möchte an dieser Stelle jedoch offen lassen, <strong>von</strong> welcher Entität am zutreffendsten<br />

als dem Träger eines <strong>Furcht</strong>- oder <strong>Angst</strong>zustandes beziehungsweise<br />

eines <strong>Furcht</strong>- oder <strong>Angst</strong>verhaltens gesprochen werden sollte: einem Organismus,<br />

oder allgemeiner: einem System, oder eingeschränkter: einer Person, einem<br />

„ego“? Deshalb bleibe ich zunächst abstrakt <strong>und</strong> spreche schlicht vom „Träger<br />

des <strong>Furcht</strong>- oder <strong>Angst</strong>-Zustandes“.

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